Für chemische Reaktoren stellen Strukturierungskonzepte auf dem „Process Unit Level“ eine sehr aussichtsreiche Möglichkeit zur Prozessintensivierung dar, da die im Reaktor auftretenden Transportprozesse wie z.B. Wärme- und Stoffübertragung oder der strömungsinduzierte Druckverlust sehr gut kontrolliert werden können [1, 2]. In diesem Kontext ist es das Ziel der Prozessintensivierung, intelligente
... [Show full abstract] Strukturierungskonzepte zu entwickeln, damit das Reaktionssystem ausschließlich durch die Reaktionskinetik und nicht durch die Hydrodynamik limitiert ist [3]. Für die in dieser Arbeit betrachteten Gas-Flüssig-Mehrphasenprozesse ist daher eine homogene Flüssigkeitsverteilung, niedriger Druckverlust und verbesserter Wärmetransport vorteilhaft [4-6]. Der Einsatz von periodisch offenzelligen Strukturen (engl. periodic open cellular structures, POCS) stellt daher ein sehr aussichtsreiches Konzept zur Strukturierung von Reaktoren dar. Mit der Entwicklung additiver Fertigungsverfahren wie z.B. selektives Elektronenstrahlschmelzen (engl. selective electron beam melting, SEBM) ergibt sich ein weiterer Geometrie-Freiheitsgrad im Design der POCS. Damit ist eine präzise Einstellung der Eigenschaften wie niedriger Druckverlust, hohe spezifische Oberfläche und verbesserter Wärmetransport möglich. In dieser Arbeit wurde daher der Einsatz von POCS als Möglichkeit zur Prozessintensivierung für mehrphasige Reaktionssysteme untersucht. Durch systematische hydrodynamische Experimente in einem Cold-Flow-Aufbau und der anschließenden Übertragung auf eine mehrphasige Reaktion konnte in dieser Arbeit das Proof of Concept für den Einsatz metallischer, additiv gefertigter POCS als Katalysatorträger und Flüssigkeitsverteiler erstmalig gezeigt werden. Dazu erfolgte zunächst die Herstellung von Strukturen aus unterschiedlichen Materialien (ABS, Harz, Ti6Al/4V) mit verschiedenen additiven Fertigungsverfahren (Fused deposition modelling, Stereolithographie, SEBM). Diese Strukturen – aufgebaut aus Diamant-, Kelvin- und hybriden DiaKel-Einheitszellen – wurden hinsichtlich ihrer geometrischen Eigenschaften wie Fensterdurchmesser, spezifischer Oberfläche, Zellgröße und hydrodynamischer Porosität charakterisiert. Anschließend wurden die Strukturen in einem neu konzipierten und eigens aufgebauten Cold-Flow-Versuchssetup hinsichtlich ein- und zweiphasigem Druckverlust, Flüssigkeitsverteilung und statischem und dynamischem Flüssigkeitsholdup untersucht. Für die Modellierung des statischen Flüssigkeitsholdups wurde eine modifizierte Eötvös-Korrelation verwendet. Der ein- und zweiphasige Druckverlust und der dynamische Flüssigkeitsholdup in gepackten POCS-Packungen aus unterschiedlichen Materialien und verschiedenen Zell-Geometrien (Diamant, Kelvin, DiaKel) konnte durch eine Erweiterung des von Inayat et al. [7] vorgestellten Konzepts zur hydrodynamischen Tortuosität und einer Modifikation des von Saez et al. [8] entwickelten relativen Permeabilitätsmodells beschrieben werden. Die Flüssigkeitsverteilung in POCS wurde durch die Berechnung des Ungleichverteilungsfaktors Mf sowohl in radialer als auch in axialer Richtung quantifiziert. Für jede Zellgeometrie ergibt sich eine unterschiedliche Verteilungscharakteristik. Kelvin-Strukturen leiten die Flüssigkeit ins Zentrum der Packung, wohingegen Diamant-Strukturen die Flüssigkeit nach außen strömen lassen. Die in dieser Arbeit neu entwickelte DiaKel-Hybridzelle kombiniert die Verteilcharakteristika der beiden anderen Zelltypen, so dass mit dieser eine signifikante Verbesserung hinsichtlich einer homogenen Flüssigkeitsverteilung erzielt werden konnte. Die bisherigen Erkenntnisse zur Hydrodynamik von mehrphasig durchströmten POCS-Packungen flossen anschließend in die Auslegung eines Reaktors zur Entschwefelung von Mitteldestillaten ein. Nach Aufbau und Inbetriebnahme der Laboranlage wurden die metallischen Trägerstrukturen aus Ti6Al/4V mit Aluminiumoxid beschichtet (wiederholtes Eintauchen in eine Ethanol-basierte Disperal-OS1-Lösung) und mit Molybdän bzw. Cobalt imprägniert. Parallel dazu wurden auch Al2O3-Pellets in der Hydrierung von Dibenzothiophen (DBT) zu Biphenyl (BP) und Cyclohexylbenzol (CHB) untersucht. Bei den Versuchen im Laborreaktor wurden neben den Reaktoreinbauten (Pellets oder SEBM-Strukturen) auch Verweilzeit, Druck, Temperatur und Gas-zu-Öl-Verhältnis variiert. Anhand der Verweilzeit- und Temperaturvariation konnten die kinetischen Parameter der direkten und indirekten Hydrierung von DBT und der Hydrierung von Biphenyl zu Cyclohexylbenzol über ein Reaktormodell eines idealen Strömungsrohres unter Verwendung eines reaktionskinetischen Ansatzes pseudo erster Ordnung bezüglich der flüssigen Komponenten ermittelt werden. Durch einen höheren Wasserstoffpartialdruck und durch ein höheres Gas-zu-Öl-Verhältnis erhöhte sich neben dem Umsatz an DBT auch die Selektivität zu CHB. Auch wurden in dieser Arbeit konventionelle Pelletschüttungen und funktionalisierte POCS-Packungen als Katalysatorträger miteinander verglichen. Aus dem Vergleich geht hervor, dass eine verdünnte Pelletschüttung und die Kelvin- bzw. Diamant-Strukturen beim erreichten Umsatz in der Entschwefelung von DBT auf einem Niveau liegen. Verglichen mit den DiaKel-Hybridstrukturen weisen Pelletschüttung und Kelvin- bzw. Diamant-Strukturen einen ca. 20 % höheren DBT-Umsatz auf. Dies war auf Grund der Ergebnisse aus den hydrodynamischen Untersuchungen so zunächst nicht zu erwarten, konnte aber durch eine Reihe von Ursachen und auftretenden hydrodynamischen Effekten aufgeklärt werden. Dies unterstreicht die Notwendigkeit des in dieser Arbeit verfolgten, ganzheitlichen Ansatzes bestehend aus komplementären Untersuchungen zur Hydrodynamik in nichtreaktiven Cold-Flow-Experimenten sowie reaktiven Untersuchungen im Laborreaktor und deren Modellierung und Interpretation.