Wenn das Bretonische heute eine erkennbar autochthone Sprache Frankreichs ist, dann liegt das nicht daran, dass sich auf der Halbinsel Aremorika ein letztes Stückchen des Gallischen erhalten hätte; die Autochthonisierung geschieht vielmehr über das starke galloromanische Element, durch das sich eine ursprünglich eher exotische Sprache weitgehend dem europäischen Sprachbund angenähert hat. Die
... [Show full abstract] Romanismen und Franzismen des Bretonischen sind mehrheitlich viele Jahrhunderte alt und tief in seinen Strukturen verwurzelt. Puristische Versuche, das Bretonische wieder zu einer „rein keltischen Sprache” zurück entwickeln zu wollen (vgl. dazu Moal 2004), verkennen daher den Charakter dieser Sprache.
Resümierend kann man sagen, dass der größte Teil des bretonischen Kelten-Nippes der Phantasie keltomaner Romantiker des 19. und eskapistischer Phantasy-Fans des 20. Jahrhundets entspringt; die bretonische Sprache selbst ist keltisch, doch keineswegs im emphatisch-archaischen Sinne, in dem diese Attribuierung oft vorgenommen wird. Wenn der Keltendiskurs einen Beitrag leisten kann, diese jahrhundertelang systematisch erniedrigte Sprache mit einem neuen Prestige zu versehen und Alt- wie Neusprecher zu einer Bewahrung dieses kostbaren französischen Kulturguts zu motivieren, so erfüllt er eine Funktion, die auch die bestdokumentierte Keltologie nicht zu leisten vermag. Auf dieser Basis sollten auch Keltologie und Soziolinguistik ihrem Frieden damit schließen.