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Sprache und Tabu. Interpretationen zu französischen und italienischen Euphemismen

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Abstract

Tabus sind Ausdruck des kulturellen Entwicklungsstandes und Selbstverständnisses einer Gesellschaft und reflektieren somit deren Mentalität und Wahrnehmung der Realität. Speziell sprachliche Tabus sind über Euphemismen greifbar, die eine optimale Grundlage für entsprechende Interpretationen darstellen. Auf diesem Hintergrund gilt der Band französischen und italienischen Euphemismen, wie sie entsprechend dem Sprachverständnis der Lexikographen zweier maßgebender Wörterbücher als solche ausgewiesen sind und sich bei umsichtiger Auswertung besonders gut für kulturvergleichende Betrachtungen eignen. Ausgehend von einer quantitativen und qualitativen Klassifizierung in Bezug auf formale und semantische Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden die Euphemismen in ihrer Raison d'être kultur- und mentalitätshistorisch erklärt und motivgeschichtlich in Bereichen verankert, die vom Magisch-Religiösen über das Ethisch-Ästhetische und Politisch-Korrekte bis hin zur „Ethik ohne“ reichen. Dabei wird das Phänomen des Euphemismus in seinen Ursachen, Motiven und Funktionen getrennt betrachtet und einer Gesamtinterpretation zugeführt.
V
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung. Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung . . . . . . . . . . . 1
2. Begriffl iche Vorklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.1 Tabu und Tabuisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.1.1 Zum Tabubegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.1.2 Vom Themen- zum Lauttabu. Ein Kontinuum . . . . . . 12
2.1.3 Tabuisierung aus zeichentheoretischer Sicht . . . . . . . . 14
2.2 Tabuisierung und Enttabuisierung. Der Euphemismus . . . . . . . 19
2.2.1 Auswertung historischer und aktueller
Defi nitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.2.2 Über Motive und Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.2.3 Zu Euphemismen aus soziolinguistischer Sicht . . . . . 31
2.3 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3. Tabubereiche im französischen und italienischen Wortschatz . . . . . 37
3.1 Technische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.1.1 Zur Wahl lexikographischer Korpora . . . . . . . . . . . . . . 37
3.1.2 Zur Erstellung und Darstellung der Korpora . . . . . . . 39
3.2 Euphemismen einzelner Bereiche im Vergleich . . . . . . . . . . . . . 42
3.2.1 Glaube, Aberglaube und Magie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
3.2.2 Sterben und Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
3.2.3 Krankheiten und andere Einschränkungen . . . . . . . . . 53
3.2.4 Eigenschaften und Verhaltensweisen . . . . . . . . . . . . . . 56
3.2.5 Liebes- und Sexualleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
3.2.6 Körperteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
3.2.7 Weiblicher Lebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
3.2.8 Toilettengang und Toilette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
3.2.9 Wirtschaft, Finanzen, Verwaltung und Militär . . . . . . 80
3.3 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
4. Auswertung der Korpora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
4.1 Zur lexikographischen Behandlung von Euphemismen . . . . . 85
4.1.1 Zur Systematik der Markierungskennzeichnung . . . . 85
4.1.2 Markierungsangaben im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . 94
4.1.3 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
VI
4.2 Vergleiche zu den von Sprachtabus belegten
Themenbereichen der Korpora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
4.2.1 Der euphemistische Ertrag beider Korpora
im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
4.2.2 Sprachtabus als Ergebnisse von Umfragen . . . . . . . . . 109
4.2.3 Weitere Aufstellungen zu Euphemismen . . . . . . . . . . . 116
4.2.4 Resüme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
4.3 Zum Kontinuum der Arten euphemistischer
Neuperspektivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
4.3.1 Formale Modifi kationen des Signifi kanten . . . . . . . . 121
4.3.1.1 Kürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
4.3.1.2 Deformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .124
4.3.2 Semantischer Ersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
4.3.2.1 Lexikon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
4.3.2.2 Vom Lexikon zur Morphosyntax . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
4.3.3 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
5. Zur Einteilung und Raison d’être der Euphemismen . . . . . . . . . . . . . 155
5.1 «Ethik und Religion». Sprachliche Verhaltenskodizes
zwischen Furcht und Scham . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
5.1.1 Mythisch-religiöses Sprachdenken und
Wortverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
5.1.2 Blasphemie auf der Basis von Christentum,
Kirche und Magie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
5.1.2.1 Das Alte Testament. Vom Dekalog bis Hiob . . . . . . . 161
5.1.2.2 Über Blasphemie in Kirchengeschichte
und weltlicher Legis lative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
5.1.2.3 Psychologische Aspekte blasphemischen
Fluchens. Zur Funktion tabuisierter Ausdrücke
und zur Genese von Euphemismen . . . . . . . . . . . . . . . 170
5.1.2.4 Zu Veränderungen im Charakter der Flüche.
Le mot de Cambronne als Wendepunkt. . . . . . . . . . . . 176
5.1.3 Sprachtabus bei Krankheit und Tod . . . . . . . . . . . . . . . 182
5.1.3.1 Krankheiten zwischen Furcht und Scham . . . . . . . . . . 182
5.1.3.2 Das Ende des Lebens. Zwischen Furcht
und Hoffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
5.1.4 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
5.2 «Ethik und Ästhetik». Rücksichtnahme im Verhalten
und Sprachverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
5.2.1 Die Epoche von Renaissance und Humanismus
als Markstein im Zivilisationsprozess. Italien
als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
5.2.1.1 Zum Stellenwert der Sprache in Castigliones
Cortegiano . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
VII
5.2.1.2 Giovanni della Casas Galateo als Schule
der Höfl ichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
5.2.1.3 Stefano Guazzos Civil conversazione . . . . . . . . . . . . . . 212
5.2.1.4 Zwischenresümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
5.2.2 Die Entwicklung in Frankreich. Von der Kritik
am Hofl eben zum Preziösentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
5.2.2.1 Heinrich IV. und das Hôtel de Rambouillet . . . . . . . 216
5.2.2.2 Sprachethik, Ästhetik und Distinktionswille.
Die Preziösität und der Euphemismus . . . . . . . . . . . . 222
5.2.2.3 Zwischenresümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
5.2.3 Zur allgemeinen Charakteristik der weiteren
Entwicklung der Manieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
5.2.3.1 Die Verinnerlichung des Schamgefühls . . . . . . . . . . . . 234
5.2.3.2 Das Abstecken der Schamgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
5.2.4 Achtung und Selbstachtung im Spiegel
des Wortschatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
5.2.4.1 Liebes- und Sexualleben im Wandel
des Schamgefühls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
5.2.4.2 Nacktheit und Prüderie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
5.2.4.3 Der weibliche Lebenszyklus zwischen
Dämonisierung und Normalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
5.2.4.4 Skatologie. Von der Unbefangenheit zur Scham . . . . 261
5.2.5 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
5.3 «Ethik und Sozialpolitik». Die Politische Korrektheit
und vergleichbare Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
5.3.1 Entstehung und Geschichte. Die Wurzeln
in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
5.3.1.1 Der soziokulturelle Kontext der Entstehung . . . . . . . 270
5.3.1.2 Die Gesellschaft der Opfer sowie Ridikülisierung
und Erweiterung des Ausdrucks politically correct . . 275
5.3.2 Zur Kontroverse um den Sinn «politisch
korrekten Sprachge brauchs» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
5.3.2.1 Die Macht der Sprache und ihre
Ideologiebesetztheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
5.3.2.2 Die Frage der Wertepräferenz innerhalb
einer Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
5.3.2.3 Der Euphemismus zwischen Sprache und Denken . . 296
5.3.3 Vom politically correct zum politiquement correct
bzw. politicamente corretto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
5.3.3.1 Der unterschiedliche soziokulturelle Kontext . . . . . . . 312
5.3.3.2 Die Ausweitung des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318
5.3.4 Politisch korrekte Euphemismen thematisch
geordnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
5.3.4.1 Rasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
VIII
5.3.4.2 Physische Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
5.3.4.3 Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
5.3.4.4 Sexuelle Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354
5.3.4.5 Geringes Sozialprestige. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
5.3.5 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
5.4 «Ethik ohne Moral». Profi t- und Profi lierungsdenken
im öffentlichen Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
5.4.1 Defi nitorische Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
5.4.1.1 Die Notwendigkeit der Abgrenzung zur
Politischen Korrektheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
5.4.1.2 Die Unterschiede zum doublespeak . . . . . . . . . . . . . . . 370
5.4.1.3 Sprachtäuschung, Lüge und die Frage
der Relation zwischen Bezeichnung und Realität . . . 372
5.4.1.4 «Ethik und Sozialpolitik» oder
«Ethik ohne Moral» als Frage der Perspektive . . . . . 374
5.4.2 Euphemismen ohne Moral unter thematischem
Aspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
5.4.2.1 Arbeit, Arbeitslosigkeit und die neue
Wirtschaftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
5.4.2.2 Kriegsereignisse und kriegerische Handlungen . . . . . 383
5.4.3 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390
6. Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
6.1 Rückblick: Lexikographische und kulturhistorische
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
6.2 Refl exe: Qualis homo, talis eius oratio? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398
6.3 Resümee: Das Phänomen Euphemismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409
Wortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
1
1. Einleitung. Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung
Sprachwissenschaft, richtig verstanden, ist Erfor schung
der Welt mit allem, was darin ist, allem Irdischen und
allem Seelischen, ist Form und Inhalt des menschli-
chen Denkens.
Elise Richter
Das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein bestimmter Tabus in einer
Gesellschaft ist ein exzellentes Kriterium, um Aussagen zum Entwicklungs-
stand ihrer civilité und zu ihrem kulturellen Selbstverständnis zu treffen, und
kann als Ausdruck ihrer Mentalität und ihrer Wahrnehmung der Realität
interpretiert werden. Es handelt sich dabei um Verhaltensgebote mythisch-
religiöser oder profaner Natur, teilweise sogar um strafbewehrte Verbote,
deren Existenz und Stellenwert dem gesell schaftlichen Wandel unterliegen
und daher je nach Gesellschaft und Zeit raum unterschiedliche Ausprägungen
erfahren. Als Bestandteile eines Verhaltenskodexes betreffen Tabus immer
auch sprach liches Verhalten, in dem sie in einem Konti nuum greifbar wer-
den, das vom Schweigen oder vom Verschweigen tabuisierter Themen oder
Aus drucksweisen bis zu deren vielfältigen euphemistischen Ersatzmöglich-
keiten reicht. Aufgrund der soziokulturellen Bedingtheit von Tabus impli-
ziert dies eine in jeder Sprachkultur unterschiedlich erfolgende Entwicklung
von Bezeichnungsmöglichkeiten, mit deren Hilfe die jeweils wirksamen Ar-
ten sprachlicher Tabuisierung in der Gesellschaft um gangen werden können.
Dabei drängt sich zunächst die Frage auf, ob angesichts der heute weit-
gefassten Semantik von Tabu, die ursprünglich auf den kultischen Bereich
begrenzt war, (2.1.1) die verschiedenen Arten sprachlicher Äußerungsbe-
schränkungen immer noch unter einem einzigen Begriff, dem des sprachli-
chen Tabus, subsumiert bzw. auf einen gemeinsamen Nenner gebracht wer-
den können (2.1.2). Schließlich handelt es sich dabei um Phänomene, die
entweder aus der Tradition heraus ok troyiert erscheinen oder mit unter-
schiedlicher Zielsetzung und Be gründung meist zeit- und gesellschaftsspezi-
sch neu oder wiederholt selbst aufer legt werden. Zu Ersteren gehören vor
allem die Tabus des magischen und religiö sen Bereichs, zu Letzteren, den
profanen Tabus, so unterschiedliche Erschei nungen wie das viel leicht zuviel
belächelte Preziösentum im Frankreich des 17. Jahrhunderts oder neueren
Datums die Politische Korrektheit. Dazu stellt sich auch die von der Dis-
2
kussion oft auf Sach- oder Sprachtabu zentrierte Frage, was denn eigentlich
tabui siert wird, eine Frage, die zeichentheoretisch klar beantwortet werden
kann (2.1.3). Die damit präzisierte sprachliche Tabuisierung hängt genetisch
eng mit der von ihr ausgelösten Enttabuisierung zusammen. Letztere fi ndet
ihren Ausdruck in den vielfältigen Erscheinungsformen, die unter dem Be-
griff des Euphe mismus zusammengefasst werden. Dieser vielschichtig gese-
hene Begriff ist auf der Basis der bestehenden Defi nitionen nicht einfach zu
greifen (2.2.1) und in seinen Motiven und Funktionen (2.2.2) sowie soziolin-
guistisch (2.2.3) zu erfassen, kann aber unbestrit ten als der geeignetste Maß-
stab für das Erkennen und Bewerten sprachlicher Tabuisierung im Wort-
schatz gelten. Denn er dient dazu, den sprach lichen Tabubruch zu vermei den,
der eben erst durch die euphemistische Bezeichnung als onomasiolo gische
Umgehung von Sprachtabus greifbar wird.
Obwohl diese Sachverhalte weitgehend bekannt sind, fanden der Ver-
gleich zweier Sprachen und damit auch die sich aus ihm möglicher weise
ergeben den Erkenntnisse in der Sprachtabuforschung bislang noch keine
systematische Beachtung. Hierfür wurden die französische und italienische
Sprache ausgewählt, deren Sprecher sich zwar in ihrem Sprachver halten und
ihrer Mentalität sowie in ihren traditionellen Sitten und Gebräuchen klar un-
terscheiden, die aber gleichzeitig zu zwei für die europäische Kulturgeschichte
phasenweise besonders richtungsweisenden Sprachkulturen gehören, deren
Entwicklung über Jahrhunderte eng miteinander vernetzt war, so dass sich
die jeweils zivilisatorische Bedingtheit von Tabu und Euphemismus hier in
exemplarischer Weise auftut. Dabei lässt sich sehr schnell erkennen, dass die
Euphemismusforschung in den beiden Sprachen bisher sehr unterschiedlichen
Stellenwert hat. Seit Nyrop (1913) im siebten Buch des vierten Bandes seiner
Grammaire historique eine aus führliche und materialreiche Behandlung des
Themas vorgelegt hat, sind zum Französischen keine vergleich baren Darstel-
lungen mehr erschienen, sondern le diglich Aufsätze zu Einzelphä nomenen
oder -fragen. Lebsanft bezeichnet es daher zu Recht als «parent pauvre ro-
manistischer Sprachtabu- und Euphemismusfor schung» (1997, 112) und gibt
selbst einen sehr anregenden «Anstoß zu einer neuen Form der Analyse von
Sprachtabu und Euphemismus als sprach- und kul turhistorischen Phänome-
nen» (1997, 125). Für das Italienische ist als umfas sende Untersuchung v.a.
diejenige von Nora Galli de’ Paratesi (1964) zu nennen, ferner die thematisch
auf Er satzmechanismen begrenzte Arbeit von Widłak (1970) und die dem
Teilbereich des sexuell-erotischen Vokabulars gewidmete Studie von Radt-
ke (1980), die auch Hinweise auf andere romanische Sprachen enthält. Es
handelt sich also durchweg um ältere Arbeiten, die angesichts der Ent- und
Neutabuisierung, wie sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgte,
den aktuellen Euphemismenstand nicht mehr belegen können.1
1
Zum Stand in anderen romanischen Sprachen cf. zum Portugiesischen die material-
3
So liegt es nahe, Bereiche, in denen in den beiden Sprachen Eu phemismen
auftreten, sowie deren qualitative und quantitative Aspekte und die damit
zusammen hängenden Fragen anhand zweier Korpora von Euphe mismen nä-
her zu betrachten, die bei allen Vorbehalten gegenüber der lexikographi-
schen Präzision nur lexikographischer Art sein können (3.1). Ihre Gliede-
rung nach denjenigen Sachgebieten, denen die Anstößigkeit der Ausdrücke
entspringt (3.2), erlaubt es, Gemeinsam keiten und Unterschiede in Anzahl
und Art der tabuisierten Bezeichnungsweisen herauszuarbeiten. Hierfür ist
zunächst die Behandlung des Euphemismus in den zugrunde gelegten lexi-
kographischen Quellen zu betrachten und dabei auf unterschiedliche Mar-
kierungsangaben bei mehrfach angeführten Ausdrücken, auf technisch nicht
eindeutige Markierungs kenn zeich nungen und auf fragliche Angaben von nur
historischer Markierung einzugehen (4.1.1). Im Hinblick auf die Aussage-
kraft der einzelnen Lexika sind auch die in den Wörterbüchern einer Sprache
voneinander abweichenden Angaben zu thematisieren, die illustrieren, wie
sehr das Euphemismenverständnis divergieren kann, sowie die unterschied-
liche Bewertung äquivalenter Ausdrücke, die wiederum die Grenzen einer
möglichen Korpuserstellung mit einem rein linguistischen Euphemismen-
verständnis aufzeigt. Zudem sind anderweitige Markierungsangaben zu be-
rücksichtigen, die das Phänomen des Euphemismus besser verstehen helfen
(4.1.2). Unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Vergleichbarkeit beider
Korpora erfolgt sodann die Synthese der Übereinstimmungen und Divergen-
zen, auf deren Grundlage die infolge sprachlicher Enttabuisierungen in Form
von Euphemismen ermittelten Tabubereiche durch Ergebnisse von direkten
Umfragen und weiteren Aufstellungen ergänzt werden können (4.2). Uner-
lässlicher Bestandteil einer Arbeit über Euphemismen sind schließlich eben-
falls die vielfältigen Möglichkeiten, die tabuisierte Ausdrucksweise formal zu
verändern oder zu ersetzen. Die Zielsetzung der vorliegenden Studie, alle
Euphemismen der Korpora systematisch einzelnen Bildungsmechanismen zu-
zuordnen, erlaubt dabei erstmals klare Aussagen zur Korrelation zwischen
bestimmten Verfahren und Tabuthemen (4.3).
Im Sinne einer befriedigenden Erklärung des lexikographisch markier-
ten Euphemismenbestandes erweist es sich v.a. als sinnvoll, die Materialien
aus historischer Perspektive zu betrachten und dafür wesentliche Fakten der
reichen Darstellungen von Mansur Guérios (1979) und Heinz Kröll (1984); zum
Spanischen die Untersuchung von Miguel Casas Gómez (1986a), die vor allem auf
die verschiedenen euphemistischen Substituti onsarten zentriert ist, und weitere
Aufsätze des Autors, u.a. zu defi nitorischen Aspekten (1993) und zur lexikogra-
phischen Berücksichtigung von Euphemismen (1989), die auch Gegenstand von
Reutner (2008c) ist; zur kulturgeschichtlichen Einbettung cf. Reutner (im Druck
a). Hervor zuheben ist ferner das Wörterbuch Creatividad lingüística. Diccionario
de eufemismos von Rodríguez Estrada (1990) sowie das Diccionario de eufemismos
von Lechado García (2000).
4
Entwicklung der einzelnen Euphemismus- bzw. Tabubereiche heranzuziehen.
Der Blick auf ausgewählte Kapitel der Geschichte zeigt, inwieweit sich die
Euphemismen beider Sprachkulturen auch als Ergebnis des öfter feststell-
baren Wechsels von epochen- oder gruppen spezifi schen Tabuisierungs- und
Enttabuisierungsschüben erkennen und ein ordnen lassen. Dadurch kann sich
ebenfalls ein Beitrag zur Beschreibung der Raison d’être, des Aufkommens
und Nachlassens solcher Schübe ergeben. Dies wird zunächst anhand der
Genese magisch-religiös verankerter Euphemismen darzustellen sein, die so-
wohl im Zusammenhang mit einem ursprünglichen Namens- und Wortver-
ständnis zu betrachten ist (5.1.1) als auch im Bezug auf ihren Stellenwert im
christlich-kirchengeschichtlichen Kontext, wo vor allem eine Interpretation
als enttabuisierende Reaktion auf das Verbot blasphemischer Schwüre und
Flüche nahe liegt. Dabei ist auch zu erklären, wieso der heutige Euphemis-
menbestand in Fluchformeln und Interjektionen andere inhaltliche Akzente
setzt als jene auf magisch-religiöser Basis und wie sich die diesbezüglichen
Unterschiede im Eu phe mismen bestand der beiden Sprachen erklären lassen
(5.1.2). In den Zusammenhang der in Glaube und Aberglaube motivierten
Euphemismen sind neben den Flüchen auch euphemistische Umschreibun-
gen direkter Bezeichnungen aus den traditionell zum Walten Gottes gerech-
neten Bereichen «Krankheit» sowie «Sterben und Tod» einzuordnen (5.1.3),
die u.a. auch aufgrund gebotener Rücksichtnahme gegenüber den Betroffe-
nen unverzichtbar sind.
Dies führt zur Betrachtung eines zweiten sprachlichen Tabuisierungs-
schubs mit Veränderungen, die mit Norbert Elias im sozialgeschichtlichen
Zusammenhang am Beginn der Neuzeit anzusetzen sind und durch den
Renaissancehuma nismus nicht zuletzt sprachliche Orientierung im sozialen
Mit einander bewirken. Die neue kulturelle Strömung hat ihre wesent liche
Ausgangsbasis denn auch in Italien, wo die Traktate Baldassare Castig-
liones (Corte giano), Giovanni della Casas (Galateo) und Stefano Guaz-
zos (Civil conver sa zione) erschienen, die auch unter Hinweis auf Eras-
mus’ Civilité puerile auf ihren sprachkulturellen Inhalt hin auszuwerten
sind (5.2.1). Im Anschluss daran wird die Rezeption der neuen Umgangs-
formen in Frankreich zu thematisieren sein, wo sie zunächst und beson-
ders stark in der entstehenden Salonkultur mit ihrem ethisch-ästhetischen
Hintergrund erfolgt, dann aber auch in der aus dieser Kultur erwachse-
nen Preziosität, in der die vorwiegend durch die Molièresche Übertrei-
bung bekannt gewordene euphemistische Ausdrucksweise eine Hochzeit
eigener Prägung durchläuft (5.2.2). Die durch den Renaissancehuma nismus
bewirkten Modifi kationen sind daraufhin in ihrer weiteren Entwicklung zu
verfolgen, wobei es in erster Linie darum geht, Veränderungen im Stellen-
wert des Schamgefühls nachzuzeichnen (5.2.3), das als Motiv für euphemi-
stische Umschreibung beim Sprechen über Sexualität, intime Körperteile,
den weiblichen Lebenszyklus oder Skatologie wirksam ist und als solches
einen größeren Teil zentraler Euphemismusbereiche abdeckt, die für den
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früheren wie heutigen Gebrauch beider Sprachen relevant und somit im
Einzelnen darzustellen sind (5.2.4).
Doch Enttabuisierungsschübe, wie sie z.B. als Auswirkungen der Ereig-
nisse von 1968 erfolgten, sind weit davon entfernt, eine Art tabufreier Zeit
zu bewirken, zumal auch neue Sprachtabus entstehen und ent sprechende
Euphemismen kreiert werden, wie z.B. im Zuge der Politi schen Korrektheit,
die aufgrund ihrer Aktualität trotz geringer Rezeption in der Lexikographie
größere Aufmerksamkeit ver dient. Dabei wird mit der Anpassung der Cur-
ricula durch die Berücksichtigung minderheitenspezifi scher Themen und mit
der Quotierung der Hochschulzulassung zugunsten Farbiger zunächst der
sozialgeschichtliche Kontext ihrer Entstehung in den USA darzustellen und
auf Ridikülisierungserscheinungen einzugehen sein (5.3.1). Sodann erfordert
die im Rahmen der Politischen Korrektheit immer wieder thematisierte Fra-
ge nach dem Nutzen sprachlicher Veränderungen für die entsprechenden
Minderheiten die Auseinandersetzung mit der Infragestellung ideologiefrei-
er Sprache, mit der Gewichtung des Grundwertes freier Meinungsäußerung
gegenüber einer eventuellen Beeinträchtigung des Minderheitenschutzes so-
wie mit dem Verhältnis von Sprache und Denken und dem Stellenwert des
Euphemismus zwischen beiden (5.3.2). Im Anschluss werden Facetten der
spezifi schen Ausprägung Politischer Korrektheit in Frankreich und Italien
dargestellt (5.3.3) und als einzelne Gebiete die Bereiche «Rasse», «Physi-
sche Einschränkungen», «Alter» und «Sexuelle Identität» sowie aufwerten-
de Berufs- und Länderbezeichnungen kulturgeschichtlich und lexikologisch
thematisiert (5.3.4).
Die bis dahin behandelten und teilweise auch als verhüllend bezeichneten
Euphemismen entspringen Motiven wie Ehrfurcht, Scham, Rücksichtnahme.
Im Dienste der Höfl ichkeit stehend, wahren sie den Realitätsbezug, was sie
von einer zweiten Kategorie von Euphemismen unterscheidet, bei denen die
Intention des Sprechers darauf abzielt, von der Masse der Gesellschaft als
unmoralisch verurteilte Gegebenheiten oder Handlungen zu verschleiern.
Diese werden im Rahmen einer im Sinne einer Verhaltensorientierung de-
nierten «Ethik ohne Moral» behandelt, die zunächst von Politischer Kor-
rektheit, von doublespeak und dem Phänomen der Lüge abzugrenzen ist
(5.4.1), bevor am Beispiel von Kündigung, Arbeitslosigkeit, Teuerung oder
Schmiergeld und insbesondere Kriegsgeschehnissen einzelne Bereiche in ih-
rer Entwicklung genauer betrachtet werden (5.4.2). Nach einem Rückblick,
der die zusammengefassten Ergebnisse des Vergleichs enthält (6.1), und Ge-
danken zur soziokulturellen Lokalisierung des sich euphemistisch ausdrük-
kenden Individuums (6.2) wird das Phänomen Euphemismus in Form einer
nach Sprecherintention, Ursachen, Motiven und Funktionen gegliederten ab-
steigenden Abstraktionshierarchie dargestellt und auf dieser Grundlage einer
umfassenden Defi nition zugeführt werden können (6.3).
... Beyond taboo or even dysphemistic expressions, euphemisms can be linked to humour in various ways too. This includes allusions and sexual innuendo employed for entertainment in poems and songs (see Allan & Burridge 1991: 210-220, Blake 2018, as well as exaggeratedly euphemistic job titles that ridicule political correctness (see Reutner 2009: 365, Casas Gómez 2009, the satirical use of euphemisms e.g. in political comedy (see Burridge 2012: 70), the parody of euphemistic bureaucratic language (see inviting recipients to take a critical perspective on real politics, seemingly polite compliments in personal interaction that are meant and/or perceived as " [p]olirudeness" or "pseudo-politeness" (Kerbrat-Orecchioni 2013: 21), and finally jocose euphemistic (and dysphemistic) hints in marketing contexts that make it easier to advertise taboo-related products such as laxatives (see López Díaz 2009). ...
... Therefore, it provides a comparison between straight and twisted use, analyses the styles of humour involved, describes the humorous illocutions, i.e. the motives and functions of humorous euphemism use, and finally offers a typology of humorous euphemism use. After the presentation of Reutner's (2009) typology (see Section 2), we give more detailed definitions of 'twisted' use and humour (see Section 3). Based on the four anchorings of straight use, four basic twisted types can be identified: playing-with-fire, innuendo, mocking, and idealistic euphemisms. ...
... The examples originate in two language families, Germanic (English, German) and Romance (French, Italian, Portuguese, and Spanish), and in various periods and genres, ranging from Renaissance poetry to contemporary tweets. Reutner (2009) distinguishes between four fields of euphemism use according to different speaker intentions, anchorings, origins, motives, functions, and core topics. The analysis of speaker intentions refers to the question of whether speakers intend to maintain or to obfuscate the connection to reality. ...
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The article examines the ways in which humour twists regular euphemism use. Based on the classical fields of euphemisms anchored in religion, aesthetics, social politics, and amorality, it identifies the characteristics of their twisted variants with a humorous component: playing-with-fire euphemisms that jocosely provoke supernatural forces, innuendo euphemisms that entertain, mocking euphemisms make fun of others in a teasing or demeaning way, and idealistic euphemisms that uncover obfuscating language and negative realities. Using English, German, French, Italian, Portuguese, and Spanish euphemisms of different periods and genres, the article analyses the intentions, origins, motives, functions, and styles of humour, differentiates between symbiotic and parasitic twists, and thus provides a typology of twisted euphemism use.
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This article elaborates on Wolfgang Schulze’s keynote speech of the same title at the 26th LIPP Symposium in Munich in 2019. It is based on the slides from his talk and various teaching materials, of which some figures have been translated from German to English before their inclusion in this article. While this article’s foundation rests on Schulze’s theories and research, we have done our best to build upon his work; direct quotes and key concepts of his will be cited throughout the text. Schulze intended to write this article himself, but after his unexpected passing in early 2020, we decided to offer this contribution on his behalf. Research on taboo is widely spread across diverse academic disciplines that each attribute slightly, yet noticeably, different meanings to the concept. This article proposes an all-encompassing definition applicable to all socio-cultural contexts. To arrive at this comprehensive understanding, we first briefly survey the history of taboo and its linguistic study. Then, we present a formal and functional typology of circumnavigating taboos, taking into account the concepts of mana and noa as proposed by Schulze ( 2019 : 13, 15, 16). While the specific social restrictions resulting from tabooed relations vary from community to community, the purpose of taboo remains the same: social stability, protection and sustainability. Linguistic taboos contribute to these social functions by restricting the use of certain linguistic signs in certain situations. Such constraints necessitate strategies for avoiding taboo, including articulation shift, lexical substitution and the emergence of special languages, detailed here.
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The global outbreak of Covid-19 in 2020 changed the world in many ways. Language reflects these changes at various levels. The article considers the linguistic effects of the pandemic with humorous potential: various types of puns, the jocular exploitation of the polysemy of corona , and playful components of contemporary trending words. As a result, not only do portmanteaus and compounds prove to be particularly prone to entertain, but it is also shown that the various forms of word play generally depend on ludic remotivation, a kind of remotivation which is finally situated and defined between the scholarly and the folk etymological type.
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Renaissance songs are full of sexual content, which, however, generally appears in an encoded manner. Based on a corpus of 278 texts from an anthology representing a broad range of French Renaissance songs, the article analyses the excerpts that show clear traces of sexual content from both a qualitative and a quantitative perspective. In a qualitative analysis, the study presents the images that describe male and female body parts, the coitus, and orgasm. It categorizes them according to the underlying techniques of codification, such as metaphor, synecdoche, metonymy, metalinguistic reference, and projection, and further subdivides the metaphors into the semantic fields they originate in, such as flora and fauna, physical activity (playing, dancing, planting, fighting), objects (spear, instrument, and others) or fainting and death. Using a quantitative approach, the article shows the distribution of these images, techniques, and sexual content. The metaphor is the most frequently used technique, in terms of tokens, followed by metonymy and synecdoche. The coitus appears, again in terms of tokens, as the dominant encoded content, followed by the orgasm, and male and female body parts. The article hence delivers a corpus-based presentation and evaluation of common euphemisms used for the coding of sexuality, thus allowing a deeper understanding of French Renaissance songs as well as a systematic grasp of the early use of sexual euphemisms in French.
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According to Allan & Burridge [1991: 11], “[a] euphemism is used as an alternative to a dispreferred expression, in order to avoid possible loss of face: either one’s own face or, through giving offence, that of the audience, or some third party.” The word “alternative” seems to imply that there is always a choice for speakers, according to the situation of utterance, the interlocutor(s), the register, etc. Yet, in some cases, there does not seem to be much choice, and some euphemisms are completely lexicalized as they have imposed themselves as the only acceptable ways to refer to a given referent or a given notion. This may be the case for politically-correct terms for instance, or for euphemisms referring to notions that are deemed too shocking or painful to be directly mentioned, such as diseases. This article aims to discuss the aspects of word-formation process in the euphemistic lexicon of physical and mental illnesses in English and in French, by resorting to a comparative analysis. I will try and show that if some euphemistic neologisms are generated to circumvent the taboo surrounding diseases and illnesses, some others act as real terminological creations and enable to play a role in structuring the domain.
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Taboo research has established that women’s menstrual cycle has been a prevailing taboo topic across societies. There is, however, another M-word that has been treated as taboo: Menopause simply is not talked about or only in a certain way. The current discourse around menopause oscillates between various stages of liberation and de-tabooization on the one hand and discomfort and silence on the other. Menopause is a highly pathologized process orbiting ageing, fears of temporary madness, and social attitudes about older women’s sexuality. The answer to why women go through menopause in the first place may be found by studying whales, the only other species with females surviving their post-reproductive years by up to half a century. A comparison of the social implications of menopause in women and female killer whales may change the way women experience ‘the change’ and shift the focus from medicalization to empowerment. This article explores facts and myths around menopausal changes within a framework of taboo discourse. I propose that in Western societies menopause is still socially constructed as an illness. Dismantling practices of how ‘expert knowledge’ is used to exert power over women explicates why these taboos are confirmed in symbolic interaction within societies.
Chapter
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The article sheds light on the connection between euphemism, dys­phemism, and verbal aggression. Dysphemisms mostly appear with a pejorative effect in the literature, whereas euphemisms appear with a preventive or mitigat­ing function. The concept of this article is based on the conviction that euphe­misms and dysphemisms are not to be understood as expressions that inherently contain an enhancing or disavowing function. Rather, they involve euphemistic or dysphemistic acts, respectively, whose success (i.e. effect) is determined by all sorts of factors, and not only by lexical meaning. Among other things, the perlocutionary effect depends on the situational and linguistic context, on the relationship between the interactants (i.e. discourse participants), on their roles in the discourse, and on the individual characteristics of the interactants (i.e. language competence, discourse competence, awareness, empathy, aggressive­ness etc.). In addition to overt verbal aggression, the article also considers rarely investigated aspects of covert aggression based on examples of private and public discourse; that is, verbal attacks through euphemisms and non-aggressive effects of dysphemisms. At the center of these considerations are the prevention of aggression, overt and covert forms of verbal aggression, and intended (i.e. inten­tional) and unintended (i.e. unintentional) hostility. The article discusses with which communicative factors and in which speech acts certain expressions have a euphemistic (i.e. polite) or dysphemistic (i.e. aggressive) effect, and, further­more, which factors constitute euphemisms and dysphemisms. This discussion highlights the most important features of these.
Article
The aim of investigating death announcements is to show how texts whose function is precisely to publicly announce death manage to avoid direct confrontation with the subject itself. An empirical study of French newspapers (2006-2009) revealed four major distinct modalities for avoiding the topic: distancing, convocation, invocation and appropriation. These depend on socio-cultural and technical contexts and underscore the need for a pluri-disciplinary approach to the public representation of information on deaths.
Lüge und die Frage der Relation zwischen Bezeichnung und Realität
  • Sprachtäuschung
Sprachtäuschung, Lüge und die Frage der Relation zwischen Bezeichnung und Realität... 372