Trotz sich stetig verbessernder Operationstechniken sowie intensivmedizi-nischer und diagnostischer Möglichkeiten betrug die durchschnittliche Komplikationsrate neurochirurgischer Eingriffe laut einer Auswertung von Daten des American College of Surgeons im Zeitraum zwischen 2006 und 2011 ca. 14 %. Intrakranielle Eingriffe zeigten eine mehr als zweifach er-höhte Komplikationsrate verglichen mit Operationen an der Wirbelsäule. Mögliche Folgen sind bleibende neurologische Defizite wie Sprachstörun-gen und motorische Ausfälle mit daraus resultierender Pflegebedürftigkeit bis hin zum Tod des Patienten. Da selbst bei planmäßig verlaufenden Hirn-operationen Komplikationen mit zum Teil verheerenden Folgen für den Pa-tienten auftreten können, ist die Entwicklung neuer Methoden zur frühzeiti-gen Erkennung und Vermeidung von unerwünschten Ereignissen ein wich-tiger Bestandteil der Neurochirurgie. Um das Gehirngewebe nicht zusätz-lich zu schädigen wird ein diagnostisches Werkzeug benötigt, dass nicht-invasiv in Echtzeit ein breites Spektrum der klinisch relevanten Parameter erfasst, eine hohe Messauflösung und -genauigkeit besitzt, einfach in der Handhabung ist und problemlos in den Operationsablauf integriert werden kann. Dadurch soll der Operateur zusätzliche Informationen erhalten, um auf drohende Komplikationen rechtzeitig reagieren zu können. Zu diesem Zweck wurde in dieser Studie ein neuartiges nicht-invasives Messverfah-ren, welches die Prinzipien der Laser-Doppler-Flowmetrie und Gewebe-photospektrometrie vereint, während elektiver supratentorieller Aneurysma-Operationen auf seine klinische Einsatzfähigkeit überprüft. In dieser prospektiven, monozentrischen, nicht randomisierten Studie wur-de mithilfe des nicht-invasiven Laser-Doppler-Gewebephotospektrometers „Oxygen-to-see“ (O2C) in einem standardisierten Verfahren die lokale ze-rebrale Mikrozirkulation von 20 Patienten (15 Frauen, 5 Männer) mit einem medianen Alter von 60 ± 11,7 Jahren während elektiver Eingriffe an supra-tentoriellen Aneurysmen untersucht. Hierbei wurden mittels einer fiberopti-schen Sonde in circa 8 mm Gewebetiefe folgende Parameter bestimmt: Kapillarvenöse Sauerstoffsättigung (SO2); Blutflussgeschwindigkeit (velo) Blutfluss (flow); kapillarvenöser Füllungsdruck (rHb). Es erfolgte soweit möglich die simultane Ableitung somatosensorischer Po-tentiale. Um eine relevante Einflussnahme der Herzkreislaufparameter auf die erhobenen Werte auszuschließen erfolgte eine Korrelationsanalyse zwischen anästhesiologischen Daten und O2C-Werten. Repräsentative Messungen wurden sofort nach Duraeröffnung und damit vor jeglicher weiterer chirurgischer Manipulation über einen medianen Zeit-raum von 88 ± 21,8 Sekunden (Zeitspanne: 60 bis 120 Sekunden) ausge-wertet. Folgende Normwerte für den ausgewählten Sondentyp, angegeben als Median-Werte mit zweifacher Standardabweichung, ergaben sich für die physiologische zerebrale Blutversorgung: SO2: 39 % ± 16,6 %; rHb: 53 ± 18,6 AU; velo: 60 ± 20,4 AU; flow: 311 ± 72,8 AU. Im Weiteren stellte sich der Einfluss chirurgischer Manöver auf die vom O2C-Gerät gemessen Parameter wie folgt dar: Die Platzierung des selbsthaltenden Retraktors führte zu einer Abnahme des SO2-Werts um 17 % ± 29 % (p<0.05), zu einer Steigerung des rHb-Werts um 18 % ± 20 % (p<0.01), zu einer Abnahme des flow um 10 % ± 11 % (p<0.01) und einem gleichbleibendem velo-Wert. Die Retraktor-Entfernung bewirkte bis auf eine ebenfalls registrierte SO2-Erniedrigung gegenteilige Effekte. Bei Erhöhung der Kopfposition um 20 Grad kam es zu einem Anstieg des kapillarvenösen Blutflusses um 11 % ± 11 % (p=0.03), einer Erniedrigung des SO2-Werts um 26 % ± 21 % (p=0.03) sowie einer Erniedrigung des rHb-Werts um 9 % ± 10 % (p=0.22). Die Blutflussgeschwindigkeit blieb gleich. Bei Tieflagerung des Patientenkopfes kam es zu einer Steigerung des rHb-Werts um 24 % ± 34 % (p=0.07) und einer Abnahme des Blutflusses um 6 % ± 11 % (p=0.29). Alle anderen Parameter blieben unverändert. Die Platzierung von Nimodipin getränkten Watten hatte, abgesehen von einer geringfügigen Erhöhung des Blutflusses um 3 % ± 4 % (p=0.04), kei-ne anderweitigen statistisch signifikanten Effekte. Während des gesamten Messzeitraumes zeigte das SEP-Monitoring keine Auffälligkeiten. Es kam weder zu operationstechnischen Komplikationen noch zu neurologischen Defiziten im weiteren Verlauf. In der Korrelationsanalyse der Anästhesiedaten zeigten sich signifikante lineare Zusammenhänge zwischen Flow-Wert und pCO2 mit rs= -0,49 (p=0.03) gemäß einer mäßigen negativen Korrelation, sowie zwischen rHB-Wert und HCO3 mit rs= 0,55 (p=0.01) entsprechend einer deutlichen positi-ven Korrelation. Es zeigte sich kein linearer Zusammenhang zwischen den restlichen erhobenen anästhesiologischen Parameter und den O2C-Werten. Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit berichtet über ein neuartiges nicht-invasives Echtzeitverfahren zur intraoperativen Messung der zerebra-len Mikrozirkulation. Mit dem „Oxygen-to-see“-System gelang es, lokale Blutflussparameter während elektiver neurochirurgischer Eingriffe zu be-stimmen. Für den verwendeten Sondentyp wurden Werte der lokalen phy-siologischen Mikrozirkulation ermittelt, um daraus eine Aussage über die Detektionsfähigkeit von Parameterschwankungen während chirurgischer Manipulation abzuleiten. Die Ergebnisse legen nahe, dass Veränderungen in der lokalen zerebralen Mikrozirkulation, welche durch den Einsatz von Retraktoren, die Veränderung der Patientenposition auf dem Operations-tisch sowie die Verwendung von vasodilatativen Medikamenten verursacht werden, mit dem O2C erkannt werden können. Die Ergebnisse der Korrela-tionsanalyse der O2C-Werte und Anästhesiedaten bedürfen einer weiteren Untersuchung. Ein direkter kausaler Zusammenhang und damit eine Beein-flussung der erhobenen Messdaten ist jedoch unwahrscheinlich. Das Gerät konnte im Rahmen dieser Arbeit standardmäßig in den klinikinternen Ablauf integriert werden, ohne die Operationsdauer wesentlich zu verlängern. Un-ter Berücksichtigung der Beschränkungen, welche der Einsatz nicht-invasiver Monitoringverfahren im Allgemeinen und das O2C-System im Speziellen mit sich bringt, könnte dieses Gerät in Zukunft bisherige intrao-perative Neuromonitoringsysteme sinnvoll ergänzen. Teilergebnisse der vorliegenden Arbeit wurden veröffentlicht in: B. Sommer, M. Kreuzer, B. Bi-schoff, D. Wolf, H. Schmitt, I.Y. Eyupoglu, K. Rossler, M. Buchfelder, O. Ganslandt, and K. Wiendieck. Combined Laser-Doppler Flowmetry and Spectrophotometry: Feasibility Study of a Novel Device for Monitoring Local Cortical Microcirculation during Aneurysm Surgery. J Neurol Surg A Cent Eur Neurosurg, 2017. 78(1): p. 1-11.