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Gutes Essen für alle! Grundlagen einer antispeziesistischen Landwirtschaft von morgen

Authors:

Abstract

The contribution combines ideas and concepts of different social movements with scientific knowledge in order to draw a "real utopia" of a sustainable and exploitation-free agriculture. This includes but is not limited to ideas and concepts such as critical animal studies, vegan-organic agriculture, climate justice, food sovereignty, agroecology, feminism and anarchism. published in: Zeitschrift für kritische Tierstudien 2(2019): 155-179 (peer-reviewed journal: https://animot-verlag.de/produkt/zeitschrift-fuer-kritische-tierstudien-2/)
Gutes Essen für alle!
Grundlagen einer antispeziesistischen Landwirtschaft
von morgen
Ulrike Schwerdtner
Die Ausbeutung und Tötung nichtmenschlicher Tiere im landwirtschaftlichen
Bereich wird neben der Tierausbeutung in Zoos, Zirkussen und Versuchslaboren
aus gutem Grund kritisiert und ihre Abschaffung von Vertreter*innen der kriti-
schen Tierstudien und der Tierbefreiungsbeweg ung gefordert. Mit der Forderung
nach einem Ende der Ti erhal tung is t es allerding s nicht getan. Nicht ohne Grund
haben si ch die kriti schen Tier studien und die Tierbefreiungsbewegung mi t dem
Ziel entwickelt, intersektional und gemeinsam mit anderen Befreiungsbewegungen
gegen bestehende Herrschaftssysteme und alle Formen der Unterdckung vorzu-
gehen (Best et al. 2007). Um dies zu erreichen, ist die Tierhaltung nicht das einzige
Problemfeld des derzeitigen Landwirtschaftssystems.1
Der Beitrag möchte daher Ideen und Konzepte verschiedener sozialer Bewe-
gungen mit (natur)wissenschaftlichen Erkenntnissen vereinen, um eine (reale) Uto-
pie2 einer zukunftsfähigen und ausbeutungsfreien Landwirtschaft zu zeichnen.
Nachdem zunächst kurz die Kritikpunkte am jetzigen Landwirtschaftssystem be-
nannt wur den, w erden deshal b i m er sten Kapi tel Konzepte im Vordergrund stehen,
die für eine solche Utopie zentral erscheinen. Dazu zählen „Buen Vi vir“ (Gutes
Leben), Ernährungss ouver änität, bio(zyklisch)-vegane Landwirtschaft und Tierbe-
freiung, die vorgestellt und verknüpft werden sollen. Das zweite Kapitel beleuchtet
daran anschließend konkret die wichtigsten Voraussetzungen und Grundlagen einer
zukunftsfähigen und emanzipatorischen Landwirtschaftspraxis aus boden- bzw.
agr arökologis cher und organisatoris cher Per spektiv e. Das dri tte Kapitel zi eht ein
1 Der Beitrag fokussiert hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, auf das Landwirtschaftssystem im
Globalen Norden, da dieses wohl am problematischsten hinsichtlich seiner Auswirkungen auf alle(s)
und zugl eich der Autorin am vertrautesten is t.
2 Reale Utopien sindutopische Ideale, die im realen Potenzial der Menschheit gründen: utopische Ziele
mit erreichbaren Zwischenetappen und meinen auch „Institutionen, Verhältnisse und Praktiken, die in
der Welt, wie sie gegenwär tig beschaffen ist, entwickelt werden können, die dabei aber die Welt, wie sie
sein könnte, vorwegnehmen und dazu beitragen, dass wir uns in dieser Richtung voranbewegen“ (Wright
2017, 11/45).
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abschließendes Fazit und g ibt einen Aus bli ck, wie die Ideen umgesetzt werden und
in der Realität gedeihen können.3
1. Aus gutem Grund…
Aus gutem Grund steht vor allem die i ndustri ell e Landwi rts chaft immer wieder in
der Kritik. Kritisiert wird sie dabei nicht nur von Vertreter*innen der Tierbewe-
gungen. Verwiesen sei an dieser Stelle beispielsweise auf denhrlich stattfinden-
den „Wir haben es satt“-Protest oder die zahlreichen, teils kritischen Medienbe-
richte über die neuesten Skandale in Tierhaltung und Agrarindustrie. Die Landwirt-
schaft selbst ist allerdings gleichzeitig auch die Lebensgrundlage aller Menschen,
die ohne Nahrungsmittel nicht überleben könnten. Die folgenden zwei Abschnitte
legen deshalb die Probleme ebenso wiegliche Lösungsantze offen. Insbeson-
dere die Problemanaly se wird dabei stark verkürzt sein, um den begrenzten Pl atz
für die Ausformulierung von Lösungsansätzen nutzen zu können.4
1.1 Landwirtschaft – die Wurzel allen Übels?
Multiple Krise und überschrittene Grenzen
Ausgangspunkt aller weiteren Betrachtungen ist die Annahme, dass sich der globale
Kapitalismus in einer multiplen Krise bef indet: Finanz- und Immobilienkrisen
ebenso wie ökologische, Klima- und Hungerkrisen sind letztlich Symptome dafür,
dass der Kapitalismus nicht in der Lage ist, den sieben oder bald neun bis zwölf
Milliarden Menschen auf der Erde ein gutes Leben zu garantieren (Acosta Brand
2018). Zwar können vi ele Menschen vorrangig im Globalen Norden ein ver-
meintlich gutes Leben führen, doch die Art und Weise, wie sie wirtschaften und
leben, geht auf Kosten anderer und ist global nicht verallgemeinerbar. Diese auch
als „imper ialbezeichnete Pr oduktions - und Lebensweise geht auf Kosten benach-
teiligter Menschen weltweit ebenso wie auf K osten der Umwel t und künfti ger Ge-
nerationen (I.L.A. Kollekti v 2 017 ; 2019 ).
Menschliche Aktivitäten beeinflussen die Lebensgrundlagen aller (Atmosphä-
re, Biospre, Hydrosphäre etc.) immer stärker, weshalb teilweise bereits von einer
neuen Epoche in der Erdgeschichte gesprochen wird, dem Anthropozän dem
Zeitalter des Menschen (Steffen et al. 2007; Zalasiewicz et al. 2017). Diese Aktivitä-
3 An dieser Stellechte ich dem Projektdas tierbefreiungsarchiv“ für die Möglichkeit der ausgiebigen
Recherche und des hilfreichen A usta usches da nken. Ich d anke a ußerdem den Guta chter*innen m eines
Artikels für ihr hilfreiches Feedback und die äußerst konstruktive Kritik.
4 Hingewiesen sei an dieser Stelle noch darauf, dass die Kritik an der Landwirtschaft auf die zugrundelie-
genden Systeme fokussiert und nicht etwa auf einzelne Landwirt*innen, die teils nur aus systemischen
Zwängen heraus die hier problematisierten Praktiken anwenden.
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ten haben infolge der steigenden Abhängigkeit von fossilen Energien und indus-
trieller Landwirtschaft ein Niveau erreicht, das globale Umweltveränderungen
immer wahrscheinlicher werdensst: Nimmt der Druck auf das Erdsystem weiter
zu, könnten kritische biophysikalische Systeme und Prozesse destabilisiert werden
und so zu abrupten und irreversiblen Veränderungen führen, die ein (gutes) Leben
auf der Erde letztl ich unmögl ich machen. Um dies zu ver hindern, wurde 2009 das
Konzept der planetaren Grenzen“ entwickelt, das für verschiedene Bereiche eine
Art sicheren Handlungsraum für menschliche Aktivitäten abgrenzen soll.5 Aller-
dings sind einige dieser pl anetaren Grenzen bereits überschritten: Die Bereiche
Biodiversität sowie Stickstoff- und Phosphorkreislauf, aber zunehmend auch Land-
nutzungs änderungen und K limawandel werden v on mehreren S tudien auf grund
ihrer Grenzüberschreitung besonders hervorgehoben (Rockström et al. 2009; Stef-
fen et al. 2015). Dabeill t auf , dass all diese kr itis chen Bereiche mit dem Landwi rt-
schafts- und Ernährungssystem in Zusammenhang stehen.
Die industrielle Landwirtschaft
Die Landwirtschaft an sich sol lte dennoch nicht als „Wurzel all en Übels“ bezeichnet
werden, auch wenn die industrielle Landwirtschaft und vor all em die Ausbeutung
nichtmenschlicher Tiere innerhalb des derzeitigen Landwirtschafts- und Ernäh-
rungsmodells aus verschiedensten P erspektiv en kritisi ert werden können. Dies is t
vor allem mit den vielfältigen negativen Auswirkungen dieser auf Menschen und
andere Tiere sowie die Umwelt zu begründen. Dabei is t nicht nur der Bereich der
sog. Tierproduktion zu problematisieren, sondern ebenso die Pflanzenproduktion
mit ihren häufig negativen Auswirkungen auf Menschen, sog. Wildtiere und Öko-
systeme (Mettke Schmitz 2015). Hierbei ist anzumerken, das s ein Teil dieser
Pflanzenproduktion ebenfalls auf die „Tierproduktionzuckzuhren ist: Ein
Drittel der weltweiten Ackerflächen wird für den Futtermittelanbau g enutzt; Wei-
deland und Futtermittel -Anbauflächen zusammen machen fast 80% der landwirt-
schaftlichen Nutzfläche aus (FAO 2006). Da dies e neg ativen Auswirkungen weithin
bekannt sein dürften, sollen an dieser Stelle lediglich die größten Problemfelder des
industriellen Landwirtschafts- und Ernährungssystems wieder ins Gedächtnis
gerufen werden.
5 Hier ist anzumerken, dass sich das Konzept auf messbare naturwissenschaftliche Faktoren beschränkt
und folglich soziale Fa ktoren unberücks ichtigt bleiben. D aher wurde das Konzept im sog. Donut-Modell
von der Ökonomin Kate Raworth um Faktoren sozialer Gerechtigkeit ergänzt. Der Donut selbst steht
dabei für den sicheren Ha ndlungsra um menschlicher Aktiv itäten , der nach innen dur ch s ozia le und na ch
außen durch ökologische Faktoren begrenzt wird. Zur Definition und Abgrenzung eines auf allen Ebenen
sicheren Handlungsraumes für menschliche Aktivitäten müssten daher die Nachhaltigen Entwicklungs-
ziele ( Sus taina ble Development Goals, SDGs) mit dem Konzept der planetaren Grenzen und dem
Donut-Konzept verk nüpft werden (Schnei dewind 2 018 ).
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Durch die Ausbreitung der industriellen Landwirtschaft finden sich mittler-
weile vielerorts riesige Monokulturen, die auf Maschineneinsatz und gre Men-
gen von Düngern und Pestiziden angewiesen sind. Um den großflächigen Anbau
gewährleisten und ausweiten zu können, war en und si nd zudem enor me Landnut-
zungsänderungen erforderlich, im Zuge derer (Regen-)Wälder, Grünlandfchen
und Feuchtgebiete durch Abholzung, Umbruch und Trockenlegung in Ackerfl ächen
verwandelt werden (Garnett et al. 2017; IPCC 2019). Monokul turen führen darüber
hinaus dazu, dass wir buchstäblich den Boden unter unseren Füßen verlieren: Im-
mer mehr Ackerflächen sind infolge von Bodendegradation nicht länger für den
Anbau von Nahrungsmitteln geeignet, da die Böden infolge intensiver Bewirtschaf-
tung, Humus- und Nährstoffverlusten sowie Bodenerosion nicht mehr fruchtbar
sind (IPCC 2019; Zukunftsstiftung Landwirtschaft 2013). Dies ist auch ein Grund
dafür, dass in neokolonialer Manier immer mehr Ackerflächen angeeig net werden,
die zuvor von Kleinbäuer*innen bewirtschaftet wurden. Dieses Landgrabbing findet
dabei oft in rechtl ichen Grauzonen zwischen traditionellen Landrechten und mo-
dernen Eig entumsverhältnissen statt und v erstärkt die H ungerkrise weil die
Kleinuer*innen Land- und Wasserzugang verlieren, aber auch weil die Flächen
dann nicht mehr ausschl ießlich zur Nahrungsmittelproduktion genutzt werden.
Dahinter stecken meist nicht nur Spekulant*innen und staatl iche Investor*innen,
sondern auch große Agrarunternehmen (GRAIN 2016; ÖBV-Via Campesina Au-
stria AgrarAttac 2018).
Zudem werden nicht nur während der energieintensiven Produktion der Dün-
ger und Pestizide sowie durch den Einsatz fossil angetriebener Maschinen, sondern
auch durch die Ausbri ngung der Düng er und vor allem dur ch die Landnutzungn-
derungen so viele Treibhausgase (THG) emittiert, dass die Landwirtschaft als (ei-
ner) der Hauptv erur sacher der g lobalen Kl imaerwär mung gilt (IPCC 2019; Zu-
kunftsstiftung Landwirtschaft 2013). Daran ist allerdings auch die „Tierprodukti-
on“ maßgeblich beteiligt vor allem durch (weitere) Landnutzungsänderungen
sowie durch THG-Emissionen, die aus der Verdauung der Wiederkäuer und der
Ausbringung von lle und Festmist resultieren (FAO 2006; Schlatzer 2011). Doch
auch der Transport der (Nahrungs- und) Futtermittel verursacht erhebliche THG-
Emissionen, wenn Futtermittel indamerika angebaut und anschließend in Euro-
pa verfüttert werden, während überschüssige oder ungenutzte „Tierprodukte“ zu
Spottpreisen nach Afrika exportiert werden und dort die lokalen Märkte und folg-
lich kleinbäuerliche Strukturen zerstören (I.L.A. Kollektiv 2017; Zukunftsstiftung
Landwi rtschaft 2013). Darüber hi naus führt di ese räumli che E ntkoppl ung von
Futtermittelanbau und „Tierproduktionauch in den Ländern mit gr oßen Tierbe-
ständen zu Bodendegradation: Überschüssige Güll e landet ohne Notwendigkeit auf
den Ackerflächen (Überdüngung) und belasten die Böden teilweise mit Antibiotika-
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rückständen. Die Überdüngung kann zudem infolge von Eutrophierung zum sog.
Umkippen von Gewäss ern führen, die dann tot“, d.h. für die meisten (insbesondere
die bisherigen) Lebensgemeinschaften unbewohnbar, sind (FAO 2 006 ; S chlat zer
2011). Gleichzeitig sind großflächige Monokulturen und Pestizide mit-, wenn nicht
hauptverantwortlich für das Arten- und insbesondere das Ins ektensterben, das
künftig auch die Bestäubung der Nutzpflanzen beeinträchtigen könnte (IP BES
2019).
Problematisch ist zudem, dass eine immer stärkere Machtkonzentration im
Landwirtschafts- und Ernährungssektor festzustellen ist: Wenige marktbeherr-
schende Chemieunternehmen kontrollieren den Saatgutmarkt weltweit und setzen
dabei immer stärker auf gentechnisch verändertes Saatgut; Supermärkte kontroll ie-
ren den Großhandel und Verarbeitungskonzerne kontrollieren ihre Vertragsland-
wirt*innen. Sehr wenige Agrarkonzerne steigern folglich ihre Profite, indem sie
Landwi rt*innen auf der ganzen Welt von Saatgut, Kunstdüng ern und Pestiziden
abhängig machen. K leinbäuer*innen und Subsis tenzlandwi rt*i nnen werden dadur ch
immer weiter marginalisiert und verdngt. Das trifft auf die Pflanzenproduktion
ebenso zu wie auf die „Tierproduktion“ (Mooney ETC Group 2018; I.L.A. Kollek-
tiv 2017).
Am kritikwürdigsten ist und bleibt allerdings die „Tierproduktion“ als we-
sentlicher Bestandteil des derzeitigen Landwirtschaftssystems. Sie ist neben den
zuvor genannten Punkten vor allem wegen der Ausbeutung und Tötung von Mil-
liarden nichtmenschlicher Tiere zu kritisieren. Moralisch gesehen ist dies aus viel-
fachen Gründen nicht hinnehmbar. Zum einen lässt es sich ethisch nicht rechtferti-
gen, mit fühlenden Lebewesen so umzugehen als seien sie nur Produktionsmittel
nichtmenschliche Tiere sol lten nicht als W are angesehen werden (Schmitz 2014 ).
Zum anderen geht die Tierausbeutung auch auf Kosten von Fabrikarbeiter*innen,
Umwel t und Kl ima. Zudem gilt der Trog neben Tank und Tonne6 als stärkster
Konkurrent der Nahrungsmittelproduktion und diese Nutzungs- ebenso wie Ver-
teilungsprobleme verursachen die Hungerkrise mit (Animal Climate Action 2019;
I.L.A. Koll ekti v 20 17). Tier ausbeutung verhindert somit ein gutes Lebenr alle
erst recht, wenn nichtmenschliche Tiere in das Konzept miteinbezogen werden.
Zu alledem ist ein solch industrielles, ausbeuterisches und profitorientiertes
Landwirtschafts- und Ernährungssystem zur Absicherung der Lebensgrundlagen
keineswegs notwendig: Studien haben gezeigt, dass die industrielle Landwirtschaft
zwar 75% der landwirtschaftlichen Ressourcen (inkl. Land, Wasser, fossile Energi-
6 Mit der Ernte von 2013 hätten theoretisch 1214 Mrd. Menschen ernährt werden können. Stattdessen
dient weniger a ls die Hä lfte des G etreides trotz Millionen hungernder Menschen noch unmittelbar als
Nahrungsmittel. Der Rest wird verfüttert, zu Treibstoff verarbeitet, verheizt oder in Industrieprodukte
verwandelt (Zukunftsstiftung Landwirtschaft 2013).
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en) verbraucht, aber weniger als 30% der Wel tbevölkerung ernährt auch wenn
uns Agrarkonzerne in ihren Sel bstdarstel lungen ger n vom Gegenteil überzeugen
wollen.7 Ein Großteil der weltweiten Nahrungsmittelproduktion geht immer noch
aus kleinbäuerl icher Produktion herv or, die auf nur 25% Ress ourcen zurückgrei ft
(ETC Group 20 17; GRAIN 2014). All diese Kritikpunkte führten dazu, dass ein
weltweites Team von Wissenschaftler*innen verschiedenster Fachrichtungen be-
reits 2008 feststellte, dass der Status Quo nicht aufrechterhalten werden kann:
„Wei ter wie bisher ist keine Option!“ hieß es im Weltagrarbericht (Zukunftsstif-
tung Landwirtschaft 2013) und wurde kürzlich in einem Sonderbericht des Welt-
klimarats bestätigt (IPCC 2019). Was es stattdessen braucht, ist eine progressive,
emanzipatorische, sozial-ökologische Transformation auf allen Ebenen auch in
der Landwirtschaft.
1.2 Probleme an der Wurzel packen
Wir leben also in einer Welt, in der die imperiale Produktions- und Lebensweise
mit all den negativen Auswirkungen auf Menschen und andere Tiere sowie die
Umwel t nahezu al les bes timmt. Dem setzen viele emanzipatorische Bewegungen in
den letzten Jahren verstärkt Alternativ en und Utopien aus unterschiedlichen Per-
spektiven entgegen. So definieren auch Aktivist*innen des tierbefreiungsarchiv“
den Tierbefreiungsgedanken mi t utopischem Ausblick: Tierbefreiung ist neben der
physischen Befreiung nichtmenschlicher Tiere aus Gefangenschaft vor allem ein
Prozess der gesellschaftlichen Tierbefreiung. Dies meint das Herauslösen nicht-
menschlicher Tiere und Menschen aus allen Nutzungs-, Ausbeutungs- und Herr-
schaftsverhältnissen. Ziel des sen ist eine Gesell schaft, in der die Bedürfnis se aller
tierlichen und menschlichen Individuen und Gruppen innerhalb der planetaren
Grenzen die größtmögliche Berücksichtigung finden. Dies verlangt Transformati-
onsprozesse in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen hin zu einem guten Leben
für alle (das tierbefreiungsarchiv“, persönliches Gespräch). Kurz gesagt geht es
also um ei n Buen Vivirr alle (einschließlich nichtmenschlicher Tiere) statt eines
Dolce Vitar Wenige. Dafür bestehen bereits heute solidarische Alternativen zur
imperialen Lebensweise, die in Zukunft weiter erprobt, ausgebaut, unterstützt und
7 Um nur einige Beispiele zu nennen: „D ie M issio n v on Ya ra is t [… ] die Welt a uf v era ntwortung sv olle
Weise zu ernähren und den Planeten zu schützen“ (www.yara.de/ueber-yara/); Bayer arbeitet daran,
die La ndwirtschaft mit zukunftsweisenden Innov ationen zum Wohle der Landwirte, der Verb ra ucher und
unseres P laneten zu gestalten“ ( www.ba yer.de/ de/div ision-crop-science.aspx); „Der weltweit steigende
Bedarf an Nahrungsmitteln stellt den gesamten Landwirtschaftssektor vor wachsende Herausforderun-
gen. Syngenta bietet passende Lösungen mit modernen Pflanzenschutzmitteln und leistungsfähigem
Saatgut(www.syngenta.de/unternehmen/ueber-uns).
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gegen Rücknahme verteidigt werden müssen (I.L.A. Kollektiv 2019; Schwerdtner
2018a).
Her mi t dem guten Leben!
„Gutes Leben für al le“ i st ein Konzept, das ein sol idarisches, gerechtes und respekt-
volles Zusammenleben aller beschreibt, welches durch die solidarische Lebenswei-
se als Alternative zur imperialen Lebensweise ermöglicht wird. Es ist auf die
Philosophie des Buen Vivir einiger indigener Kulturen Mittel- unddamerikas
zurückzuführen, deren Bestreben die „Entstehung nichtkapitalistischer gemein-
schaftlicher Wurzeln in Harmonie mit der Natur“ ist (Acosta Brand 2018, 51;
I.L.A. Koll ekti v 2019). Die solidarische Lebensweise basiert daher vor allem auf
Sorgelogik, Commoning, Suffizienz und Demokratisierung8 und zielt auf Produk-
tions- und Lebensweisen ab, die auf Kooperation, Zusammengehörigkeit und Ge-
rechtigkeit statt auf Ausbeutung beruhen und innerhalb der planetar en Gr enzen
umsetzbar sind (I.L.A. Kollektiv 2019). Dies bezieht sich selbstverständlich auf alle
Lebensbereiche und somit eben auch auf das Landwirtschafts- und Ernährungssy-
stem.
Die Nahrungsmittel produktion spielt dabei sogar eine entscheidende Rolle, da
ein gutes Leben nicht ohne gutes Essen für alle möglich ist. Nahrung ist die Basis
allen Lebens und ei n gutes Leben für all e wird verhinder t, sol ange Menschen an
Hunger und Unterernährung leiden, wie es momentan trotz eigentlich ausreichen-
der Nahrungsmittelproduktion immer noch der Fall ist. Zudem ist die Landwirt-
schaft (einer) der größte(n) Verursacher von Umweltscden und gleichzeitig
besonders anfällig gegenüber diesen. Allerdings gibt es auch tragfähige Konzepte
sowie vielfältige Ideen und E xper imente für soli dari sche und ökol ogi sche Land-
wirtschafts- und Ernährungssysteme, die auf gutes Essen für alle abzielen. Genau aus
diesen Gründen ist es wichtig, sich näher mit den Möglichkeiten und K onzepten
einer anderen Nahrungsmittelproduktion auseinanderzusetzen (Brehm 2018).
Es ist Zeit r Ernährungssouveränität!
Das Ziel eines selbstbestimmten, agrarökologi schen und sozial ger echten Land-
wirtschafts- und Ernährungssystems verfolgt auch die Bewegung für Ernährungs-
8 Sorgelogik beschreibt ein Prinzip, bei dem Lebenserhaltung, Teilhabe, Entfaltung und Bedürfnisver-
wir klich ung Ma ßsta b a ller T äti gk eiten sind ( vg l. Fußn ote 21). Commoning (Gemeinschaffen) meint die
gemeinschaftliche Erzeugung, Nutzung und Erhaltung von materiellen und sozialen Gütern, Dienstlei-
stungen und Ressourcen. Commons (Gemeingüter) sind demzufolge kein Privateigentum, sondern
stehen allen gleichberechtigt zur Verfü gung . Suffi zienz zielt a uf eine „Kultur d es Genug “ und da mi t a uf
einen i nsges am t ger inger en Ress ourcenv erb rau ch infolg e v on gem eins chaftl icher N utzung, Wied erver-
wertu ng un d Ve rzicht a b. D urc h Dem ok ra tisi erung sol len a ll e a n den s ie betr effenden E ntscheidung en
teil hab en k önnen ( I. L.A . Kol lekti v 201 9) .
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souveränität (Nyéléni). Ernährungssouveränität meint dabei das „Recht von Men-
schen, über die Art und Weise der Produktion, der Verteilung und der Konsumtion
von Lebensmitteln selbst zu bestimmen (ÖBV-Via Campesina Austria AgrarAt-
tac 2018, 3). Hierbei werden auch Macht- und Herrschaftsverhältnisse kritisch
hinterfr agt: Die Ny éléni-Bewegung kämpft laut eigenen Statuten entschieden gegen
imperiale, neoliberale, neokoloniale, patriarchale und alle weiteren Systeme und
Strukturen, die das Leben selbst sowie Ressourcen und Ökosysteme ausbeuten und
zerstören. Durch die Bestrebung nach Selbstbestimmung stehen zudem Menschen
im Fokus statt Profitinteressen und Marktchancen von Konzernen. Mit der Umset-
zung des Konzepts der Ernährungssouveränität soll des Weiteren garantiert wer-
den, dass die Nutzungsrechte für Land, Wasser, Saatgut etc. in den Händen der Pro-
duzent*innen liegen. Letztendlich geht es auch um neue soziale Beziehungen ohne
Unterdrückung und Ungleichheit zwischen Menschen (z.B. aufgr und von Herkunft,
Alter, Geschlecht etc.). Eine besondere Bedeutung kommt dabei auch Frauen* und
ihrer Rolle in der Nahrungsmittelerzeugung sowie der Bempfung des Patriar-
chats zu (Nyéléni 200 7).
Gegen Mackertum und Fleischkonsum!
hrend viele den Frauen*-Fokus der Nyéléni-Bewegung schlicht damit begrün-
den, dass im Landwirts chafts- und Ernährungssystem trotz fehlender Rechte an
den dafür benötigten Ressourcen und in der Pol itik überwiegend Frauen* arbei-
ten, liefert Anne Portman ein weiteres, überzeugenderes Argument, das gleichzeitig
auch die Forderung nach ei nem E nde v on Unterdr ückung und Ung leichhei t unter-
mauert. Der Ökofeministin Karen J. Warren folgend, problematisiert sie die „Logik
der Beherrschung“ („logic of domination“) als ideologische Rechtfertigung von
Unterdrückung und Ausbeutung (Portman 2018; Warren 2000). Hinter dieser
Logik ver birgt sich die Grundannahme, dass bei gegensätzli chen Kategorien di e
„überlegene“ Kategorie moral isch ber echtigt sei, die „unterlegene“ Kategorie zu
unterdr ücken und auszubeuten. Dabei können sich unterdrückende Strukturen und
Systeme, die die Logik der Beherrschung teilen, gegenseitig stärken: Die Beanspru-
chung menschlicher Überlegenheit über die Natur stützt sich infolge miteinander
verwobener dualistischer Konstruktionen, wie Mensch/Natur, Mann/Frau etc. auf
die Unterdrückung von Frauen* und wird gleichzeitig durch diese verstärkt. Aus
diesem Grund ist es umso wichtiger, die Logik der Beherrschung im Ganzen zu
durchbrechen, statt sie nur an einzelnen Punkten zu kritisieren (Portman 2018). Die
Ablehnung und Bekämpfung dieser Logik der Beherrschung verbindet demzufolge
verschiedenste Befreiungsbewegungen inklusive der Tierbefreiungsbewegung.
Folglich ist es auch für ein sol idarisches Landwirtschafts- und Ernährungssystem
Gutes Essen für alle!
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zwingend notwendig, patriarchale und andere antiemanzipatoris che S truktur en zu
überwinden.
Da auch nichtmenschliche Tiere basierend auf der Konstruktion des biolo-
gisch wie moralphilosophisch nicht haltbaren Mensch-Tier-Dualismus9 von der
„Logik der Beher rschung“ betroffen sind, plädiert der vorliegende Beitrag dafür,
ihre Befreiung aus allen Nutzungs-, Ausbeutungs - und Herrschaftsverhältnissen
ebenso in den Fokus einer Bewegung für ein Landwirtschafts- und Ernährungssy-
stem ohne Unterdrückung und Ausbeutung zu cken. Dies ist nötig, da die Befrei-
ung der Tiere Matthias Rude folgend Voraussetzung und Resultat der menschli-
chen Emanzipation ist: „Wenn sie kein anderes Verhältnis zur unterdrückten Natur
und zu den Tieren entwickeln, können die menschlichen Emanzipationsbewegungen
nicht zum Er fol g führen. [… ] Si e setz[en] nicht an der Wurzel des Pr obl ems an und
blend[en] ein Ausbeutungsverhältnis aus, auf welchem der gesamte kapitalistische
Gesellschaftsbau und die Herrschaft des Menschen über den Menschen wesentlich
gründen“ (Rude 2 013, 15 f.). E in macht- und herrschaftskritisches Landwirtschafts-
und Ernährungssystem sollte demnach den Tierbefreiungsaspekt berücksichti gen.
Aus ähnlichem Anspruch heraus hat s ich auch das Konzept der bio-veganen Land-
wirtschaft entwickelt, da die alleinige Abschaffung der Massentierhaltung nicht
ausrei chend sein kann.10 Sie verbindet die Grundsätze des ökologischen Landbaus
mit den Ideen des (politischen) Veganismus (MettkeSchmitz 2015). Da Veg anis-
mus seit einigen Jahren zunehmend als vermeintli cher Li festy le entpol iti siert wi rd
und auch bei der bio(zyklis ch)-veganen Landwirtschaft eine zunehmende Entpoliti-
sierung wahrzunehmen ist, wird hier stattdessen das Konzept einer antispeziesisti-
schen11 Landwirtschaft entsprechend folgender Definition vorgeschlagen: Eine
9 Birgit Mütherich hat hierzu beispielsweise ausgeführt, dassdas Tier ein fiktives Konstrukt ist, das
dazu dient, unzählig e höchst unterschiedliche Spezies vom Menschen abzugrenzen, der biologisch bzw.
ta xono mi sch a ller ding s a uch zu den ( Sä uge-)Tieren gezählt werden muss. Ziel der Kritik an diesem
Konstr ukt is t da bei keine Gl eichsetzung und V ereinheitli chung a ller S pezies, s ondern vi elmehr ei ne
Problematisierung der möglichen Folgen solcher Konstruktio nen: Da s Ti er-Konstr ukt liefert „eine zen-
trale Grundlage für hierarchische Wirklichkeitskonstruktionen, Höher- und Minderwertigkeitszuordnun-
gen und Legitimationsschemata für Ausgrenzungs-, Unterdrückungs- und Gewaltformen auch im
innerhumanen Bereich“ (Mütherich 201 5, 50 f.). S iehe auch Rude 2013 ; Schmitz 20 14; Pietras 2019.
10
Friederike Schmitz konnte mit einem Blick in die Geschichte eindrücklich zeigen, dass die Geschichte
der Tierhaltung keine „idyll ische Angeleg enheit“ wa r, sondern v ielmehr „eine Geschichte der G ewalt“
auch vor Einführung der Massentierhaltung (Schmitz 2019).
11
Der Begriff Speziesismus wurde als „Neologismus […] in Analogie zur Benennung anderer Ideologien
zur Legi tima tion v on A usbeutung , G ewal t und U nterdr ückung wie Rassismus oder Sexismus“ ge-
schaffen und b eschreib t „den gesa m ten Komp lex v on V orurteil en geg enüber T ieren; er meint [ …] die
Gewaltideologie, die Tiere der Verdinglichung, Verachtung und grenzenlosen Ausbeutung ausliefern“.
Antispeziesismus beschreibt folglich den „Kam pf geg en die A usbeutung der Tier e in der m enschlich en
Gesellschaft und gegen jede Ideologie, mit der sie legitimiert wird“ (Rude 2013, 12 ff.).
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antispeziesistis che Landwirtschaft verbindet di e Pr inzipien des ökologis chen Land-
baus mit dem Tierbefreiungsgedanken. Damit ist entsprechend nicht nur das Been-
den der Ausbeutung und Tötung nichtmenschl icher Tiere für die „P roduktion“ von
Flei sch, Eiern, Milch und weiteren „Tierprodukten“ oder der Verzicht auf Dünge-
mittel tierlichen Ursprungs aus Tierhaltung und -tötung gemeint, sondern auch die
Forderung, nichtmenschliche Tiere ebenso wie Menschen aus allen Nutzungs-,
Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnissen zu befreien.
2. …auf gutem Grund
Die im ersten Kapitel angesprochenen Konzepte bilden die theoretische Basis für
ein selbstbestimmtes und gerechtes Landwirtschafts- und Ernährungssystem ohne
Ausbeutung und Unterdrückung. Für die praktische Umsetzung müssen allerdings
noch naturwi ssenschaftliche (v or al lem boden- und agrarökologische) und organi-
satorische Grundlagen diskutiert werden.
2.1 Den Boden bereiten
Wichtigste Basis für die Landwirtschaft sind die Böden. Sie sind durch Gesteins-
verwitterung und den Eintrag abgestorbener organischer Substanzen über einen
langen Zeitraum entstanden und weisen in Abhängigkeit von Klima, geografischen
Gegebenheiten und den sie belebenden Organismen enorme regionale Unterschiede
auf. Böden si nd dabei nicht nur der „Dreck unter unseren Füßen“, sondern bilden
vor allem Lebensraum für unhlige Lebewesen für Pflanzen, Pilze und Mikroor-
ganismen ebenso wie für eine Vielzahl tierlicher Individuen. Damit spielen Böden
nicht nur für di e pflanzliche Nahrungsmittel produktion eine äußerst wichtige Rol-
le, sondern sind auch als Lebensraum von Milliarden nichtmenschlicher Tiere zu
schützen (Stahr et al. 2016).
Der Schutz des Bodens als Lebensraum und die P roduktion v on Nahrungsmit-
teln müssen dabei keinen Widerspruch darstellen. Regenerative Agrikultur ist ein
Konzept, das dem gerecht werden möchte: Durch Steigerung der Bodenfruchtbar-
keit und (Re-)Aktivier ung des Bodenlebens sollen di e vielf älti gen Bodenf unkti onen
wiederhergestellt und gefördert werden. Damit dies gelingen kann, ist Humusauf-
bau, also die Speicherung und langfristige Stabilisierung organischer Substanzen
im Boden enorm wichtig. Die damit einhergehende Kohlenstoffspeicherung min-
dert nicht nur die Klimaerwärmung12; humusreiche Böden können auch das Boden-
12
Durch kontinuierlichen Humusaufbau und eine entsprechend langfristige Speicherung des Kohlenstoffs
im B oden könnte die Klim aerwä rmung deutlich verlang sam t werden (IP CC 2 019) . E ine jä hrliche
Zunahme des Bodenkohlenstoffgehalts von rund 0,4% auf globaler Ebene wäre laut Humusaufbauin-
Gutes Essen für alle!
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lebenrdern, mehr Wasser speichern, Nährstoffe vor Auswaschung schützen und
schließlich landwirtschaftliche Erträge steigern. Für den Humusaufbau entschei-
dend sind (agrar-)ö kolog ische A nbaumethoden (z.B . w eite Fr uchtfol gen oder
Mischkulturen), mini male Bodenbear beitung verbunden mi t Dir ekts aatverfahren,
Verzicht auf Pestizide und synthetische Düngemittel sowie eine weitestgehende
Kreislaufwirtschaft (Regeneration International 2019; Scheub Schwarzer 2017).
Allerdings spielt Tierausbeutung in der regenerativen Agrikultur bzw. bei ihren
Praktiker*innen zurzeit noch eine große Rolle sei es in Form einer „Reintegration
von Feldfrucht- und Tierproduktion oder einesholistische[n] Weidemanage-
ment[s]“ (Scheub Schwarzer 2017, 63/170). Der bio(zyklisch)-vegane Anbau hat
sich davon entfernt und erkannt, dass Humusaufbau und Bodenregeneration ohne
Tierausbeutung möglich und nötig sind.13
Der biozyklisch-vegane Anbau beispielsweise legt ebenfalls besonderen Wert
auf gezi elten Humusaufbau, die Förderung von Artenvielfalt und Bodenleben sowie
die Schließung organischer Stoffkreisläufe auf rein pflanzlicher Basis, ohne Tier-
ausbeutung . In den entsprechenden deutschsprachig en Anbaurichtlinien spiel en
deshalb Stoffkreisläufe und Nährstoffrecycl ing sowie Kompostwirtschaft bis hin
zum Einsatz biozyklischer Humuserde14 eine zentrale Rolle. Zudem werden in den
Richtlinien auch Gründüngung mit Leguminosen, Mulchen, Flächenkompostie-
rung, eine ganzjährige Bodenbedeckung, weite Fruchtfolgen und Mischkulturen
empfohlen (BNS 2019 ).
2.2 Vielfalt statt Einfalt
Insbesonder e die v ers chiedenen For men des Mi schkulturanbaus haben nicht nur
Vorteile für Nährstoffversorgung und Humusaufbau, sondern machen das Agrar-
ökosystem insgesamt auch resilienter. Sie erhöhen die Artenvielfalt und damit die
Krankheitsresistenz,rdern den Ressourcen- und Umweltschutz und sichern hier-
itiativ e „4 per 1 00 0“ au sreic hend, um ei nen weite ren A ns tieg der a tmo sphä ri schen CO2-Konzentra tion zu
verhindern. (The4 per 1000“ Initiative o.J.).
13
Einerseits ist hier anzumerken, dass Tiere keine Nährstoffeproduzieren“: Sie selbst betigen Nähr-
stoffe, die sie ihrer Nahrung entziehen ihre Ausscheidungen sind folglich deutlich nährstoffä rmer als
der potentielle Kompos t a us der g leichen Menge pfla nzlichen Ma teria ls ( BVN o.J .; Garnett et al. 201 7).
Es bedarf daher keiner Dünger tierlichen Ursprungs und folglich keiner Tierausbeutung für eine Kreis-
laufwirtschaft. Andererseits wäre das vorgeschlagene Weidema nagement bei gleichbleibendem bzw.
wie für d ie näc hsten J ahr zehnte pr ogno stizi ertem ansteigendem Fleischkonsum aufgrund des Flächen-
mangels nichtglich bzw. hätte katastrophale Folgen hinsichtlich Landnutzungsänderungen und
THG-Emissionen (Garnett et al. 2017).
14
Bei der biozyklischen Humuserde handelt es sich um ein bei langfristiger Kompostierung entstehendes
Substrat, das hohe Mengen stabil gebundenen Kohlenstoffs und viele nicht-auswaschbare Nährstoffe
enthä lt. Weitere Untersuchungen sind hier aber noch dringend erforderlich.
Ulrike Schwerdtner
166
durch schließlich landwirtschaftli che Erträge (Brooker et al. 2015; Malézieux et al.
2009), wie im Folgenden gezeigt werden soll.
Die Mischung macht’s
Mit Mischkulturanbau sind verschiedene, meist traditionelle Anbaumethoden
gemeint, bei denen mindestens zwei (Nutz-)Pfl anzenarten g leichzei tig auf einer
Fläche angebaut werden. Er wird vor allem ind- und Mittelamerika, Afrika und
Asien, seit einigen Jahren aber auch wieder verstärkt in E uropa hier hauptsächlich
im ökologischen Landbau betrieben (Brooker et al. 2015; Li et al. 2014). Misch-
kulturen reichen dabei von relativ einfachen Reihenmischkulturen (z.B. wechselnde
Pflanzreihen eines Getreides und einer Leguminose) über die zufällige Mischung
vieler Arten (z.B. in Graslandschaften) bis hin zu Agroforst- und (veganen) Perma-
kultursystemen. Am bekanntesten ist wahrscheinlich die bereits von den Maya
angewandte Milpa-Mischkultur, die aus den „drei SchwesternMais , Bohne und
Kürbis besteht. Diese Pflanzen unterstützen sich gegenseitig, indem Maispflanzen
als Rankhilfen, Kürbiss e al s Bodenbedecker und Ver dunstung sschutz und Bohnen
als Nähr stoffl iefer anten dienen (Ehrmann Ritz 2014; Schwerdtner 2018b).
Weichen landwir tschaftliche Monokulturen solchen Mis chkulturen, bedeutet
dies meist auch, dass die Biodiv ersität insg esamt zunimmt: Verschiedene Pflanzen
locken unterschiedliche Insekten,gel und kleine Säugetiere an und auch das un-
terirdische Bodenleben wird oftmals deutlich diverser. Infolge dieser Stei gerung
der ober- und unterirdischen Biodiversität können weitere Vorteile auftreten, wie
beispielsweise eine erhöhte Resilienz gegenüber Umweltstress, Krankheiten und als
schädlich angesehenen Lebewesen, ein erhöhter Wasser- und Bodenschutz, eine
gesteigerte Kohlenstoff-Speicherung und eine effizientere Nutzung von Fläche,
Licht, Was ser und Nährstoffen (Brooker et al. 201 5; Malézieux et al. 20 09). Der
Einsatz von Pestiziden kann in solchen Anbausystemen folglich vermieden werden.
ufig wurde in Mischkulturen auch eine gesteigerte Aufnahme von Makro- und
Mikronährstoffen (Stickstoff, Phosphor, Eisen, Zink usw.) beobachtet, durch die
höhere E rträge in besserer Qualität (nährstoffreichere Erzeugnisse) erzielt werden
konnten (ebd.; Xue et al. 2016). Warum die Nährstoffaufnahme der Pflanzen in
Mischkulturen gesteigert werden kann und welche Vorteile dies mit sich bringt,
zeigt der nächste Abschnitt exemplarisch für Phosphor.
Das Phosphor-Dilemma
Phosphor ist ein lebensnotwendiges und unersetzbares Element, das in der Land-
wirtschaft nach Stickstoff mengenmäßig der wichtigste Nährstoff ist und häufig
wachstums- und ertragslimitierend wirkt. Zumindest in den gemäßigten Breiten ist
das Problem dabei in der Regel nicht, dass in den Böden zu wenig P hosphor vor-
Gutes Essen für alle!
167
handen ist, sondern dass dieser nicht in pfl anzenverfüg barer Form15 vorliegt (Cor-
dell et al. 2009; Mezeli et al. 2019). In der industriell en Landwirtschaft werden des-
halb große Mengen phosphathaltig en Düngers eingesetzt, der gr ößtenteil s aus La-
gerstätten mit phosphathaltigen Sedimentgesteinen gewonnen wird. Beim Abbau
der Phosphatg esteine fehlt es meist an Schutzmaßnahmen für Arbeiter*innen, An-
wohner*innen und Umwelt gesundheitliche und ökologische Beeintchtigungen
sind die Folge, die ein gutes Lebenr alle verhindern (Menni g 2015 ). Problema-
tisch ist zudem, dass Phosphatgesteine eine begrenzte, nichtnachwachsende Res-
source darstellen, deren Lagerstätten regional stark konzentriert sind, was zukünf-
tig einerseits zu Konflikten um Zugriff und Verteilung führen kann und anderer-
seits immer größere Verschmutzungen (vor allem steigende Gehalte an Schwerme-
tallen, wie Cadmium und Uran) mit sich bringen wird (Cor dell et al . 2 009;
Schwerdtner 2019). Alternativ zu diesen mineralischen Phosphatngern werden
häufig nur Gülle, Mist und Guano16 genannt, die aus den bereits aufg eführten Grün-
den abzulehnen sind. Pflanzlicher Kompost und Gründüngung sind hingegen sinn-
vollere Optionen oder eben Mischkulturen.
Vor allem in den letzten Jahren haben verschiedene Forschungsarbeiten und
Übersichtsarti kel renommierter Fachzeitschriften zeigen können, dass einige
(Nutz-)Pfl anzen vor allem Leguminosen (Hülsenfrüchte, wie Bohnen, Erbsen und
Lupinen) verglichen mit anderen Pflanzen (z.B. Getreide) größere Mengen des im
Boden gebundenen Phosphors mobilisieren, also pflanzenverfügbar machen n-
nen (z.B. Li et al. 2014; Xue et al. 2016). Die zugrundeliegenden Mechanismen sind
noch ni cht v oll ständig untersucht, W is senschaftler*innen g ehen aber davon aus ,
dass i nsbesondere drei Mechanismen zu einer gesteigerten Nährstoffverfügbarkeit
im Boden führen, von der in Mischkulturen alle Pflanzen profitieren. Zum einen
scheiden Leguminosen über ihre Wurzeln bestimmte Enzyme (in diesem Fall
Phosphatasen) aus. Diese Phosphatasen katalysieren die Hydrolyse organischer
Phosphorverbindungen, wobei anorganisches Phosphat entsteht, das von Pflanzen
aufg enommen werden kann (ebd.). Zum anderen geben Pflanzenwurzeln Protonen
und organis che Säuren ab, mithi lfe derer das in Phosphatmineral en gebundene bzw.
das sorbierte Phosphat in die Bodenlösung freigesetzt werden kann (Hinsinger et
15
Phosphor ist aufgrund seiner hohen Reaktivität in Phosphatmineralen gebunden, an Eisen-/ Alumini-
umo xide und T onminera le a dsorbiert oder in Lebewesen und orga nischer Substanz eing eba ut. Folglich
sind oft weniger als 0,1% des im Boden vorhandenen Phosphors in der Bodenlösung gelöst, also direkt
pflanzenverfügba r (S chwerdtner 20 18b, 2019) .
16
Guano meint die Exkremente von Seevögeln und teilweise auch Fledermäusen. Etwa seit 1840 durch
Raubbau auf s üdamer ikanischen I nseln gewonnen, werden S eevög el m ittlerweile auch auf künstliche
Plattformen im Meer gelockt, um deren Oberfläche zu verkoten. Insbesondere der Raubbau hat negative
Auswirkungen auf die brütenden Vögel, Umwelt, Arbeiter*innen und die lokale Bevölkerung (Rott
2016).
Ulrike Schwerdtner
168
al. 2011). Des W eiteren werden von den Pflanzen mittel s zusätzl icher Wur zelaus-
scheidungen im wurzelnahen Raum Mikroorganismen gerdert, die ebenfalls zur
Nährs toffmobi lisi erung beitrag en können (ebd.; Xue et al. 2016). Abgesehen von
der Phosphormobilisierung si nd Leguminosen auch deshalb vorteilhaft in Misch-
kulturen (bzw. als Gründüngung, Zwischenfrüchte etc.), weil sie eine Symbiose mit
sog. Knöllchenbakterien eingehen können. Diese Bakterien können Stickstoff aus
der Atmosphäre in organische Bindungsformen überführen, die dann pflanzenver-
fügbar sind in Größenordnungen, die mit konventioneller Düngung vergleichbar
sind, aber keine energieintensive Industrieproduktion erfordern (Stahr et al. 2016).
Da Phosphor v on Pflanzen nicht „verbraucht“, sondern u.a. in Zellen, zelluläre
Energietger und DNA eingebaut wird, sollte es zudem recycelt werden zum
einen durch Kompostierung von oder Mulchen mit abgeerntetem Pfl anzenmaterial,
zum anderen durch Recycling aus Klärschlämmen.17
Go wild
Eine Landwirtschaft, die den zuvor genannten Ansprüchen gerecht werden will,
sollte nicht nur die Nahrungsmittelproduktion selbst und die dafür förderliche (Re-
)Ak tiv ier ung des B odenl ebens im Bl ick haben. Landwi rts chaftli che Mischkulturen
sind deshalb nur ein Weg, um auch die Artenvielfalt über dem Boden zu fördern.
Damit die Bedürfniss e von sog. Wil dtieren besser ber ücksichtigt werden, si nd
aller dings wei tere Maßnahmen er forderl ich. Im bi o(zyklisch)-veganen bzw. an-
tispeziesistischen Anbau spielen daher auch sog. ökologische Ausgleichsflächen zur
Schaffung verschiedener Biotope eine wichtige Rolle. Dazu zählen beispielsweise
Wasserläufe, Teiche und Tümpel ebenso wie Hecken, Sträucher und Bäume, die
neben den eig entlichen Ackerfchen angelegt werden können, um als Rückzugsort
für Wildtiere zu dienen und gleichzeitig weitere Funktionen für das Ökosystem zu
erfüllen. Auch Wiesen und andere Grünlandflächen können dafür genutzt werden
und sind keinesfalls nur der Weidewir tschaft dienli ch. Ihre A rtenv iel falt dient v or
allem vi elen Insekten und ander en Tieren als Nahrungs quelle, Brutplatz und Le-
bensraum. Von ihnen kann zudem ab und an Biomasse zum Mulchen der Ackerflä-
chen, zur Kompostierung oder zur Strom- undrmeproduktion in Biogasanla-
gen entnommen werden. Dabei ist allerdings auf den Humuserhalt und insbesonde-
re auf eine naturschutzgeße Bewirtschaftung zu achten. Das schließt mit ein, dass
nicht während der Brutzei t v on bodenbrütenden Vög eln gemäht wird und dass die
Wiesen im Übrigen auch Ackerflächen, wenn erforderlich von innen nach außen
gemäht (oder besser gesenst) werden, damit nichtmenschliche Tiere in ungemähten
17
Dafür sind andere Toilettensysteme sinnvoll, die gleichzeitig noch Trinkwasser einsparennnten, und
eine Vo rbeha ndlung der Fä kal ien nötig, wozu bereits g efors cht wi rd (z. B. dur ch das Ko llekti v für a nge-
pas ste Technik, Ka nTe, www.k ante.info ).
Gutes Essen für alle!
169
Bereichen zum Rand hin flüchten können. Gleichzeitig könnten unbewirtschaftete
und unbej agte Grünflächen wieder anderen Wiederkäuern, die nicht der menschli-
chen Nutzung unterliegen, als Lebensraum dienen entweder ehemaligen „Nutztie-
renanalog zu Lebenshöfen oder „Wildtieren“ wie Rehen, Rothirschen und Wisen-
ten.18 Diese Biotope können zudem durch unterschiedlich hohe Nisthilfen für Vögel
und Fledermäuse sowie Sitzhilfen für Greifvögel ergänzt werden nahe den Acker-
flächen ebenso wie in den Städten (BNS 2019; Rotenberg Lamla 2014; Vegan-
Org anic Network 2007 [2 012 ]). Denn auch die Städte sollten sowohl al s Orte der
lokalen Nahrungsmittelproduktion als auch als Lebensraum für verschiedenste
nichtmenschliche Tier e wahr genommen werden. Konzepte, wi e Urb an Gardening ,
Stadtteil- und Gemeinschaftsgärten, Vertical Farming und Animal-Aided Design
können hier weiterhelfen.19
2.3 Neue Wurzeln schlagen
Ein emanzipatorisches, selbstbestimmtes Landwirtschafts- und Ernährungssystem
ist mit agrarökologischen Methoden allein noch nicht erreicht. Auch auf organisa-
torischer und struktureller Ebene sind grundlegende Veränderungen nötig, die ein
gutes Leben und eine solidarische Produktions- und Lebensweise infolge der Ab-
kehr von kapitalistischen, fossilistischen und ausbeuterischen Verhältnissen er-
möglichen.
Solidarisch
Ein mittlerweile weitverbreitetes Konzept, das hier Abhilfe schaffen könnte, is t das
der Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi). Das Konzept sieht vor, dass sich Land-
wirt*innen und Prosument*innen20 auf lokaler bis regionaler Ebene zusammen-
schließen, um ihre Nahrungsmittel selbstbestimmt anzubauen. Die Mitglieder einer
solchen SoLaWi finanzieren die gesamten Kosten der landwirtschaftlichen Produk-
tion und sichern so die Landwirt*innen ab; sie teilen sich Kosten, Arbeit und Ernte
ebenso wie alle Risiken und sind damit unabhängig von Marktzwängen so zumin-
dest die Theorie. In der Praxis hat sich hingeg en gezeigt, dass viele SoLaWis wei-
18
Viele der heutigen Grünlandflächen waren früher Wälder. Im Hinblick auf Kohlenstoffspeicherung und
andere Umweltwirkungen wäre es daher in vielen Fällen sinnvoll, die Flächen teilweise wieder verwalden
zu l as sen ( Ga rnett et a l. 20 17).
19
Die genannten Konzepte können an dieser Stelle aus Platzgründen nur genannt werden. Für weitere
Informationen wird unter anderem die Lektüre der Titelthemenbeiträge in den Ausgaben 99 und 101 des
Magazins TIERBEFREIUNG empfohlen.
20
Prosument*innen ist eine Bezeichnung für Menschen, die die Produktion der von ihnen benötigten
Erzeugnisse aktiv mitgestalten statt nur zu konsumieren, wie es Konsument*innen tun (I.L.A. Kollektiv
2019).
Ulrike Schwerdtner
170
terhin abhängig sind von den Verpächter*innen ihrer Flächen; von der regelmäßi-
gen Beteiligung der Mitglieder, die aufgrund des Zwangs zur Lohnarbeit nicht
immer gewährleistet ist; von der Finanzhöhe, die Mitglieder zu zahlen bereit und
im Stande sind etc. Auch in SoLaWis sind daher (saisonal-)prekär e Arb eits ver hält-
nis se keine A usnahme. H inzu ko mmt, dass di e meis ten S oLaWis immer noch
nichtmenschliche Ti ere ausbeuten und di es zum Teil wie im Fall bio-dynamischer
Demeter-Betriebe sogar als integralen Bestandteil verstehen und vorschreiben
(Sabotage-Waschbär 2019; Schwerdtner 2017). Damit eine SoLaWi also wi rklich
solidarisch sein und ein gutes Leben r alle herbeiführen kann, muss nicht nur der
Ausbeutung nichtmenschlicher Tiere ein Ende gesetzt werden, sondern auch der
Ausbeutung der in der Landwirtschaft Arbeitenden. Neben der antispeziesistischen
Landwi rtschaft können dabei Konzepte wi e Arbeitszei tverkür zungen oder ein (be-
dingungsloses) Grundeinkommen helfen. Letztere Konzepte verfolgen das Ziel,
dass Menschen einers eits g enügend Gel d zur Verfügung steht, um ihre grundlegen-
den Bedürfnisse zu decken und ein gutes Leben zu führen, dass sie andererseits aber
auch g enügend Zeit für Sorgetätigkeiten21 und gesellschaftliche Teilhabe haben.
Dies e Zeit könnte g enutzt werden, um sich s orgend, kulturell und politisch zu betä-
tigen, aber eben auch, um sich an der Produktion von Nahrungsmitteln zu beteili-
gen (I.L.A. K oll ektiv 201 9). Dies ist insbesondere dann erforderl ich, wenn davon
auszugehen is t, dass eine ökologis che Nahrung smittelprodukti on mehr Zeit und
Arbeitskraft in Anspruch nimmt. Deswegen wird berechtigterweise auch eine
Ausweitung der Care Revolution22 auf landwirtschaftl iche Bereiche geforder t
(Scheub 201 8). Dem sol lte aber mögl ichst auch ein anderes W ohlstands- und Wer-
teverständnis zugrunde liegen: Statt Wachstumszwang, Leistungsdruck und Wett-
bewerb müssen sich globale Gerechtigkeit, ökologische Verantwortung und Soli-
darität als wichtig ste Werte etablieren (I.L.A. Kollektiv 2019).
Radikal
Wie sich gezeigt hat, zeichnen sich viele gesellschaftliche Probleme auch in den
SoLaWis ab, wes halb sei t einig er Zeit ei n ers ter Strukturkonzeptentwurf zur Orga-
nis ationsfrage des bio-veganen Anbaus aus vegan-anarchis tischer P erspektiv e
diskutiert wird (Sabotage-Waschbär 2019). Dieser im Folgenden skizzierte Lö-
21
Dem I.L.A. Kollektiv folgend wird der Begriff der Sorgearbeit hier sehr weit gefasst: „Für uns umfasst
der Begriff nicht nur klas sische reproduktive tigkeiten, sondern alles, wa s Leben spendet, erhält und
zur Entfa ltung br ingt [… ] Wa schen, Pu tzen, Kochen, P flegen, [ …] Lebensm ittel anzub auen, B edar fsge-
genstände herzustellen, zu m usi zieren“ (I .L.A . Koll ektiv 20 19, 2 1) .
22
Care Revolution beschreibt die Forderung nach neuen Modellen von Sorge-Beziehungen und einer
Care-Ökonomie, durch die neben der Erwerbsarbeit auch Sorgetätigkeiten als notwendig und wertvoll
anerkannt und von allen unabhängig von rassistischen, geschlechtlichen oder klassenbezogenen Zu-
schreibungen umgesetzt werden (I.L.A. Kollektiv 2019; Netzwerk Care Revolution o.J.).
Gutes Essen für alle!
171
sungsansatz will praktische Organisationsstrukturen etablieren, um innerhalb
dieser „von der Wurzel an alles richtig [zu] machen“, al so radikale Veränderungen
in der Organisation eines antispeziesistischen Landbaus herbeiführen (ebd., 50).23
Ziel des Strukturkonzepts ist die vollständige Ausschöpfung der Potentiale
des bio-veganen bzw. antis peziesistis chen Anbaus für ei n grundsätzlich aus beu-
tungsfreies Wirtschaften im Landwirtschafts- und Ernährungssektor. Um dies zu
erreichen, ist zunächst eine „bio-vegane Bodenassoziation nötig, die auf allen Ebe-
nen abol itionis tis ch, emanzi patoris ch, s olidari sch und hor izontal geor dnet sein
soll. Diese kauft (Acker-)Flächen auf und w andelt s ie durch Zweckentfr emdung
privatwirtschaftl icher und zivilrechtlicher Instrumente quasi in nichtstaatliches
Gemeineigentum um. Allgemein gilt dabei, dass sich von jeder assoziierten Be-
triebsfläche 51% in Arbeiter*innenhand und 49% im Eigentum einer Sperrminori-
tät aus der Bodenassoziation befinden. So wird eine Reprivatisierung verhindert
und zugleich die Wahrung der Mindeststandards der Bodenassoziation sicherge-
stellt. Diese untersagen den Betrieben eine Profitorientierung und schreiben selbst-
verwaltete Strukturen24 sowie bio-veganen Anbau vor. Ist die Bodenassoziation
handlungsfähig , können kollektive Gemüsegärtnereien aufg ebaut werden, die die
jeweiligen Flächen zur Nahrungsmittelproduktion nutzen. Diesen nnen lokale
Konsumkooperativen angeschlossen werden, die wiederum formell integriert wer-
den sollen. Auch Saatgutbetriebe sollen zur Produktion von bio-veganem Saatgut
für die assoziierten und andere Betriebe entstehen (Sabotage-Waschbär 2019).
Böden in nichtstaatliches Gemeineigentum zu überführen, ist nur ein Schritt
hin zu einem selbstbestimmten und gerechten Landwirtschaftssy stem. Gleichzeitig
sollte es auch ein Anliegen sein, Landgrabbing im globalen Süden zu verhindern.
Landrechte und nicht-reformistische Landreformen25 sind hier gefordert: Das Land
denen, die es bewirtschaften! Des Weiteren sollten nicht nur die Böden zu Gemein-
gütern (Commons) werden auch Saatgut, Atmosphäre, Wasser und Gewässer
sowie Landschaften im Allgemeinen sollten wieder denen geren, die sie benutzen
also allen (Scheub Schwarzer 2017).26 Dies entspricht auch den bereits genann-
ten Forderungen der Nyéléni-Bewegung, da Selbstbestimmung über Landwirtschaft
und Ernährung nur so möglich sei n kann.
23
Weitere Informationen zum Strukturkonzept finden sich online unter feldhamstern.neocities .or g.
24
Selbstverwaltung assoziierter Betriebe als Kollektive meint in diesem Zusammenhang, dass die Arbei-
ter*i nnen i n d en B etrieb en g leich zeitig a uch g leichb erechtig te Mitei gentüm er* innen ihr es B etrieb s s ind
(Sabotage-Waschbär 2019).
25
Nicht-reform istis che R eform en sind na ch A ndré G orz Refor men, die eine ra dik ale Tra nsfo rma tion der
Gesellschaft innerhalb des Kapitalismus vorbereiten: „Eine nicht-reformistische Reform ist nicht dadurch
bestimmt, was sein kann, sondern durch das, was sein sollte“ (Gorz zitiert nach Frase 2014).
26
Auch an dieser Stelle muss aus Platzgründen auf andere Publikationen verwiesen werden, z.B. von
FIA N (www.fian.de) oder Sa ve Our Seeds (www.sa veourseeds. org).
Ulrike Schwerdtner
172
3. Weitverzweigte Wurzeln und süße Früchte
Eine progressive, emanzipatorische, sozial-ökologische Transformation auf allen
Ebenen, die auch ein selbstbestimmtes und ausbeutungsfreies Landwirtschafts- und
Ernährungssystem anstrebt, ist pflanzbar. Sie hat, wie der vorliegende Beitrag hof-
fentlich zeigen konnte, wei tverzw eig te Wurzel n i n all en mögli chen emanzipatori-
schen Bewegungen der Bewegung für Ernährungssouvenität und Agrarökolo-
gie, der Klimagerechtigkeitsbewegung, den feministischen Bewegungen und der
Tierbefreiungsbewegung. Aus diesen Wurzeln kann in Zukunft eine stattliche
Pflanze mit süßen Fchten wachsen ein gutes Leben und gutes Essen für (wirk-
lich) alle. Dazu müssen die verschiedenen Konzepte zusammengedacht und gemein-
sam weiterentwickelt werden.
Zwar wird die Nahrungsmittelproduktion zumindest aus ökologischer Per-
spektive und verglichen mit einer potentiellen Basislinie ohne menschlichen Ein-
fluss auf der Erde immer auch negative Auswirkungen haben, jedoch sind die
Effekte je nach Art der Produktion sehr unterschiedlich. Die Herausforderung für
Jetzt und in Zukunft liegt folglich darin, die am „wenigsten schädl iche“ Produkti-
onsweise sowie Land- und Ressourcennutzung ausfindig zu machen, die alle Men-
schen ernährt und dabei innerhalb der planetaren Grenzen auch Faktoren sozialer
Gerechtigkeit berücksichtigt (Garnett et al. 2017). Dafür gibt es weder die eine
Patentlösung noch einen global einheitlich umsetzbaren Masterplan, sondern viel-
fältige Ideen und Konzepte, die regional unterschiedlich eingesetzt werden können.
Die Basis für ein zukunftsfähiges und (weitestgehend) ausbeutungsfreies Landwirt-
schafts- und Ernährungssystem wie es der vorliegende Beitrag vorschgt bil-
det eine antispeziesis tische Landwir tschaft, die auf agrarökologischen und reg ene-
rativen Methoden fußt und entsprechend des vegan-anarchistis chen Konzeptent-
wurfs organisiert ist. Dabei gehören nicht nur die Ackerflächen, sondern sämtliche
landwirtschaftliche Ressourcen denen, die sie nutzen und alle weiteren Güter
(Wass er, Luft et c.) der Al lg emeinheit. Jede*r kann mitbestimmen, wie Essen produ-
ziert, verteil t und konsumiert wird und dabei aktiv mithelfen, weil Lohnarbeit
nicht mehr alles entschei dend is t. Die „Logik der Beherrschung“ wird entschieden
abgelehnt; anti emanzipatoris che Strukturen werden überwunden. S tatt P rofiten
stehen Menschen im Vordergrund; statt Wachstumszwang und Leistungsdruck
sind soziale und ökologische Gerechtigkeit sowie Solidarität wichtige Werte. Die
Tierausbeutung ist abgeschafft; fossile Energien werden nicht mehr benötigt; Kli-
magerechtigkeit ist wieder ein greifbares Ziel. Alle führen ein gutes Leben und
haben gutes E ssen.
Gutes Essen für alle!
173
3.1 Ach, wie schön wär‘ doch das Leben,
würd‘ es keine Agrarindustrie geben
Damit diese Utopi e auch in der W irklichkeit gedeihen kann, ist eine sozial-
ökologische Transformation vonnöten, für die mehrere Strategien vereint werden
sollten: Neben der Erprobung solcher realen Utopien in zu verteidigenden Frei-
räumen sind nicht-reformistische Reformen25 nötig, durch die Institutionen und
Politiken so vendert werden, dass diese nach und nach den Utopien entsprechen
bzw. sie fördern (Schmelzer Vetter 2019). Dazu könnte es beispielsweise dienlich
sein, auf die Neugestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) so ein-
zuwirken, dass künftig ökologisch und sozial gerechte Landwirtschaftspraktiken
gefördert werden.27 Gleichzeitig ist es dar zumindest übergangsweise, bis Pro-
duktlabels aufgrund einer engen Produzierenden-Konsumierenden-Beziehung
nicht mehr nöti g sind sinnvoll, dass die Biozyklisch-Veganen Richtlinien 2017
als erster global gültiger veganer Öko-Standard in die „IFOAM Family of Stan-
dards“ aufgenommen wurden (IFOAM 2018) und dass der Förderkreis Biozy-
klisch-Veganer Anbau e.V. auch die Forschung in diesem Bereich vorantreiben
will.
Zusätzlich müssen das Wachstumsparadigma überwunden und eine „Gegen-
macht“ aufgebaut werden (Schmelzer Vetter 2019). Das bedeutet zum einen, dass
das industriell e Landwirtschafts system ersetzt und s eine Märchen als solche ent-
larvt werden müssen. Hier zeigen aktuelle Studien, dass eine komplett ökologische
Produktion aller Nahrungsmittel für über neun Milliarden Menschen im Jahr 2050
machbar ist wenn auch unter der „Einschnkung“, dass weniger Lebensmittel in
Tonne und Trog landen dürften und Menschen folglich auf eine stärker pflanzenba-
sierte Ernährung umstellen ssten (Muller et al. 2017). Dies stellt allerdings
keine wirkliche Einschränkung dar, da es der hier beschriebenen Landwirtschafts-
utopie und einer sol idarischen Lebensweise entspricht. Tatsächlich ist diese „Ein-
schnkung“ neben technischen und Management-Maßnahmen zwingend erfor-
derlich, wenn die pl anetaren Grenzen durch das Landwirtschafts- und Ernährungs-
system nicht überschritten werden sollen (Springmann et al. 2018). Zu einem ähnli-
chen Schluss kommt auch der Wel tklimarat: Selbst ein verringerter Fleischkonsum
hätte demnach die Mi nderung von THG-Emissionen und Landnutzungsbedarf
sowie einen gesteigerten Biodiversitätsschutz zur Folge und würde eine verringerte
Produktionsintensität erlauben, die mit einer Minderung von Bodendegradierung,
Dünger- und Pestizidbedarf sowie Wasser- und Energieeinsatz einhergeht (IPCC
27
Die jetzige GAP läuft 2020 aus und wird deshalb momentan reformiert. Wie darauf eingewirkt wer-
den kann und ob dies sinnvoll ist, wird in Ausga be 105 des Ma gazins TIE RBE FREIU NG diskutiert
(www.tierbefreiung.de).
Ulrike Schwerdtner
174
2019). Zum anderen sollte eine Transformationsstrategie auch den Aufbau einer
„Gegenmacht“ beinhalten, al so die Verknüpfung sozialer Kämpfe und Bewegungen
für ein zukunftsfähiges und ausbeutungsfreies Landwirtschafts- und Ernährungssy-
stem. Gemeinsam müssen wir der Agrarindustrie zeigen, dass ein anderes Land-
wirtschaftssystem gewünscht, möglich und nötig is t.
3.2 Macht euch auf den Acker!
Für die Realisierung der oben beschriebenen Utopie einer selbstbestimmten und
ausbeutung sfr eien Landwirtschaft (und Welt) zählt jeder Acker, jeder Fluss, jeder
Wald, aber auch jeder Garten, jeder Blühstreifen, jedes Pilz-, Pflanzen- und Tierin-
dividuum, zählen einfach alles und alle, die zur Verwirkl ichung der Utopie beitra-
gen nnen bzw. wollen. Dabei gilt: Jeder Quadratmeter Land, der agrakologisch
bewirtschaftet wird, ist ein befreiter Quadratmeter“ (Miguel Ramirez, Vertreter der
Ökobauernbew egung in El S alv ador; zitiert nach Scheub Schwarzer 2017, 208),
weshalb der Beitrag mit den passenden Worten von Louise Michel enden soll: „Al-
les, alles muss befreit werden, die Geschöpfe und die Welt […] Was bedeuten uns
Brotkrümel für die Masse der Enterbten? Was bedeutet uns das Brot ohne die n-
ste, ohne die Wissenschaft, ohne die Freiheit?“ (Louise Michel, französi sche Auto-
rin und Anarchistin; zitiert nach Michel Essig-Gutschmidt 2017, 171).
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Book
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Krisen wie der Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Pandemien hängen in ihrer Entstehung mit dem Mensch-Tier-Verhältnis zusammen. Die Adressierung dieser Krisen ist zentral für die Transformation zu Nachhaltiger Entwicklung (NE). Dennoch werden die Diskurse um NE und das Mensch-Tier-Verhältnis getrennt voneinander geführt. Um diese Trennung zu überwinden, wird eine tierethische NE-Theorie ausgearbeitet. Das Werk zeigt, wie die philosophischen NE-Grundlagen auf Tiere angewandt werden können, und beleuchtet neue Wege einer Transformation zu nachhaltigen Gesellschaften, die eine lebenswerte Zukunft für Menschen und Tiere ermöglichen.
Chapter
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Krisen wie der Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Pandemien hängen in ihrer Entstehung mit dem Mensch-Tier-Verhältnis zusammen. Die Adressierung dieser Krisen ist zentral für die Transformation zu Nachhaltiger Entwicklung (NE). Dennoch werden die Diskurse um NE und das Mensch-Tier-Verhältnis getrennt voneinander geführt. Um diese Trennung zu überwinden, wird eine tierethische NE-Theorie ausgearbeitet. Das Werk zeigt, wie die philosophischen NE-Grundlagen auf Tiere angewandt werden können, und beleuchtet neue Wege einer Transformation zu nachhaltigen Gesellschaften, die eine lebenswerte Zukunft für Menschen und Tiere ermöglichen.
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Soils with a history of P fertilizer application may represent a significant ‘bank’ of residual soil P. The P research community offers potential and emerging strategies for land managers to access this soil resource to create sustainable P management strategies that may rely less on inorganic fertilizers and aid in closing the P cycle.
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Seit 30 Jahren diskutieren wir die Wende zu einer nachhaltigen Entwicklung: als Energiewende, als Ernährungswende, als Mobilitätswende. Dahinter steht die Idee einer »Großen Transformation«. Damit ist der umfassende Umbau von Technik, Ökonomie und Gesellschaft gemeint, um mit den sozialen und ökologischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts umzugehen. Die Blaupausen für die Wende liegen vor. Aber es tut sich wenig. Uwe Schneidewind zeigt mit den Erfahrungen des Wuppertal Instituts auf, wie die Kunst einer Zukunftsgestaltung aussieht, die Zukunftsvisionen mit einem aufgeklärten Innovations- und Transformationsverständnis verbindet.
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The food system is a major driver of climate change, changes in land use, depletion of freshwater resources, and pollution of aquatic and terrestrial ecosystems through excessive nitrogen and phosphorus inputs. Here we show that between 2010 and 2050, as a result of expected changes in population and income levels, the environmental effects of the food system could increase by 50–90% in the absence of technological changes and dedicated mitigation measures, reaching levels that are beyond the planetary boundaries that define a safe operating space for humanity. We analyse several options for reducing the environmental effects of the food system, including dietary changes towards healthier, more plant-based diets, improvements in technologies and management, and reductions in food loss and waste. We find that no single measure is enough to keep these effects within all planetary boundaries simultaneously, and that a synergistic combination of measures will be needed to sufficiently mitigate the projected increase in environmental pressures.
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Food sovereignty asserts the right of peoples to define and organize their own agricultural and food systems so as to meet local needs and so as to secure access to land, water and seed. A commitment to gender equity has been embedded in the food sovereignty concept from its earliest articulations. Some might wonder why gender justice should figure so prominently in a food movement. In this paper I review and augment the arguments for making gender equity a central component of food sovereignty. The most common argument is: if women constitute the majority of the world’s food producers, then agricultural policy is a women’s issue. And insofar as patriarchal social relations continue to dominate the globe, then changing agricultural policies will require explicit attention to gender injustice. I suggest that this is a good argument, but that an ecological feminist perspective can provide additional theoretical reasons for maintaining the centrality of gender justice in food sovereignty discourse. Moreover, ecological feminism can provide a robust theoretical framework that coheres a concept and movement with a wide set of concerns. My critique positions food sovereignty’s call to social justice as embedded in a truly radical re-thinking of dominant conceptual frameworks, and re-envisioning of political and ethical relations.
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Organic agriculture is proposed as a promising approach to achieving sustainable food systems, but its feasibility is also contested. We use a food systems model that addresses agronomic characteristics of organic agriculture to analyze the role that organic agriculture could play in sustainable food systems. Here we show that a 100% conversion to organic agriculture needs more land than conventional agriculture but reduces N-surplus and pesticide use. However, in combination with reductions of food wastage and food-competing feed from arable land, with correspondingly reduced production and consumption of animal products, land use under organic agriculture remains below the reference scenario. Other indicators such as greenhouse gas emissions also improve, but adequate nitrogen supply is challenging. Besides focusing on production, sustainable food systems need to address waste, crop–grass–livestock interdependencies and human consumption. None of the corresponding strategies needs full implementation and their combined partial implementation delivers a more sustainable food future.
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The report dissects claims made by different stakeholders in the debate about so called ‘grass-fed’ beef, the greenhouse gases the animals emit, and the possibility that, through their grazing actions, they can help remove carbon dioxide from the atmosphere. It evaluates these claims and counterclaims against the best available science, providing an authoritative and evidence-based answer to the question: Is grass-fed beef good or bad for the climate?
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Das Mensch-Tier-Verhältnis ist in modernen Gesellschaften durch Ambivalenzen gekennzeichnet. Auf der einen Seite als Ding und Material benutzt und fabrikmäßig aufbereitet, werden Tiere andererseits als eigenständige Subjekte und Teil konkreter Sozialbeziehungen mit Menschen wahrgenommen. Dieses Ergebnis eines höchst widersprüchlichen, fortdauernden historischen Entwicklungsprozesses, der von der Rationalisierung von Vernutzungsstrategien, aber auch von wachsender sozialer Nähe zu Tieren geprägt ist, geriet erst relativ spät in den Fokus sozialwissenschaftlichen Interesses. Der Band soll – als sozialwissenschaftliche Einführung – Einblicke in die Forschung zum gesellschaftlichen Mensch-Tier-Verhältnis bieten. Der Inhalt · Soziologie der Mensch-Tier-Verhältnisse · Mensch-Tier-Verhältnis und soziale Ungleichheit · Tiere als Objekte sozialer Konstruktionen, Exklusion und Gewalt · Die Tierrechtsbewegung als Gegenstand der Bewegungsforschung · Mediale Sozialisierung und das Mensch-Tier-Verhältnis · Tiere in indigenen Kulturen Die Zielgruppen · Lehrende und Studierende v.a. der sozialwissenschaftlichen Disziplinen · am Mensch-Tier-Verhältnis Interessierte Die Herausgeber Renate Brucker, Sozialwissenschaftlerin und Historikerin; Erwachsenenbildung. Melanie Bujok, Diplom-Sozialwissenschaftlerin; Lehrbeauftragte und politische Bildungsreferentin. Birgit Mütherich, M.A. (†), Sozialwissenschaftlerin; wissenschaftliche Mitarbeiterin. Martin Seeliger, M.A., Sozialwissenschaftler; Promotionsstipendiat. Dr. Frank Thieme, Diplom-Sozialwissenschaftler; Lehrbeauftragter.