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Nachbarschaft als lokales Potenzial städtischer Entwicklung - Konstitutionsbedingungen, Bedeutungen und Möglichkeiten der Verstetigung

Authors:
  • University of Applied Sciences and Arts Northewest Switzerland
  • vhw Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. (Federal Association for Housing and Urban Development)
vhw FWS 3 / Mai – Juni 2020 157
Bürgergesellschaft
Nachbarschaft als lokales Potenzial
Simone Tappert, Matthias Drilling, Olaf Schnur
Nachbarschaft als lokales Potenzial
städtischer Entwicklung
Konstitutionsbedingungen, Bedeutungen und Möglichkeiten der Verstetigung
Die Idee, dass Nachbarschaften eine plan- und beeinflussbare Dimension des städtischen Lebens
sind, lässt sich seit der Industrialisierung belegen. Auch gegenwärtig stellt Nachbarschaft eine rele-
vante Planungs- und Interventionsebene dar. Im Kontext des gesellschaftlichen Wandels und einer
zunehmenden Ausdifferenzierung erscheint eine solche Fokussierung vielversprechend, denn die
Reduktion auf überschaubare sozialräumliche und territoriale Ausschnitte vermittelt Berechenbar-
keit. Nachbarschaften zeichnen sich jedoch durch Prozesshaftigkeit und eine hohe Komplexität
und Dynamik aus. Was eine Fokussierung auf Nachbarschaften beachten muss und welche Poten-
ziale dadurch eröffnet werden, dieser Frage geht die hier vorgestellte Studie nach.
und lokal verorteten sozialen Gemeinschaften hin zu offenen
Netzwerken konstatiert. Nachbarschaft ist dabei eines von
vielen möglichen, sich überlappenden, Netzwerken. Es wird
nicht mehr als eine räumliche Tatsache verstanden, die sich
sozial organisiert, vielmehr beruhe Nachbarschaft „auf sozi-
aler Nähe, die sich räumlich organisiert“ (Häußermann/Siebel
1994, S. 379). Gesprochen wird auch nicht mehr von „der“
Nachbarschaft. Vielmehr wird Nachbarschaft zum Plural, denn
Nachbarschaften „können sich […] überlagern, auch einzelne
Menschen können verschiedene Nachbarschaften leben. Ver-
gleichbar zu den ‚Bastelexistenzen‘, die die Individualisierung
erzwingt (Beck 1986), ließe sich von ‚Bastelnachbarschaften‘
sprechen“ (Rohr-Zänker 1998, S. 13).
In der jüngeren sozialwissenschaftlichen Stadtforschung wer-
den Nachbarschaften nicht als etwas Gegebenes (im Sinne
einer sozialen Tatsache), sondern als etwas Situatives und
Kontextabhängiges konzeptualisiert, das auf der Basis eines
gemeinsam geteilten Raumes kontinuierlich durch mensch-
liche Handlungen hervorgebracht wird. Die Frage nach den
Alltagspraktiken der Stadtbewohnenden hat in diesem Zu-
sammenhang an Attraktivität gewonnen und ermöglicht ein
pluralistisches und komplexes Verständnis von Nachbarschaf-
ten. Der Raum sollte weder verabsolutiert werden noch sollte
von einem Prozess hin zu einer Vergemeinschaftung ausge-
gangen werden (Blokland/Nast 2014; Crow et al. 2002).
Ein Fokus weg von normativen Verständnissen hin zu den all-
täglichen sozialen und räumlichen Praktiken der Bewohnen-
den eröffnet stattdessen ein integratives und analytisches Ver-
Nachbarschaft zu fördern zielt zumeist darauf ab, gesell-
schaftspolitische Herausforderungen wie dem demografi-
schen Wandel oder einer zunehmenden sozialen Ungleichheit
entgegenzuwirken. Über die Planung räumlicher Nähe (in
Form von Nachbarschaften) soll soziale Kohäsion in sich aus-
differenzierenden Gesellschaften hergestellt werden. Daran
geknüpfte Handlungs- und Gestaltungsziele gehen zumeist
mit idealtypischen Vorstellungen über das Zusammenleben
und lokale Gemeinschaftlichkeit einher. Gemeinschaft und
Nachbarschaft werden dabei oftmals synonym verwendet
bzw. liegt der Vorstellung von Nachbarschaft nicht selten der
erwünschte Gedanke der Gemeinschaft inne (Evans/Schaha-
dat 2011; Reutlinger et al. 2015).
Die darin formulierten Annahmen rekurrieren auf Forschungs-
traditionen und wissenschaftlichen Verständnissen von Nach-
barschaft. Lange Zeit wurde Nachbarschaft als räumlich abge-
grenzte und autonome Untersuchungseinheit konzeptualisiert
und entlang der Folie von „Gemeinschaftlichkeit“ betrachtet.
Die territoriale Ebene wurde kongruent mit einer sozialen oder
ethnisch homogenen Gruppe gedacht. Mit zunehmender Glo-
balisierung und der intensivierten Vernetzung von Menschen,
Gütern und Informationen wurde jedoch der Zusammenhang
von Raum, lokaler Verortung und Gemeinschaft in Frage ge-
stellt (Hengartner et al. 2000). Dieser Paradigmenwechsel
hatte Konsequenzen für den Forschungsgegenstand Nach-
barschaft, denn Nachbarschaft wurde nun als netzwerkartiges
Geflecht verstanden, das in übergeordnete Zusammenhänge
und Systeme eingebettet gedacht wurde (Craven/Wellman
1973). Dabei wurde vor allem ein Wandel von geschlossenen
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Das Vorgehen – ein ethnografisches Projekt
im Planungsraum Urbanstraße
Die Studie folgt einem ethnografischen Forschungsdesign. Als
Untersuchungsgebiet wurde der Planungsraum Urbanstraße,
ein innerstädtischer Stadtteil in Berlin-Kreuzberg, ausgewählt.
Insgesamt leben dort rund 12.000 Personen in knapp 7.000
Wohnungen. Die Analyse der Sinus-Milieu-Daten für den Un-
tersuchungsraum ergibt eine für Berlin vergleichsweise ausge-
wogene Verteilung der sozialen Milieus (Sinus-Milieu-Daten-
stand: 08/2017). Er kann als sozial durchmischt beschrieben
werden und weist laut Monitoring Soziale Stadtentwicklung
2015 einen mittleren Status-Index mit einer stabilen Dynamik
und einer durchschnittlichen sozialen Problemdichte auf. Der
Stadtteil ist zentral gelegen und gut an den öffentlichen Ver-
kehr angebunden. Die Flächennutzung ist v.a. geprägt durch
Wohnen, Flächen für Gemeindebedarf, Grün- und Freiflä-
chen. Die Siedlungsstruktur ist mehrheitlich durch verdichtete
Blockrandbebauung der Gründerzeit geprägt. Es besteht eine
hohe Dichte an sozialer Infrastruktur und soziokulturellen Ein-
richtungen sowie Gelegenheitsstrukturen mit einem vielfälti-
gen Angebot. Der Untersuchungsraum ist zunehmend durch
Gentrifizierungsprozesse, steigende Mietpreise, einer Verän-
derung der Angebotsstrukturen im Freizeitbereich und Einzel-
handel sowie steigende Touristenzahlen gekennzeichnet.
Im Zeitraum von 14 Monaten (11/2017 – 12/2018) wurden
qualitative Interviews mit Bewohnenden (N=24) und Kiezspa-
ziergänge durchgeführt, informelle Gespräche mit Bewoh-
nenden und weiteren nachbarschaftlichen Akteuren geführt,
an Veranstaltungen und Aktivitäten teilgenommen und Be-
Bürgergesellschaft
Nachbarschaft als lokales Potenzial
ständnis von Nachbarschaft. Nachbarschaften werden somit
nicht auf ihr Potenzial als soziale Ressource geprüft oder ent-
lang der Frage nach Qualität, Dichte und Ausprägung sozialer
Beziehungen an einem Wohnort erfasst. Dies ist von besonde-
rer Relevanz, denn auch die akteursorientierte und auf lokaler
Ebene wirkende Praxis distanziert sich zunehmend von beste-
henden normativen Idealvorstellungen von Nachbarschaft. An
die Stelle von Festschreibungen und Normativität rückt für die
professionelle Praxis die Frage, wie sich Menschen in einem
räumlichen Gefüge unter dynamischen (postmodernen) Be-
dingungen im Alltag Nachbarschaft begegnen und wie ein
solches Mit- und Nebeneinander unterstützt werden kann
(Drilling et al. 2017).
Das vhw-Forschungsprojekt:
Nachbarschaften als lokales Potenzial
städtischer Entwicklung
Hier setzte die durch den vhw Bundesverband für Wohnen
und Stadtentwicklung e.V. in Auftrag gegebene Studie an.
Das Phänomen Nachbarschaft wurde dabei aus einer Innen-
perspektive erforscht, d.h. aus Sicht der Menschen selbst. Im
Zentrum standen dabei die Fragen, wie Nachbarschaften im
Alltag durch die Menschen gelebt, hergestellt, verhandelt und
verstetigt werden und welche Mechanismen und Alltagsprak-
tiken dabei von Bedeutung sind. Aufbauend auf diesen Er-
kenntnissen erörterte die Studie zudem, welche Bedeutung
Nachbarschaften für die Aufgaben intermediärer Akteure hat
und welche Möglichkeiten eine Fokussierung auf Nachbar-
schaften in der Planung und Steuerung von Städten bietet.
Abb. 1: Die Straße als Alltagsraum nachbarschaftlicher Begegnungen (Foto: Matthias Drilling)
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len können. Auch informell angeeignete Orte, vom begrün-
ten und gepflegten Rasenabstand vor dem Wohnhaus oder
den Verkehrspfosten, die spontan als Sitzgelegenheit genutzt
werden, und temporäre Orte, wie Hinterhofflohmärkte oder
Nachbarschaftsfeste, haben eine sinnstiftende Wirkung und
können nachbarschaftliche Netzwerke fördern. Ebenso von
Bedeutung für die flüchtige Begegnung im nachbarschaftli-
chen Alltag sind das Wohnhaus oder der Gebäudekomplex.
Die Zwischen- und Übergangsräume des Alltags, wie Haus-
flure, Hinterhöfe, Vorgärten, Fahrradabstellplätze oder Ab-
fallplätze im Wohnkomplex, stellen Möglichkeitsräume für
alltägliche Praktiken der Vernachbarschaftlichung dar. Die
Gestaltung, Organisation und Regelung dieser Zwischenräu-
me sind wesentlich, denn sie können (direkte und indirekte)
Kontaktoptionen zwischen Nachbarn ermöglichen oder auch
erschweren.
Abb. 2: Hinterhof Zweiteilung in funktionalen Bereich und Gemein-
schaftsbereich (Foto: Simone Tappert)
Die flüchtigen Alltagsbegegnungen gehen mit konkreten All-
tagspraktiken und Formen der Nachbarschaftlichkeit einher
(Hamm 1973; Kusenbach 2006). Das Grüßen stellt dabei eine
wichtige soziale Praxis und symbolische Geste mit normativ-
obligatorischem Charakter dar. Es eröffnet Kommunikation,
kann Respekt ausdrücken, aber auch der Abgrenzung dienen.
Es hat eine affirmative Funktion und ist mit Idealvorstellungen
von „guter“ Nachbarschaft verbunden. Gerade in einer durch
zunehmende Ausdifferenzierung geprägten Gesellschaft
nimmt das Grüßen einen wichtigen Stellenwert ein, da es die
friedliche Koexistenz im nachbarschaftlichen Alltag fördern
kann. Hinzuzufügen ist in diesem Zusammenhang, dass Kon-
flikte und direkte Konfrontationen im Untersuchungsraum
eher vermieden wurden – einerseits um eine gewünschte Di-
stanz zu wahren, andererseits scheint die Toleranz gegenüber
anderen Lebensstilen relativ hoch zu sein. Der Umgang mit
Konflikten oder deren Vermeidung ist aber auch von den kom-
munikativen Fähigkeiten und der individuellen Bereitschaft
abhängig. Die im Untersuchungsraum beobachtbaren städti-
schen Entwicklungen, wie Verdichtung und Flächenverknap-
pung, verstärken derzeit Konfliktpotenziale (z.B. konkurrie-
obachtungen im öffentlichen Raum und sogenannten dritten
Orten durchgeführt. Mit insgesamt 10 Trägern im Quartier
wurden teilstrukturierte Interviews geführt. In einer abschlie-
ßenden Phase im Frühjahr 2019 wurden die Ergebnisse und
Thesen in Workshops mit Fachleuten diskutiert und validiert.
Nachbarschaften als Alltagsräume
Mit dem Begriff Nachbarschaft stellten die befragten Bewoh-
nenden einen territorialen Bezug her. Territoriale Grenzen ver-
liefen dabei subjektiv. Viel mehr noch aber löste der Begriff
Nachbarschaft vielfältige Assoziationen aus – z.B. das Zuhau-
se, das Dorf, der Rückzugsort, das Ankommen. Sie können
als Ausdruck subjektiver Bedürfnisse und Idealvorstellungen
des Mit- und Nebeneinanders im städtischen Kontext gele-
sen werden. Oftmals gingen die Begriffsassoziationen auch
mit Problematisierungen gesellschaftlicher Dynamiken und
Verhältnissen einher. Es zeigte sich, dass Nachbarschaft ein
durchaus emotional besetztes Konzept ist, das Sehnsucht,
aber auch Ablehnung hervorrufen kann.
Von Nachbarschaft zu sprechen, bedeutet auch immer, von
sozialen Beziehungen, Interaktionen und Alltagshandlungen
zu sprechen. Dabei werden das alltägliche Mit- und Neben-
einander verhandelt und hergestellt. Im Untersuchungsraum
zeigt sich, dass dabei die flüchtigen Begegnungen, die Rou-
tine und die Alltagshandlungen zentral sind. Bewohnende
werden durch ihre alltäglichen Handlungen, sei es der Weg
zur Busstation oder das Entleeren des Mülls im Hinterhof, mit
Menschen, Dingen und Orten sowie deren Eigenheiten ver-
traut (Blokland/Nast 2014). Sie erkennen diese wieder, werden
aber auch selbst von anderen als Nachbar erkannt, was für die
eigene Verortung im nachbarschaftlichen Kontext wesentlich
ist. Flüchtige Begegnungen stellten im Untersuchungsraum
die typische Beziehungsform dar. Sie ist durch höfliche Dis-
tanz und Oberflächlichkeit charakterisiert und erfordert weder
soziale Nähe noch eine persönliche Beziehung. Eine solche
Lesart schließt Bewohnende ebenso wie die Postbotin, den
Hauswart oder den Verkäufer an der Supermarktkasse als
nachbarschaftliche Akteure ein.
Gerade im Kontext steigender Mobilität, der Erweiterung bio-
grafischer Bezüge und individueller Gestaltungsmöglichkei-
ten sowie der Vervielfältigung sozialer Netzwerke nimmt die
Bedeutung flüchtiger Begegnungen im nachbarschaftlichen
Kontext zu. Die wiederholte flüchtige Begegnung ist vor allem
von den individuellen Tagesrhythmen, Nutzungspraktiken und
Bewegungsmustern der Bewohnenden sowie der Regulie-
rungsweise (z.B. Regeln, Verbote, Aneignungsmöglichkeiten),
Dichte, Vielfalt, Qualität und Zugänglichkeit von Orten (z.B.
kommerziell-nichtkommerziell, semiprivat-semiöffentlich-öf-
fentlich, dauerhaft-temporär) abhängig. Gerade öffentliche
Räume sowie gewerblich oder sozial genutzte Erdgeschoss-
zonen spielen eine tragende Rolle in der alltäglichen Her-
stellung von Nachbarschaft, da sie als vermittelndes Element
Nachbarschaft zwischen Öffentlichkeit und Privatheit herstel-
Bürgergesellschaft
Nachbarschaft als lokales Potenzial
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von Gleichgesinnten oder die Mobilisierung nachbarschaft-
licher Ressourcen. Praktiken der Nachbarschaftlichkeit (z.B.
die Nachbarschaftshilfe – Ausborgen von Gegenständen,
das wachsame Auge – Schutz nach außen, der Informations-
transmitter) werden im digitalen Raum reproduziert, treten
dabei jedoch in veränderter Form auf. Die physisch-räum-
liche Dimension, die flüchtige Begegnung und die soziale
Interaktion verlieren durch den digitalen Raum nicht an Be-
deutung. Wesentlich ist vielmehr das Zusammenspiel digita-
ler und analoger Räume im nachbarschaftlichen Kontext und
das Entstehen hybrider Räume.
Nachbarschaften als Ko-Produzenten städtischer
Entwicklung
Nachbarschaften können auch als politische Räume oder Räu-
me des politischen Handelns gelesen werden. Während sie als
Interventionsebene (top-down) eine wichtige Bezugsgröße
darstellen, organisieren sich Nachbarn zunehmend selbst in
Form von Vereinen und Initiativen und positionieren sich als
Akteure der Stadtentwicklungen. Ihre Aktivitäten gehen über
die Praktiken alltäglicher Hilfeleistung im nachbarschaftlichen
Kontext hinaus. Vielmehr entwickeln und treiben diese Ak-
teure ihre eigenen Konzepte und Lösungsansätze für gesell-
schaftliche und stadtentwicklungspolitische Fragestellungen
voran, sei dies in Bezug auf das Älterwerden im städtischen
Raum, die Wohnraumfrage, die Umgestaltung des öffentli-
chen Raumes oder schlicht das Zusammenleben am geteilten
Wohnort – der Nachbarschaft.
Abb. 3: Projekt eines Nachbarschaftsvereins: Tiny House als sozialer Treff-
punkt mit Angeboten im Kiez („Kiez-Kiosk“) (Foto: Simone Tappert)
Veränderungen in der Wohnumgebung, eine Kritik an ge-
samtstädtischen und gesellschaftlichen Verhältnissen und die
Forderung nach selbstbestimmten Veränderungen motivieren
Nachbarn dazu, Vereine und Initiativen zu gründen. Der Bei-
tritt ist oft durch eine Mischung aus (lokal)politischen und bio-
grafischen/emotionalen Motiven gezeichnet. Die Möglichkeit,
eigene Ideen umzusetzen, gemeinschaftlich zu handeln, aber
auch Offenheit, Spontanität und Unverbindlichkeit, sind wich-
tige Faktoren für das Engagement.
Bürgergesellschaft
Nachbarschaft als lokales Potenzial
rende Nutzungspraktiken im öffentlichen Raum). Beobachtete
Konflikte und Argumentationslinien gaben oftmals Aufschluss
darüber, wie mit Veränderungsprozessen umgegangen wird
und welche Verständnisse von Nachbarschaft(lichkeit) beste-
hen. Im Idealfall können Konflikte und deren Aushandlungen
auch Vernetzungen zwischen Nachbarn anregen (Murphy
2017).
Die Kommunikation zwischen Nachbarn war durch Selekti-
vität und situative Flexibilität charakterisiert. Oftmals waren
Gespräche oberflächlich, Intimität wurde vermieden und eine
höfliche Distanz gewahrt. Die scheinbar unwichtige Kommu-
nikation ist jedoch zentral, denn sie dient dem Vertrautwer-
den mit und der Einschätzbarkeit von Nachbarn. Im flüchtigen
Austausch im Treppenhaus wurden irritierende Beobachtun-
gen diskutiert und dadurch Situationen normalisiert und Si-
cherheit in der Wohnumgebung erzeugt. Diese Form des
flüchtigen Miteinander-vertraut-Werdens ist auch für die be-
reits von Hamm (1973) proklamierte nachbarschaftliche Not-
hilfe – die praktische und punktuelle Alltagshilfe ohne dau-
erhafte Verpflichtung und Verantwortung – von Bedeutung.
Diese Form des Miteinander-vertraut-Seins stellt eine Bedin-
gung für die Mobilisierung der nachbarschaftlichen Nothilfe
dar. Sie stellt auch heute noch ein verinnerlichtes Prinzip von
Nachbarschaftlichkeit dar.
Die Hilfe wird jedoch selten genutzt, denn die Angewiesen-
heit im städtischen Kontext (Infrastruktur, Vervielfältigung
Netzwerke) ist gering und die bestehende Distanznorm zwi-
schen Nachbarn wird ungerne gefährdet. Das Nicht-Praktizie-
ren oder die Nicht-Inanspruchnahme der nachbarschaftlichen
Hilfe sollte jedoch nicht mit dem Nicht-Vorhandensein von
Nachbarschaftlichkeit gleichgesetzt werden. Das Wissen um
nachbarschaftliche Hilfe wird wertgeschätzt und stellt für viele
der befragten Personen eine relevante Möglichkeitsoption dar.
Ebenso wichtig ist das Prinzip des Aufeinander-Acht-Gebens
im nachbarschaftlichen Kontext. Kontrolle und Schutz richten
sich dabei gegen äußere Faktoren und nicht nach innen. So-
ziale Kontrolle nach innen wird abgelehnt und als Einschnitt
in die Privatsphäre empfunden. Obwohl Nachbarschaft als so-
ziale Ressource für bestimmte Personengruppen (z.B. Famili-
en mit Kleinkindern, Betagte etc.) nach wie vor einen hohen
Stellenwert hat, sollte vor kategorischen Festschreibungen
Abstand genommen werden, denn die befragten Personen
mit einem ausgeprägten nachbarschaftlichen Netzwerk hat-
ten ebenso ein ausgeprägtes soziales Netzwerk außerhalb der
Nachbarschaft.
Begegnungen, soziale Netzwerke und Nachbarschaften
werden heutzutage nicht mehr ausschließlich im analogen
Raum hergestellt (Schreiber et al. 2017). Derzeit entstehen
durch die Digitalisierung neue Räume der Nachbarschaft.
So ermöglicht z.B. die Nutzung der Online-Nachbarschafts-
plattform nebenan.de im Untersuchungsraum die passive
Teilnahme am nachbarschaftlichen Geschehen, das Finden
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Die Rolle professioneller Nachbarschaftsarbeit
im Stadtteil
Die sozialen Träger im Quartier leisten wichtige Arbeit im
nachbarschaftlichen Kontext. Zum einen unterstützen sie
Nachbarschaftsvereine und -initiativen mit Beratung, Wissen,
Expertise und Erfahrung, Kompetenzentwicklung, Räumlich-
keiten, technischer und organisatorischer Unterstützung, Mo-
deration, Vernetzung und Kontaktherstellung. Dabei folgen
sie einem Hands-off-Ansatz und betrachten Intervention von
außen als kritisch. Eine gelingende Kooperation braucht das
Zurückstellen der eigenen Interessen, Wille und Offenheit ge-
genüber den Vereinen und Initiativen sowie die Anerkennung
der Eigenständigkeit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung
der Vereine und Initiativen.
Abb. 4: Tag der Nachbarn im Mehrgenerationenhaus (Foto: Simone Tap-
pert)
Zum anderen fördern die sozialen Träger Beteiligungsprozesse
im Quartier, sie ermitteln Bedarfe der Bewohnenden, entwi-
ckeln Regelangebote, Projekte und Aktivitäten gemeinsam
mit Bewohnenden, vermitteln zwischen Bewohnerschaft und
Politik und Verwaltung, schaffen bedarfsgerechte Rahmenbe-
dingungen und stellen Räume der Begegnung zur Verfügung.
In der professionellen Nachbarschaftsarbeit zeichnet sich die
Entwicklung von einer Komm-Struktur zu einer Draußen-
Struktur ab. Das Aufbauen vertrauensvoller Beziehungen zu
den Bewohnenden ist zentral, aber auch ressourcenintensiv.
Für die Entwicklung von Projekten und Angeboten mit Be-
wohnenden braucht es vor allem ein offenes Vorgehen, hohe
Experimentierfreudigkeit und eine Abkehr von der Leistungs-
orientierung.
Eine wichtige Bedeutung wird auch den Orten zugeschrieben.
Die zunehmende Ausdifferenzierung städtischer Gesellschaf-
ten erfordert eine Vielfalt und Mischung an Orten im Quar-
tier. Die Nutzung dieser findet im Alltag oft im Nebeneinander
statt. Dabei zeichnen sich Gruppenbildungen und eine grup-
peninterne Homogenität ab. Im Kontext einer heterogenen
Bewohnerschaft wird das als legitim erachtet, solange es nicht
zu räumlicher und sozialer Marginalisierung und Exklusion
Abhängig von den Zielen werden unterschiedliche Strategi-
en gewählt: die Initiierung von und Beteiligung in formalen
Planungsverfahren, Straßenproteste und Widerstand oder
der langfristige Aufbau eines Nachbarschaftsnetzwerks mit
gemeinsamen Projekten und Aktivitäten. Wesentliche Cha-
rakteristika der Vereine und Initiativen sind das rasche und
flexible Mobilisieren nachbarschaftlicher Netzwerke und Res-
sourcen sowie das Wissen, der Bezug und die Verankerung
im Lokalen. Die Bezugnahme auf die eigene Wohnumgebung
ermöglicht die Greifbarmachung übergeordneter (problema-
tisierter) Dynamiken und die Einbettung in die Nachbarschaft
legitimiert das eigene Handeln. Die rasche Mobilisierbarkeit
nachbarschaftlicher Ressourcen führt zu einer verstärkten
Wirksamkeit (z.B. Druck ausüben auf Politik und Verwaltung).
Nachbarschaftsvereine und -initiativen kooperieren und erhal-
ten Unterstützung von einer Vielzahl von Akteuren (soziale
Träger, Stiftungen, Medien, Gewerbe, Verwaltung etc.). Eine
Mischung aus informellen Kooperationen und Kooperationen
mit strategisch ausgewählten Partnern ist typisch. Informel-
le Kooperationen auf der Stadtteilebene entstehen oftmals
aus den Nachbarschaftsnetzwerken heraus und folgen dem
Schneeballprinzip. In diesen Kooperationen zeigt sich die
Norm des Gebens und Nehmens, ein gegenseitiges Unterstüt-
zen und Stärken (Reziprozität als Prinzip der Nachbarschaft-
lichkeit). Die Kooperation mit Verwaltung und Politik braucht
eine Phase der Profilierung, Konstanz sowie das Hinzubewe-
gen der Vereine und Initiativen auf Verwaltung und Politik (und
vice versa). Typische Herausforderungen dabei sind: Zugäng-
lichkeit und Offenheit von Verwaltung und Politik, strukturelle
Rahmenbedingungen, wechselnde politische Konstellationen,
Fachsprache, ungleiches Wissen und ungleicher Zugang zu In-
formationen. Gelungene Kooperationen mit Verwaltung und
Politik werden als eine Win-win-Situation beschrieben.
Etablierte Nachbarschaftsvereine und -initiativen agieren an
der Schnittstelle zwischen Zivilgesellschaft und Politik und
Verwaltung. Sie werden zu Vertretern, Vermittlern, Informa-
tionsquellen und Ansprechpartnern für allerlei im Quartier.
Die Vereine und Initiativen können jedoch nicht gesamthaft
als Stellvertreter der Nachbarschaft oder des Stadtteils gese-
hen werden. Sie verfolgen konkrete Perspektiven, Ziele und
Interessen und verfügen über selektive nachbarschaftliche
Netzwerke. Anders formuliert: Nachbarschaft sollte nicht im
Singular oder als homogene Interessengemeinschaft adres-
siert werden.
Die Unterstützung von Nachbarschaftsvereinen und -initiati-
ven sollte unbürokratisch und mit geringem administrativem
Aufwand erfolgen und ohne Einflussnahme auf deren Selbst-
ständigkeit und Eigenlogik. Das Aufrechterhalten von Un-
abhängigkeit und Selbstbestimmung ist für die Vereine und
Initiativen zentral. Dafür braucht es die Anerkennung dieser
Akteure als legitime Kooperationspartner, als Experten des ei-
genen Wohnquartiers und als Ko-Produzenten von Städten.
Bürgergesellschaft
Nachbarschaft als lokales Potenzial
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außen interveniert wird – und damit die Voraussetzungen für
die Interventionsabsicht ebenso verloren gehen können, wie
die Unterstützung durch die Nachbarschaften.
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Bürgergesellschaft
Nachbarschaft als lokales Potenzial
führt. Die Räumlichkeiten der Träger sollten vor allem offen,
niederschwellig und nicht ausschließlich angebotsorientiert
gestaltet sein. Sie sollten auch für Nicht-Bewohnende des
Stadtteils zugänglich und nutzbar sein, um der Vervielfälti-
gung sozialer Netzwerke gerecht zu werden.
Eine erfolgreiche professionelle Nachbarschaftsarbeit benö-
tigt eine Finanzierungs- und Förderlandschaft, die sich durch
wenig Auflagen und einen hohen Gestaltungsspielraum aus-
zeichnet. Die bestehende staatliche Förderlandschaft und ihre
Rahmenbedingungen sind jedoch mit mehrfachen Herausfor-
derungen verbunden (z.B. Angebotsorientierung, geringe Fle-
xibilität, Finanzierung, Arbeitsbedingungen). Eine gelingende
professionelle Nachbarschaftsarbeit bedarf zudem eines res-
sortübergreifenden Arbeitsansatzes innerhalb der Verwaltung.
Die befragten Träger im Quartier gehen von einem verstärk-
ten Bedürfnis der Relokalisierung aus. Sie schreiben Nach-
barschaften als Raum der Zugehörigkeit und der alltäglichen
Vernetzung gegenwärtig und zukünftig eine wichtige Rolle
zu. Der nachbarschaftliche Alltag eröffnet zudem Möglichkei-
ten: das Erlernen von Demokratie und politischem Handeln,
Selbstermächtigung, die Auseinandersetzung mit sozialer und
kultureller Diversität und den Abbau von rassistischen und dis-
kriminierenden Stereotypen. Eine wichtige Aufgabe der pro-
fessionellen Nachbarschaftsarbeit ist es, Rahmenbedingungen
zu schaffen, die eine soziale Teilhabe aller ermöglichen und
sozialräumliche Segregation verhindern. Die Ansprüche stadt-
und sozialpolitischer Programme werden kritisch betrachtet,
denn strukturelle Probleme können nicht auf der lokalen Ebe-
ne durch Nachbarschaften gelöst werden.
Empfehlungen
Akteuren, die eine „Nachbarschaftspolitik“ verfolgen wollen,
wird aus den Ergebnissen der Studie dazu geraten, Nachbar-
schaften in ihrer Prozesshaftigkeit anzuerkennen. Wenn Nach-
barschaft als Interventionsebene gewählt wird, dann muss
dies im Bewusstsein geschehen, einen Prozess auszulösen, der
nur als Co-Design vollzogen werden kann, der zwar Meilen-
steine kennt, aber kein Ende, und dessen Absichten und Ziele
sich im Prozess verändern werden. Förderkulissen und Vorha-
ben, die dies nicht berücksichtigen, werden zwangsläufig zu
Top-down-Prozessen und wertvolle Ressourcen von Nachbar-
schaften (wie Wissen, Zeit, Mobilisierbarkeit, Umsetzungen)
kommen dadurch nicht zum Tragen.
Zudem wird geraten, die unterschiedlichen Akteure auf der
lokalen Ebene, ihre sozialen und räumlichen Praktiken und
die Bedeutung von Orten in ihren Interdependenzen zu ver-
stehen und sich über die jeweiligen Interventionsmomente
zu verständigen – also beispielsweise die Frage zu stellen,
ab welchem Moment Nachbarschaften in die strategischen
Planungen einbezogen werden sollten. Diese Überlegung ist
wichtig, denn es ist ein Ergebnis der Studie, dass sich das lo-
kale Geflecht von Nachbarschaften stark ändert, sobald von
Simone Tappert, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut
Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwick-
lung ISOS, Hochschule für Soziale Arbeit, Muttenz
Prof. Dr. Matthias Drilling, Institutsleiter, Institut Sozial-
planung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung
ISOS, Hochschule für Soziale Arbeit, Muttenz
Dr. Olaf Schnur, Wissenschaftlicher Leiter, vhw e.V., Berlin
Chapter
Allein die rege Konjunktur des Phänomens Nachbarschaft in öffentlichen und fachöffentlichen Diskursen würde bereits eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der Thematik rechtfertigen: Mit neuen Nachbarschaftsplattformen wie nebenan.de, nextdoor.com oder nachbarschaft.net, Events wie dem „Tag der Nachbarn“, dem „Deutschen Nachbarschaftspreis“ , dem „Preis der guten Nachbarschaft“ oder den „Nachbarschaftswochen“ in Wien, dem wiederholt in verschiedenen Städten stattfindenden „Tag des guten Lebens“, Programmen der quartiersbezogenen Stadtentwicklung sowie nachbarschaftsorientierten Konzeptvergabeverfahren bei Wohnungsneubau und Quartiersentwicklung wird „die Nachbarschaft“ inzwischen regelmäßig adressiert. Diese Einführung skizziert den Bedeutungswandel von Nachbarschaft und begründet die Notwendigkeit, sich mit dem Phänomen heute neu und adäquat auseinanderzusetzen.
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Segregation along lines of race/ethnicity and class has created multi-ethnic and rather class-homogeneous neighbourhoods in various European cities, commonly labelled as ‘disadvantaged’. Such neighbourhoods are often seen as ‘lacking’ community, as local networks are crucial for belonging and mixed neighbourhoods are too diverse to provide homogeneous identifications. However, in contrast to the understandings of the sociology of community, people might still experience ‘belonging’, yet in different ways. This article argues that we have to focus on the under-researched ‘time in-between’ (Byrne, 1978), the absent ties that Granovetter (1973) pointed to, to understand belonging, while moving away from a conception of the anonymous city and from the urban village. This article explores how absent ties affect belonging by empirically sustaining the notion of public familiarity: both recognizing and being recognized in local spaces. Using regression models on survey data from two mixed neighbourhoods in Berlin, Germany, we analyse the importance of neighbourhood use for public familiarity as well as how it relates to residents' comfort zone: people's feeling of belonging and their sense that others would intervene on their behalf. Our findings indicate that research on neighbourhoods could benefit greatly from a careful consideration of the ‘time in-between’.
Chapter
Im Rahmen der allgemeinen Tendenz, gesellschaftliche Wirklichkeit mit räumlichen Begrifflichkeiten und Raummetaphern zu deuten resp. zu ordnen, wird auch die Nachbarschaft vermehrt ins Zentrum praktisch-gestalterischer Aktivitäten von Sozialpolitik, Stadtentwicklung, Raumplanung oder Sozialer Arbeit gerückt. Im Zuge dessen wird innerhalb politisch initiierter Förder- und Aktivierungsprogramme versucht, nachbarschaftliche Hilfe- und Unterstützungssysteme aufzubauen, nahräumliche Netzwerke zu stärken oder allgemeiner den sozialen Zusammenhalt resp.
  • P Craven
  • B Wellman
Craven, P./Wellman, B. (1973): The Network City. In: Sociological Inquiry, B 43/3-4, S. 57-88.
  • G Crow
  • G Allan
  • M Summers
Crow, G./Allan, G./Summers, M. (2002): Neither Busybodies nor Nobodies: Managing Proximity and Distance in Neighbourly Relations. In: Sociology, B 36/1, S. 127-145.
Kulturwissenschaftliche Stadtforschung
  • T Hengartner
  • W Kokot
  • K Wildner
Hengartner, T./Kokot, W./Wildner, K. (2000): Kulturwissenschaftliche Stadtforschung. Reimer Verlag, Berlin.