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Internetforen bei unerfülltem Kinderwunsch

Authors:
34
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THEMA:
Neue
Reprodukt_i
Q!'l!
ecllni
l<
en
Internetforen
bei unerfülltem
Kinderwunsch
Matthias Vernim, Sonja Haug
und
Karsten
We
ber haben erforscht,
wie Betroffene Kinderwunsch-Foren als Ressource nutzen.
U
ber einen unerfüllten Kinderc
wunsch und dessen Therapie
sprechen viele
Paare
und
Einzel-
personen
nur
ungern.
Sie
fühlen sich
unverstanden, haben Schamgefühle und
möchten oft selbst im näheren sozialen
Umfeld nicht offen darüber sprechen.
Viele Betroffene nutzen deshalb
das
In-
ternet,
das
inzwischen eine Vielzahl
von Angeboten zur Information,
Bera-
tung und Kommunikation sowohl
mit
Expertinnen und Experten
als
auch
mit
anderen Betroffenen bereitstellt. Der
Austausch in weitgehend anonymer
Form in Online-Foren scheint eine gute
Möglichkeit
zu
sein, über die eigene
Situation
zu
reden und darüber
mit
an-
deren
ins
Gespräch
zu
kommen.
Im Rahmen unserer Forschung zum
Wissenstransfer bezüglich der Repro-
duktionsmedizin haben
wir
die Kom-
munikation im Kinderwunsch-Forum
der Seite www.wunschkinder.net ana-
lysiert, einem der größten deutsch-
sprachigen Onlineforen. Konkrete
Forschungsfragen waren dabei:
Mit
welchen Anliegen wenden sich Nutze-
Österreichische Hebammenzeitung 05 /2016
rinnen
an
andere Betroffene? Welche
Themen sind von herausragender
Be-
deutung? Welche Funktionen erfüllen
Online-Diskussionsforen im Kontext
der reproduktionsmedizinischen
Be-
handlung? Und welche Bedeutung
haben Online-Foren
für
den Wissens-
transfer bezüglich Reproduktionsmedi-
zin?
Um
diese
Fragen
zu
beantworten, wur-
den 1 .259 zufällig ausgewählte Foren-
themen
des
Jahres
201
3 analysiert,
das
entsprach etwa 1
Oo/o
aller neuen
Bei-
träge. Dabei wurde
immer
der Eröff-
nungsbeitrag einer Diskussion auf
seine
Struktur und
seine
zentralen Inhalte hin
überprüft.
Es
ergaben
sich
sechs
Struk-
turtypen,
mit
denen die grundlegende
Intention nahezu aller Beiträge be-
schrieben werden konnte:
,,Allgemeine Statusupdates" (Info zum
Verlauf der eigenen Behandlung),
"Bitten um Beistand", "Entscheidungs-
findung"
(z.B.
zwischen Behandlungs-
alternativen oder verschiedenen Klini-
ken), "Erfahrungsaustausch", "Schilde-
rung
des
eigenen Gefühlszustands"
und "Verständnisfragen". Inhaltlich
drehten sich alle Beiträge um die acht
Themengebiete "Kosten, Finanzierung,
Krankenkassen", "körperliche Symp-
tome",
"Medikation",
"Natürliche Fa-
milienplanung",
11
(private) Schwanger-
schaftstests", "Soziales Umfel
d"
, " me-
dizinische
Tests
und Testergebn i
ss
e"
sowie "Ärzte,
Pra
x
en
und Kliniken" .
Austau
s
ch
v
on
Erf
ahrung
en
ist
der
zentr
ale Asp ekt
Die
Analyse zeigt,
dass
der Erfahrungs-
austausch rund um ungewollte Kinder-
losigkeit und Kinderwunschbehandlun-
gen der vorrangige Grund
ist,
warum
sich Nutzerinnen
an
die
Community
wenden. Besonders
oft
geht
es
dabei
um Erfahrungen mit einschlägigen Me-
dikamenten, körperlichen Symptomen
oder Ärzten, wie diese
Beisp
i
ele
zeigen
(Zitate unverändert übernommen):
"Da
wir
uns
ja
ein Kind wünschen, ver-
schrieb
mir
meine Gynäkologin Chlorma-
dinon.
Dies
nehme ich
nun
seit einem
halben Jahr immer
vom
7 5 . - 24. Zyk-
Justag! Meine Hormonwerte [. .. ] sind
jetzt
gut
-alles im
Norma
l
Bere
i
ch
: -)
Dies
freut mich natürlich
sehr,
aber
mit
einer Schwangerschaft
hat
es
leider noch
nicht
geklappt :
-(
Meine Zykluslänge
schwankt zwischen
28
und
37
Tage.
Hat
jemand
erfahrungen
mit
chlormodinon
oder
hat
es
schon
mal
jemandem gehol-
fen
bei einer Schwangerschaft ??"
(forumthread_l
329553)
"ich
wollte
jetzt
die Praxis wechseln, weil
ich gehört habe,
dass
die Erfolgschancen
in der neuen besser sein sollen.
Was
soll
ich sagen: Ich klammere mich an jeden
Strohhalm.
jetzt
meine Fragen : Hat je-
mand
schon
mal
die Klinik/
Pra
xis ge-
j'a.-r.,.~
~
THEMA: Neue Reproduktionstechniken
wechselt
und
sich seine Befunde von dort
mitgeben
Jassen?
Ich trau mich nicht
so
richtig. Andererseits denke
ich
, kann
man
es
mir
nicht verübeln die Praxis zu wech-
seln.
Wie
war
das
bei
Euch?
Worauf habe
ich überhaupt Anspruch?"
(forumthread_132 7
834
)
Ebenfalls wichtig sind Verständnisfra-
gen, häufig im Anschluss
an
Arzt-
termine oder zur Medikation, und
Schilderungen
des
eigenen Gefühlszu-
stands, der im Behandlungsverlauf
oft
von Frustration, Traurigkeit, aber auch
immer wieder von Freude über abge-
schlossene Behandlungsschritte oder
positive Resultate geprägt ist:
"Ich
fasse
es
nicht, nun freue ich mich
so
sehr,
das
es
bald
endlich
mit
der
Stimmu[Jation]
los
gehen kann,
und
was
ist??!!! Ich habe Angst ohne
Ende
vo
r
dem Spritzen *ohnmacht* 2 Dicke Gonal
F
Pens
liegen
in
meinem Kühlschrank und
warten
auf
das
GO
der Kiwu [Kinder-
wunschpraxis] ... Ich habe echt panick ...
Tut
es
weh?
Was
wenn doch
mal
Luft ge-
spritz wird?
Man
kann doch
so
viel falsch
machen ... " (forumthread_159777 3)
"ich habe gerade die Nachricht bekom-
men, dass der
SST
[Schwangerschafts-
test] negativ
ist.
Ich bin
so
traurig.
Wie
soll
es
blass weitergehen?
Das
ist meine
Österreichische Hebammenzeitung 05/2016
5.
IVF,
ich bin
40
und ich
weiss
nicht, was
ich machen soll.
Nochmal
probieren?
Eine
EZS
[Eizellspende] versuchen? Ach
Mensch, ich hatte
so
gehofft .... "
(forumthread_l
354026)
Inhaltliche
Schwerpunkte
sind
Medikation
, Tests
und
körperliche
Symptome
Inhaltliche Schwerpunkte bilden
Bei-
träge zur Medikation,
zu
Tests
und
Testergebnissen, körperlichen Sympto-
men sowie allgemeine Statusupdates,
mit
denen
sich
die Mitglieder gegen-
seitig über ihren Behandlungsverlauf
informieren. Besonders der Zusam-
menhang zwischen Medikation und
körperlichen Symptomen ist ein häufi-
ges
Thema:
"Seit ich
L-
Th
yrox nehme sind meine
Muskeln irgendwie
ganz
steif
und
ich
fühle mich total unbeweglich. Ist
das
nor-
mal
oder werde ich einfach alt??"
(forumthread_16527
68)
Auffällig ist
das
nahezu völlige Fehlen
religiöser und moralischer Aspekte in
den untersuchten Beiträgen, trotz der
großen
Rolle,
die Kirchen und Religions-
gemeinschaften in der gesellschaftli-
chen Debatte um die Reproduktions-
medizin spielen.
Wichtige
und
sinnvolle
Ergänzung
zur
Behandlung
Die aktiven Nutzerinnen
des
Forums
auf wunschkinder.de zeigen großen
Bedarf
an
informationeUer wie emo-
tionaler Unterstützung. Online-Foren
können diesen unter Wahrung der
(weitgehenden) Anonymität zumin-
dest teilweise decken. Themen von her-
ausragender Bedeutung sind dabei der
Umgang
mit
Medikamenten und der-
en
Wirkungsweisen,
Tests
und Tester-
gebnisse im Behandlungsverlauf und
körperliche Symptome.
Vorrangige Funktionen
des
Forums
scheinen für die Nutzerinnen die
Ver-
netzung ("Ich bin nicht allein"),
Em-
powerment (Reduktion der Abhän-
gigkeit von Empfehlungen und
Aussa-
gen der Ärzte) sowie schnelle, unkom-
plizierte Hilfe (immer verfügbar, termin-
unabhängig)
zu
sein
.
35
36
~-
. -
~,
THEMA: Neue
Reproduktionste
~
.
~!l
i
l<
en
Das
Forscherinnenteam hat auch untersucht, welche Methoden assistierter
Reproduktion bekannt sind, wie
diese
beurteilt werden und wie die
Frauen
sich
über Medizin- und Gesundheitsthemen informieren. Allgemein sind eine
große Akzeptanz der Reproduktionsmedizin und eine hohe Bereitschaft
zu
deren Nutzung im
Fall
der eigenen ungewollten Kinderlosigkeit festzustellen.
Gleichzeitig
gibt
es
deutliche Defizite im Fertilitätswissen in allen untersuch-
ten Gruppen, besonders aber bei
Frauen
mit
Migrationshintergrund.
Problematisch ist in diesem Zusammenhang,
dass
vielen Menschen die große
Altersabhängigkeit der (weiblichen) Fruchtbarkeit nicht bewusst
ist
und die
Er-
folgsraten der reproduktiven Medizin überschätzt werden. Möglicherweise
wird
so
der eigene Kinderwunsch im überzogenen Vertrauen auf die eigene
Fertilität und die Möglichkeiten der modernen Medizin aufgeschoben.
Aus
einer zunächst gewollten kann dann eine ungewollte Kinderlosigkeit werden.
Haug S, Vernim M,
Pari
s ]. Telefoni
sch
e Befragung: Einfl
uss
sozialer Netzwerke auf den Wissenstransfer
am
Bei
spiel der Reproduktions-medizi
n.
De
s
kr
i
pt
ive Anal
yse
der Befragung von Frauen mit und ohne
Migrationshintergrund 201
S.
http
:/
/bit.l
y/
2dOVDmt
in
der peer-to-peer-Beratung zeigt
sich,
wie Betroffene immer mehr
zu
"Expert-
Innen" werden. Die persönliche Inter-
aktion ist zwar auf den schriftsprach-
lichen Austausch beschränkt,
das
On-
line-Forum bietet jedoch gegenüber
klassischen
Selbsthilfegruppen örtliche
wie zeitliche Unabhängigkeit, eine grö-
ßere
Sammlung von
Wissen
und
Erfah-
rung durch die höhere Teilnehmer-ln-
nenzahl sowie die fortwährende
Ver-
fügbarkeit auch älterer Beiträge.
Die
Anonymität ist gerade bei einem
Thema wie ungewollter Kinderlosigkeit
bzw. Unfruchtbarkeit ebenfalls ein
wichtiger Aspekt.
Soziale
Medien stel-
len
eine wichtige Möglichkeit der
Dis-
kussion
mit
anderen Betroffenen dar.
Die
damit verbundene Gefahr besteht
darin,
dass
die peer-to-peer-Beratung
so
glaubwürdig und
für
das
eigene
Handeln bedeutungsvoll erscheint,
dass
fachliche Ratschläge
aus
Exper-
tensicht weniger angenommen wer-
den.
Für
die verantwortungsvolle Infor-
mationsvermittlung durch fachlich
qualifizierte Personen sind daher mo-
derierte
Foren
vorzuziehen;
sie
können
dann eine
wicht
i
ge
und sinnvolle
Er-
gänzung
sein
.
Österreichische Hebammenzeitung 05 /2016
Ausführliche Informationen zur Inhaltsanalyse
des
Kinderwunsch
-F
o
ru
ms
auf w un
sc
hkind er.net im A
r-
beitspapier: Vernim M,
We
ber
K,
Haug S. Unerfüllter
Kinderwunsch im Netz: On line-Foren
als
Kanal
des
Peer
-
ta
-
Peer
-Wissenstransfers am Beispiel der Repro-
duktionsmedizin. Eine Analyse
des
Fo
rums wunsch-
kinder.net. 2015.
http:
//
bit.ly/2cTnf]y
Article
Many active ingredients used for hormonal fertility treatment are part of the so-called Prohibited List that applies in sports. In women, gonadotropin-releasing hormone (GnRH) receptor agonists or antagonists, gonadotropins, antiestrogens and/or aromatase inhibitors are used to stimulate ovulation. After the follicle puncture and into pregnancy, gestagens and human chorionic gonadotropin support the maintenance of the pregnancy. In cases of male infertility, aromatase inhibitors and antiestrogens used off-label can improve sperm production and mobility. Of course, competitive athletes should not be denied the possibility of assisted reproductive treatment per se. This article explains the current anti-doping regulations, the process for approval of the use of prohibited substances by athletes and contains tips on how treating physicians can provide support, so that hormonal fertility treatment can be carried out in accordance with the anti-doping rules.
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