Um Unterricht fundiert vorzubereiten und durchzuführen, müssen Lehrkräfte fachwis-senschaftliches (FW), fachdidaktisches (FD) und bildungswissenschaftliches (BW) Wissen mit-einander verbinden und aufeinander beziehen. Dieses Verbinden von Inhalten aus den drei Wis-sensdomänen nennt sich Kohärenz und der Prozess zum Aufbau von kohärentem Wissen nennt sich Kohärenzbildung. Kohärentes Wissen aufzubauen, fällt jedoch vielen Lehramtsstudierenden schwer, da die Inhalte der belegten Veranstaltungen an den Hochschulen häufig separiert gelehrt werden. Die separierte Darbietung erschwert es den Lehramtsstudierenden, Bezüge zwischen den unterschiedlichen Wissensbereichen zu erkennen, wodurch die Gefahr besteht, dass träges Wis-sen entsteht, auf das beim unterrichtlichen Handeln kaum zurückgegriffen werden kann.
Das Schreiben von Lernprotokollen kann Studierende dabei unterstützen, durch die An-wendung von Lernstrategien die im Lehramtsstudium relevanten Wissensbereiche selbstreguliert zu vernetzen (Kohärenzbildung) und so die Anwendbarkeit des erworbenen Professionswissens zu verbessern. In kohärenzbildenden Lernstrategien verbinden die Studierenden Inhalte aus den drei Wissensdomänen und setzen diese in Beziehung, bzw. überlegen sich Anwendungssituatio-nen, in denen mehrere Wissensdomänen gleichzeitig verwendet werden. Zur Anwendung kohä-renzbildender Lernstrategien im Lernprotokoll benötigen Lehramtsstudierende jedoch instruktio-nale Unterstützung wie z.B. kohärenzbildende Prompts oder Lösungsbeispiele. Kohärenzbildende Prompts sind Hinweise, welche die Studierenden direkt zum Verbinden von Inhalten aus den verschiedenen Wissensdomänen auffordern. Lösungsbeispiele hingegen modellieren die der ko-härenzbildenden Lernstrategien, so dass Studierende diese Lernstrategien zuerst nachvollziehen können, bevor sie die Lernstrategien selbst anwenden.
In insgesamt drei Studien (Studie 1-3) wurde untersucht, welche instruktionalen Möglich-keiten zur Unterstützung der Kohärenzbildung besonders effektiv sind. In den experimentellen Studien lasen die Teilnehmenden zunächst an jedem Erhebungstermin je einen Text aus jeder Wissensdomäne (FW, FD, BW), setzten sich dann in einem Lernprotokoll mit den Inhalten aus-einander und bearbeiteten im Anschluss unterrichtsbezogene Anwendungsaufgaben. Eine vierte Studie (Studie 4) geht auf die Entwicklung von Kohärenz während des Berufslebens von Lehr-kräften ein. Dafür evaluierten berufstätige Lehrkräften Anwendungsaufgaben.
In Studie 1 (Pilotierung, Kapitel 3) wurde zunächst experimentell-qualitativ untersucht, inwiefern beispielhafte Lernprotokolle die Kohärenzbildung besser unterstützen als Prompts oder das freie Schreiben ohne instruktionale Unterstützung. Qualitativ zeigte sich, dass die Teilneh-menden (N = 7), die eine Kombination aus einem Lernprotokollbeispiel und kohärenzbildenden Prompts erhielten, mehr kohärenzbildende Lernstrategien im eigenen Lernprotoll verwendeten, als Teilnehmende, die nicht durch diese Kombination unterstützt wurden.
Darauf aufbauend wurde in Studie 2 (Kapitel 4) eine experimentelle Studie mit Lehramts-studierenden des Fachs Geographie durchgeführt (N = 74). Die Studie erfolgte in einem experi-mentellen Drei-Gruppen-Design mit zwei Erhebungsterminen und untersuchte, wie sich die an-fängliche Bearbeitung eines Beispiellernprotokolls auf die Kohärenzbildung und die Anwendung des Wissens auswirkte. Diese Beispiellernprotokoll-Gruppe wurde mit einer Gruppe, die nur kohärenzbildende Prompts für das Schreiben der Lernprotokolle erhielt und mit einer Gruppe ohne instruktionale Unterstützung für das Schreiben der Lernprotokolle, verglichen. Dabei zeigte sich, dass das Bearbeiten eines Beispielprotokolls im Vergleich zu Prompts dazu führte, dass die Studierenden mehr sowie qualitativ hochwertigere kohärenzbildende Lernstrategien verwendeten. Beide instruktionalen Maßnahmen waren der Kontrollgruppe ohne instruktionale Unterstützung überlegen. Hinsichtlich des durch das Schreiben erworbene Professionswissen zeigte sich, dass eine vermehrte Verwendung kohärenzbildender Lernstrategien in den beiden Experimentalgrup-pen zwar nicht zu höherem Wissen führte, wohl aber dessen Nutzung in unterrichtsnahen An-wendungsaufgaben verbesserte. Die Ergebnisse implizieren, dass Lernprotokolle, bei geeigneter instruktionaler Unterstützung, die Nutzung kohärenzbildender Strategien fördern und so auch die Anwendungsqualität des erworbenen Professionswissens verbessern können.
Studie 3 (Kapitel 5) untersuchte, wie sich eine wiederholende Gelegenheit zum Üben und Anwenden der Kohärenz auf die Bildung und Anwendung des Wissens auswirkte. Deshalb wur-de eine experimentelle Studie mit einem Zwei-Gruppen-Design durchgeführt, an der 63 angehen-de Geographielehrkräfte an drei aufeinanderfolgenden experimentellen Online-Sitzungen teilnah-men. Dabei wurden zwei Gruppen verglichen. Eine Gruppe bearbeitete im ersten Erhebungster-min ein Beispiellernprotokoll, bevor die Teilnehmenden im zweiten und dritten Termin jeweils ein eigenes Lernprotokoll verfassten. Die zweite Gruppe verfasste an allen drei Terminen jeweils ein Lernprotokoll mit der Hilfe von kohärenzbildenden Prompts. Die Ergebnisse zeigten, dass Teilnehmende, die eine Kombination aus Prompts und einem Lerntagebuchbeispiel, das die auf-geforderten kohärenzschaffenden Strategien modellierte, erhielten, vermehrt kohärenzschaffende Lernstrategien realisierten, als Teilnehmende, die eine Unterstützung nur durch Prompts erhiel-ten. Es fanden sich jedoch keine signifikanten Unterschiede in der Anwendung des aus den Tex-ten erworbenen Wissens. Nichtsdestotrotz vermittelte die Anzahl der Kohärenz-Strategien die Wissensanwendung in Sitzung 3. Offensichtlich ist Tagebuchschreiben ein vielversprechender Weg, um den selbstgesteuerten Aufbau von anwendbarem Wissen für die Lehre zu erleichtern, wenn es didaktisch unterstützt wird und die Studierenden reichlich Gelegenheit erhalten, die Wis-sensintegration zu üben.
Studie 4 (Kapitel 6) hingegen geht der Frage nach, ob sich Kohärenz bei Lehrkräften wäh-rend des Berufslebens automatisch entwickelt. Dafür wurde eine Befragung mit aktiven Geogra-phielehrkräften (N = 199) durchgeführt, welche unterrichtsbezogene Anwendungsaufgaben be-werteten. Es zeigte sich, dass sich, entgegen der Annahme, die Kohärenz der Wissensdomänen im Laufe des Berufslebens eher zurückentwickelt, anstatt zuzunehmen. Dieser Befund verdeut-licht, dass angehende Lehrkräfte bei der Entwicklung von Kohärenz bereits im Studium unter-stützt werden sollten, da nicht von einer automatischen Entwicklung ausgegangen werden kann.
Insgesamt kann aus den vier durchgeführten Studien geschlossen werden, dass sich Ko-härenz nicht automatisch während der Berufstätigkeit von Lehrkräften entwickelt. Deshalb sollten (angehende) Lehrkräfte bei der Entwicklung von kohärentem Wissen und dessen Anwendung unterstützt werden. Eine erfolgsversprechende Möglichkeit angehenden Lehrkräften bereits im Studium zu kohärentem Wissen und dessen Anwendung zu verhelfen ist das Schreiben von Lernprotokollen. Hierbei kann die Anwendung von kohärenzbildenden Lernstrategien zum kohä-renten Wissen verhelfen. Allerdings sollte das Schreiben von Lernprotokollen zum einen durch Lösungsbeispiele und Prompts instruktional unterstützt werden, und zum anderen sollten die angehenden Lehrkräfte wiederholt die Möglichkeit zum Einüben erhalten. So können sich nicht nur die kohärenzbildenden Lernstrategien etablieren, sondern auch die gemeinsame Anwendung der drei Wissensdomänen auf unterrichtliche Situationen festigen.
Keywords: Wissensintegration, Kohärenz, Lehrkräfteprofessionalisierung, selbstregulier-tes Lernen, Lernen mit Lösungsbeispielen und Prompts