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– 67 –Ingenieurspiegel 1 | 2019
Wie sieht das unbemannte
Flugzeug von Übermorgen aus?
Dieser Frage stellen sich For-
scher an der Fachhochschule
Aachen. Die weltweit rasant
fortschreitende Entwicklung
des Marktes für unbemannte
Fluggeräte (UAVs - „Unmanned
Aerial Vehicles“) bietet großes
Potenzial für Wachstum und
Wertschöpfung. Unbemannte
fliegende Systeme können – für
bestimmte Anwendungsgebie-
te – wesentlich günstiger, klei-
ner und effizienter ausgelegt
werden als bemannte Lösun-
gen. Dabei sind sich viele Unter-
nehmen über das mögliche Po-
tential dieser Technologie noch
gar nicht bewusst.
Heute sind Multirotorsysteme
auf dem Markt etabliert. Sie
übernehmen beispielsweise In-
spektions- und Überwachungs-
aufgaben für die Industrie und
liefern bei Sportevents dem
Fernsehzuschauer Bilder aus
der Vogelperspektive. Ein Nach-
teil von Multirotorsystemen ist
oftmals die geringe Flugdauer,
denn ein Drehflügler verbraucht
im Reiseflug etwa zehnmal so
Neue Ansätze für die Entwicklung
von unbemannten Fluggeräten
viel Energie wie ein konventio-
nelles Flugzeug. Dies liegt da-
ran, dass es viel effizienter ist,
den Auftrieb mit einem starren
Flügel zu erzeugen, als viele
kleine Flügel schnell rotieren
zu lassen. Ein starrer Flügel hin-
gegen ermöglicht eine viel grö-
ßere Flugdauer und somit auch
eine starke Reichweitenvergrö-
ßerung. Solche konventionellen
Fluggeräte brauchen allerdings
deutlich mehr Platz für Start
und Landung als vergleichba-
re Multirotorsysteme. Selbst
leichte, unbemannte Systeme
(unter 50 kg Abflugmasse) be-
nötigen für Start, bzw. Landung
oft mehr als 350 m Freifläche
aufgrund ihres flachen An- und
Abflugpfades.
Deshalb konzentrieren sich For-
scher an der FH Aachen auf die
Entwicklung von senkrechtstar-
tenden VTOL UAVs (VTOL – Ver-
tical Take-off and Landing). Ein
VTOL-Flugzeug verbindet die
Eigenschaft des Drehflüglers,
überall starten und landen zu
können, mit den Geschwindig-
keits-, Reichweiten- und Flug-
dauervorteilen des Starrflüglers
und kommt für Start und Lan-
dung mit einer Fläche von etwa
15 m x 15 m aus.
VTOL UAVs sehen konventio-
nellen Flugzeugen recht ähn-
lich. Die Möglichkeit senkrecht
zu starten und zu landen wird
typischerweise durch ein so-
genanntes „Hoversystem“,
bereitgestellt. Dieses System
verfolgt die gleiche Antriebslo-
gik wie Multicopter-Drohnen
und dient dazu, das Fluggerät
beim senkrechten Start auf eine
definierte Mindestflughöhe zu
heben. Dort wechselt das Flug-
gerät dann in den Modus des
Vorwärtsflugs (Transition) und
fliegt wie ein herkömmlicher
Starrflügler bis zu seinem Ziel.
In dieser Zeit wird das Flugzeug
durch einen separaten Propel-
ler angetrieben, während die
Rotoren des Hoversystems ab-
geschaltet und aerodynamisch
günstig arretiert werden. Über
dem Zielort erfolgt eine Rück-
transition, das Fluggerät geht
wieder in den Schwebezustand
über und landet anschließend
senkrecht. Hierdurch kann das
Fluggerät völlig unabhängig
von der Infrastruktur am Boden
eingesetzt werden und auf na-
hezu jedem Untergrund starten
und landen [1].
An der FH Aachen beschäfti-
gen sich Felix Finger und Falk
Götten seit fünf Jahren mit der
Auslegung und Analyse von
solchen unbemannten VTOL-
Flugzeugen. Beide führten 2013
für einen großen europäischen
Flugzeughersteller die Konzep-
tion einer 150 kg schweren,
strahlgetrieben VTOL-Drohne
durch und sind dem Thema
seitdem treu geblieben.
Falk Götten betreute seitdem
Flugversuche von UAVs und
vertiefte seine Kenntnisse im
Bereich der Flugmechanik und
der Aerodynamik von unbe-
mannten Systemen. Dabei fand
er heraus, dass die Entwicklung
von unbemannten Fluggeräten
nicht nur hinsichtlich der An-
triebs- und Steuerungskonzep-
te eine neue Herausforderung
darstellt. Besonders das aero-
dynamische Verhalten von klei-
nen Fluggeräten benötigt eine
gesonderte Betrachtung.
Die über Jahrzehnte optimier-
ten aerodynamischen Entwick-
lungsansätze der Flugzeugin-
dustrie basieren darauf, dass
die meisten Transportflug-
zeuge ähnliche geometrische
Formen besitzen und im glei-
chen Flugregime operieren.
Unbemannte Fluggeräte sind
allerdings erheblich kleiner als
Passagierflugzeuge, fliegen
deutlich langsamer und haben
andere geometrische Formen.
Im Flugbereich von UAVs bleibt
die Strömung an vielen Bautei-
len über weite Strecken lami-
nar, was erheblichen Einfluss
auf den Reibungswiderstand
und Ablöseeigenschaften hat.
Außerdem müssen UAVs be-
sondere Missionsanforderun-
Bild1: Falk Götten (links) und Felix Finger (rechts) mit den Labor-UAVs.
– 68 – Ingenieurspiegel 1 | 2019
gen erfüllen und benötigen
dafür viele externe Anbauteile,
zum Beispiel Sensoren oder An-
tennen. Dies führt dazu, dass
sich unbemannte Fluggeräte in
ihren aerodynamischen Eigen-
schaften erheblich von Passa-
gierflugzeugen unterscheiden.
Die Forschung an der FH Aa-
chen hat gezeigt, dass klas-
sische empirische Aerodyna-
mikmodelle der Transportflug-
zeuge hierdurch teilweise ihre
Gültigkeit für UAVs verlieren [2].
Diese Tatsache führt zu einer
erheblichen Lücke im Entwick-
lungsprozess, da multidiszipli-
näre Entwicklungsverfahren für
UAVs auf eine präzise Vorher-
sage des Flugwiderstands und
der aerodynamischen Eigen-
schaften angewiesen sind. Um
diese Lücke zu schließen haben
die FH Aachen und das australi-
sche Royal Melbourne Institute
of Technology das Projekt „Ex-
ploration and Development of
New Drag Prediction Methods
for UAVs“ ins Leben gerufen.
Darin werden neue Vorher-
sagemodelle für den aerody-
namischen Widerstand kleiner
unbemannter Fluggeräte ent-
wickelt [3].
Felix Finger beschäftigt sich mit
dem Konzeptentwurf von un-
konventionellen Flugzeugen.
Er analysierte den Designraum
von unbemannten VTOL Flug-
geräten und evaluierte deren
Leistungspotenzial durch den
direkten Vergleich mit konven-
tionellen Flugzeugen [4]. Dabei
stellte er fest, dass elektrische
und hybrid-elektrische Antriebe
die Leistungsfähigkeit von VTOL
UAVs signifikant verbessern
können [5]. Elektromotoren sind
bei gleicher Leistung deutlich
leichter als Verbrennungsmo-
toren, laufruhig, leise, und bie-
ten Wirkungsgrade über 90%.
Dadurch kann die Attraktivität
von UAVs gesteigert werden,
denn wenn die Zahl von UAVs
weiter steigt, muss auch die
Reduzierung von Abgas- und Ge-
räuschemissionen ein zentrales
Auslegungsziel sein.
Allerdings sind elektrische An-
triebe noch nicht für alle Luft-
fahrtanwendungen geeignet.
Besonders das hohe Gewicht
Bild 2: Größenvergleich: Die neue Aachener Transportdrohne und der
verkleinerte Demonstrator.
Bild 3: Strömungssimulation eines VTOL-UAVs.
des Energiespeichersystems
führt dazu, dass rein elektrische
Flugzeuge noch nicht lang und
weit genug fliegen können.
Hybridflugzeuge könnten hier
als entscheidende Brückentech-
nologie fungieren. Bei einem
hybriden Antriebssystem wer-
den Verbrennungsmaschinen
und E-Motoren zusammen-
geschaltet. Hier gibt es eine
Vielzahl von Varianten. Ziel ist
jedoch immer eine Steigerung
der Flugleistung bei gleichzei-
tiger Senkung von Kosten und
Emissionen.
Solche hybriden Antriebstränge
müssen jedoch von Anfang an
mit in den Flugzeugentwurf ein-
bezogen werden. Deshalb wur-
de an der FH Aachen das Projekt
„E-Take-Off“ ins Leben gerufen,
in dem ganzheitliche Konzepte
für die Auslegung von Flugzeu-
ge mit alternativen Antriebssys-
temen erarbeitet werden.
Da an der FH Aachen Theorie
und Praxis eng miteinander ver-
bunden sind, betreibt das Labor
für Luftfahrzeugtechnik mehre-
re UAVs. So werden einerseits
Modellflugzeuge mit Autopilo-
ten und VTOL-Systemen aus-
gerüstet und damit Software
und Hardware kostengünstig
erprobt, andererseits befindet
sich aber auch der Eigenent-
wurf einer großen, senkrecht-
startenden Transportdrohne
in der Entwicklung. Mit diesen
Projekten sollen auch die Stu-
dierenden gefördert werden.
Bei Flugtests können sie ihre
theoretischen Annahmen un-
mittelbar testen und auswer-
ten. So bekommen Sie wert-
volle Praxiserfahrung. Damit
wird in Aachen das gesamte
Spektrum der Entwicklung von
unbemannten Fluggeräten ab-
gedeckt. Vom Vorentwurf mit
neuartigen Antriebssystemen,
über eine optimierte Aerodyna-
mik bis hin zur Flugerprobung
– alle Beteiligten haben die Zu-
kunft der Branche fest im Blick.
D. Felix Finger M.Sc.,
Falk Götten M.Sc.
Fachhochschule Aachen
Fachbereich Luft- und
Raumfahrttechnik
www.fh-aachen.de
Literaturverzeichnis
[1] D. F. Finger, C. Braun und C.
Bil, „A Review of Configura-
tion Design for Distributed
Propulsion Transitioning
VTOL Aircraft,“ in Asia-Pacific
International Symposium on
Aerospace Technology - API-
SAT2017, Seoul, Korea, 2017.
[2] F. Götten, M. Havermann,
C. Braun, F. Gómez and C.
Bil, ”On the Applicability of
Empirical Drag Estimation
Methods for Unmanned Air
Vehicle Design,” in 18th AIAA
Aviation Technology, Integra-
tion, and Operations Confe-
rence, Atlanta , 2018.
[3] F. Götten, D. F. Finger, M. Ha-
vermann, C. Braun, F. Gómez
und C. Bil, „Empirical Correla-
tions for Geometry Build-Up
of Fixed Wing Unmanned Air
Vehicles,“ in Asia-Pacific In-
ternational Symposium on
Aerospace Technology - API-
SAT2018, Chengdu, China,
2018.
[4]
D. F. Finger, „Comparative
Performance and Benefit As-
sessment of VTOL and CTOL
UAVs,“ in 65. Deutscher Luft-
und Raumfahrtkongress DLRK
2016, Braunschweig, 2016.
[5] D. F. Finger, C. Braun und C.
Bil, „Impact of electric propul-
sion technology and mission
requirements on the perfor-
mance of VTOL UAVs,“ CEAS
Aeronautical Journal, Dec 2018.