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Lessons Learned. 25 Jahre BNE und außerschulische Umweltbildung in Thüringen. Eine Studie zu Entwicklungsstand & Perspektiven.

Authors:

Abstract

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) stellt eine wesentliche Strategie dar, Problemstellungen der Nachhaltigkeit zu bearbeiten und im Sinne einer zukunftsfähigen Allgemeinbildung Lernende für eine Auseinandersetzung mit diesen Problemstellungen zu befähigen. Aufgrund der drängenden globalen Problemlagen, wie dem fortschreitenden Klimawandel, der Verlust an Biodiversität oder der zunehmenden sozialen Ungleichheit, haben die Vereinten Nationen von 2005 bis 2014 die UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung und seit 2015 ein Weltaktionsprogramm BNE ausgerufen. In der vorliegenden Studie wurde die Geschichte der außerschulischen Umweltbildung und BNE in Thüringen seit 1990 untersucht. Es konnten drei verschiedene Phasen rekonstruiert werden. Von 1990 bis 2005 haben zahlreiche Akteure aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich in einer dynamischen Aufbau- und Professionalisierungsphase ein breites Spektrum an BNE-Angeboten entwickelt und gemeinsam mit Akteuren aus der Verwaltung das Thema auf die politische Agenda gesetzt. Diese erfolgreiche Kooperation mündete zum Zeitpunkt des Ausrufens der internationalen UN-Dekade BNE in die Delegierung der Umsetzung der UN-Dekade an den Arbeitskreis Umweltbildung Thüringen (akuTh e.V.). Die Hochphase begann mit dem Start der internationalen Weltdekade und konnte durch eine Vielzahl von Angeboten und Projekten zu einer hohen öffentlichen Sichtbarkeit und Wirksamkeit von BNE sowie zu einer Verankerung des Themas in den relevanten Landesministerien beitragen. In der Prekarisierungsphase ab 2008 führten Finanzierungsengpässe, Konflikte zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren einerseits und zwischen Zivilgesellschaft und Verwaltungsakteuren andererseits zu einem Wegbruch von vor allem regionalen Unterstützungsstrukturen einer BNE und zu einer stetig schwindenden Anzahl von Aktivitäten. Die Umsetzung der UN-Dekade in Thüringen wurde zwei Jahre vor offiziellem Ende der internationalen Weltdekade für beendet erklärt. Gleichzeitig wurde eine landesweite Nachhaltigkeitsstrategie aufgebaut, die BNE erst nach Kritik einer Reihe von Akteuren aufnahm. Aktuell gibt es jedoch viele Impulse die auf eine Re-Aktivierung der BNE im Rahmen des Weltaktionsprogramms seit 2015 hindeuten können. Auf der Grundlage der Rekonstruktion der Geschichte der außerschulischen Umweltbildung und BNE in Thüringen und der Analyse der Umsetzungsstrategien in anderen Bundesländern wurden verschiedene Empfehlungen für eine zukünftige Stärkung der außerschulischen Umweltbildung und BNE in Thüringen abgeleitet.
LESSONS LEARNED -
25 JAHRE BNE
UND AUSSERSCHULISCHE
UMWELTBILDUNG
IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND &
PERSPEKTIVEN
Studie im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen / DAKT e. V.
Autoren: Mandy Singer-Brodowski unter Mitwirkung von Michael Flohr
Im Auftrag von:
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
2
INHALT
Zusammenfassung ................................................................................................................................3
Danksagung .....................................................................................................................................4
1. Einführung .....................................................................................................................4
2. Methodisches Vorgehen ....................................................................................................5
3. Bildung für nachhaltige Entwicklung – international und national .........................................6
Verständnis einer BNE ..............................................................................................6
Internationale Geschichte der Umweltbildung / BNE ......................................................9
Bildung für nachhaltige Entwicklung in Deutschland .....................................................11
4. Geschichte der BNE in Thüringen .......................................................................................13
4.1 Dynamische Aufbau- und Etablierungsphase ...........................................................13
4.2 Hochphase .......................................................................................................17
4.3 Prekarisierungsphase .........................................................................................20
4.4 Status Quo .......................................................................................................27
5. Empfehlungen für die Umsetzung von BNE in Thüringen .......................................................29
Literatur .....................................................................................................................................32
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1 Erfolge der BNE Dekade ....................................................................................................10
Abbildung 2 Öffentliche Ausgaben des Thüringer Umweltministeriums für Umweltbildung,
BNE und ähnliche Bereiche, 1997-2015 in Euro ...................................................................15
Abbildung 3 Zeitstrahl zu BNE- Aktivitäten in den Jahren 1995-2005 ......................................................16
Abbildung 4 Finanzierungsquellen der Thüringer BNE-Akteure im Jahr 2007 .............................................18
Abbildung 5 Projektförderung des Umweltministeriums 2002-2013 (I) ...................................................21
Abbildung 6 Projektförderung des Umweltministeriums 2002-2013 (II) ..................................................22
Abbildung 7 Gegenüberstellung der IST- und SOLL-Werte in der Förderung des Umweltministeriums ...........22
Abbildung 8 IFOK Auswertung der Online-Konsultation ..........................................................................23
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EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSER-
SCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
Studie erstellt im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen / DAKT e. V., Autoren: Mandy Singer-Brodowski
(Wuppertal Institut) unter Mitwirkung von Michael Flohr
ZUSAMMENFASSUNG
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) stellt eine we-
sentliche Strategie dar, Problemstellungen der Nachhal-
tigkeit zu bearbeiten und im Sinne einer zukunftsfähigen
Allgemeinbildung Lernende für eine Auseinandersetzung
mit diesen Problemstellungen zu befähigen. Aufgrund
der drängenden globalen Problemlagen, wie dem fort-
schreitenden Klimawandel, der Verlust an Biodiversität
oder der zunehmenden sozialen Ungleichheit, haben die
Vereinten Nationen von 2005 bis 2014 die UN-Dekade
Bildung für nachhaltige Entwicklung und seit 2015 ein
Weltaktionsprogramm BNE ausgerufen.
In der vorliegenden Studie wurde die Geschichte der außer-
schulischen Umweltbildung und BNE in Thüringen seit 1990
untersucht. Es konnten drei verschiedene Phasen rekonst-
ruiert werden. Von 1990 bis 2005 haben zahlreiche Akteure
aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich in einer dynami-
schen Aufbau- und Professionalisierungsphase ein breites
Spektrum an BNE-Angeboten entwickelt und gemeinsam mit
Akteuren aus der Verwaltung das Thema auf die politische
Agenda gesetzt. Diese erfolgreiche Kooperation mündete
zum Zeitpunkt des Ausrufens der internationalen UN-Dekade
BNE in die Delegierung der Umsetzung der UN-Dekade an
den Arbeitskreis Umweltbildung Thüringen (akuTh e. V.).
Die Hochphase begann mit dem Start der internationalen
Weltdekade und konnte durch eine Vielzahl von Ange-
boten und Projekten zu einer hohen öffentlichen Sicht-
barkeit und Wirksamkeit von BNE sowie zu einer Veran-
kerung des Themas in den relevanten Landesministerien
beitragen.
In der Prekarisierungsphase ab 2008 führten Finanzie-
rungsengpässe, Konflikte zwischen zivilgesellschaftlichen
Akteuren einerseits und zwischen Zivilgesellschaft und
Verwaltungsakteuren andererseits zu einem Wegbruch
von vor allem regionalen Unterstützungsstrukturen
einer BNE und zu einer stetig schwindenden Anzahl von
Aktivitäten. Die Umsetzung der UN-Dekade in Thüringen
wurde zwei Jahre vor offiziellem Ende der internationa-
len Weltdekade für beendet erklärt. Gleichzeitig wurde
eine landesweite Nachhaltigkeitsstrategie aufgebaut, die
BNE erst nach Kritik einer Reihe von Akteuren aufnahm.
Aktuell gibt es jedoch viele Impulse die auf eine Re-Akti-
vierung der BNE im Rahmen des Weltaktionsprogramms
seit 2015 hindeuten können.
Auf der Grundlage der Rekonstruktion der Geschichte der
außerschulischen Umweltbildung und BNE in Thüringen
und der Analyse der Umsetzungsstrategien in anderen
Bundesländern wurden verschiedene Empfehlungen für
eine zukünftige Stärkung der außerschulischen Umwelt-
bildung und BNE in Thüringen abgeleitet.
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EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
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DANKSAGUNG
Wir möchten uns herzlich bei den zahlreichen Akteuren
bedanken, die an der Erstellung der Studie durch eine
Diskussion inhaltlicher Thesen oder eine Kommentierung
früherer Versionen mitgewirkt haben. Namentlich sind
dies Josef Ahlke, Martin Abramowski, Prof. Dr. Inka Bor-
mann, Prof. Dr. Michael Brodowski, Jennifer Krah, Frank
Mittelstädt, Dr. Jutta Nikel, Andre Schäfer, Dr. Marco
Schrul, Peter Seyfarth, Anette Siebert, Dr. Gerald Slo-
tosch, Tim Strähnz, Prof. Dr. Sandra Tänzer und Prof. Dr.
Alexander Thumfart. Weiterhin wird denjenigen Personen
herzlich gedankt, die im Rahmen der Gruppendiskussion
oder für ein Interview zur Verfügung standen. Ohne ihre
konstruktive Mitwirkung wäre diese Studie nicht in der
Form entstanden. Für die Förderung der Studie danken
wir der Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen, sowie dem DAKT
e. V. (Die Andere Kommunalpolitik Thüringen).
1. EINFÜHRUNG
Die außerschulische Umweltbildung / Bildung für nach-
haltige Entwicklung (BNE) hat in Thüringen seit 1990
dynamische und unterschiedliche Entwicklungsphasen
durchlebt. Eine vergleichsweise große Zahl an freien
Trägern hat ein breites Spektrum an Bildungsangeboten
und Lernräumen zur Verfügung gestellt, um Themen wie
Klimawandel, Globale Gerechtigkeit oder Naturschutz
an die Thüringer BürgerInnen heranzutragen. Mit dem
Beginn der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwick-
lung“ (2005 bis 2014) hat ein fraktionsübergreifender
Landtagsbeschluss zur Umsetzung der UN-Dekade „BfNE“
in Thüringen die Förderung einer BNE an einen freien
Träger übertragen – in Kooperation mit einer interminis-
teriellen Steuerungsgruppe. Dadurch wurde Thüringen
besonders zum Anfang der UN-Dekade als eines der
progressivsten Bundesländer in der Umsetzung der UN-
Dekade wahrgenommen. Besonders die zweite Hälfte der
UN-Dekade BNE war jedoch von strukturellen Umbrüchen
geprägt und hat damit vielen Engagierten „den Wind aus
den Segeln genommen“.
Mit dem Ende der BNE-Dekade und dem Ausrufen eines
internationalen Weltaktionsprogramms ist die Frage
erneut virulent geworden, wie BNE in Thüringen weiter
adäquat umgesetzt werden kann. Was sind die spezi-
fischen Charakteristika und die „Lessons Learned“ der
BNE in Thüringen? Welche Bedeutung hat die BNE für die
Umsetzung der allgemeinen Nachhaltigkeitsstrategie?
Welche Finanzierungsformen fördern die Umsetzung
einer BNE am besten?
Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde die Entwick-
lung der außerschulischen Umweltbildung und BNE in
Thüringen seit 1990 einschließlich der finanziellen Förde-
rung und politischen Rahmenbedingungen analysiert.
Auf der Grundlage der Auswertung zentraler Dokumente,
einschlägiger Studien und Experteninterviews, sowie
einer Gruppendiskussion wurden Stärken und Schwächen
der BNE-Aktivitäten und ihrer politischen Rahmung in
Thüringen untersucht. Anschließend wurden durch den
Rückgriff auf internationale Empfehlungen zur Umset-
zung des Weltaktionsprogramms und Best Practice-Bei-
spiele aus anderen Bundesländern Empfehlungen für die
weitere Unterstützung einer BNE in Thüringen generiert.
Die Studie richtet sich sowohl an EntscheidungsträgerIn-
nen in Thüringen, als auch an MultiplikatorInnen einer
BNE und Interessierte.
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EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
2. METHODISCHES VORGEHEN
Zentrale Fragestellungen der Studie waren: Wie entwickelte
sich die außerschulische Umweltbildung und BNE in Thürin-
gen? Wer waren und sind zentrale Akteure zur Umsetzung von
BNE in Thüringen? Welche erfolgreichen Projekte, Initiativen
und Träger gab und gibt es? Welchen Umfang von institutio-
neller und projektorientierter Förderung gab und gibt es?
Das ingesamt qualitativ ausgerichtete Vorgehen zielte
darauf ab, nicht nur die sichtbaren Akteurszahlen, poli-
tischen Strategien und Förderinstrumente in Thüringen
zu erfassen, sondern vor allem die Umsetzungsebene der
BNE (-Förderung) und die dabei auftretenden Aushand-
lungsprozesse zwischen Staat, Zivilgesellschaft und Bil-
dungsorganisationen (Governance-Muster) in den Blick
zu nehmen. Es wurde also keine quantitative Erfassung
der BNE-Strukturen oder Akteure vorgenommen, sondern
auf ein Verständnis der qualitativen Entwicklung der
Umweltbildung und BNE in Thüringen gezielt.
Dokumentenanalyse und Analyse der Finanzströme
Den ersten Teil und die Basis der Studie bildete die Aus-
wertung von zentralen programmatischen Dokumenten
zur Förderung und Umsetzung der außerschulischen Um-
weltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung in
Thüringen (Landtagsbeschlüsse, Thüringer Aktionspläne
zur Umsetzung der BNE, Thüringer Nachhaltigkeitsstra-
tegie). Daneben wurden eine Reihe von anderen wissen-
schaftlichen Studien ausgewertet:
die Evaluationsstudie BNE in Thüringen (vgl. Küstner 2007),
eine Studie des Instituts Futur an der Freien Universität
Berlin zur Qualitätssicherung BNE in 5 Kommunen zur
UN-Dekade BNE im Zeitraum von 2011 bis 2014 (QuaSi
BNE, vgl. Kolleck u. a. 2012),
die Rio + 20 Länderstudie (2012);
eine Studie der PH Freiburg zur „Handlungskoordina-
tion zwischen staalichen und zivilgesellschaftlichen
Akteuren im BNE-Transfer“ (vgl. Nikel / Haker 2015).
Besonders die Aufbereitung von Studien, die von For-
schungsteams außerhalb von Thüringen über die Thürin-
ger Akteurslandschaft vorgenommen wurden, stellt dabei
einen Mehrwert dar. Denn diese Studien sind zwar ÜBER
die Thüringer BNE-Akteurslandschaft bzw. in einem Netz-
werk von BNE-Aktiven in Erfurt durchgeführt worden,
eine Diskussion der Ergebnisse mit Thüringer Akteure hat
jedoch nur vereinzelt statt gefunden.
Daneben wurden öffentliche Ausgaben des Thüringer Um-
weltministeriums1 für Umweltbildung, BNE und ähnliche
Bereiche für die Jahre 1997-2013 aufbereitet. Es wurden
zusätzlich die SOLL-Ansätze, also die eingeplanten För-
dermittel und die IST-Ausgaben gegenübergestellt, sowie
für die Jahres ab 2002 die jeweiligen Förderquoten durch
das Umweltministerium ausgewertet
Nicht zuletzt wurden Best-Practice Beispiele aus anderen
Bundesländern (mit besonderem Augenmerk auf deren
Planungen zur Umsetzung der BNE im Rahmen des Welt-
aktionsprogramm) aufgearbeitet.
Gruppendiskussion und Experteninterviews
Den zweiten Teil der Studie bildete eine Gruppendiskus-
sion mit ExpertInnen der BNE-Landschaft am 22.10.2015
in Erfurt. Die TeilnehmerInnen der Gruppendiskussion
repräsentierten die organisierte und nichtorganisierte
Zivilgesellschaft sowie den formalen Bildungsbereich in
Thüringen. Viele von ihnen haben ein langjähriges Erfah-
rungswissen in der Umsetzung der BNE. In der Gruppen-
diskussion wurden zentrale Thesen aus der ersten Phase
1Aus Gründen der einfachen Lesbarkeit wird im Folgenden nur der Begriff Thüringer Umweltministerium verwendet. Der vollständige Name ist „Thüringer Ministe-
rium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt“ (bis 2009), das „Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz“ (bis 2014) und
das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz“ (seit 2014).
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EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
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der Studie über die Geschichte und den Entwicklungs-
stand der BNE in Thüringen als (z. T. provokante) Stimuli
eingebracht und von den Teilnehmenden diskutiert.
Abschließend wurden vor allem Empfehlungen zur weite-
ren Förderung der BNE in Thüringen zusammengetragen.
Die Gruppendiskussion wurde vollständig transkribiert
und interpretiert. Weiterhin wurden drei Interviews mit
BNE-ExpertInnen aus Thüringen selbst sowie mit einem
Außenblick auf Thüringen durchgeführt. Die Interviews
wurden transkribiert und ausgewertet.
3. BILDUNG FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG – INTERNA-
TIONAL UND NATIONAL
3.1 VERSTÄNDNIS EINER BNE
Klimawandel, die Integration von Flüchtlingen oder
Fragen globaler Verteilungsgerechtigkeit stellen große
gesellschaftliche Herausforderungen (vgl. Reid u. a.
2010) dar, die im Rahmen einer Bildung für nachhaltige
Entwicklung (BNE) aktiv angegangen werden sollen. Die
Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen
Problemstellungen einer nichtnachhaltigen Entwicklung
und deren Lösungen stehen im Mittelpunkt einer BNE,
weswegen sie auch als „zukunftsbezogene ,Allgemein-
bildung’“ (Klafki 1995, S. 9) beschrieben werden kann.
Sie integriert Konzepte der Umweltbildung, des Globalen
Lernens, der Gesundheits- und Verbraucherbildung, des
interkulturellen Lernens und der Friedensbildung. Dabei
werden nicht nur individuelle Lernprozesse für Nachhal-
tigkeit unterstützt, sondern auch diejenigen Kompeten-
zen gefördert, die einen gemeinsamen Lern- und Aus-
handlungsprozess zwischen unterschiedlichen Akteuren
unterstützen. Die Förderung von Diskursen und Aus-
handlungsprozessen durch BNE ist deswegen so zentral,
da auch nachhaltige Entwicklung kein Verhaltens kodex
ist, „sondern ein individueller und gesellschaftlicher
Such-, Lern- und Gestaltungsprozess mit dem Anspruch
der Aushandlung der besten Lösungen unter dem ethi-
schen Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung“ (Stolten-
berg / Burandt 2014, S. 568). Die Ziele einer BNE umfas-
sen daher kreatives, langfristiges und kritisches Denken
und den souveränen Umgang mit Unsicherheit sowie die
Lösung komplexer Probleme (vgl. UNESCO 2009, Absatz
9). Entscheidend dafür ist der Einsatz innovativer und
partizipativer Lehr- und Lernmethoden (vgl. UNESCO
Executive Board 2013, Annex 5b).
Bildung für nachhaltige Entwicklung ...
1. orientiert sich am Leitbild der Nachhaltigkeit als nor-
mative Grundlage,
2. umfasst nicht einen verbindlichen Themenkanon,
sondern schlägt eine Reihe von Auswahl-Kriterien vor,
die mit dem Leibild Nachhaltigkeit kongruent sind (vgl.
Bertschy u. a. 2007, S. 48ff.) (z. B. Haben Themenstel-
lungen eine globale und lokale Dimension? Werden
verschiedene Aspekte – ökologisch, wirtschaftliche,
soziale, kulturelle – in ihrer Wechselwirkung diskutiert?),
3. befähigt zur Auseinandersetzung mit komplexen Pro-
blemstellungen durch aktivierende, kompetenzorien-
tierte und lernendenzentrierte Bildungsangebote und
4. zielt nicht darauf, Verhalten im Sinne der nachhaltigen
Entwicklung zu forcieren, sondern die Fähigkeit auszu-
bilden, sich proaktiv in individuelle und gesellschaftli-
che Veränderungsprozesse hineinzubegeben und sie zu
gestalten (Vare / Scott 2007).
Der letzte Punkt ist vor dem Hintergrund der Gefahr eines
instrumentellen Bildungsverständnisses im Rahmen von
BNE besonders relevant. Wenn Bildung für nachhaltige
Entwicklung als reiner Transfer von Wissen und Einstel-
lungen zu Nachhaltigkeit realisiert wird, verliert sie die
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EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
Offenheit für gesellschaftliche Problemstellungen zu
sensibilisieren, die im Rahmen der Nachhaltigkeitsagenda
noch unzureichend abgedeckt sind (z. B. Postwachstum
und neue Wohlstandsmodelle).
Mit der Orientierung an einem reflexiven Bildungsver-
ständnis katalysiert die BNE nicht zuletzt didaktische
Innovationen in den Bildungseinrichtungen und fördert
damit maßgeblich eine Öffnung der staatlich organisier-
ten Institutionen hin zu zivilgesellschaftlichen Akteuren
außerhalb des Bildungssystems.
Die thematische und methodische Vielfalt einer BNE
soll an drei beispielhaften Bildungsangeboten deutlich
gemacht werde.
Bildungsbaustein „Klimawandel“ des Jugendnetzwerks Umweltbildung Thüringen
Der Verein Jubith e. V. (Jugendumweltbildung Thüringen) bietet nach einem Peer-to-Peer Ansatz Projekttage
für außerschulische Bildungseinrichtungen wie Jugendclubs und Jugendherbergen sowie für Allgemeinbil-
dende Schulen und Berufsschulen an. Die einzelnen Projekttage sind als Bildungsbausteine für eine Länge von
6 Zeitstunden und eine Altersgruppe ab 14 Jahren konzipiert und umfassen unterschiedliche Themen (Klima-
wandel, Nachhaltige Ernährung, Welthandel und Fairer Handel am Beispiel Kakao, Ökologischer Fußabdruck,
Handy, Klimabedingte Migration, Glück & Konsum sowie Kleidung – Soziale Nachhaltigkeit). Die Besonderheit
der Bildungsbausteine liegt in dem Peer-to-Peer Ansatz, der dazu führt, dass authentische Dialoge zwischen
den Jugendlichen und (meist studentischen) TeamerInnen ermöglicht werden und durch eine relativ ähnliche
Lebenswelt die Bedürfnisse und Erfahrungen der TeilnehmerInnen besser mit eingebunden werden können.
Der Bildungsbaustein „Klimawandel“ bietet eine Möglichkeit des Einstiegs in das Thema des anthropogenen
Klimawandels. Neben einer Vermittlung der naturwissenschaftlichen Mechanismen, Ursachen und Zusammen-
hänge des Klimawandels, erfahren die TeilnehmerInnen des Bildungsbausteins mehr über die globalen und
lokalen Folgen des Klimawandels – auch für Thüringen. Gemeinsam mit den TeamerInnen wird nach möglichen
Beiträgen zur Eindämmung des Klimawandels, insbesondere im eigenen Leben, gesucht und damit die Refle-
xions- und Handlungskompetenzen der Jugendlichen gestärkt. Mit einem Rollenspiel, einem World-Cafe und
ausführlichen Reflexionsrunden nutzt der Bildungsbaustein aktivierende und lernendenzentrierte Methoden.
Mehr Informationen unter: www.jubith.de/bildungsbausteine/bb-klimawandel
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EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
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Endlich Wachstum! Ein Methodenheft über Wirtschaftswachstum, Grenzen und Alternativen
Die Vereine FairBindung und Konzeptwerk Neue Ökonomie haben bereits in der zweiten Auflage ein Methoden-
heft für die Bildungsarbeit im Kontext des Globalen Lernens, der Diskussion um Postwachstumsgesellschaften
und der BNE veröffentlicht. Das Heft eignet sich für MultiplikatorInnen und Bildungseinrichtungen. Es illust-
riert ein breites Spektrum an methodischen Ansätzen, um mit Teilnehmenden Themenfelder wie Wirtschafts-
wachstum, Grenzen des Wachstums, Alternativen zu Wachstum, Gemeingüter und globale Gerechtigkeit zu
erarbeiten: von Songtextanalysen („Wir steigern das Bruttosozialprodukt“), über ein Streichholzspiel zur Dar-
stellung der kollektiven Übernutzung von Ressourcen und Traumreisen in die Zukunft bis hin zu Aufstellungsar-
beiten über Privilegien verschiedener Gruppen in den Ländern des globalen Nordens und des globalen Südens,
beeindruckt das Methodenheft durch seine Vielfalt und die zielgruppengerechte Aufarbeitung der Methoden.
Es eignet sich für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit mit jungen Menschen zwischen 15 und 25
und ermöglicht den Teilnehmenden theoretische und erfahrungsbasierte Reflexionen zu Wirtschaftswachstum
und seinen Folgen sowie zu Alternativen. Alle Arbeitsmaterialien und Kopiervorlagen sind auf einer beiliegen-
den CD des Methodenhefts verfügbar.
Mehr Informationen unter: http://www.konzeptwerk-neue-oekonomie.org/endlich-wachstum-methoden/
StuFu Nachhaltigkeit an der Universität Erfurt
Der Verein „AG Nachhaltigkeit Erfurt“ e. V. bietet seit 2007 in jedem Semester ein interdisziplinäres Seminar
an der Universität Erfurt an. Der Kurs folgt einem differenzierten Ablauf aus Veranstaltungen und praktischen
Arbeitsphasen für kleine Arbeitsgruppen von etwa 5 Studierenden. Zu Beginn des Semester steht eine öffentliche
Ringvorlesung als theoretische Einführung. Anschließend folgt eine praktische Arbeitsphase für die Studieren-
den, in der sie mit PraxispartnerInnen aus der lokalen Zivilgesellschaft und Verwaltung zusammenarbeiten und
konkrete Nachhaltigkeitsprojekte umsetzen. Beispiele für solche Projekte sind die Organisation eines konsumkriti-
schen Stadtrundgangs für Jugendgruppen, die Durchführung eines Wald-Projekttages in einer lokalen Grundschu-
le oder die Erstellung eines nachhaltigen Einkaufsführers für Erfurt. Zu Ende des Semester stellen die Studieren-
den ihre Projektergebnisse hochschulöffentlich vor und verfassen einen wissenschaftlichen Reflexionsbericht.
Spezielles Charakteristikum des Seminares ist, dass die Studierenden den Kurs großteils selbst organisieren: sie la-
den ReferentInnen für die öffentliche Ringvorlesung ein, halten den Kontakt zu den PraxispartnerInnen und orga-
nisieren ihre Team- und Arbeitstreffen. Die spezifische Form des Seminars ermöglicht einen großen Teil informeller
und nicht strukturierter Lernprozesse der Studierenden. Für die Organisation des Seminar-Rahmens – die Planung
der großen Veranstaltungen, den Kontakt zu den MentorInnen, die Betreuung der PraxispartnerInnen – erhält ein
kleines studentisches Team zusätzlich Credit Points – eine überregionale Besonderheit der Universität Erfurt.
Mehr Informationen unter: https://www.uni-erfurt.de/en/projekt-innovationsnetzwerk-bne/was-und-wer-ist-
innonet/stufu-nachhaltigkeit/
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EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
3.2 INTERNATIONALE GESCHICHTE DER UMWELT-
BILDUNG / BNE
Außerschulische Umweltbildung und Bildung für nach-
haltige Entwicklung haben eine lange Tradition und sind
gleichzeitig erst in den vergangenen Jahren stärker in
der allgemeinen Umwelt- und Nachhaltigkeitsagenda
angekommen. Bereits 1977 wird mit der 1. internationa-
len Konferenz zur Umweltbildung in Tiflis die Bedeutung
von Bildung im Kontext der gesellschaftlichen Transfor-
mation in Richtung einer umweltgerechten gesellschaft-
lichen Entwicklung betont. Durch die Verabschiedung der
Agenda 21 auf der UN-Konferenz in Rio de Janeiro (1992)
werden diese Stränge aufgegriffen und im Kapitel 36 auf
die zentrale Rolle der Bildungssysteme in der Umset-
zung der Agenda 21 hingewiesen. Die drei Maßnahmen,
die in Kapitel 36 der Agenda 21 vorgeschlagen werden,
umfassen neben der Förderung der Schulbildung und der
beruflichen Aus- und Fortbildung auch die Förderung des
öffentlichen Bewußtseins und damit die außerschulische
Umweltbildung. In dem Kapitel wird nicht zuletzt der
Grundstein dafür gelegt, Umweltbildung als wesentlichen
Teil einer Bildung für nachhaltige Entwicklung auszu-
buchstabieren.
Da die Aktivitäten der Agenda 21 vom Bildungsbereich je-
doch nur unzureichend aufgenommen werden, beschlies-
sen die Vereinten Nationen auf der Folgekonferenz 2002
in Johannesburg für die Jahre 2005-2014 eine Weltdeka-
de für Bildung für nachhaltige Entwicklung auszurufen.
Spätestens seit der Jahrtausendwende hat sich damit
die Konzeption einer BNE als eigenständiges Bildungs-
konzept entwickelt. Die UNESCO übernimmt international
die Koordination der UN-Dekade und zeichnet sich auch
in vielen Ländern für den Prozess der Umsetzung verant-
wortlich. Der „International Implementation Scheme“
sieht dabei eine ganz spezielle Art und Weise der Im-
plementierung von BNE vor: eine „staatlich organisierte
Partizipation“ (Nikel u. a. 2014a) im Sinne einer Selbst-
verpflichtung nationaler Regierungen eine umfangreiche
partizipative Beteiligung möglichst vieler Akteure zu
ermöglichen (vgl. auch UNESCO 2005, S. 9f.).
Die internationale Halbzeitkonferenz zur UN-Dekade
in Bonn 2009 zeigt durch die Teilnahme von über 50
BildungsministerInnen und 700 RegierungsvertreterIn-
nen und ExpertInnen die ersten Früchte dieser Anstren-
gungen. In der „Bonner Erklärung“ wird einvernehmlich
eine Neuausrichtung der Bildungssysteme und eine damit
verbundene Integration von BNE gefordert.2 Nicht zuletzt
auf der Abschlusskonferenz der UN-Dekade im November
2014 in Aichi-Nagoya / Japan wird festgestellt, dass die
UN-Dekade es geschafft habe, Bildung für nachhaltige
Entwicklung national und international auf die politische
Agenda zu setzen und vielfältige Beispiele guter Praxis
sowie produktive Akteursnetzwerke zu unterstützen.3 Der
Bericht, mit dem die UNESCO Bilanz über die Dekade-
Aktivitäten zieht „Shaping the future we want“, enthält
zentrale Erkenntnisse aus der Evaluation der Dekade-
Aktivitäten (vgl. Abb. 1).
2http://www.bne-portal.de/un-dekade/un-dekade-international/weltkonferenz-2009/
3http://www.bne-portal.de/un-dekade/nach-der-dekade-bne-ab-2015/aichi-nagoya-declaration-verabschiedet/
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EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
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Abbildung 1) Erfolge der BNE Dekade, Quelle: UNESCO 2014a, S. 9
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wird zur Weiterführung
der internationalen BNE-Aktivitäten für die Jahre 2015 bis
2019 ein Weltaktionspgrogramm vorgeschlagen, in dem sich
5 Handlungsschwerpunkte und Aktionsfelder finden:
1. Politische Unterstützung:
Integration des BNE-Konzepts in die Politik in den
Bereichen Bildung und nachhaltige Entwicklung, um
ein günstiges Umfeld für BNE zu schaffen und eine
systemische Veränderung zu bewirken
2. Ganzheitliche Transformation von Lern- und Lehr-
umgebungen:
Integration von Nachhaltigkeitsprinzipien in Bildungs-
und Ausbildungskontexte
3. Kompetenzentwicklung bei Lehrenden und Multipli-
katoren:
Stärkung der Kompetenzen von Erziehern und Multipli-
katoren für effektivere Ergebnisse im Bereich BNE
4. Stärkung und Mobilisierung der Jugend:
Einführung weiterer BNE-Maßnahmen für Jugendliche
5. Förderung nachhaltiger Entwicklung auf lokaler
Ebene:
Ausweitung der BNE-Programme und -Netzwerke auf
der Ebene von Städten, Gemeinden und Regionen
(UNESCO 2014b).
Mit der Verabschiedung der Sustainable Development
Goals (SDGs)4 im September 2015 in New York hat BNE
nochmals einen Bedeutungszuwachs erfahren. Im Ziel
4 „Quality Education“ heißt es: „By 2030, ensure that
all learners acquire the knowledge and skills needed to
promote sustainable development, including, among
others, through education for sustainable development
and sustainable lifestyles, human rights, gender equality,
promotion of a culture of peace and non-violence, global
citizenship and appreciation of cultural diversity and
of culture’s contribution to sustainable development.“5
Mit dieser Zielsetzung und dem Weltaktionsprogramm
4Die Sustainable Development Goals sind die verbindlichen Ziele der Vereinten Nationen zum Erreichen einer nachhaltigen Entwicklung auf globaler Ebene. Sie
stellen eine Weiterentwicklung der bisherigen Millenium Development Goals dar und gelten seit dem 01.01.2016 für alle Staaten.
5http://www.un.org/sustainabledevelopment/education/
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LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
ist eine enge Verschränkung von BNE und allgemeiner
Nachhaltigkeitsagenda vorgenommen worden, die die
kommenden Jahre entscheidend prägen wird.
3.3 BILDUNG FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG
IN DEUTSCHLAND UND BEISPIELE AUS ANDEREN
BUNDESLÄNDERN
Ähnlich wie auf internationaler Ebene übernimmt die
UNESCO auch in Deutschland die Koordinierungsrolle
für die UN-Dekade BNE. Bereits ein Jahr vor offiziellem
Start der UN-Dekade veröffentlicht die Deutsche UNESCO-
Kommission mit der Hamburger Erklärung umfangreiche
Empfehlungen, wie die UN-Dekade umgesetzt werden
kann. Am 1. Juli 2004 verabschiedet der Deutsche Bun-
destag einen fraktionsübergreifenden Beschluss (Bun-
destagsdrucksache 15/3472) zur Umsetzung der Dekade
„Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ in Deutschland
und beauftragt die Deutsche UNESCO-Kommission zur
Koordination auf nationaler Ebene. Es wird ein nationales
Steuerungsgremium mit VertreterInnen aus Verwaltung,
Zivilgesellschaft, Bildungseinrichtungen unterschied-
licher Ebenen und Unternehmen eingesetzt (National-
komitee), ein bundesweiter Runder Tisch ins Leben
gerufen, der in den folgenden Jahren einmal jährlich
tagt sowie thematische Arbeitsgruppen für die ver-
schiedenen Bildungsbereiche installiert. Das insgesamt
stark partizipative Vorgehen in den ersten Jahren der
Umsetzung der BNE-Dekade mündet in eine zunehmend
breite Diffusion der BNE in Deutschland. Bei diesem
Prozess werden in den ersten Jahren die ohnehin schon
engagierten Akteure erreicht, während besonders in den
letzten Jahren auch neue Projektträger und Initiativen
eingebunden werden können (Rode / Michelsen 2012, S.
30). Dabei wirken die Gremien der UN-Dekade (Runder
Tisch, Nationalkomitee, Arbeitsgruppen) als „Diffussions-
zentrum“ (ebd., S. 56).
Die 16 Bundesländer entwickeln jeweils unterschiedli-
che Strategien zur Unterstützung der BNE-Dekade. Da
hier nicht alle Strategien ausführlich beleuchtet werden
können, sollen exemplarisch drei vorgestellt werden, die
besonderes Potential für die Diskussion der BNE in Thü-
ringen haben. Die Beispiele verdeutlichen dabei gut, was
für die Umsetzung einer außerschulischen BNE von Ex-
pertInnen empfohlen wird: „wo immer es inhaltlich und
organisatorisch möglich ist, auf bestehende Netzwerke“
(Interview 3, Z. 13) zuzugehen, die Eingangshürden in
die Netzwerke möglichst niedrig zu halten (vgl. ebd., Z.
36) und das Ziel „verschiedene Organisationen im Sinne
eines (...) denkenden Netzwerk-Managements“ (ebd., Z. 39)
miteinander in Kontakt zu bringen.
Teil der Maßnahmen zur Förderung der BNE sind auch
Zertifizierungen für Bildungsträger. Zertifizierungssyste-
me werden jedoch – vor allem wenn sie an die Vergabe
von Geldern geknüpft sind – auch kritisch betrachtet.
Daher ist es enorm wichtig, „eine passende Kommunika-
tion bereit zu stellen, mit der solche Kriterien oder Indi-
katoren und Zertifizierungssysteme in die Welt gebracht
werden, nämlich, dass die der Selbstevaluation dienen
und im Nachgang einer solchen Selbstevaluation sich
externe Begutachtungen anschließen, also auf der Basis
von Selbstreporten. (...) Es geht gerade nicht um eine
Normierung, Standardisierung und Gängelung, sondern
darum, Lerngelegenheiten zu schaffen“ (ebd., Z. 71).
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
12
BNE Hochschulnetzwerk Baden-Württemberg
Baden-Württemberg gilt als eines der Vorzeigeländer in Sachen Umsetzung der BNE in Deutschland. Seit 2007
hat das Land Baden-Württemberg eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie, die von der grün-roten Landesregierung
mit dem Ziel „Nachhaltigkeit zum zentralen Entscheidungskriterium von Regierungs- und Verwaltungshandeln zu
machen“ neu ausgerichtet wurde. Einer von fünf Schwerpunkten der Nachhaltigkeitsstrategie ist dabei BNE. Das
Land hat eine umfassende Plattform „Nachhaltigkeit Lernen“ aufgesetzt und im landesweiten Nachhaltigkeitsbei-
rat eine eigene Arbeitsgruppe BNE etabliert. Der Landesaktionsplan BNE mit dem Titel „Zukunft gestalten“ wurde
in Kooperation mit dem Netzwerk „Nachhaltigkeit lernen“ erstellt. Darüber hinaus gab es von der Landesstiftung
Baden-Württemberg ein Förderprogramm „Zukunft gestalten – Nachhaltigkeit lernen“ in Höhe von 250.000 Euro.
Ein besonderes Merkmal der BNE in Baden-Württemberg ist dabei die Existenz eines eigenen BNE-Netzwerks für den
Hochschulbereich. Dieses Netzwerk bündelt Erfahrungen aus BNE Lehr- und Unterrichtsveranstaltungen, ermög-
licht interdisziplinäre Kooperationen zwischen einzelnen BNE-ForscherInnen und trägt zum Erfahrungsaustausch
zwischen BNE- ExpertInnen aus baden-württembergischen Hochschulen bei. Dabei stärkt es die Hochschulen als
zentrale Impulsgeber für einen Nachhaltigkeitswandel im Bundesland.
Quellen: http://www.bne-bw.de/startseite.html
http://www.nachhaltigkeitsstrategie.de/startseite.html
http://www.bne-hochschulnetzwerk.de/
Förderung der außerschulischen BNE in Brandenburg
Bildung für nachhaltige Entwicklung in Brandenburg ist seit einigen Jahren auf dem Vormarsch. Im Jahr 2009 wurde
der erste „Landesaktionsplan Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ vorgelegt, an dessen Erstellung das Umwelt-
ministerium, das Bildungsministerium und zivilgesellschaftliche Akteure beteiligt waren. Dieser Landesaktions-
plan stellt für die verschiedenen Bildungsbereiche die Brandenburger Initiativen, Projekte und Träger vor, die BNE
umsetzen. Er wurde im Jahr 2011 aktualisiert und 2013 fortgeschrieben. BNE wurde weiterhin als verpflichtendes
Bildungs- und Erziehungsziel in die Rahmenlehrpläne der brandenburgischen Schulen integriert. Besonders hervor-
zuheben ist eine Fördermaßnahme Bildung für nachhaltige Entwicklung des Ministeriums für Ländliche Entwicklung,
Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg, die seit dem Landeshaushalt 2013 / 2014 greift. In dieser
Fördermaßnahme wird eine enge Verzahnung von BNE und der landesweiten Nachhaltigkeitsstrategie unterstützt. Es
können Projekte gefördert werden:
„die auf die Verbesserung und Qualifizierung der Bildungsangebote im Sinne einer Bildung für nachhaltige Ent-
wicklung ausgerichtet sind oder
die Vernetzungen und Kooperationen, die zur Entwicklung von nachhaltigen Bildungslandschaften beitragen, zum
Ziel haben oder
die im Rahmen einer Verknüpfung zwischen BNE und Partizipationsstärkung die Ausgestaltung und Umsetzung der
Landesnachhaltigkeitsstrategie unterstützen.“
Quelle: http://www.mlul.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.338096.de
13
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
Zertifizierung für außerschulische Bildungspartner in Schleswig Holstein
In Schleswig-Holstein gibt es seit 2004 eine Zertifizierung für außerschulische BNE, die einerseits für die Bildungs-
anbieterInnen Anreize zur Integration von BNE schaffen und andererseits für Schulen als Qualitätskriterium für
die Angebote der BildungsanbieterInnen dienen soll: den BNE-Lernort. Zertifizieren lassen können sich entweder
Einrichtungen oder Einzelpersonen (Bildungspartner für BNE). Eine Zertifizierung gilt für 5 Jahre und muss danach
erneut beantragt werden. Das Zertifizierungssystem wurde gemeinsam vom Bildungsministerium, dem Umweltminis-
terium und Akteuren aus der Zivilgesellschaft entwickelt und 2012 als offizielle Maßnahme im Rahmen der Dekade
BNE ausgezeichnet. Seit 2004 wurden insgesamt 42 Lernorte zertifiziert.
Quelle: http://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/N/nachhaltigeentwicklung/zertifizierung_dossier.html
4. GESCHICHTE DER BNE IN THÜRINGEN
In der Geschichte der Umweltbildung und BNE in Thürin-
gen seit 1990 lassen sich drei Phasen nachzeichnen, die
im Folgenden detaillierter beschrieben werden sollen:
1. eine dynamische Aufbau- und Etablierungsphase der
Umweltbildung durch Pioniere (bis 2005),
2. eine Hochphase der verdichteten Zusammenarbeit
zwischen Zivilgesellschaft und Verwaltung und der
öffentlichen Präsenz von BNE und
3. eine Prekarisierungsphase ab 2008.
4.1 DYNAMISCHE AUFBAU- UND ETABLIERUNGSPHASE
In Thüringen lassen sich bereits seit den 90er Jahren
zahlreiche Aktivitäten zur Förderung der außerschuli-
schen Umweltbildung finden. Insgesamt ist diese Phase
(1990 bis 2005) durch eine weitgehend kooperative
Zusammenarbeit zwischen dem Thüringer Umweltmini-
sterium und den zivilgesellschaftlichen Akteuren gekenn-
zeichnet. Die zivilgesellschaftlichen Akteure können sich
professionalisieren und einen eigenen Dachverband für
Umweltbildung (akuTh e. V.) sowie einen entwicklungs-
politischen Dachverband (EWNT e. V.) gründen. Diese
Phase des Aufbaus, der Professionalisierung und der
engen Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und
Verwaltung mündet schließlich in der Delegierung der
Umsetzung der UN-Dekade BNE an den akuTh e. V..
Bereits in den 90er Jahren besteht eine hohe Aktivität in
der Thüringer Umweltbildungsszene: Kooperationsprojek-
te freier Träger mit Schulen, Konferenzen oder öffentliche
Veranstaltungen (vgl. akuThes Meldungen 1999-2003)
prägen die Szene. Eine wichtige Struktur zur Förderung
der Umweltbildung stellen dabei die Mitte der 90er Jahre
eingerichteten Arbeitskreise der UmweltbildnerInnen für
Nord-, Süd-, Ost- und Mittelthüringen dar. Sie grün-
den 1996 den Arbeitskreis Umweltbildung Thüringen
e. V. (akuTh e. V.), der sich in den folgenden Jahren als
landesweiter Dachverband etabliert und unter anderem
eine jährliche Umweltbildungskonferenz ausrichtet. Eine
wichtige Frage, die auch zum Inhalt mehrerer Veranstal-
tungen gemacht wird, ist die Diskussion um Qualitätskri-
terien der Umweltbildung. 1999 wird vom Vorstand des
akuTh ein Leitbild beschlossen, in dem die gemeinsamen
Prinzipien der Durchführung von Umweltbildungsange-
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
14
boten festgehalten werden (z. B. Handlungsorientierung,
Situationsorientierung, Problemorientierung, Ganzheit-
lichkeit etc.) (vgl. akuTh 1999a).
Viele der frühen Aktivitäten sind jedoch auch mit den
Strategien und Fördermöglichkeiten im Rahmen der
Umsetzung der Agenda 21 verknüpft und daher in ihrem
Fokus lokal ausgerichtet. Eine besondere Bedeutung in
dieser regionalen Struktur haben dabei die vier „Re-
gionalstellen Agenda 21“ in den ehemaligen vier Pla-
nungsregionen Thüringens (vgl. akuTh 2006, S. 4). Dabei
profitieren diese anfänglichen Strukturen auch von den
Förderprogrammen zur Senkung der Arbeitslosigkeit
(ABM-Stellen) für die neuen Bundesländer sowie von
europäischen Förderprogrammen zur Strukturförderung
(vgl. Gruppendiskussion, Z. 30).
Weiterhin nimmt Thüringen ab 1998 an dem Bund-
Länder-Programm 21 und dessen Nachfolgeprogramm
Transfer 21 teil. In diesem Kontext werden fünf Lehrer-
Innen als MultiplikatorInnen für BNE ausgebildet und
Schulen in der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten
unterstützt. Ingesamt können mit dem Programm in Thü-
ringen 101 Schulen erreicht werden (10,9% der Thüringer
Schulen), davon 17 als impulsgebende „Kernschulen“, 23
als „Kooperationsschulen“ und 61 als so genannte „Kon-
taktschulen“ (vgl. Programm Transfer 21, 2008, S. 46).
2005 wird das Eine Welt Netzwerk Thüringen e. V. (EWNT)
als Dachorganisation entwicklungspolitischer Initiati-
ven im Freistaat Thüringen gegründet und führt damit
die Aktivitäten des „Entwicklungspolitischen Runden
Tisches Thüringen“ (EPRT) weiter. Dieser hatte bereits
darauf hingewirkt, dass 1996 ein Kabinettsbeschluss zu
„Leitlinien der Thüringer Entwicklungszusammenarbeit“
erreicht wurde.6
Die traditionellen Umweltbildungs- und die entstehen-
den BNE-Aktivitäten werden unter anderen durch das
Thüringer Umweltministerium finanziell unterstützt. Die
Abbildung 2 zeigt die Entwicklung dieser finanziellen
Unterstützung im Zeitraum von 1997 bis 2013 in den
verschiedenen Haushaltstiteln. Neben der klassischen
Projektförderung für freie Träger aus der Zivilgesell-
schaft beinhaltet die Finanzierung der außerschulischen
Umwelt- und Bildungsaktivitäten auch die Unterstützung
von Naturparks und Jugendwaldheimen. Ab 2008 werden
durch die EU-Förderung im Rahmen des EFRE (Europäi-
scher Fond für Regionale Entwicklung) die 4 regionalen
Nachhaltigkeitszentren finanziert: eine Zusammenlegung
der vier Agenda 21 Regionalbüros und der 4 Kernnetzein-
richtungen für Umweltbildung und BNE.
6http://www.thueringen.de/th1/internationales/entwicklungszusammenarbeit/
15
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
Abbildung 2) Öffentliche Ausgaben des Thüringer Umweltministeriums für Umweltbildung, BNE und ähnliche Bereiche, 1997-2015 in Euro
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EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
16
Nicht zuletzt die hohe Aktivitäts- und Veranstaltungs-
dichte (Umweltbildungskonferenzen, Agenda 21-Tage
oder Klimaschutzkonferenzen) bewirkt, dass sich zum
Zeitpunkt des internationalen Ausrufens der BNE-Dekade
2004 eine intersektorale Allianz aus Zivilgesellschaft,
Politik, Behörden, zivilgesellschaftlichen Verbänden
und Einzelpersonen bildet, die als Teilnehmende der
6. Thüringer Umweltbildungskonferenz am 17.11.2004
Empfehlungen zur Umsetzung der BNE-Dekade in Thürin-
gen verabschiedet. Der Vorstand des akuTh e. V. und das
Umweltministerium versuchen gemeinsam eine politische
Legitimation für die Umsetzung der UN-Dekade BNE zu
erwirken (siehe auch Nikel u. a. 2014b, S. 2) und der Ver-
einsvorstand des akuTh bringt sich aktiv bei der Erarbei-
tung einer Landtagsbeschlussvorlage zur Umsetzung der
UN-Dekade ein (vgl. ebd.).
Die Empfehlungen der 6. Umweltbildungskonferenz
werden von der Thüringer Landesregierung mit dem
Kabinettsbeschluss vom 05.04.2005 und dem Land-
tagsbeschluss vom 16.09.2005 bestätigt. Darin bittet
der Thüringer Landtag die Thüringer Landesregierung
den akuTh e. V. gemeinsam mit dem Thüringer Runden
Tisch in der Erstellung eines „Thüringer Aktionsplans“ zu
unterstützen und ihnen sowie den Thüringer Bildungs-
einrichtungen bei der Umsetzung Hilfestellung zu geben“
(Landtagsbeschluss vom 16.09.2005) und im zweijähri-
gen Rhythmus über die jeweiligen Aktivitäten zu berich-
ten. In Folge des Landtagsbeschlusses wird im Oktober
2005 ein intersektorales Gremium eingerichtet, das die
Umsetzung der UN-Dekade BNE begleiten soll. Das so ge-
nannte „Kernteam“ wird mit jeweils zwei VertreterInnen
des akuTh e. V., des Thüringer Umweltministeriums und
des Thüringer Kultusministeriums besetzt und soll über
die Dauer der Dekade jeweils 4 mal jährlich tagen.
Die Delegierung der Umsetzung der UN-Dekade BNE an
einen zivilgesellschaftlichen Akteur wird bundesweit im
Vergleich mit anderen Bundesländern in der Umsetzung
zur UN-Dekade BNE als spannendes Modell bewertet.
Abbildung 3) Zeitstrahl zu BNE- Aktivitäten in den Jahren 1995-2005, aufbauend auf dem Thüringer Landesaktionsplan (akuTh 2005)
17
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
Im ersten Aktionsplan vom November 2005 werden –
angelehnt an die Ziele der UN-Dekade auf internationaler
und nationaler Ebene – drei Ziele für die Umsetzung der
BNE in Thüringen formuliert, die zukünftig als Messlatte
für den eigenen Umsetzungserfolg dienen sollen:
1. Es sollen allen Bürgerinnen und Bürgern Wege und
Möglichkeiten für ein bürgerschaftliches Engagement
eröffnet werden, um bisherige Einstellungen und
Verhaltensweisen im Sinne des Nachhaltigkeitsgedan-
ken weiter zu entwickeln (Stärkung der individuellen
Handlungsfähigkeit).
2. Bildung und Erziehung sollen zentrale Schlüssel einer
nachhaltig agierenden, zukunftsfähigen Gesellschaft
werden. Dementsprechend sollen die Inhalte und
Strukturen unter Beachtung der ökologischen, öko-
nomischen und sozialen Fragestellungen sowie einer
demokratischen Politikerziehung gestaltet werden
(Stärkung der Strukturen).
3. Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung soll als
Querschnittsaufgabe in allen gesellschaftlichen Berei-
chen und Politikfeldern verankert werden (Stärkung
der gesellschaftlichen Wirkung) (akuTh 2005, S. 11).
Diese Ziele bilden die Basis und eine Orientierung für
die Umsetzung der UN-Dekade BNE in den kommenden
Jahren. Die Akteure zielen damit auf eine partizipati-
ve und dialogorientierte Umsetzung von BNE in allen
Ebenen: den individuellen pädagogischen Prozessen, den
institutionellen sowie den gesellschaftlichen Rahmen-
bedingungen.
4.2 HOCHPHASE
Die Hochphase baut auf einer etablierten Landschaft von
Akteuren aus der Nachhaltigkeits- und Agenda 21-Be-
wegung auf. Sie beginnt mit dem Start der Umsetzung
der UN-Dekade in Thüringen 2005 und ist geprägt durch
eine große Anzahl von Anbietern, einem Projekt, Aktivi-
täten im Schulbereich und einer Verschränkung mit der
außerschulischen Bildung. Die Zusammenarbeit zwischen
zivilgesellschaftlichen Akteuren, Akteuren aus dem Um-
welt- und dem Kultusministerium und weiteren Akteuren
stützt diese dynamische Entwicklung und befördert eine
hohe Sichtbarkeit und Wirksamkeit von BNE.
Vom akuTh e. V. wird im Oktober 2005 eine Koordinations-
stelle zur Umsetzung der UN-Dekade mit Mitteln aus dem
Europäischen Sozialfond eingerichtet. Diese Koordina-
tionsstelle ist verantwortlich für die Organisation des
Runden Tisches, die Erstellung und Fortschreibung des
Landesaktionsplans und die Betreuung von inhaltlichen
Arbeitsgruppen. Die operative Umsetzung des staatlichen
Auftrags zur Umsetzung der BNE-Dekade wird damit an
einen zivilgesellschaftlichen Akteur gegeben (siehe auch
Nikel u. a. 2014b, S. 3).
Eine wesentliche Aktivität der neu eingerichteten Koordi-
nationsstelle ist die inhaltliche Betreuung und Beratung
der großen Anzahl von Trägern, die zu dieser Zeit Bil-
dungsangebote im Bereich BNE anbieten oder etablieren
wollen. Die hohe Anzahl dieser aktiven Bildungsanbieter
oder engagierten Einzelpersonen in der Hochphase der
BNE in Thüringen wird auch durch eine Evaluationsstudie
von Küstner aus dem Jahr 2007 im Auftrag der Koordi-
nationsstelle deutlich. Mittels einer Online-Befragung
wird eine Erfassung der BNE-Akteure und ihrer Aktivi-
täten vorgenommen, die eingesetzten Methoden ihrer
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
18
BNE-Projekte sowie Aspekte der Finanzierung und Öffent-
lichkeitsarbeit untersucht.
Insgesamt werden 98 Fragebögen von unterschiedlichen
Akteuren ausgefüllt. 86,5 % der Akteure geben dabei an,
dass sie laufende BNE-Projekte betreuen oder durchfüh-
ren. „Eine große Mehrheit der Akteure (81,6 %) ordnete
ihr Bildungsangebot der Kategorie Projekt und damit
einer Laufzeit von über einem Jahr zu. Dabei handelt es
sich sowohl um Projekte mit wöchentlichen oder monat-
lichen Bildungsangeboten, als auch um Veranstaltungen,
die in größeren Zeitabständen, z. B. jährlich stattfinden,
wie Bildungswochen oder Projekttage an Schulen“ (vgl.
Küstner 2007, S. 2).
Die erfassten Projekte sind durch eine Vielzahl von
Veranstaltungsformaten gekennzeichnet (Informations-
veranstaltungen, Ausstellungen, Workshops etc.) (vgl.
ebd. S. 4) und setzen unterschiedliche pädagogische
Methoden ein (Zukunftswerkstätten, Rollenspiele, Dis-
kussionen) (vgl. ebd. S. 4f.). Die Mehrheit der Projekte
soll dabei vor allem eine Zielgruppe im Alter von 8 bis
21 Jahre ansprechen und richtet sich damit explizit an
Kinder und Jugendliche. 46,9 % der Befragten geben
jedoch an, sich auch an TeilnehmerInnen über 21 zu
richten (vgl. ebd. S. 5).
Die Finanzierung der Projekte wird zu einem großen Teil
aus Landesmitteln, kommunalen Geldern oder Spenden
bestritten (vgl. Abb. 3), wobei die Akteure im Durch-
schnitt 2,6 Finanzierungsquellen angeben.
Die Ergebnisse der prozentualen Anteile der Finanzierung werden als durchschnittliche Prozentangaben in
Bezug auf die jeweilige Zahl der Antwortenden (N=X) angegeben.
Finanzierungsquelle Anteil der Projekte, von denen die
Finanzierungsquelle genutzt wird
Durchschnittlicher Finanzierungsanteil
in Bezug auf die jeweilige Fallzahl (N)
EU allgemein9,4 %49,8 % (N=7)
Bund16,7 %54,3 % (N=15)
Land43,8 %39,8 % (N=45)
ESF 14,6 % 52,4 % (N=13)
EFRE2,1 %45,0 % (N=2)
Kommune26,0 %31,8 % (N=18)
Stadt20,8 %18,4 % (N=20)
gemeinnützige Stiftung 27,1 %51,6 % (N=23)
Ehrenamt 34,4 %25,3 % (N=26)
Bußgelder6,3 %5,8 % (N=6)
Lottomittel 1,0 % 20,0 % (N=1)
Wirtschaft12,5 %27,2 % (N=11)
Privat4,2 %20,0 % (N=3)
Teilnehmerbeiträge29,2 %24,4 % (N=24)
Spenden35,4 %10,6 % (N=33)
Sonstige12,5 %29,4 % (N=9)
Abbildung 4) Finanzierungsquellen der Thüringer BNE-Akteure im Jahr 2007, Quelle Küstner 2007, S. 8
19
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
Bemerkenswert an der Studie ist die hohe Teilnahme von
insgesamt 98 Akteuren. Diese große Anzahl von Akteuren
wird auch in den dargestellten Thüringer BNE-Projekten
in den landesweiten Aktionsplänen ab 2006 deutlich.
Erstmals zeigt der Landesaktionsplan 2006 eine Dar-
stellung der entstandenen Arbeitsgruppen, Strukturen,
Fördermöglichkeiten und AnsprechpartnerInnen sowie
die Beschreibung zehn ausgezeichneter BNE-Projekte
und einiger Beiträge zur UN-Dekade. In dem Aktionsplan
2007 / 2008 wird zusätzlich eine Zwischen-Bilanz für die
Jahre 2005 bis 2007 gezogen. Dabei wird die inhaltliche
und strukturelle Verknüpfung der bisher getrennten vier
Agenda 21 Regionalbüros und der vier Kernnetzeinrich-
tungen für Umweltbildung und BNE als ein bedeutender
Erfolg herausgestellt. „Ausgehend von einer historisch
bisher weitgehend getrennten Entwicklung beider
Strukturen, werden im Ergebnis des Dekadeprozesses
neue Nachhaltigkeitszentren entwickelt, die ab 2008 zur
Verfügung stehen.“ (akuTh 2008, S. 5)
Weiterhin wird mit Verweis auf die drei Schwerpunktset-
zungen aus dem Aktionsplan 2005 (Stärkung der indi-
viduellen Handlungsfähigkeit, Stärkung der Strukturen,
Stärkung der gesellschaftlichen Wirkung) Bilanz gezogen
(vgl. ebd., S. 5f.).
In der Stärkung der Strukturen wird die enge Zusam-
menarbeit der Koordinationsstelle mit den zuständigen
Ministerien (TMLNU und TKM) und dem ThILLM betont,
sowie die Arbeit der Kernnetzeinrichtungen Umweltbil-
dung und die Einbindung des Nachhaltigkeitsabkommens
der Thüringer Wirtschaft (NAT) (ebd.). Darüber hinaus
hat der Runde Tisch als „Informations- und Austausch-
plattform mit 65 Aktiven u. a. aus Politik, Verwaltung, so-
zialem Sektor, Wirtschaft, Ökologie, Entwicklungsarbeit,
Kultur, schulischem Bereich und Wissenschaft“ (ebd.)
fungiert und zum Zeitpunkt 2007 bereits 6 thematische
Arbeitsgruppen und 30 konkrete Arbeitstreffen der regi-
onalen Unterstützungsstruktur ermöglicht (ebd.). Nicht
zuletzt hat die stark frequentierte Website der Koordina-
tionsstelle (www.dekade-thueringen.de) den Aktivitäten
der BNE-Akteure eine breite Sichtbarkeit gegeben.
Im Rahmen der Bilanz in der Stärkung der gesellschaft-
lichen Wirkung von BNE wird die Aufnahme von BNE als
ein Förderaspekt in den operationalen Programmen des
ESF / EFRE in der neuen Strukturfonds-Förderperiode (vgl.
ebd.) sowie in Förderrichtlinien des Landes (bspw. des
TMSFG zur Förderung der Jugendarbeit) betont. Darü-
ber hinaus wird die Zusammenarbeit mit den Thüringer
Hochschulen herausgestellt. In Kooperation mit der
LIGA der Freien Wohlfahrtspflege und dem Bildungswerk
der Thüringer Wirtschaft (BWTW) wird ein Studiengang
„Nachhaltigkeitsmanagement – Schwerpunkt Bildung für
eine Nachhaltige Entwicklung” an der FH Erfurt konzi-
piert (vgl. ebd.). Dieser wird später in den allgemeinen
Master „Soziale Arbeit“ der FH Erfurt als Vertiefungsrich-
tung „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ integriert.7
Weiterhin werden die Umsetzung eines europäischen
Bildungskongresses “and now we learn to be sustaina-
ble...” 2006 und dessen Folgeaktivitäten in der inter-
nationalen Zusammenarbeit mit Kanada, der Schweiz,
Finnland, Österreich, Ungarn und Litauen vorgewiesen. Mit
Regionalkonferenzen in Mittel-, Süd- und Ostthüringen,
öffentlichen Kunst-Aktionen sowie zahlreichen weiteren
Veranstaltungen und Veröffentlichungen wird versucht, die
gesellschaftliche Wirkung von BNE zu erhöhen (vgl. ebd.).
Im Bereich der Stärkung der individuellen Handlungs-
fähigkeit werden im Aktionsplan 2007 / 2008 Vorzei-
geprojekte vorgestellt, die eine Qualifizierung und
Professionalisierung von Bildungsakteuren und damit
eine Steigerung der individuellen Handlungs- und
Vermittlungskompetenz unterstützen: die EVA Qualifizie-
rung von Agenda 21 Moderatoren der Ländlichen Er-
7www.fh-erfurt.de/soz/vtg-4/
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
20
wachsenenbildung, ein Kooperationsprojekt „Komplexes
Denken interdisziplinäres Lernen” der Verwaltungsfach-
hochschule Gotha und der Fachhochschule Erfurt, die
Bildungs- und Vernetzungsangebote des ThILLM oder die
AG „Informelles Lernen und Kompetenzentwicklung“ und
die AG „Selbständige Frauen im BNE Prozess” des Runden
Tisches (vgl. ebd. S. 7).
Auch im entwicklungspolitischen Bereich und dem Be-
reich des Globalen Lernens kann ein Bedeutungszuwachs
von BNE und eine hohe Aktivitäts- und Akteursdichte
verzeichnet werden. Es gibt „zu diesem Zeitpunkt eine
relativ breite Anzahl an Vereinen aus dem entwicklungs-
politischen Bereich, die sich dann zum Teil auch mit den
Umweltbildnern überschnitten haben, von denen es viele
mittlerweile nicht mehr gibt (oder nur auf dem Papier).
Da war mehr los als jetzt.“ (Gruppendiskussion, Z. 227)
Die Hochphase zeigt sich nicht zuletzt im schulischen Be-
reich, in dem seit 2004 im Rahmen des Folgeprogramms
des BLK 21, Transfer 21, versucht wird, 10 % der Thüringer
Schulen mit Angeboten der BNE zu erreichen und in ein
schulübergreifendes Netzwerk zur Förderung von BNE ein-
zubinden. Die Abordnung einer Thüringer Lehrkraft für die
Koordination des Programms im ThILLM sowie die Finan-
zierung einer studentischen Hilfskraft und ein geringes
Budget an Sachmitteln können das Transfer 21-Programm
sicherstellen. Doch „den Push gab es aus der Schulpraxis
heraus: alle Schulen mit einzubeziehen, das Programm
in die Fläche zu tragen, Materialien zu entwickeln und zu
verbreiten (...) Einige Kolleginnen schwärmen noch heute
von der Phase. (...) Ab Ende 2007 (zum Ende des Trans-
fer 21) suchten die Koordinatoren ihre Stellen und die
Schulen suchten ihren Austausch. Der brach total weg.“
(Gruppendiskussion, Z. 134). Gleichwohl kann im TMBWK
ab 2008 eine zunächst befristete Stelle zur Unterstützung
der BNE eingerichtet werden.
Das Ende der Hochphase der BNE wird durch ein komple-
xes Geflecht unterschiedlicher Faktoren ausgelöst. Ak-
teure der ehemals etablierten Nachhaltigkeitslandschaft
brechen durch Todesfälle oder Verrentung weg (vgl. Grup-
pendiskussion, Z. 39), die Finanzierung von Projekten
wird zunehmend herausfordernder und es spitzen sich
Konflikte sowohl zwischen Akteuren aus der Szene der
freien Träger als auch zwischen der Zivilgesellschaft und
der Verwaltung zu.
4.3 PREKARISIERUNGSPHASE
Die Prekarisierungsphase, die etwa 2008 beginnt, ist ge-
kennzeichnet durch zunehmende Finanzierungsengpässe,
eine große Unsicherheit bei Akteuren, den Wegbruch von
Strukturen, Konflikte zwischen und innerhalb von freien
Trägern sowie eine Abwendung von Akteuren. Es kann ein
Zentralisierungsprozess beobachtet werden, in dem die
4 regionalen Kernnetzeinrichtungen mit dem Ziel einer
zentralen Beratungsinstanz umstrukturiert werden. Das
Umweltministerium nimmt in diesem Zentralisierungs-
prozess eine stark steuernde Rolle ein (siehe auch Nikel
u. a. 2014b, S. 1). Die zentrale Beratungsstruktur auf
Seiten der Zivilgesellschaft stellt am Ende das Thürin-
ger Nachhaltigkeitszentrum (NHZ) dar. Parallel zu dem
Zentralisierungsprozess wird eine landesweite Nachhal-
tigkeitsstrategie der Landesregierung aufgebaut, die BNE
erst nach Kritik der freien Träger mit aufnimmt und die
Dekade-Struktur zunehmend sukzessiv ablöst (vgl. ebd.).
Die sich insgesamt im Freistaat zuspitzende Haushalts-
lage und die Veränderung der Europäischen Förderku-
lisse für Thüringen (inklusive dem neuen europäischen
Förderprogramm ab 2007/2008 und angekündigten
Tiefenprüfungen für Europäische Fördermittel durch die
EU) ist eine Ursache für die Prekarisierung. „2006 oder
2007 haben sich relevant die Förderquoten geändert, das
Land wurde noch eine Nummer anstrengender mit weni-
21
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
ger Geld (...) viele Initiativen haben dann gesagt: ‚Beim
Land bewerben wir uns nicht mehr!’ (Gruppendiskussion,
Z. 44). Freie Träger zeigen Angst vor Rückforderungen
von Landesmitteln oder kritisieren den Qualitätsanspruch
zur Bewertung erfolgreicher Projekte. Dadurch kommt
es zu Selektionsmechanismen in der freien Trägerland-
schaft: „Ein ganzer Teil der Projekte hat sich unter den
veränderten Bedingungen nicht mehr wiedergefunden“
(Gruppendiskussion, Z. 420). Die schwieriger werdenden
Finanzierungsmöglichkeiten für Projekte tragen auch
dazu bei, dass vor allem kleine Träger ihre Arbeit ein-
stellen. „Für Vereine, die im Wesentlichen ehrenamtlich
organisiert sind, wird das einfach eine Hürde irgendwie
Fördergelder zu beantragen, dass sie es einfach gar nicht
mehr machen. Dann (...) geht die Motivation (...) flöten
und dann stellt man die Arbeit irgendwie so ganz ein.
Das ist das, was ich oft beobachtet habe“ (Gruppendis-
kussion, Z. 250).
Die Veränderungen in den Finanzierungsmöglichkeiten
für BNE-Projekte werden besonders durch die Abbildun-
gen 5 bis 7 deutlich, die die Projektförderung des Um-
weltministeriums im Zeitraum von 2002 bis 2013 zeigen
und sowohl die Anzahl der geförderten Projekte pro Jahr
als auch die jeweilige Förderquote des Umweltministeri-
ums verdeutlichen. Immer weniger Projekte werden ge-
fördert und bekommen prozentual einen immer höheren
Satz an Fördermitteln. Der Selektionsmechanismus, der
von freien Trägern beschrieben wird (vgl. Gruppendiskus-
sion, Z. 359), lässt sich auch in den Zahlen finden. Die
vier Projekte, die im Jahr 2013 noch gefördert werden,
kommen vor allem von den großen Umweltverbänden
(NABU, BUND) sowie vom Thüringer Ökoherz und dem
Grenzlandmuseum Eichsfeld (vgl. Projektliste Umweltmi-
nisterium). Nicht zuletzt die großen Abweichungen von
IST- und SOLL-Werten in den einzelnen Haushaltstiteln
zeigen eine hohe Instabilität in der Förderung durch das
Umweltministerium.
Abbildung 5) Projektförderung des Umweltministeriums 2002-2013 mit Angabe der Anzahl der geförderten Projekte in Klammern
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
22
Abbildung 7) Gegenüberstellung der IST- und SOLL-Werte in der Förderung des Umweltministeriums
Abbildung 6) Projektförderung des Umweltministeriums 2002-2013 mit Angabe der Förderquote
23
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
Die Finanzierungsengpässe zeigen sich jedoch nicht nur in
der Förderung des Thüringer Umweltministeriums, sondern
auch im Bereich des Globalen Lernens, das in großen Tei-
len aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt wird.
„Ich sehe, dass die Förderanträge, die von den Mitgliedern
gestellt werden, die gehen zurück, die stellen einfach
keine mehr. (...) Wir sind ja viel BMZ-gefördert und da sind
die Förderrichtlinien mittlerweile so streng, vor allem auch
die inhaltlichen Anforderungen, nicht nur die organisatori-
schen Anforderungen, dass viele Akteure die Segel strei-
chen.“ (Gruppendiskussion, Z. 238). Damit einher geht
eine gravierende Veränderung der Trägerlandschaft, in
der vor allem große und etablierte Träger profitieren, die
entsprechende Ressourcen zur Akquise und Bearbeitung
von Projekten abstellen können.
Gleichzeitig zur Veränderung der Förderlandschaft gibt es
auch strukturelle Veränderungen in der Trägerlandschaft.
Die vier regionalen Nachhaltigkeitszentren, die sich erst
2007 aus den vier ehemaligen Kernnetzeinrichtungen
für Umweltbildung und BNE sowie den vier Agenda 21
Regionalstellen zusammengeschlossen hatten, werden
bis 2011 im Rahmen eines Zentralisierungsprozesses um-
strukturiert und es bleibt das Thüringer Nachhaltigkeits-
zentrum als landesweiter Akteur für Nachhaltigkeit und
BNE. Im Prozess der Umstrukturierung übernimmt das
Umweltministerium eine aktive Rolle (siehe auch Nikel
u. a. 2014b, S. 1).
Parallel zu diesem Zentralisierungsprozess zivilgesell-
schaftlicher Träger wird durch die Thüringer Landesre-
gierung die Nachhaltigkeitsstrategie aufgebaut. „Im Mai
2008 beschließt der Thüringer Landtag einstimmig, einen
Beirat zur Nachhaltigen Entwicklung in Thüringen zu
berufen und in seiner Arbeit durch eine Geschäftsstelle
sowie durch Studien, Gutachten und Öffentlichkeitsar-
beit im angemessenen Umfang zu unterstützen.“ (ThINK
2012, S. 13). Der Beirat für nachhaltige Entwicklung
wird im Januar 2009 durch die Thüringer Landesregie-
rung berufen. Eine breit angelegte Online-Befragung
zur Thüringer Nachhaltigkeitsstrategie soll die Thüringer
BürgerInnen und zivilgesellschaftlichen Akteure zwar
einbinden, doch die Strategie wird in den Grundzügen
zunächst in einem interministeriellen Austausch entwi-
ckelt, bevor mit der Online-Befragung auch BürgerInnen
und zivilgesellschaftliche Organisationen eingebunden
werden (siehe auch Nikel u. a. 2014b, S. 4). „Das Thema
Nachhaltigkeitsstrategie hat vieles was an Strategiedis-
kussionen immer wieder geführt wurde, dann letztlich
zusammengeführt und gebündelt und für einen bestimm-
ten Zeitpunkt auch erstmal festgeschrieben (...). Das
heißt, man brauchte nicht mehr zu diskutieren, was ist
Nachhaltigkeit oder wie sehen wir Nachhaltigkeit und wie
gehen wir mit Nachhaltigkeit um... Sondern da ist das
in einem breiten Dialogprozess jetzt zunächst mal das
Ergebnis (...). Dann brauch ich keine weitere Strategie-
diskussion.“ (Interview 1, Z. 221).
Abbildung 8) „Bewertung des Themenfeldes Bildung in der Online-Konsultation zur Nachhaltigkeitsstrategie“, Quelle: IFOK (2010), S. 17
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
24
Die Rolle der BNE in der Thüringer Nachhaltigkeitsstrate-
gie ist dabei zunächst umstritten. In der Online-Konsul-
tation wird Bildung von den Beteiligten als wichtigstes
Handlungsfeld zur Umsetzung von Nachhaltigkeit bewer-
tet (vgl. Abb. 8).
Die Strategie selbst hat diese Prioritätensetzung jedoch
nicht aufgenommen: „Was mir an diesem Datum 2009
noch sehr lebhaft in Erinnerung ist, dass in Bad Langsalza
der erste Entwurf der Thüringer Nachhaltigkeitsstrategie
vorgestellt wurde. (...) im Rahmen dieser Strategie war der
Schwerpunkt Bildung im ersten Entwurf gar nicht vorge-
sehen, das wurde dort heiß diskutiert, warum das Thema
Bildung nicht in die Nachhaltigkeitsstrategie mit aufgenom-
men wurde, obwohl im Vorfeld der Landesbeschluss war, die
UN-Dekade gemeinschaftlich umzusetzen. Wo Thüringen ja
voran gegangen ist und wo wirklich noch der Rückenwind
von der politischen Ebene stand“ (Gruppendiskussion, Z.
84). Die letztlich veröffentlichte Nachhaltigkeitsstrategie
von 2011 hat BNE als einen von 8 Schwerpunkten integriert.
BNE wird dabei in der Strategie heruntergebrochen auf die
drei Schwerpunkte „Inklusion“, „kommunale Bildungsland-
schaften“ und „bürgerschaftliches Engagement“. Diese
Ausrichtung ist letztlich die Folge der direkten Zusammen-
arbeit von Umweltministerium und Bildungsministerium
und „kam aus dem KMK-Bereich. Also, wo man sich national
ohnehin schon verständigt hatte, was man an Zielsetzungen
haben wollte. Und dieser Rahmen hat da mit reingespielt.
Und dann kam gleichzeitig diese Inklusionswelle hoch, die
da seitens des Kultusministeriums massiv geschoben wurde.
Und so sind letztendlich diese Bausteine in die Strategie
und natürlich dieses Startprojekt „Inklusion“ (...) eingeflos-
sen.“ (Interview 1, Z. 256) Die originäre Bedeutung von BNE
in der Thüringer Nachhaltigkeitsstrategie hat sich damit weit
von einer BNE im Sinne der Umweltbildung, dem Globalen
Lernen, dem Klimaschutz oder der nachhaltigen Nutzung
von Ressourcen entfernt (vgl. Kapitel 3).
Im Rahmen eines Dialogprozesses werden im Jahr 2010
vier Fachforen zu den Themen „Nachhaltige Bildung“,
„Nachhaltige Flächennutzung“, „Nachhaltiges und re-
gionales Wirtschaften“ und „Energie und Klima“ durch-
geführt und insgesamt drei Jugendkongresse veranstal-
tet. Die Partizipationsmöglichkeiten im Kontext dieser
Jugendkongresse werden jedoch von den Teilnehmenden
kritisiert. „Und das was rausgekommen ist, das haben ja
auch die Jugendlichen auch mehrfach dann gesagt. Die
sind ja auch total gefrustet gewesen, aus diesem Ju-
gendforum am Ende. Das war ja bei dieser Veranstaltung
im Stadtgarten. Wie geht das denn weiter? Oder welche
Ernsthaftigkeit hat das?“ (Gruppendiskussion, Z. 866)
Nicht zuletzt die zivilgesellschaftlichen Akteure fordern in
einem eigenen Positionspapier (vgl. ThINK 2012, S. 14) die
kritischere Ausrichtung der Nachhaltigkeitsstrategie sowie
die Integration einer umfassenden BNE. Im Juni 2011
erfolgt die Neuberufung des Beirates für Nachhaltige Ent-
wicklung (2. Berufungsperiode) durch die Landesregierung
und am 15. November 2011 beschließt die Thüringer Lan-
desregierung die Nachhaltigkeitsstrategie. Anfang Dezem-
ber wird die Strategie der Öffentlichkeit vorgestellt und es
werden sechs konkrete Startprojekte benannt.8 Damit sind
die Grundsteine gelegt, die Umsetzung der UN-Dekade BNE
in Thüringen für beendet zu erklären, denn die Nachhaltig-
keitsstrategie wird die Dekade-Struktur sukzessive ablösen
(siehe auch Nikel u. a. 2014b, S. 1).
„Und dann kam halt hinzu, dass wir auf einmal den Auf-
trag hatten, so ne Nachhaltigkeitsstrategie zu erarbeiten
(...) und da dann ganz massiv das Thema Bildung für
nachhaltige Entwicklung zum Schwerpunkt wurde. Und
plötzlich fand sich dann das, was in den Aktionsplänen
als strategischer Schwerpunkt formuliert war (...) eins zu
eins in der Strategie wieder. Oder nicht eins zu eins, aber
doch weitgehend. So dass wir dann gesagt haben: >Ok,
jetzt brauchen wir keine Aktionspläne mehr zu schreiben.
8Diese Startprojekte sind: Entwicklung inklusiver und innovativer Lernumgebungen, Nachhaltige Energie-versorgung durch erneuerbare Energien, Allianz für eine
nachhaltige medizinische Versorgung, Nachhaltige Flächenpolitik, Chancenorientiertes Demografiemanagement - Daseinsvorsorge, Fachkräfte, bürgerschaftliches
Engagement und Förderung von Energieeffizienzmaßnahmen in KMU
25
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
Und brauchen auch keine großen Vernetzungsgeschich-
ten, sondern es geht jetzt darum umzusetzen.< Und
das war dann halt der Punkt, also wir haben dann auch
gesagt: >Lass die Dekade-Stelle erst mal weiter laufen,
so lange wie das Geld da ist und wie es bewilligt ist. Aber
danach muss sich das erstmal verändern. Da muss sich
die Arbeitsweise einer Umsetzungs- oder Koordinierungs-
stelle zur UN-Dekade verändern, muss sich hin in Umset-
zung beispielhaft wenigstens – weiterentwickeln. Und
das ging dann nicht mehr.<“ (Interview 1, Z. 117)
Letztlich sind es vor allem auch die sich zuspitzenden
Konflikte zwischen Akteuren aus der Landesverwaltung
und dem zivilgesellschaftlichen Bereich sowie zwischen
einzelnen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die für
die Jahre ab 2008 zentral sind. Dies wird auch durch eine
Netzwerkanalyse der BNE-Akteure in Erfurt der FU Ber-
lin bestätigt (vgl. Kolleck 2014). Die Stadt Erfurt ist als
ausgezeichnete UN-Dekade Kommune einerseits über die
Landesgrenzen hinweg Vorzeige-Stadt in Sachen Bildung
für nachhaltige Entwicklung. Andererseits haben viele Or-
ganisationen, die an der Umsetzung von BNE in Thüringen
mitwirken, ihren Sitz in der Landeshauptstadt, weswegen
das Erfurter BNE-Netzwerk von einem landesweiten BNE-
Netzwerk kaum zu unterscheiden ist. Die Studie, deren
Datenerhebung im Jahr 2011 stattfindet, kommt zu dem
Schluss, dass das BNE-Netzwerk in Erfurt hinsichtlich des
Informationstransfers „von strukturellen Löchern und
Informationsketten geprägt ist“ (vgl. ebd., S. 172). Das
heißt, dass Informationsweitergaben über BNE oder Ko-
operationsbemühungen nur unter ausgewählten Akteuren
stattfinden und das Netzwerk sich zu stark auf einzelne
Schlüsselakteure stützt. „Darüber hinaus weisen qualita-
tive Studien auf Konflikte und politische Machtkämpfe als
Ursache für die hohe Anzahl an strukturellen Löchern in
Erfurt hin. Im Vergleich zu den anderen vier Kommunen
besitzt das BNE-Netzwerk in Erfurt den geringsten Anteil
an Vertrauensbeziehungen.“ (Kolleck 2015, S. 62.)
Die Konflikte zeigen sich jedoch besonders zwischen der
Verwaltung und der Zivilgesellschaf t. Sowohl im Um-
weltministerium als auch im Kultusministerium hat das
Thema BNE einen Bedeutungszuwachs erfahren und wird
aktiv als Bestandteil der eigenen Strategie kommuniziert
(siehe auch Nikel u. a. 2014b, S. 4). Doch bezüglich der
Umsetzung der UN-Dekade durch den akuTh e. V. besteht
zunehmend Unzufriedenheit: „Also wir haben dann ja
versucht, diese Aktionspläne zu schreiben. Und über den
strategischen Rahmen war relativ schnell Konsens herzu-
stellen. Aber als es dann um die Frage ging: >Wer macht
denn überhaupt BNE?< (...). >Und wie ist diese BNE zu
bewerten und welche Entwicklungspotentiale liegen denn
darin?< Das funktionierte dann schon nicht mehr. Also so
die Frage: >Inwieweit lasse ich, das was ich tue von einem
(...) externen Dritten oder vielleicht auch einem Gremium
darauf hin überprüfen, ob das tatsächlich den Ansprüchen
und Zielsetzungen, die ich ja vorne mit unterschrieben
habe, genügt, und welche Entwicklungsschritte...< Das
hat dann schon nicht mehr hingehauen. Und auch die
Erweiterung gerade jetzt im informellen und nonverbalen
Bereich, über die klassischen Umweltbildungsakteure und
Randbereiche hinaus, hat nicht richtig funktioniert. (...)
Und mit dem Auslaufen der Dekade, als wir dann gesagt
haben: >Jetzt haben wir eigentlich Strategie, jetzt müsste
es in die Umsetzung gehen!< Da war dann auch der akuTh
selber nicht mehr handlungsfähig. Das fand ich dann am
frappierendsten, als ich gesehen habe: die strategischen
Gedanken sind alle da. Aber es gelingt nicht jetzt aus
dem Strategie-Teil in die Umsetzung zu kommen und zu
sagen: Wir zeigen einfach mal an eins, zwei, drei, vier, fünf
Beispielen – ob das lokale Bildungslandschaften sind oder
sonst was (...) dass das funktioniert. (...) Irgendwie sind
da acht Jahre Dekade nicht genutzt worden, um das zu
implementieren.“ (Interview 1, Z. 29)
In der Unterrichtung durch die Landesregierung „Bericht
zum Stand der Umsetzung der UN-Dekade Bildung für
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
26
nachhaltige Entwicklung in Thüringen“ vom 02.05.2012
(vgl. Drucksache 5 / 4385) heißt es: „Insgesamt ist
die Umsetzung der UN-Dekade >BNE< in Thüringen
weiter als erwartet vorangekommen. Für die Startphase
der UN-Dekade in Thüringen war es wichtig, von einer
zentralen Stelle aus die Umsetzung aktivierend zu lenken
und so die Akteure in großer Breite zu erreichen. Nun-
mehr kann nach Überschreiten der Dekade-Halbzeit
die erfolgreiche dezentrale Verankerung strukturell und
inhaltlich festgestellt werden. Daher kann nunmehr das
Gewicht auf die dezentralen Akteure und Aktivitäten
verlagert werden. Einer zusätzlichen Koordination durch
eine landeszentrale Geschäftsstelle bedarf es zukünftig
nicht mehr.“ Die Dekade-Koordinationsstelle wird zum
31.12.2012 – zwei Jahre vor offiziellem Auslaufen der
UN-Dekade – geschlossen. In der Unterrichtung durch
die Landesregierung wird über die weitere Umsetzung
der UN-Dekade festgehalten: „Die Staatssekretärs AG,
die Ressorts übergreifenden Treffen zur Festlegung von
strategischen Zielen im Schwerpunkt „BNE“ der Nachhal-
tigkeitsstrategie sowie die fachlich zuständigen Minis-
terien TMBWK und TMLFUN, das Nachhaltigkeitszentrum
Thüringen und nicht zuletzt der Beirat für Nachhaltige
Entwicklung sowie zahlreiche Akteure auf lokaler und
regionaler Ebene stehen damit als struktureller Rahmen
für die weitere Integration einer BNE über die Laufzeit
der UN-Dekade hinaus zur Verfügung“ (Thüringer Land-
tag 2012, S. 4).
Eine solche Verlagerung der BNE-Aktivitäten auf andere
Akteure kann jedoch aufgrund vielfältiger Gründe nicht im
gleichen Umfang umgesetzt werden: die fehlende Umwelt-
bildungs- oder BNE-Richtlinie zur Förderung von Projek-
ten, Konflikte zwischen zivilgesellschaftlichen Organisa-
tionen einerseits und Akteuren aus der Verwaltung und
Zivilgesellschaft andererseits sowie eine fehlende dezent-
rale Beratungs- und Vernetzungstruktur für kleine Träger,
Initiativen und selbstständige BildungsanbieterInnen.
Einige der Vernetzungsaktivitäten werden im Rahmen des
Forschungsprojektes „Quasi BNE“ weitergeführt, in dem
sich ein Qualitätssicherungskreis aus engagierten Akteu-
ren weiter um die Implementierung einer BNE bemüht.
Vor allem in der Landeshauptstadt Erfurt können im Jahr
2012 Erfolge gefeiert werden: durch eine zunehmende
Kooperation mit dem lokalen Bildungsmanagement, das
im Rahmen des BMBF-geförderten Programms „Lernen
vor Ort“ aufgebaut wird, gelingt die Integration von
BNE in das Erfurter Bildungsleitbild und den ersten
Bildungsbericht (vgl. Hollstein / Singer-Brodowski 2014,
S. 163ff.). Das entstehende Innovationsnetzwerk BNE9
nimmt viele der ursprünglichen Diskussionen auf und
versucht die Vernetzung zwischen verschiedenen Erfurter
BNE-Akteuren zu stabilisieren.
Weiterhin werden die so genannten „Erfurter Qualitäts-
kriterien für Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (Ja-
kovides / Fischbach 2014, S. 91) entwickelt. Nach ihnen
ist ein Projekt ein Beitrag zur Bildung für nachhaltige
Entwicklung wenn es:
niemanden ausschließt
partizipativ ist
allen Lernen ermöglicht
motiviert
zum Ausprobieren anregt
Handeln reflektiert
Entscheidungsfähigkeit fördert
Aspekte der Nachhaltigkeit transportiert (ebd.)
9https://www.uni-erfurt.de/en/projekt-innovationsnetzwerk-bne/
27
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
Spätestens seit 2012 lässt sich jedoch tendenziell ein
Bedeutungsrückgang von BNE in Thüringen beobachten.
Für die vorliegende Studie wurden viele der ehemaligen
Akteure angeschrieben, standen jedoch nicht mehr zur
Verfügung. BNE wird bis Ende 2015 im Rahmen der loka-
len Arbeitskreise des Thüringer Nachhaltigkeitszentrums
mit bearbeitet und eine Vernetzung der noch vorhande-
nen Akteure kann in diesem Rahmen zum Teil gewährleis-
tet werden.
4.4 STATUS QUO
Aktuell lassen sich jedoch einige Diskussionen und Ent-
wicklungen beobachten, die auf eine Trendwende in der
Umsetzung von BNE hinweisen könnten.
Das BNE-Forum zum Start des Weltaktionsprogramms im
Oktober 2015 im Erfurter Rathaus mit rund 120 Teilneh-
merInnen weist darauf hin, dass das Thüringer Nachhal-
tigkeitszentrum einer der zentralen Träger ist, die BNE
aktiv mit vorantreiben und es weiterhin eine breite inte-
ressierte Landschaft von Akteuren gibt, die (re-)aktiviert
werden kann. Die Tagungsdokumentation der Tagung
ermöglicht sowohl einen Einblick in den State of the Art
der BNE in den verschiedenen Bildungsbereichen als auch
Empfehlungen, die von den Akteuren im Kontext des
BNE-Forums abgegeben wurden.10 Die zeitgleich erschie-
nene Broschüre „Dazu gelernt – Impulse zur Umsetzung
des Weltaktionsprogramms Bildung für nachhaltige Ent-
wicklung“11 zeigt weiterhin eine Reihe von Praxisbeispie-
len und Strategien aus Thüringen, die in den jeweiligen
Schwerpunkten des Weltaktionsprogramms innovative
Bildungsangebote umsetzen.
Auch der Thüringer Nachhaltigkeitsbeirat will versuchen
mit neuem Schwung voranzugehen und BNE weiter als
Schwerpunkt-Thema in der Thüringer Nachhaltigkeits-
strategie zu verfolgen. Die seit Ende 2015 neu berufenen
Mitglieder wollen das Thema Bildung für nachhaltige Ent-
wicklung und auch die Jugendbeteiligung zum Schwer-
punkt der eigenen Arbeit machen.12 Besonders die Hoch-
schulen sollen dabei eine wichtige Rolle spielen13. Das
wird flankiert vom Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen
Landesregierung, der eine Stärkung der Nachhaltigkeit
in den Thüringer Hochschulen vorsieht. „Nachhaltigkeit
soll in Lehre und Forschung eine größere Rolle spielen.
Wir wollen eine Wissenschaftskultur fördern, die über die
Grenzen der Fachdisziplinen hinweg die großen Zukunfts-
probleme der Gesellschaft bearbeitet. Wir werden daher
mit dem Beirat für Nachhaltige Entwicklung Thüringen,
Empfehlungen erarbeiten, die geeignet sind, den Beitrag
der Wissenschaft für nachhaltige Entwicklung in Thürin-
gen zu stärken und Impulse für den gesamten Bildungs-
bereich zu geben“ (S. 51).14 Erste Ansätze für eine solche
Stärkung der Hochschulen sind Diskussionen über einen
Master-Studiengang „Demokratie und Nachhaltigkeit“ an
der Universität Erfurt.
Nicht zuletzt auf der Tagung am 03.02.2016 „Perspektiven
nachhaltiger Entwicklung für Thüringen“ des neu gegrün-
deten Vereins „Zukunftsfähiges Thüringen“ im Thüringer
Landtag wird die Rolle der BNE in der Umsetzung der
Thüringer Nachhaltigkeitsagenda hervorgehoben.15
Außerhalb dieser Maßnahmen der organisierten Zivilgesell-
schaft und des Nachhaltigkeitsbeirates zeigt sich ein gro-
ßes Potential der außerschulischen BNE in den vielzähligen
Aktivitäten, die in der Thüringer Bevölkerung umgesetzt
werden – ohne explizite Rahmung als BNE-Aktivitäten.
„BNE und Nachhaltigkeit wandelt sich auch, es bleibt ja
nicht immer ein Credo, Klimawandel ist immer noch wich-
tig, aber zum Beispiel haben wir jetzt auch die Flüchtlings-
problematik und man sieht wie aktionsreich und großartig
darauf reagiert wird auf einer Basisebene (...) das ist auch
eine BNE, aber halt völlig neben dieser ganzen Spur, die
wir bis dahin gefahren sind“ (Gruppendiskussion, Z. 202).
10http://www.nhz-th.de/fileadmin/website/media/Dokumente/2015/BNE-Tagung/Tagungsdokumentation_BNE_22.10.2015.pdf
11http://www.nhz-th.de/fileadmin/website/media/Dokumente/2015/Broschuere/NHZ_broschuere_dazugelernt_2015_s.pdf
12https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=uF3UBGXTilg
13http://www.nachhaltigkeitsbeirat-thueringen.de/mitglieder/prof-dr-matthias-gather/
14http://gruene-thueringen.de/sites/gruene-thueringen.de/files/r2g-koalitionsvertrag-final.pdf
15http://www.nachhaltigkeitsbeirat-thueringen.de/aktuelles/news-anzeigen/news/perspektiven-nachhaltiger-entwicklung-fuer-thueringen-im-thueringer-
landtag/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=6edaf7efb6c6c5e17a9861f71c5d2c7b
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
28
Ein Engagement für Nachhaltigkeit wandelt sich. Neue
Akteure treten auf, die nicht vorrangig BNE proklamieren,
sondern ganz pragmatisch sozialökologische Geschäftsmo-
delle ausprobieren, sich in Nachbarschaftshilfe engagieren
oder gemeinschaftlich Häuser, Autos oder Werkzeuge
teilen. Sie wollen einfach einen anderen „Lebensentwurf
leben und präsentieren und zeigen. Dieser Nachwuchs der
etabliert sich anders. Also einmal weg von dieser Vereins-
struktur. (...) Es ist ein anderes Selbstbewusstsein da,
es ist die Wirtschaft, die auch mitspielt und die man dort
zu Rate zieht: wie man sich aufstellt, um davon zu leben.
Dass es nicht mehr nur eine Verbreitung einer Ideologie
ist, sondern auch tatsächlich ein Standbein sein kann
(Gruppendiskussion, Z. 622).
Ein Wandel des Nachhaltigkeitsengagements junger
Menschen wird auch von größeren bundesweiten Studien
bestätigt. Das aktuelle Greenpeace Nachhaltigkeitsbaro-
meter (Michelsen u. a. 2016) zeigt, dass „sich der größte
Teil der jüngeren Generation (92 %) auf unterschiedlichs-
te Weise für das soziale und ökologische Wohlergehen
engagiert und somit zu einer nachhaltigen Entwicklung
beiträgt“ (S. 2). Es verdeutlicht aber auch, dass vielen
jüngeren Menschen der Einstieg in ein gesellschaftspoli-
tisches Engagement schwer fällt und „niedrigschwelligere
Formen wie ein Engagement ohne längerfristige Mitglied-
schaft, Funktionsübernahme oder finanzielle Beiträge“
(ebd. S. 8) bevorzugt werden. Daher werden zusätzliche
Gremien für Jugendliche, wie Jugendparlamente oder
-beiräte empfohlen, die eine wirkliche Partizipation der
jüngeren Generation zulassen (vgl. ebd.).
Der Wandel des Engagements vor allem bei Jugendlichen
und jungen Erwachsenen ist ein Potential für Thüringen.
„Die heute 15- bis 30-Jährigen verändern unsere Welt
radikal. Sie haben in kurzer Zeit den strukturellen Wandel
in Politik, Wirtschaft, Arbeitsleben, Familie, Technik und
Freizeit eingeleitet. Allerdings nicht gewaltsam und mit
militanten Mitteln, ohne die lautstarken Proteste (...).
Die junge Generation, die >Generation Y< wie sie meist
genannt wird, besteht aus >heimlichen Revolutionären<.
Die strukturellen Umwälzungen, die sie initiiert, werden
in ihrer Tragweite unterschätzt, eben weil sie nicht mit
militantem Gehabe, ja nicht einmal mit befreiter Auf-
bruchstimmung angeht. Sie lebt sie einfach, so als wären
sie selbstverständlich. Die Generation Y schlägt damit
eine besonders wirkungsvolle und nachhaltige Strategie
ein, um die Welt zu verändern“ (Hurrelmann / Albrecht
2014, S. 7). Sie „steht für die unspektakuläre, sanfte
Revolution, die in kleinen evolutionären Schritten daher-
kommt“ (ebd., S. 220).
29
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
5. EMPFEHLUNGEN FÜR DIE UMSETZUNG VON BNE IN
THÜRINGEN
Die Förderung der außerschulischen BNE kann als aktiver
Beitrag zur Bewältigung aktueller gesellschaftlicher Heraus-
forderungen gesehen werden, denn im Umgang mit The-
men, wie dem Klimawandel, der Flüchtlingsintegration oder
der zunehmenden sozialen Ungleichheit kommt der Bildung
eine Schlüsselrolle zu. Gute außerschulische BNE-Angebote
stärken im Sinne einer „zukunftsfähigen Allgemeinbildung“
gerade diejenigen Kompetenzen, die zur Bewältigung dieser
Herausforderungen notwendig sind. Sie fördern das Lernen
gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse und eine politische
Partizipationsfähigkeit. BNE als Querschnittsaufgabe sollte
dabei unter Einbindung aller Landesministerien diskutiert
und umgesetzt werden. Wie die Analyse der Geschichte von
BNE in Thüringen gezeigt hat, ist eine verlässliche und vor
allem langfristige und kontinuierliche Unterstützungsstruk-
tur für den praktischen Erfolg von BNE im schulischen und
im außerschulischen Bereich entscheidend. Auf der Grund-
lage der Ergebnisse der vorliegenden Studie können für die
weitere Umsetzung der BNE in Thüringen folgende Empfeh-
lungen abgegeben werden:
1. Eine umfassende Förderung der außerschulischen
BNE neu und partizipativ etablieren
Eine aktive Trägerlandschaft zur Umsetzung der BNE
braucht eine landesweite Projektförderung, um die Bil-
dungsarbeit an der Basis umzusetzen. Daher wird eine
neue Richtlinie zur Förderung der außerschulischen
Umweltbildung und BNE empfohlen. Diese Förderricht-
linie sollte in einem breiten Dialog mit der Zivilgesell-
schaft erstellt werden, um konkrete Bedarfe und in-
haltliche Schwerpunkte partizipativ zu entwickeln und
die Landschaft der BNE-Aktiven wieder zu reaktivieren.
Weiterhin wird zu einem regelmäßigen Monitoring und
einer entsprechenden Anpassung der Förderrichtlinie
bspw. im Abstand von 2 Jahren geraten.
2. Die Förderung einer BNE mit der Umsetzung der
landesweiten Nachhaltigkeitspolitik und den Sustai-
nable Development Goals verknüpfen
Eine solche Richtlinie zur Förderung der BNE kann direkt
mit der Umsetzung und Vermittlung der landesweiten
Nachhaltigkeitspolitik an die Thüringer Bevölkerung
verknüpft werden. Darin würde sie den internationa-
len Entwicklungen einer stärkeren Verschränkung der
Nachhaltigkeitspolitik und der BNE-Politik folgen. Daher
ist es zu empfehlen, dass Projekte, die im Rahmen
einer zukünftigen BNE-Richtlinie beantragt werden, die
landesweiten Handlungsfelder innerhalb der Thüringer
Nachhaltigkeitsstrategie oder die Integration der Sus-
tainable Development Goals thematisieren. Um jedoch
einem instrumentellen Verständnis von BNE als reine
Kommunikation der Nachhaltigkeitsagenda vorzubeugen
(vgl. Kapitel 3.1), sollte auch die Möglichkeit gegeben
sein, kritische Themen zu fördern, die nicht in den
Handlungsfeldern der Nachhaltigkeitsstrategie oder den
SDGs auftauchen (z. B. Bildungsangebote zu Degrowth).
3. Ehemals Engagierte wieder reaktivieren und neue
Akteure niedrigschwellig in ein landesweites BNE-
Netzwerk einbinden
Vor dem Hintergrund der Entwicklungen der letzten
Jahre gilt es, die ehemals aktiven BNE-Engagierten
wieder aktiv zu beteiligen und neue Akteure dazu zu
gewinnen. Thüringen hat Anfang der 2000er Jahre
enorme personelle, intellektuelle und ehrenamtliche
Kapazitäten zur Umsetzung einer BNE aufgebaut, auf
denen in der weiteren Umsetzung des Weltaktions-
programms aufgebaut werden kann. Um den ehemals
Engagierten und auch neuen Akteuren jedoch wieder
Lust auf ein BNE-Engagement zu machen, muss die
ehrliche Mitsprache und Beteiligung in einem dauer-
haften und landesweiten Netzwerk sicher gestellt sein.
Dafür sollte auf vorhandenen Netzwerken aufgebaut
LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
30
werden und durch ein proaktives Netzwerkmanage-
ment Schlüsselakteure zusammengebracht werden. Zu
empfehlen ist auch, dieses Netzwerkmanagement mit
Elementen des Coachings und der Supervision zu flan-
kieren, um die ehemaligen Konflikte zwischen freien
Trägern gut aufzuarbeiten und eine vertrauensvolle
Zusammenarbeit in Zukunft gewährleisten zu können.
4. Über die Entwicklung eines landesweiten Qualitäts-
siegels für BNE die Akteure in einen neuen Kommu-
nikationsprozess bringen
Eine wichtige Weiterentwicklung für die BNE in Thürin-
gen könnte über ein Qualitätssiegel für BNE gelingen,
das von den Akteuren mit- und kontinuierlich weiter-
entwickelt wird. Mit den Erfurter Qualitätskriterien (vgl.
Kap. 4.3) wurde dafür ein Anfang gemacht. Diese Stra-
tegie würde – relativ unabhängig von aktuellen Struk-
turen – Thüringer BNE-Akteure in einen gemeinsamen
Kommunikationsprozess über die inhaltlichen Perspekti-
ven der BNE in Thüringen bringen und damit Vertrauen
zwischen den Akteuren fördern. Ein Qualitätssiegel soll-
te jedoch nicht an die Förderung von BNE-Angeboten
geknüpft sein, sondern an eine öffentliche Auszeich-
nung (z. B. Lernort Nachhaltigkeit), wie sie in anderen
Bundesländern (z. B. Schleswig- Holstein, vgl. Kap. 3.3)
praktiziert wird und damit für die Ausgezeichneten vor
allem einen Gewinn in der öffentlichen Darstellung und
in der Attraktivität für Kooperationspartner darstellen.
5. Jugendliche als Change Agents für den Wandel stär-
ker in die BNE einbinden und Jugendnetzwerke mit
Projekte-Fond ausstatten
Jugendliche stellen eine bedeutsame Zielgruppe für
außerschulische BNE-Angebote in Thüringen dar.
Sie fungieren als Mittler und Initiatoren von Prozes-
sen, die ihre eigene Zukunft mit bestimmen werden.
Deshalb wird auf internationaler Ebene dafür plädiert,
Jugendliche selbst als aktive Akteure des Wandels
(change agents) zu begreifen und ihnen damit wesent-
lich mehr Partizipationsmöglichkeiten und Engage-
mentchancen anzubieten. Ein wichtiges Instrument
könnte dafür ein Mikro-Fond für Thüringer Jugend-
netzwerke sein, der von den Jugendlichen selbst ver-
waltet wird und niedrigschwellig und unbürokratisch
kleine Projekte von Jugendlichen fördert.
6. Die Rolle der Hochschulen als Impulsgeber für BNE
ausbauen und eine „BNE-Academy“ etablieren
Die Thüringer Hochschulen sind in der Vergangenheit
immer wieder Ideengeber für eine BNE gewesen, wie
unter anderem die Entwicklung der Vertiefungsrichtung
„Bildung für nachhaltige Entwicklung“ im Master für
Soziale Arbeit der FH Erfurt oder die wesentlich durch
die Universität Erfurt initiierte Etablierung des „Inno-
vationsnetzwerkes BNE“ gezeigt hat. Diese Funktion
als lokale Beratungsinstitutionen und Transformations-
agenturen sollte verbreitert, intensiviert und effektiver
genutzt werden. Es wird deshalb die Einrichtung einer
„BNE-Academy“ als Netzwerk von Thüringer Nachhal-
tigkeitsexpertInnen vorgeschlagen. Dieser Zusammen-
schluss von ExpertInnen soll 1. durch die Integration
von BNE in den Thüringer Hochschulen Studierende für
Nachhaltigkeitsthemen begeistern, 2. Qualifizierungs-
angebote für freie Träger im Bereich BNE anbieten, 3.
Wissenschaftsbasierte Beratungen für Fragestellungen
der Nachhaltigkeit durchführen und 4. in Kooperati-
on mit zivilgesellschaftlichen Akteuren vorhandene
Nachhaltigkeits- und BNE- Netzwerke stärken. Mit
all diesen Funktionen kann ganz wesentlich auch die
LehrerInnenbildung für BNE – als wichtiges Handlungs-
feld im Weltaktionsprogramm – unterstützt werden.
Die fachliche Unterstützung von MultiplikatorInnen
im Bildungsbereich ist ein entscheidendes Element bei
der Realisierung und erfolgreichen Verstetigung einer
schulischen und außerschulischen BNE.
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LESSONS LEARNED - 25 JAHRE BNE UND AUSSERSCHULISCHE UMWELTBILDUNG IN THÜRINGEN
EINE STUDIE ZU ENTWICKLUNGS STAND & PERSPEKTIVEN
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Blickt man auf die Diskussionen um die Bereitschaft zu Engagement in der jüngeren Generation, so gewinnt man schnell den Eindruck, diese sei immer weniger gewillt, sich für irgendetwas einzusetzen außer für das eigene Vorankommen. Eine Mehrheit von 60% der Deutschen äußert in einer aktuellen Umfrage, dass junge Menschen heute weniger soziale Verantwortung übernehmen (Kramer, 2015). Solche negativen Urteile über die jeweils jüngere Generation haben seit jeher Konjunktur. Wie steht es aber tatsächlich um die Bereitschaft der jüngeren Generation, sich zu engagieren? Um diese Frage zu beantworten, wurden innerhalb der bundesweiten Repräsentativstudie „Greenpeace Nachhaltigkeitsbarometer 2014“ zum Nachhaltigkeitsbewusstsein der jüngeren Generation im Alter von 15-24 Jahren über 1.500 Personen befragt. Diese Vorab-Veröffentlichung ist ein Auszug aus der Ende 2015 mit allen Ergebnissen der Untersuchung erscheinenden Publikation. Engagement kann vielfältig ausgeprägt sein. Im Kontext des Greenpeace Nachhaltigkeitsbarometers wird Engagement als freiwillige Aktivität verstanden, die nicht aus beruflichen oder schulischen, sondern aus intrinsisch motivierten Idealen stammt. In der Studie des Nachhaltigkeitsbarometers wird besonders solches Engagement der jüngeren Generation untersucht, das im Kontext nachhaltiger Entwicklung steht.
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Obwohl die Bedeutung von Vertrauen für Qualitätsentwicklungsprozesse offenkundig ist, mangelt es an Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet. Dies liegt nicht zuletzt auch daran, dass Vertrauen theoretisch schwer zu fassen ist. Während für die Analyse von Vertrauen der wechselseitigen Beeinflussung von menschlichem Handeln und sozialem Kontext eine besondere Bedeutung zukommt, liefern Methoden der sozialen Netzwerkanalyse (SNA) sinnvolle Anknüpfungspunkte. Der vorliegende Beitrag geht den Fragen nach, wie und warum Verfahren der SNA für Qualitätsentwicklungsprozesse eingesetzt werden können und welche Rolle Vertrauen dabei spielt. Darüber hinaus werden Ergebnisse netzwerkanalytischer Studien präsentiert, die die Qualitätsentwicklung einer bildungspolitischen Innovation unter Einsatz von Techniken der SNA in fünf unterschiedlichen Regionen untersuchen. Es wird argumentiert, dass sich Verfahren der SNA insbesondere dafür eignen, Qualitätsentwicklungsprozesse im Hinblick auf Kooperationen, Vertrauen und Kommunikationsstrukturen zu unterstützen. Dabei bietet es sich an, betroffene Akteure in Qualitätsprozesse selbst mit einzubeziehen.
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Whether we view sustainable development as our greatest challenge or a subversive litany, every phase of education is now being urged to declare its support for education for sustainable development (ESD). In this paper, we explore the ideas behind ESD and, building on work by Foster and by Scott and Gough, we argue that it is necessary now to think of two complementary approaches: ESD 1 and ESD 2. We see ESD 1 as the promotion of informed, skilled behaviours and ways of thinking, useful in the short-term where the need is clearly identified and agreed, and ESD 2 as building capacity to think critically about what experts say and to test ideas, exploring the dilemmas and contradictions inherent in sustainable living. We note the prevalence of ESD 1 approaches, especially from policy makers; this is a concern because people rarely change their behaviour in response to a rational call to do so, and more importantly, too much successful ESD 1 in isolation would reduce our capacity to manage change ourselves and there- fore make us less sustainable. We argue that ESD 2 is a necessary complement to ESD 1, making it meaningful in a learning sense. In this way we avoid an either-or debate in favour of a yes-and approach that constantly challenges us to understand what we are communicating, how we are going about it and, crucially, why we are doing it in the first place.
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Die UN-Weltdekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" (BNE) fordert die Mitgliedsländer auf, die Verbreitung und Verankerung von BNE in ihren Bildungssystemen voranzutreiben. Da BNE als Querschnittsaufgabe zu verstehen ist, erfordert dies die Bereitschaft und den Beitrag einer Vielzahl unterschiedlicher Akteure aus verschiedenen Bereichen. In Deutschland erfolgt die Umsetzung vielfach in partizipativen Strukturen, die die Handlungsabstimmung zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren in besonderer Weise herausfordert. Dieser Beitrag stellt eine empirisch-methodische Vorgehensweise vor, die solche Aushandlungsprozesse zwischen Staat und Zivilgesellschaft bei der Umsetzung von politisch motivierten Bildungsprogrammen untersucht und im zeitlichen Verlauf darstellt. Die durch diese Art der Datenanalyse gewonnene Einsicht, dass die Akteure mit der paradoxen Forderung einer staatlich organisierten Partizipation konfrontiert sind, wird verdeutlicht und diskutiert. Für ein kontextbezogenes Verständnis der Wirkungsweise von Reforminitiativen im Bildungswesen scheint es unabdingbar, soziale Prozesse und deren Verläufe in das Blickfeld empirischer Bildungsforschung zu rücken und somit komplexe Steuerungsgefüge im Bildungswesen in ihrem Zeitverlauf rekonstruieren und abbilden zu können.
Chapter
Bildung ist eine unerlässliche Voraussetzung für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und die Verbesserung der Fähigkeit der Menschen, sich mit Umwelt- und Entwicklungsfragen auseinanderzusetzen. Dieser Beitrag stellt u.a. die Hintergründe, Entwicklung, und Arbeitsweisen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung dar und bringt drei Praxisbeispiele.
Chapter
Nachhaltigkeit und Bildung sind Begriffe, die jeweils ein riesiges Feld an abstrakten Bedeutungen implizieren. Doch was können sie in einem lokalen Kontext konkret bedeuten? Dieser Frage wollen wir anhand der Erfahrungen mit Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in Erfurt nachgehen.
Chapter
Fünf Kommunen, fünf Qualitätszirkel? Nach Abschluss des Projekts QuaSi BNE kann man sagen, dass das Verständnis davon, was ein Qualitätszirkel ist, was er zu leisten in der Lage ist, wie er mit Struktur versehen und mit Leben gefüllt werden kann, so verschieden ist – und sicher sein muss – wie die Kommunen, in die das Ansinnen, einen solchen zu etablieren, hineingetragen wurde. Über alle Kommunen hinweg zeigt sich, dass Theorie und Praxis zuweilen zwei sehr verschiedene Welten sein können, in denen das Verständnis von Begriffen und Methoden, ja selbst von Zielen und Vorgehensweisen, sehr unterschiedlich ist. Daher ließ sich im Verlauf des Projekts nicht zuverlässig vorhersagen, in welche Richtung sich die Qualitätszirkelarbeit entwickeln würde.