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PhoenAIX - Die modulare Transportdrohne

Authors:
  • German Federal Aviation Office
  • Airbus Defence and Space

Abstract

Die autonome, unbemannte Luftfahrt ist einer der Schlüsselsektoren für die Zukunft der Luftfahrt. In diesem rasant wachsenden Bereich nehmen senkrecht startende und senkrecht landende Flugzeuge (Vertical Take-Off and Landing – VTOL) einen besonderen Platz ein. Ein VTOL-Flugzeug (manchmal auch „Transitionsfluggerät“ genannt) verbindet die Eigenschaft des Helikopters, überall starten und landen zu können, mit den Geschwindigkeits-, Reichweiten und Flugdauervorteilen des Starrflüglers. Grundsätzlich wird die Senkrechtstart- und -landefähigkeit sowohl von zivilen als auch von militärischen Betreibern unbemannter Fluggeräte (UAVs) gewünscht. Trotzdem bietet der Markt nur eine geringe Anzahl von VTOL-UAVs, da qualitativ hochwertige Entwürfe eine ausgesprochene Herausforderung in der Entwicklung darstellen. An der FH Aachen wird deshalb seit über 5 Jahren an der Auslegung und Analyse von solchen unbemannten VTOL Flugzeugen geforscht. Das neuste Projekt ist der Eigenentwurf einer großen, senkrechtstartenden Transportdrohne. Das „PhoenAIX“ getaufte Fluggerät wird von Falk Götten und Felix Finger im Rahmen einer EFRE-Förderung entwickelt.
– 38 – Ingenieurspiegel 1 | 2020
Die autonome, unbemannte
Luftfahrt ist einer der Schlüs-
selsektoren für die Zukunft
der Luftfahrt. In diesem ra-
sant wachsenden Bereich neh-
men senkrecht startende und
senkrecht landende Flugzeu-
ge (Vertical Take-Off and Lan-
ding – VTOL) einen besonderen
Platz ein. Ein VTOL-Flugzeug
(manchmal auch „Transitions-
fluggerät“ genannt) verbindet
die Eigenschaft des Helikopters,
überall starten und landen zu
können, mit den Geschwindig-
keits-, Reichweiten und Flug-
dauervorteilen des Starrflüg-
lers. Grundsätzlich wird die
Senkrechtstart- und -landefä-
higkeit sowohl von zivilen als
auch von militärischen Betrei-
bern unbemannter Fluggeräte
(UAVs) gewünscht. Trotzdem
bietet der Markt nur eine gerin-
ge Anzahl von VTOL-UAVs, da
qualitativ hochwertige Entwür-
fe eine ausgesprochene Heraus-
forderung in der Entwicklung
darstellen.
PhoenAIX –
Die modulare Transportdrohne
An der FH Aachen wird deshalb
seit über 5 Jahren an der Ausle-
gung und Analyse von solchen
unbemannten VTOL Flugzeu-
gen geforscht. Das neuste Pro-
jekt ist der Eigenentwurf einer
großen, senkrechtstartenden
Transportdrohne. Das „Phoe-
nAIX“ getaufte Fluggerät wird
von Falk Götten und Felix Fin-
ger im Rahmen einer EFRE-För-
derung entwickelt.
Dabei verfolgen die Forscher
einen Hybridansatz, entwi-
ckeln also eine Mischung aus
Flugzeug und Multicopter. Von
Multicoptern oder Helikoptern
wird das Prinzip des Senkrecht-
startens übernommen. So wird
keine Start- und Landebahnen
benötigt. Leider ist die Effizienz
von Multicotern sehr gering, in
den meisten Fällen liegt ihre
Flugdauer bei unter einer hal-
ben Stunde. Damit „PhoenAIX“
längere Strecken zurücklegen
kann, soll nach dem Start in den
Flächenflug übergegangen wer-
den. Damit kann die Flugzeit
etwa um einen Faktor vier ge-
steigert werden. Die Einsatzsze-
narien sind vielfältig: So kön-
nen mit „PhoenAIX“ beispiels-
weise Rettungskräfte bei der
Suche nach vermissten Perso-
nen unterstützt werden. Transi-
tionsfluggeräte wie „PhoenAIX“
besitzen hierbei entscheidende
Fähigkeiten für den Einsatz in
der Lebensrettung: Sie sind in
der Lage längere Distanzen als
herkömmliche Drohnen zurück-
zulegen, und sie können ihre
Nutzlast wie medizinische Gü-
ter oder kleine Rettungsinseln
punktgenau abwerfen.
Damit eigenen sie sich aber
auch dafür, entlegene und
schwer zugängliche Gebiete
wie Inseln, Berge oder das aus-
tralische Outback mit wichti-
gen Gütern zu versorgen, sie
zu erkunden oder zu vermes-
sen. Hiermit lässt sich die Brü-
cke zum kommerziellen Ein-
satz des Fluggeräts schlagen.
„PhoenAIX“ kann einen Beitrag
zur Neuausrichtung des Logis-
tikmarktes erreichen. Führen-
de Analysten prognostizieren in
den nächsten 15 Jahren allein in
den USA bis zu einer Millionen
Transportdrohnenflüge – am
Tag! Es wird mit einem jährli-
chen Wachstum der Paketbran-
che zwischen 17 und 28% bis
2022 gerechnet.
Das Fluggerät „PhoenAIX“ ist 25
kg schwer und hat eine Spann-
weite von 4,20 m. PhoenAIX
transportiert – je nach Konfi-
guration – Nutzlasten zwischen
3 und 5 kg, bzw. ein Volumen
von 31,5 Litern. Das entspricht
der Größe einer Weinkiste, oder
drei Schuhkartons. Somit kön-
nen Logistikaufgaben problem-
los gelöst werden, aber es steht
auch viel Platz für Sensorik und
Elektronik für alternative Missi-
onen zur Verfügung. Die Reich-
weite beträgt hierbei bis zu 150
km. Das System ist vollends
auf einfache Handhabung und
– 39 –Ingenieurspiegel 1 | 2020
hohe Robustheit im Alltagsbe-
trieb ausgelegt. Hinzu kommt
der voll modulare Aufbau: Der
Anwender hat die Wahl unter
mehreren Antriebssystemen
und vor jedem Flug kann indi-
viduell entschieden werden, ob
ein senkrechter Start nötig ist
oder nicht.
Um die Nutzlast bestmöglich
zu schützen, ist PhoenAIX kom-
plett redundant gestaltet. Dies
bedeutet, dass der Ausfall eines
Teilsystems nicht zum Ausfall
des gesamten Flugzeugs führt.
Dieses Prinzip wird in der be-
mannten Luftfahrt seit Jahr-
zehnten eingesetzt, hat aber
bisher nur sehr beschränkten
Einsatz in der unbemannten
Fliegerei gefunden. Zusätzlich
ist ein Notfall-Fallschirm integ-
riert, der bei unerwarteten Zwi-
schenfällen auslöst und Nutz-
last und Personen am Boden
schützt.
Die Möglichkeit senkrecht zu
starten und zu landen wird
durch ein per „Plug & Play“ ad-
aptierbares, sogenanntes „Ho-
versystem“, bereitgestellt. Die-
ses System verfolgt die gleiche
Antriebslogik wie die bekann-
ten Multicopter-Drohnen und
dient dazu, das Fluggerät beim
senkrechten Start auf eine de-
finierte Mindestflughöhe zu
heben. Dort wechselt das Flug-
gerät dann in den Modus des
Vorwärtsflugs (Transition) und
fliegt wie ein herkömmliches
Flächenflugzeug bis zu seinem
Ziel. In dieser Zeit wird das Flug-
zeug durch einen Propeller am
Heck angetrieben, während die
acht Rotoren des Hoversystems
abgeschaltet und aerodyna-
misch günstig arretiert werden.
Über dem Zielort erfolgt eine
Rücktransition, das Fluggerät
geht wieder in den Schwebezu-
stand über und landet anschlie-
ßend senkrecht. Hierdurch
kann das Fluggerät völlig un-
abhängig von der Infrastruktur
am Boden eingesetzt werden
und auf nahezu jedem Unter-
grund starten und landen.
Im Reiseflug als herkömmliches
Flugzeug verbraucht es nur ei-
nen Bruchteil der Energie im
Vergleich zu einem herkömmli-
chen Multicopter. Dies liegt da-
ran, dass der gesamte Auftrieb
über den Flügel erzeugt wird
und nicht wie bei Multicoptern
über den Schub der Rotoren.
Das ermöglicht eine viel grö-
ßere Flugdauer und somit auch
eine starke Reichweitenvergrö-
ßerung.
Neben diesen Eigenschaften als
senkrecht Start- und Landeflug-
gerät kann die Drohne auch als
herkömmliches Flugzeug ver-
wendet werden. Hierfür wird
das Hoversystem mit wenigen
Handgriffen entfernt. Dann be-
nötigt das Fluggerät eine etwa
300 m lange Start- und Lande-
bahn, wobei ein Start von einer
Graspiste aus möglich ist. Durch
den Wegfall des Hoversystems
ergeben sich dann im Vergleich
zu der senkrecht startenden
Konfiguration nochmals erheb-
lich gesteigerte Flugleistungen.
Anstelle des Hoversystems kön-
nen zur weiteren Leistungsstei-
gerung zusätzliche Batterien
oder zusätzliche Nutzlasten in
Form von Waren oder Sensoren
integriert werden.
Mit dem Entwicklungsprojekt
„PhoenAIX“ werden auch die
Studierenden der FH Aachen
gefördert. Das praktisch orien-
tierte Forschungsprojekt bietet
die Möglichkeit Vorlesungsin-
halte direkt anzuwenden. Bei
der Konstruktion eines kleinen
Fluggeräts erhalten die Studie-
renden einen Überblick über
das komplette Flugzeug und
bekommen ein Gefühl dafür,
wie sich Auslegungsaspekte
gegenseitig beeinflussen. Auch
bei Flugversuchen können sie
ihre theoretischen Annahmen
unmittelbar testen und aus-
werten. So wird in Bezug auf
Sicherheit, Flugdurchführung
und Vorschriften wertvolle Pra-
xiserfahrung vermittelt.
In der ersten Projektphase wur-
de bereits ein fünf Kilogramm
Abbildung 1
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– 40 – Ingenieurspiegel 1 | 2020
schwerer Demonstrator ent-
wickelt und gebaut. Die ersten
Flugtests waren vielverspre-
chend (siehe Abbildung 1). Hier
konnten die Forscher ihre the-
oretischen Annahmen testen
und auswerten. Zunächst wur-
de eine Quadrocopter-Attrappe
unter dem Rumpf befestigt, um
das Gewicht und den aerodyna-
mischen Widerstand dieses Sys-
tems zu simulieren. Nach dem
erfolgreichen Abschluss dieses
Erprobungsschritts wird nun
der Prototyp im vollen Maßstab
gefertigt.
Falk Götten M.Sc.,
D. Felix Finger M.Sc.
Fachhochschule Aachen
www.fh-aachen.de
Das Fluggerät Die Einsatzszenarien Die Technik
… ist eine modulare Transportdrohne mit
Senkrechtstart- und Landefähigkeiten.
Bei 25 kg Abflugmasse können Nutzlasten
zwischen 3-5 kg und dem Volumen einer
Weinkiste (31 Liter) transportiert werden.
o Logistik
o Suche und Rettung (SAR)
o Landwirtschaft
o Kartografie
o Natur- und Umweltschutz
o Überwachung und Aufklärung
PhoenAIX zeichnet sich durch die
innovative Kombination aus
Multicopter und Flächenflugzeug aus.
Seine Leistungsfähigkeit wird durch
den modularen Aufbau gesteigert:
o Hoversystem: Auf Knopfdruck
senkrecht starten und landen –
überall, wie ein Multicopter
o Zusätzliche Nutzlastaufnahmen
unter den Flügeln bei Verzicht auf
Senkrechtstart
PhoenAIX in Kürze:
Flugzeuge sollen energieeffi-
zienter werden und gleichzei-
tig stabil und ruhig fliegen. Um
dies zu erreichen, muss man die
physikalischen Zusammenhän-
ge bis an die Grenzen des Flug-
bereichs besser verstehen und
prognostizieren. Genau dies ist
das Ziel einer neuen Gruppe
der Deutschen Forschungsge-
meinschaft (DFG) mit dem Ti-
tel „Erforschung instationärer
Phänomene und Wechselwir-
kungen beim High-Speed Stall“.
Nachhaltig fliegen bis an die Grenzen
Neue DFG-Forschungsgruppe unter Leitung der Universität Stuttgart will Aerodynamik von Flugzeugen bei hohen Geschwin-
digkeiten genauer vorhersagen.
Sprecher ist Dr. Thorsten Lutz
vom Institut für Aerodynamik
und Gasdynamik der Universi-
tät Stuttgart, des Weiteren sind
die Technischen Universitäten
München und Braunschweig
sowie die RWTH Aachen Uni-
versity und das Deutsche Zen-
trum für Luft- und Raumfahrt
(DLR) an der Forschungsgruppe
beteiligt.
Wenn ein Flugzeug mit sehr ho-
her Geschwindigkeit unterwegs
ist, kann eine Stoßwelle und da-
hinter ein Strömungsabriss auf-
treten. Dieses als „High Speed
Stall“ bezeichnete Phänomen
hat wechselnde Lasten zur Fol-
ge, welche die Struktur schädi-
gen und die Flugstabilität be-
einflussen können. Um dies zu
vermeiden, werden beim Bau
von Flugzeugen Sicherheitsre-
serven einkalkuliert. Das Prob-
lem dabei: Legt man den Flie-
ger zu schwer aus, verbraucht
er unnötig Kerosin, das schadet
der Umwelt und treibt die Kos-
ten in die Höhe.
Die Aerodynamik von Trans-
portflugzeugen an den Gren-
zen des Flugbereichs ist von
physikalischen Phänomenen
gekennzeichnet, die teilwei-
se noch nicht verstanden sind.
Dabei können instationäre Las-
ten, also sehr schnelle Änderun-
gen der Kräfte auftreten. Die-
se können Vibrationen am Flü-
gel hervorrufen, was zu einem
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