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Hannes SEIFERT, Jena & Anke LINDMEIER, Jena
Messung digitaler Kompetenzen angehender Mathematik-
lehrkräfte am Beispiel CAS
Kompetenzen im Umgang mit digitalen Mathematikwerkzeugen wie Com-
puteralgebrasystemen (CAS), dynamischer Geometriesoftware (DGS) und
Tabellenkalkulationsprogrammen (TKP) sind für Mathematiklehrkräfte un-
abdingbar. Im Fokus steht daher die Frage, wie gut Lehramtsstudierende be-
reits bezüglich dieser Kompetenzen vorbereitet sind. An der Friedrich-Schil-
ler-Universität Jena wurde ein digitales Testformat für die Lehre entwickelt,
bei dem Studierende konkrete Aufgaben mit den Werkzeugen lösen müssen,
um im Anschluss Rückmeldungen über ihre Kompetenzen zu erhalten. Im
Beitrag wird der Test vorgestellt.
Digitale Kompetenzen von Mathematiklehrkräften
Lehrkräfte benötigen für ihre spätere Tätigkeit digitale Kompetenzen. Diese
werden definiert als Zusammenschluss von Wissen über digitale Medien, Fä-
higkeiten im Umgang mit diesen Medien und persönlichen Einstellungen zu
diesen Medien, um z. B. Wissen zu generieren, Probleme zu lösen oder effi-
zient zu kommunizieren (Ferrari, 2012).
Zur näheren Beschreibung digitaler Kompetenzen stehen verschiedene Mo-
delle bereit: TPACK (Technological Pedagogical Content Knowledge) ver-
bindet die Facetten des pädagogischen Wissens (PK), Inhaltswissens (CK)
und fachdidaktischen Wissens (PCK) mit der des technologiebezogenen
Wissens (TK) und deren Schnittmengen technologiebezogenes Inhaltswis-
sen (TCK), technologiebezogenes pädagogisches Wissen (TPK) und techno-
logiebezogenes fachdidaktisches Wissen (TPACK, Koehler & Mishra,
2009). Ein weiteres Modell ist DigCompEdu, welches 22 Teilkompetenzen
in sechs Kategorien (z. B. Berufliches Engagement, Lernerorientierung) mit
jeweils sechs zu erlangenden Kompetenzstufen beschreibt (Redecker, 2017).
Diese beiden Modelle sind jedoch fachunspezifisch. Für den Mathematikun-
terricht sind daher Konkretisierungen notwendig, um beispielsweise notwen-
dige Kompetenzen wie die Erstellung geeigneter Aufgaben oder die Bewer-
tung von Lernendenlösungen im Umgang mit digitalen Mathematikwerkzeu-
gen wie CAS, DGS oder TKP abzudecken (Ostermann et al., 2022).
In der Lehrkräftebildung werden mithilfe dieser Modelle Zielvorstellungen
konzipiert. Sind die tatsächlich erreichten Kompetenzen zu prüfen, stellt sich
die Frage, wie sie valide und reliabel gemessen werden können. Allgemein
werden für die standardisierte Messung digitaler Kompetenzen bei Lehren-
den bisher meist Selbsteinschätzungswerkzeuge und Interviews eingesetzt,
In: IDMI-Primar Goethe-Universität Frankfurt (Hrsg.),
WTM.
https://doi.org/10.37626/GA9783959872089.0
Beiträge zum Mathematikunterricht 2022.
56. Jahrestagung der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik.
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die jedoch anfällig für Verzerrungen sind (z. B. sozial erwünschtes Antwort-
verhalten, Überschätzung eigener Fähigkeiten, Petko, 2020). Eine alternative
Form wäre eine performanznahe Messung im Umgang mit konkreten Situa-
tionen. Entsprechende Werkzeuge liegen jedoch bisher kaum vor (für eine
Ausnahme siehe z. B. Kosiol & Ufer, 2021). Ein Vorschlag für ein solches
Werkzeug, das in digitalem Format Kompetenzen im Umgang mit CAS,
DGS und TKP erfasst, wird im Folgenden vorgestellt und diskutiert.
Konzeption und Aufbau des Testinstruments
Das als Online-Fragebogen vorliegende Testinstrument DIKOMAL – Digi-
tale Kompetenzen von Mathematiklehrkräften wurde im Jahr 2021 im Rah-
men des QLB-Projekts PROFJL² an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
entwickelt (Seifert et al., 2021). Nach einer Pilotierung zur Überprüfung der
technischen Funktionsfähigkeit und inhaltlichen Anpassungen wird es seit
Sommersemester 2022 regulär in der Lehre eingesetzt, wobei die Studieren-
den individuelle Rückmeldungen zu ihren Ergebnissen erhalten. DIKOMAL
erfasst Wissen über den Umgang mit CAS, DGS und TKP sowie konkrete
Handlungskompetenzen im Umgang mit den drei Werkzeugen (technisch re-
alisiert durch GeoGebra und Excel) in einem teils adaptiven Format. Die
Auswertung erfolgt entsprechend der Kompetenzfacetten TCK und TPACK
(wenn vorkommend) mit einem induktiv erstellten Kodierleitfaden. Zudem
werden persönliche Einstellungen zu digitalen Medien im Unterricht sowie
Selbsteinschätzungen der eigenen Bearbeitungen erhoben.
Der Beitrag fokussiert auf die jeweils analog aufgebauten werkzeugspezifi-
schen Teile, wobei wir uns nachfolgend auf den CAS-Teil konzentrieren. An
interaktiven Beispielen erfolgt zunächst die Aktivierung von Vorwissen. An-
schließend sind die Propria von CAS zu notieren („Beschreiben Sie zwei
zentrale Unterschiede zwischen CAS und herkömmlichen wissenschaftli-
chen Taschenrechnern.“). Es folgt eine Aufgabe (Mehrwert), bei der drei
Aufgabenstellungen bezüglich ihres didaktischen Potenzials in einer konkre-
ten Situation im CAS-gestützten Mathematikunterricht beurteilt werden sol-
len. Nach der Bearbeitung einer Aufgabe zur Überprüfung der jeweiligen
Werkzeugkompetenz (Intro, Bearbeitung eines Tutorials zum Lösen von
Gleichungen, davon eine mit notwendiger expliziter Angabe der Gleichungs-
variablen) erfolgt eine Selbsteinschätzung der eigenen Kompetenz bezüglich
der zugehörigen beruflichen Anforderung (selbst solche Tutorials im Unter-
richt zu verwenden, Eval) auf vier Stufen, die den DigCompEdu-Kompe-
tenzniveaus A1 (Einsteiger), A2 (Entdecker), B1 (Insider) und B2 (Experte)
zuzuordnen sind (Redecker, 2017). Entsprechend der selbst-eingeschätzten
Stufe ist mit dem jeweiligen Werkzeug eine an diese Stufe angepasste Auf-
gabe (Com) zu bearbeiten, die sowohl fachdidaktische (z. B. Angabe von
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Lernvoraussetzungen) als auch ab B1 mathematisch-technische Anforderun-
gen (B1: Anpassung bzw. B2: Neugestaltung des gegebenen Tutorials für
Gleichungssysteme) umfasst. Direkt im Anschluss ist die eigene Bearbeitung
abschließend anhand von je sechs Aussagen selbst zu evaluieren (z. B. „Ich
konnte die Arbeitsaufträge gut bewältigen.“) und bezüglich des wahrgenom-
menen Berufsfeldbezugs zu beurteilen (z. B. „Die Arbeitsaufträge sind rele-
vant für meinen späteren Beruf als Mathematiklehrkraft.“, vierstufige Skala,
1=stimme überhaupt nicht…, 4=…voll zu).
Forschungsinteresse
Im Beitrag wird fokussiert, ob sich DIKOMAL als Instrument zur Erfassung
digitaler Kompetenzen angehender Mathematiklehrkräfte eignet. Eine
exemplarische Untersuchung erfolgt hierbei an den Bereichen TCK und
TPACK, wofür verschiedene Indikatoren aus den Bearbeitungen des CAS-
spezifischen Teils gewonnen wurden. Zudem sollen die Leistungen der Stu-
dierenden in einer vorläufigen Auswertung deskriptiv beschrieben werden.
Ausgewählte Ergebnisse
DIKOMAL wird im Sommersemester 2022 erstmals an der Universität Jena
in größerem Umfang in der Lehre eingesetzt. In der laufenden Erhebung nah-
men bisher n=39 Studierende verschiedener mathematikdidaktischer Semi-
nare (viertes Fachsemester) teil.
Für die Beschreibung des CAS-spezifischen TCK der Studierenden wurden
die Antworten aus der Intro-Aufgabe und der Com-Aufgabe anhand einer
Liste von mathematikspezifischen Merkmalen (z. B. Intro: korrekte Defini-
tion der Gleichung; Com: Anpassung des Löse-Befehls für Gleichungssys-
teme) und syntaktischen Merkmalen (z. B. Verwendung einer korrekten
CAS-Syntax) kodiert. Für die Beschreibung des TPACK wurden in derCom-
Aufgabe angegebene Lernvoraussetzungen bzw. ab B1 in der CAS-Bearbei-
tung zusätzliche Merkmale kodiert (z. B. Angabe einer Beispielaufgabe für
Lernende). Anhand der Merkmale wurde für TCK und TPACK jeweils ein
Score auf einer vierstufigen Ordinalskala vergeben, für TPACK ebenso für
die begründet gewählte Einschätzungen der Aufgaben-Mehrwerte.
Das fachliche und didaktische Potenzial der Aufgaben in Mehrwert erfassten
21 Studierende korrekt (TPACK). Anschließend bearbeiteten 35 Studierende
erste Gleichung in Intro syntaktisch richtig, 29 hiervon erhielten die korrekte
mathematische Lösung (TCK). Die zweite Gleichung wurde von 26 Studie-
renden mathematisch und syntaktisch korrekt gelöst (TCK).
In der Aufgabe Com konnten 10 von 18 (A1/A2 entsprechend Eval) bzw. 9
von 21 (B1/B2) Studierenden die Lernvoraussetzungen dem Tutorial korrekt
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zuordnen (TPACK). Die Bearbeitung der mathematisch-technischen Anfor-
derungen (TCK) erfolgte nur auf den Stufen B1 und B2. Hier konnten 7 von
16 (B1) bzw. 2 von 5 (B2) Studierende eine korrekte Lösung erzeugen. Die
pädagogischen Anforderungen im selbst erstellen Tutorial erfüllten 7 von 16
(B1) bzw. ein (B2) Studierender von 5 (TPACK).
Diskussion und Ausblick
DIKOMAL wurde mit dem Ziel entwickelt, die digitalen Kompetenzen von
Studierenden über alle drei Werkzeuge CAS, DGS und TKP breit zu erfas-
sen. Aus Zeitgründen stehen daher für eine konkrete Facette (TCK, TPACK)
nur eine begrenzte Anzahl an Aufgaben zur Verfügung. Ferner ist die Größe
der Stichprobe bisher gering, was sich auf die Verteilung der Antworten auf
den verschiedenen Stufen (Eval) mit ihren unterschiedlichen Leistungsan-
forderungen auswirkt.
Die Auswertungen über das gesamte Instrument hinweg sind noch nicht ab-
geschlossen, sodass an dieser Stelle nur Aussagen über den CAS-spezifi-
schen Teil getroffen werden können. Durch die Erfassung mehrerer Merk-
malen innerhalb der einzelnen Aufgabenbearbeitungen ist jedoch zu vermu-
ten, dass die Kompetenzen der Studierenden differenziert beschrieben wer-
den können. Die bisherigen Bearbeitungen weisen bereits eine adäquate
Streuung auf.
Literatur
Ferrari, A. (2012). Digital Competence in Practice: An Analysis of Frameworks. Office
of the European Union.
Kosiol, T. & Ufer, S. (2021). Technologie- und fachbezogenes Wissen von (angehenden)
Lehrkräften messen – Erste Ergebnisse einer Pilotstudie. In K. Hein, C. Heil, S. Ruw-
isch & S. Prediger (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht (S. 199–202). WTM.
Koehler, M. & Mishra, P. (2009). What is technological pedagogical content knowledge
(TPACK)? Contemporary issues in technology and teacher education,9(1), 60–70.
Ostermann, A., Ghomi, M., Mühling, A. & Lindmeier, A. (2022, im Druck). Elemente
der Professionalität von Lehrkräften in Bezug auf digitales Lernen und Lehren von
Mathematik. In G. Pinkernell, F. Reinhold, F. Schacht & D. Walter (Hrsg.), Digitales
Lehren und Lernen von Mathematik in der Schule, Springer.
Petko, D. (2020). Quo vadis TPACK? Scouting the road ahead. In Proceedings of Ed-
Media + Innovate Learning (S. 1349–1358). AACE.
Redecker, C. (2017). European framework for the digital competence of educators:
DigCompEdu (No. JRC107466). Publications Office of the European Union.
Seifert, H., Ghomi, M., Mühling, A. & Lindmeier, A. (2021, im Druck). Entwicklung
eines Instruments zur Messung digitaler Kompetenzen von Mathematiklehrkräften.
In F. Reinhold & F. Schacht (Hrsg.), Digitales Lernen in Distanz und Präsenz. Ta-
gungsband des Arbeitskreises Mathematikunterricht und digitale Werkzeuge in der
Gesellschaft für Didaktik der Mathematik. Franzbecker.