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Alle meine Freunde sind besser als ich! Auswirkungen sozialer Mediennutzung auf den Selbstwert und Depressionen in Abhängigkeit von sozialen Vergleichen

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Abstract

Ziel dieses Beitrags ist die Darstellung von drei Studien zur Erfassung kurzfristiger und langfristiger Effekte von sozial-vergleichendem Gebrauch der sozialen Netzwerke Facebook und XING auf den Selbstwert und depressive Tendenzen. Studie 1 (N = 75) zeigte im Rahmen einer Internetexposition im Labor, dass eine sozial-vergleichende Aufgabe im Internet im Vergleich zu einer Kontrollaufgabe einen geringeren Selbstwert zur Folge hat. Studien 2 und 3 (Ns = 809, 145) zeigten im Rahmen Online-Befragungen, dass sowohl passive Facebook- als auch die generelle XING-Nutzung mit höheren depressiven Tendenzen einhergehen. Diese Assoziationen werden über eine höhere Neigung zu sozialen Vergleichen und einen dadurch bedingten, geringeren Selbstwert vermittelt. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund bisheriger Forschung diskutiert sowie Implikationen für die Präventionsarbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsen im Umgang mit Sozialen Medien abgeleitet.
Alle meine Freunde sind besser als ich! – Auswirkungen sozialer Mediennutzung auf
den Selbstwert und Depressionen in Abhängigkeit von sozialen Vergleichen
Österreichischer Präventionskongress 2019 in Graz
Dr. Phillip Ozimek
Fachhochschule Münster
Zu einem Fachkongress mit Schwerpunkt zu „Digitaler Versklavung – Generationen zwischen
Euphorie und Abhängigkeit“ darf auch eine genaue Auseinandersetzung mit sozialen Medien
und deren Risiken für die psychische Gesundheit nicht fehlen. Unter sozialen Medien verstehen
wir „Internetanwendungen, die der Zusammenarbeit und dem Austausch dienen. Nutzer stellen
ihre Inhalte ins Netz. Diese Inhalte können gemeinsam mit anderen weiterentwickelt werden.
Einen wesentlichen Bestandteil bildet zudem der Austausch der Nutzenden untereinander bei
diesem Prozess.“ (Böker, Demuth, Thannheiser, & Werner, 2015). Insgesamt geht es also um
die online-basierte, zwischenmenschliche Kommunikation und dem Austausch und der
Mitgestaltung der jeweiligen Internetseiten („Mitmach-Web“/“Web 2.0“).
Ein Blick auf den sogenannten „digital snapshot“ 2019 zeigt uns, dass bei einer ungefähren
Weltbevölkerung von ca. 7.7 Milliarden Menschen 4.4 Milliarden Menschen das Internet
nutzen und 3.5 Milliarden Menschen Nutzer sozialer Medien sind. Davon sind nahezu alle
Nutzer gleichzeitig auch mit einem mobilen Endgerät auf sozialen Medienseiten aktiv (ca. 3.4
Milliarden; We are social, 2019). Die größten sozialen Medien sind dabei Facebook mit 2.3
Milliarden Nutzern, Youtube mit 1.9 Milliarden Nutzern, WhatsApp und der Facebook
Messenger mit 1.5 und 1.3 Milliarden Nutzern und Instagram mit rund einer Milliarde Nutzer
(Statista, 2019). Schaut man sich nun die tägliche Verweildauer in Minuten an, zeigt eine Studie
von 2018 (Statista, 2019), dass vor allem deutsche und österreichische Internetnutzer im
absoluten Vergleich relativ kurzweilig auf soziale Medien aktiv sind (Deutschland: 36
Minuten/Tag; Österreich: 64 Minuten/Tag). Spitzenreiter sind die Philippinen mit 252
Minuten/Tag und Kolumbien und Argentinien mit rund 214 bzw. 211 Minuten/Tag. Nutzer
sozialer Medien sind in der Regel jung. Studien deuten darauf hin, dass im Alter der Konsum
sozialer Medien abnimmt (vgl. McAndrew & Jeong, 2012; Ozimek & Bierhoff, 2016). Eine
Übersicht von Statista (2019) von deutschen sozialen Mediennutzern zeigt, dass die meisten
Nutzer von Facebook, Instagram und Snapchat zwischen 14 und 29 Jahre alt sind. Lediglich
Facebook hat darüber hinaus noch Rezipienten zwischen 30-49 Jahre (38%), 50-69 Jahre (17%)
und sogar über 70 Jahre (6%). Bei den meisten anderen Netzwerken geht die Zahl älterer Nutzer
gegen Null. Dies zeigt auch der Trend von Facebook hin zu Instagram, Snapchat und TikTok.
Da Facebook bis dato das größte soziale Netzwerk darstellt, finden die meisten Untersuchungen
bislang zum Nutzungsverhalten auf dieser Plattform statt. So konnte eine Meta-Studie bereits
2012 über 500 psychologische Studien zum Thema „Facebook“ ermitteln (Wilson, Gosling, &
Graham, 2012). Neuere empirische Daten zur Gesamtstudienzahl sind leider nicht vorhanden.
Eine Suche mit dem Schlüsselbegriff „Facebook“ führt bei Google Scholar inzwischen aber zu
rund 6,23 Millionen Treffern.
Warum ist Facebook für die psychologische Forschung so interessant? Facebook ist eine
Plattform für vielfältige soziale Interaktionen und bietet Sozialforschern die Gelegenheit,
Online-Sozialverhalten mit „realem“ Sozialverhalten zu vergleichen. So zeigen Menschen
durchaus Parallelen, aber auch gleichzeitig Unterschiede in ihrem Verhalten, je nachdem ob sie
on- oder offline agieren (vgl. Wilson et al., 2012). Dabei sind Forscher vor allem der Frage
nachgegangen, warum so viele Menschen auf Facebook aktiv sind.
Insgesamt konnten drei bedeutsame Motive herausgearbeitet werden: 1. Das Bedürfnis nach
Zugehörigkeit (need to belong). Der Mensch ist ein soziales Wesen und sucht stets nach
Anschluss. Soziale Medien bieten eine einfache und schnelle Gelegenheit, Sozialkontakte zu
knüpfen und sich mit neuen Menschen auszutauschen und so das Gefühl zu haben, dazu zu
gehören (vgl. Nadkarni & Hofmann, 2012). 2. Das Bedürfnis nach Selbstdarstellung (need for
self-presentation). Soziale Medien bieten die perfekte Möglichkeit, sich von seiner besten Seite
zu präsentieren. Menschen möchten sich nicht nur mit anderen austauschen und dazugehören,
sondern in ihrer Gruppe auch möglichst hoch angesehen werden. Dafür stellen soziale Medien
den perfekten Motor dar (vgl. Nadkarni & Hofmann, 2012). 3. Das Bedürfnis nach sozialen
Vergleichen (need to compare). Wir wissen jedoch erst, ob wir hoch angesehen sind und ob wir
etwas gut können, wenn wir wissen, wie viel die anderen können. Es liegt in der menschlichen
Natur, sich mit bedeutsamen anderen zu vergleichen (Festinger, 1954). Soziale Medien bieten
eine sehr einfache und schnelle Möglichkeit, auf Millionen von sozialen Informationen
zugreifen zu können und so soziale Vergleiche zu erzeugen. Viele Studien weisen darauf hin,
dass vor allem dieses Bedürfnis hervorragend über soziale Medien befriedigt werden kann (vgl.
Appel, Gerlach, & Crusius, 2016; Lee, 2014; Ozimek & Bierhoff, 2016; Verduyn et al., 2017).
Diese Art der passiven Nutzung sozialer Medien (d.h. Lesen von Kommentaren, Betrachten
anderer Profile, „Stalken“…) birgt aber vor allem große Risiken und Nachteile:
Studien zeigen konsistent, dass die soziale Mediennutzung mit mehr sozialen Vergleichen
einhergeht (sowohl korrelativ als auch experimentell; Lee, 2014; Ozimek & Förster, 2017), aber
auch mit negativ erlebten Gefühlen nach den Vergleichen (Lee, 2014). Dies kann auf die
Beschaffenheit der Facebook-Profile zurückgeführt werden. Nutzer präsentieren sich von ihrer
besten Seite und zeigen somit ihr idealisiertes Selbst. Also so, wie sie optimaler Weise gerne
sein wollen. Bei einem Vergleich wird aber immer das Aktual-Selbst (also so, wie man gerade
ist, mit all seinen Stärken und Schwächen) als Referenz herangezogen. Der vergleichende
Nutzer vergleicht also (nicht-wissend) sein Aktual-Selbst mit den idealisierten Selbst-
Versionen anderer im Netz und schneidet langfristig immer schlechter ab. Und das kann
unglücklich machen (vgl. Brandenberg, Ozimek, Bierhoff, & Janker, 2019; Gonzales &
Hancock, 2011). Diese Vergleiche machen jedoch nur dann unglücklich, wenn es sich um
fähigkeitsorientierte Vergleiche handelt. Park und Baek (2018) konnten zeigen, dass
fähigkeitsorientierte soziale Vergleiche auf Facebook Gefühle wie Neid, Niedergeschlagenheit
und Sorge („oh, Gott, das werde ich nie erreichen!“) verstärken und diese Gefühle wiederum
negativ mit dem psychischen Wohlbefinden assoziiert sind. Meinungsbasierte soziale
Vergleiche bedingen wiederum vor allem positive Gefühle, wie Optimismus und Inspiration
und führen zu mehr psychischem Wohlbefinden (Park & Baek, 2018).
Schaut man sich die negativen Auswirkungen von fähigkeitsorientierten sozialen Vergleichen
auf Facebook an und auch ihren Effekt, dass sie Gefühle wie Niedergeschlagenheit auslösen
können, so ist auch denkbar, dass sie in langfristiger Auswirkung depressive Tendenzen
bedingen könnten. Bislang ist die Studienlage hierzu sehr unklar. Es finden sich sowohl
Studien, die einen positiven Zusammenhang finden (vermittelt über Neid; Tandoc, Ferrucci, &
Duffy, 2015; vermittelt über soziale Vergleiche: Appel et al., 2016; Feinstein et al., 2013;
Steers, Wickham, & Acitelli, 2014), als auch welche, die keinen nachweisen konnten
(monokausaler Zusammenhang untersucht; z.B. Brandenberg et al., 2019; Datu, Valdez, &
Datu, 2012) und sogar welche, die einen gegenteiligen Zusammenhang (d.h. je mehr Facebook,
desto weniger Depressionen) gefunden haben (Wee, Jang, Jee, & Jang., 2017).
Die unklare Evidenzlage spiegelt einige Probleme bisheriger Untersuchungen zu
Facebooknutzung und depressiver Symptomatik wider: 1. Depression ist eine Störung mit
multifaktorieller Entstehungsgeschichte. Eine so komplexe Störung, wie eine Depression, kann
keinesfalls unmittelbar auf die Verwendung von sozialen Medien zurückgeführt werden. Es
sind mehrere Erklärungsvariablen im Rahmen eines Forschungsmodells notwendig. 2.
Universelle Soziale Vergleiche bedingen zunächst weder höheres noch geringeres
Wohlbefinden. Wir haben gesehen, dass vor allem fähigkeitsorientierte soziale Vergleiche
Probleme mit sich bringen. 3. Fähigkeitsorientierte Vergleiche bedingen nur mittelbar höhere
depressive Tendenzen. Aus psychologischer Sicht führen diese Vergleiche nämlich zunächst
einmal dazu, dass wir uns weniger Wert fühlen und unser „Selbstwert“ sinkt. Ein geringer
Selbstwert wiederum steht in direkter Beziehung zu höheren depressiven Symptomen (vgl.
Orth, Robins, Trzesniewski, Maes, & Schmitt, 2009). Aufgrund dieser angesprochenen
Probleme haben wir ein erweitertes Erklärungsmodell entwickelt. Demnach soll eine verstärkte
Facebooknutzung nicht unmittelbar mit stärkeren depressiven Symptomen einhergehen,
sondern zunächst ein stärkeres Bedürfnis nach fähigkeitsorientierten sozialen Vergleichen
bedingen, was wiederum den Selbstwert senken kann. Diese Selbstwertsenkung kann höhere
depressive Tendenzen bedingen. Eine Übersicht bietet Abbildung 1.
Abbildung 1: Erweitertes Erklärungsmodell aus Ozimek & Bierhoff, 2019
Um dieses Modell zu testen, haben wir im Rahmen unserer Studie All my online-friends are
better than me - Three studies about ability-based comparative social media use, self-esteem,
and depressive tendencies“ erschienen in Behaviour & Information Technology (Ozimek &
Bierhoff, 2019) drei Teilstudien durchgeführt. In der ersten Teilstudie (Short-term
consequences of internet and Facebook use on self-esteem) haben wir experimentell überprüft,
inwiefern fähigkeitsorientierte, soziale Informationen auf Facebook bzw. im Internet wirklich
dazu in der Lage sind, unmittelbar den Selbstwert zu senken. In der zweiten Teilstudie
(Mediational effects of social comparative Facebook use on participants’ self-esteem and
depressive tendencies) haben wir den langfristigen Effekt von Facebooknutzung auf die soziale
Vergleichsorientierung, den Selbstwert und auf depressive Tendenzen im Rahmen einer
Fragebogenstudie untersucht. In der letzten Teilstudie (Mediational effects of social
comparative Facebook and XING use on participants’ self-esteem and depressive tendencies)
wollten wir den Forschungskontext erweitern und überprüfen, inwiefern nicht nur Facebook als
privates soziales Netzwerk, sondern auch XING als professionelles soziales Netzwerk ähnliche
Effekte nach sich zieht. Die drei Teilstudien werden im Folgenden kurz zusammengefasst.
Teilstudie 1: Short-term consequences of internet and Facebook use on self-esteem
Im Rahmen dieser Studie wurden 58 Probandinnen und 17 Probanden in das Computerlabor
der Ruhr-Universität Bochum gebeten und wurden in drei Versuchsgruppen unterteilt. Die erste
Gruppe bekam die Aufgabe, sich in ihrem Facebook-Account einzuloggen und in einem
Zeitfenster von fünf Minuten verschiedene Informationen über die ersten fünf Personen
herauszuschreiben, die auf ihrem Newsfeed erscheinen. Die zweite Gruppe sollte ebenfalls
Facebooknutzung
(+)
Fähigkeitsorientierte
SV (+)
Selbstwert
(-)
Depressive Tendenzen
(+)
Informationen über die ersten fünf Personen innerhalb von fünf Minuten herausschreiben. Dies
allerdings nicht auf Facebook, sondern auf der Personalseite der katholisch-theologischen
Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Diese Vergleichsgruppe wurde gewählt, um zu
überprüfen, ob ein möglicher Effekt sich auf Facebook als besonderes soziales Medium
zurückführen lässt oder ob es viel mehr um die generelle Präsentation von sozialen
Informationen im Internet geht, die zudem auch idealisiert sind (was auf die Informationen
einer Personalseite ebenso wie die im Rahmen eines sozialen Netzwerkes zutrifft). Zudem
wurde diese Fakultätsseite ausgewählt, weil die meisten Versuchsteilnehmenden Studierende
der psychologischen Fakultät waren und möglichst wenig Berührungspunkte mit ihnen haben
sollten. Eine dritte Gruppe hatte keine Aufgabe zu Anfang und musste unmittelbar einen
Fragebogen zum Zustandsselbstwert ausfüllen. Die Beantwortung des Selbstwertfragebogens
mussten die ersten beiden Gruppen nach der Internetaufgabe vornehmen.
Gezeigt hat sich dabei, dass bei einem Vergleich aller Gruppen hinsichtlich ihres Selbstwertes
das Herausschreiben von sozialen Informationen auf Facebook keinen statistisch bedeutsamen
Effekt gezeigt hat, d.h. soziale Informationen auf Facebook senken den Selbstwert nicht
wesentlich mehr als soziale Informationen woanders im Netz. Beim Zusammenlegen der beiden
Internetgruppen jedoch zeigte sich, dass erzeugte soziale Vergleiche im Internet mit
idealisierten Personen und Profilen unabhängig von der Internetseite den Selbstwert
(kurzfristig) reduzieren können und bestätigen somit den ersten Teilpfad des Erklärungsmodells
(siehe Abbildung 1). Eine Übersicht gibt Abbildung 2.
Abbildung 2: Selbstwertmittelwerte in Abhängigkeit von der Experimentalaufgabe (Teilstudie
1)
Dies spricht für einen kausalen Effekt bezüglich der (kurzfristigen) Auswirkung von Facebook
bzw. Internetnutzung auf den Selbstwert im Zusammenhang mit fähigkeitsorientierten sozialen
Vergleichen. Um zu überprüfen, was langfristig passiert, haben wir eine weitere Studie
durchgeführt.
Teilstudie 2: Mediational effects of social comparative Facebook use on participants’ self-
esteem and depressive tendencies
Die zweite Teilstudie war eine Online-Fragebogenstudie und umfasste Fragebögen zur
Intensität der Facebooknutzung (30 Fragen; aktives Nutzungsverhalten, passives
Nutzungsverhalten und selbstdarstellerisches Nutzungsverhalten), zur Orientierung an
fähigkeitssorientierten sozialen Vergleichen (11 Fragen), zum globalen Selbstwert (10 Fragen)
3,6
3,7
3,8
3,9
4
4,1
4,2
4,3
FB vs.
Internet vs.
Control
Internet
Ges. vs.
control
und zu an sich selbst beobachteten depressiven Symptomen in den letzten zwei Wochen (21
Fragen). Insgesamt 809 Personen nahmen an der Umfrage teil (darunter 450 Probandinnen und
359 Probanden). Die Studie zeigte im Rahmen von komplexen statistischen Verfahren, dass
eine erhöhte passive Facebook-Nutzung dann mit einer erhöhten depressive Symptomatik
einhergeht, wenn Probandinnen und Probanden eine höhere Neigung zu fähigkeitsorientierten
sozialen Vergleichen berichteten und einen dadurch bedingten, geringeren Selbstwert. Dies
spricht für einen Langzeiteffekt von passiver Facebook-Nutzung auf das Wohlbefinden und
entspricht dem theoretisch aufgestellten Erklärungsmodell. In einem letzten Schritt wollten wir
prüfen, inwiefern die Idee auch auf professionelle soziale Netzwerke übertragbar ist und haben
eine von uns ehemalige Studie zu XING hinsichtlich unserer Überlegungen reanalysiert
(Brandenberg et al., 2019).
Teilstudie 3: Mediational effects of social comparative Facebook and XING use on
participants’ self-esteem and depressive tendencies
Die dritte Teilstudie war eine weitere Online-Fragebogenstudie und neben denselben
Fragebögen wie bei Teilstudie 2 (zur Intensität der Facebooknutzung, zur Orientierung an
fähigkeitssorientierten sozialen Vergleichen, zum globalen Selbstwert, und zu an sich selbst
beobachteten depressiven Symptomen in den letzten zwei Wochen) zusätzlich einen
Fragebogen zur Intensität der Nutzung des Berufsnetzwerkes XING (ähnlich aufgebaut wie der
Facebook-Fragebogen). Insgesamt 145 Personen nahmen an der Umfrage teil (darunter 76
Probandinnen und 69 Probanden). Die Studie zeigte im Rahmen von komplexen statistischen
Verfahren erneut, dass eine erhöhte passive Facebook-Nutzung dann mit einer erhöhten
depressive Symptomatik einhergeht, wenn Probandinnen und Probanden eine höhere Neigung
zu fähigkeitsorientierten sozialen Vergleichen hatten und einen dadurch bedingten, geringeren
Selbstwert. Darüber hinaus zeigte sie denselben Effekt bei XING auf depressive Symptome im
Zusammenhang mit einer erhöhten fähigkeitsorientierten sozialen Vergleichsorientierung und
einen geringeren Selbstwert. Die Ergebnisse bestätigen den Langzeiteffekt der passiven
Nutzung von sozialen Medien auf depressive Symptomatiken und erweitern das
Erklärungsmodell von privaten auch auf berufliche soziale Netzwerke wie XING.
Fazit
Insgesamt konnten wir mit unseren drei Studie zeigen, dass höhere depressive Tendenzen dann
über soziale Medien vermittelt werden können, wenn 1. die Nutzung mit vermehrten
fähigkeitsorientierten sozialen Vergleichen einhergeht und 2. das Vergleichsergebnis den
Selbstwert senkt. Diese komplexe Verflechtung verschiedener Variablen zur Erklärung vom
Zusammenhang von sozialen Medien und Depressionen zeigt nochmal deutlich, dass man nicht
von einem unmittelbaren Zusammenhang sprechen kann, sondern dass ganz gewisse
Voraussetzungen dafür vorliegen müssen, dass soziale Medien einen negativen Einfluss auf das
Wohlbefinden haben (können).
Gleichzeitig zeigt die aktuelle Forschung nämlich auch, dass im Vergleich zur passiven
Nutzung (Lesen von Kommentaren, Betrachten anderer Profile, „Stalken“…) die aktive
Nutzung sozialer Medien (Posten, Kommentieren, Nachrichten schreiben, aktives Mitgestalten)
positive Effekte auf das Wohlbefinden haben (vgl. Verduyn et al., 2017). Nutzerinnen und
Nutzer erleben einen „Selbstwert-Push“ durch ihre eigene positive Selbstdarstellung (d.h. sie
sehen ihr idealisiertes Profil und erleben sich selbst als großartig) und eine dadurch bedingte
Aufmerksamkeitslenkung auf positive Persönlichkeitsanteile und Erlebnisse und darüber
hinaus eine Möglichkeit zur sozialen Teilhabe (Ellison, Steinfield, & Lampe, 2007; Gonzales
& Hancock, 2011. Studien zeigen, dass vor allem sozial insolierte und selbstwertschwache
Menschen über soziale Medien die Möglichkeit haben, am sozialen Leben wieder teilzuhaben,
d.h. Kontakt zu anderen aufzunehmen, Feedback zu erhalten, zu verschiedenen Themen zu
kommunizieren und sich auszutauschen. Das Gefühl dazuzugehören. Sogar Bewohnerinnen
und Bewohner von Seniorenheimen erleben durch die angeleitete Verwendung sozialer Medien
mehr Selbstwirksamkeit bis hin zu einer erweiterten Lebenszeitperspektive (Hasan & Linder,
2016).
Um die Frage abschließend zu beantworten, inwiefern soziale Medien gut oder schlecht für die
Gesundheit seien, möchte ich auf Paracelsus verweisen:
Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die dosis machts, daß ein Ding
kein Gift sei, Paracelsus, 1538.
So wie Paracelsus bei Wirkstoffen in der Natur erkannte, dass je nach Einsatz und Dosierung
sie Gutes und Schlechtes bewirken können, so gilt dies ebenso im digitalen Zeitalter für soziale
Medien und ihre Anwendung.
Zum Schluss ein paar Impulsfragen zur Selbstreflektion für Ihre eigene Praxis:
Wie kann eine kompetente und reflektierte Nutzung sozialer Medien (gerade bei jungen
Menschen) sichergestellt werden, damit negative Konsequenzen für das Wohlbefinden
vermieden und positive Aspekte gefördert werden?
Was können Sie aus den Ergebnissen für Ihre (tatsächliche) praktische Arbeit
mitnehmen?
Welche Chancen und Risiken bergen soziale Medien?
Wie könnten auf Grundlage dieser Ergebnisse Präventionsstrategien für die (für Ihre)
Praxis aussehen, um einen selbstwertförderlichen Umgang mit sozialen Medien zu
steigern und einen selbstwertgefährdenden Umgang mit ihnen zu reduzieren?
Welche Zielgruppen wollen Sie damit erreichen?
Welches Setting/welchen Umfang planen Sie ein?
Was sind mögliche Herausforderungen?
Literatur
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Supplementary resources (2)

Research
Die Nutzung sozialer Medien ist in allen Teilen der Gesellschaft verbreitet. Gleichzeitig sind die Auswirkungen der Nutzung sozialer Medien auf die Gesundheit weitestgehend unerforscht. Mittels linearer (multipler) Regression, einfaktorieller ANOVA und Pfadanalyse wurden im Querschnittsdesign erhobene Daten untersucht, inwieweit sich verschiedene Dimensionen des Nutzungsverhaltens auf die allgemeine Gesundheit auswirken, mediiert durch die Variablen „Allgemeiner Selbstwert“, „Tendenz zur Internetsucht“, Kontakt mit Cybermobbing“ und „Schlafqualität“. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass vor allem eine exzessive Nutzung sozialer Medien negative Auswirkungen auf den Selbstwert hat und eine Internetsucht begünstigt, während aktives Verhalten in Form von „Posts“ in einem positiven Zusammenhang mit dem allgemeinen Selbstwert und der allgemeinen Gesundheit zu stehen scheint. Gleichzeitig begünstigt es wiederum den Kontakt mit Cybermobbing und beeinträchtigt die Schlafqualität. Insgesamt deuten die Ergebnisse, trotz methodischer Einschränkungen daraufhin, dass negative Auswirkungen von der Nutzung sozialer Medien auszugehen scheinen, die jedoch im Hinblick auf verschiedene Nutzungsformen zu differenzieren sind.
Article
Full-text available
Social network sites are ubiquitous and now constitute a common tool people use to interact with one another in daily life. Here we review the consequences of interacting with social network sites for subjective well-being—that is, how people feel moment-to-moment and how satisfied they are with their lives. We begin by clarifying the constructs that we focus on in this review: social network sites and subjective well-being. Next, we review the literature that explains how these constructs are related. This research reveals: (a) negative relationships between passively using social network sites and subjective well-being, and (b) positive relationships between actively using social network sites and subjective well-being, with the former relationship being more robust than the latter. Specifically, passively using social network sites provokes social comparisons and envy, which have negative downstream consequences for subjective well-being. In contrast, when active usage of social network sites predicts subjective well-being, it seems to do so by creating social capital and stimulating feelings of social connectedness. We conclude by discussing the policy implications of this work. © 2017 The Society for the Psychological Study of Social Issues
Article
Full-text available
The current paper looked at the linkage between the use of Facebook and depression levels of selected Filipino adolescents. Two hundred college students whose ages ranged from 17 to 20, in a private and sectarian collegiate institution were selected through purposive sampling. Goldberg Depression Scale (GDS) and a survey regarding the number of hours allotted in the use of Facebook per week served as data collection instruments. Utilizing a descriptive-correlational research design, the researchers found that there is no significant association between respondents’ level of depression and the use of Facebook (r = 0.04, p = 0.70). Hence, depression cannot be sufficiently linked to the use of Facebook. Implications of the findings to the fields of counseling and psychology were discussed.
Article
We conducted three studies to assess short-term and long-term effects of social comparative SNS use on self-esteem and depressive tendencies. In Study 1 (N = 75) we found in an exposure experiment including two experimental groups and one control group that social comparative internet use decreased participants’ performance-oriented state self-esteem as a short-term effect. In Study 2 and 3 (Ns = 809, 145) results of the serial multiple mediator model indicated that passive Facebook use is associated with higher depressive tendencies mediated by a higher ability-related social comparison orientation and lower self-esteem as long-term effect. To obtain more generalisable findings, we transferred the serial multiple mediator model successfully from private to professional SNS use (Study 3).
Article
The present study's (N = 145) aim was to introduce a multidimensional behavioural report for assessing activity on the professional social network site (SNS) XING and to carry out a comparison with private SNS use (i.e. Facebook). Psychometric analyses revealed good internal consistency and construct validity of the new XING Activity Questionnaire. Results suggest that private and professional SNS use is positively correlated to people's ability-related social comparison orientation (SCO) and depressive tendencies on the one hand and negatively correlated to self-esteem on the other hand. In addition, both people's general SCO and opinion-related SCO were solely positively correlated to Facebook use. The findings are in line with the Social Online-Self-Regulation-Theory suggesting that people are using not only private but also professional SNSs for self-regulation.
Article
This study examined how social networking site (SNS) users' social comparison orientations indirectly affect their psychological well-being via four types of social comparison-based emotions. Based on national survey data, we found that social comparison-based emotions mediated the relationships between Facebook users' social comparison orientations and psychological well-being. If Facebook users have a stronger ability-based social comparison orientation, their psychological well-being decreases via upward contrastive emotions (e.g., depression and envy) toward the comparison other; however, it increases via downward assimilative emotions (e.g., worry and sympathy). By contrast, if Facebook users have a stronger opinion-based social comparison orientation, their psychological well-being increases via increased feelings of upward assimilative emotions (e.g., optimism and inspiration) or decreased feelings of upward contrastive emotions (e.g., depression and envy) towards the comparison other. These results indicate that the effects of social comparison on psychological well-being on SNSs become positive or negative depending on whether the users’ social comparison orientation emphasized ability or opinion, and the type of emotions triggered by the comparison. We provide theoretical discussions and practical suggestions for psychologically healthy SNS use based on these empirical findings.
Article
Established literature supports the notion that depressed individuals tend to be socially maladjusted and behave differently from those who aren't depressed. Yet, previous studies seem to overlook the influence of personality on behavior. Particularly, neuroticism may moderate the effect of depression on the way people behave. As one of the Big-Five factors of personality, neuroticism refers to a trait of one's capability to control emotional distress. Based on behavioral data from 393 Facebook users, current research demonstrates the interaction between depression and personality. Users engaged in activities at different levels of activities corresponding to their depression levels. Further, the effect of depression on social networking was regulated by personality: once neuroticism exceeded certain points, an increase in depression led to a decrease in social networking activities.
Article
Social Networking Sites like Facebook are an upcoming phenomenon of the modern age. The Social Online Self-regulation Theory (SOS-T) proposes that people use Facebook in order to self-regulate. Using Facebook they regulate their emotions and satisfy a variety of needs and motives. The study's aim was to provide first evidence for the theory by examining the influence of two self-regulatory variables (i.e. materialism and social comparison orientation). Using priming paradigms in two experiments (N1 = 228; N2 = 239), we could show that both variables increase Facebook consumption jointly and independently. Implications for theory building and applied settings are discussed and a forecast of future studies is given.
Article
As developed countries struggle to find suitable living arrangements for their ageing populations, many elderly citizens are becoming increasingly marginalized and isolated. In similar circumstances, younger people would use digital technologies to stay occupied and connected, but few elderly citizens have this capability. Our research investigates the ways that the social wellbeing of elderly citizens can be enhanced by their use of information and communications technologies (ICT), particularly digital technologies, wherever they reside. A two-year action research study of the social use of ICT by residents in aged-care facilities was conducted in order to determine how developing digital capabilities could enhance their wellbeing. Research interventions included the establishment of computer kiosks in aged-care facilities and weekly classes for developing ICT skills. As their digital capability improved, many of the elderly residents were observed to engage in meaningful computer-based activities of their own choosing. A set of themes among these activities were identified, namely: connection, self-worth/esteem and personal development, productivity, occupation, self-sufficiency, being in control, and enjoyment. Our results are consistent with recently reported domains of social wellbeing among recipients of community-based aged-care services, namely (1) social participation and involvement, (2) occupation, (3) control over daily life and (4) dignity.
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Facebook use is analyzed depending on age and occurrence of social comparisons. The hypotheses state that age is negatively associated with Facebook use and that this association is mediated by social comparison orientation. Data collection was realized via the Internet. The online-questionnaire included information on Facebook use on the basis of a behavioral report (cf., McAndrew & Jeong, 2012), an inventory for measuring social comparison orientation by Gibbons and Buunk (1999), and demographic questions. Results are based on 335 participants. They confirm both the negative association between age and frequency of Facebook activities and the mediation of this association by comparison orientation. These results are interpreted on the basis of evolutionary theory. This study offers new insights on the mediating role of social comparisons in the relationship between age and Facebook use. In the discussion suggestions for further routes of research on the link between age, comparison orientation, and Facebook use are outlined.