Dieses Buch, das in zahlreiche Sprachen übersetzt, verfilmt und weltweit in vielfachen und riesigen Auflagen verkauft worden ist, hat im deutschen Sprachraum bisher nicht die Beachtung gefunden, die es verdient. Woran mag es liegen? Erscheint den Deutschen eine mögliche Masseneinwanderung nach Europa, die zum Zusammenbruch unserer Staaten und unserer Zivilisation führt, als zu unwirklich, als ein
... [Show full abstract] mit den Haaren herbeigezogenes Gleichnis? Gewiß, die tausende Flüchtlinge, die Monat für Monat die Kanarischen Inseln oder Malta ansteuern, die über die Zäune in Ceuta und Melilla zu klettern versuchen, das scheint alles weit weg zu sein. Gewiß, das Erscheinungsbild der illegalen Einwanderung ist in der Regel weit weniger spektakulär und zeitlich weiter gestreckt als in diesem literarischen Werk von Raspail. Aber gerade diese Nicht-Reaktion, das Nicht-Reagieren-Wollen, das Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen-Wollen, solange, bis es für jede wirksame Reaktion tatsächlich zu spät ist, um die ideologische Selbstblockade vorrauschauenden Handelns, darum geht es in diesem Buch. Denn ein solche Masseneinwanderung über das Wasser mit eben solchen Folgen hat es in der Geschichte tatsächlich schon einmal gegeben (und eigentlich schade, daß Raspail darauf nicht reflektiert): Um 376 drängten sich nördlich der Donau (im heutigen Rumänien), von den Hunnen bedrängt, hungrig und in größter Not die Goten und flehten den römischen Kaiser Valens um Schiffe und die Erlaubnis, über die Donau zu setzen und im Römischen Reich siedeln zu dürfen. In Rom, geschwächt, verkommen und kinderarm, glaubte man inzwischen weniger an die Grundregeln der Selbstbehauptung und an die alten Götter, unter denen Rom einst zur Weltmacht gewachsen war, sondern an das Gute im Menschen. Die Goten durften übersetzen. Teile des Stammes erzwangen auch die Einwanderung mit Gewalt. Edward Gibbon spricht in seinem monumentalen Buch "Der Untergang des Römischen Reiches" von etwa einer Million Menschen.Also durchaus von einer Größenordnung wie in Raspails Fiktion! In der Realität führte der ungehinderte Massenansturm mit den daraus folgenden Konflikten zum Zusammenbruch des Römischen Reiches. Die römischen Legionäre gewannen den Menschenmassen rasch eine praktische Seite ab und bedienten sich unter den germanischen Jungfrauen nach Herzenslust. Eine Parallele dazu haben wir heute im Frauenhandel mit osteuropäschen Frauen. Bei Raspail fehlt leider dieser lebensnahe Aspekt, aber er hätte seine Geschichte sehr belebt.