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Zur syntaktischen Struktur von Selbstreparaturen im Deutschen

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Abstract

Abstract Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem Phänomen der selbstinitiierten Selbstreparatur im gesprochenen Deutsch. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Faktoren die Struktur von Selbstreparaturen formen. Beruhend auf der Annahme, dass die Durchführung von Selbstreparaturen bestimmten Regularitäten unterliegt, werden 262 Beispiele aus informellen Interviews im Hinblick auf die auftretenden Retraktionen syntaktisch analysiert. Uhmann (2001, 2006) vertritt die Ansicht, dass die Retraktion in Selbstreparaturen von einem rein syntaktischen Merkmal bestimmt wird – dem funktionalen Kopf, der das Reparandum unmittelbar c-kommandiert. Wie die vorliegende Studie jedoch zeigt, kann der funktionale Kopf die vielfältigen strukturellen Erscheinungsformen von Selbstreparaturen nicht befriedigend erklären. Vor allem Teil (a) der Extended Head Rule (Uhmann 2001) weist erhebliche Mängel auf: Er kann 59 % der auf ihn entfallenden Reparaturen in meinem Korpus nicht korrekt vorhersagen. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass ein adäquates Erklärungsmodell nicht nur syntaktische, sondern auch funktionale Aspekte in Betracht ziehen muss. Keywords: Selbstinitiierte Selbstreparatur, Retraktion, Syntax der gesprochenen Sprache, funktionaler Kopf . English Abstract The present paper deals with the phenomenon of self-initiated self-repair in spoken German and focuses on the syntactic analysis of 262 examples occurring in informal interviews. The central question is which factors shape the structure of self-repair. The main interest is directed towards the retraction in self-initiated self-repair, assuming that there are certain restrictions for the positions of retracting. Uhmann (2001, 2006) claims that retractions in self-repair in German are determined by a purely syntactic property, namely the functional head immediately c-commanding the repairable. However, as the present research shows, the functional head cannot explain the structural diversity in self-repair. Especially part (a) of the Extended Head Rule (Uhmann 2001) has profound shortcomings and cannot account for 59 % of the examples in my data. I will conclude that an adequate model for the explanation of the structure of self-repair will have to take into consideration not only syntactic, but also functional aspects. Keywords: Self-initiated self-repair, retraction, syntax of spoken language, functional head .
Gesprächsforschung - Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion (ISSN 1617-1837)
Ausgabe 11 (2010), Seite 183-207 (www.gespraechsforschung-ozs.de)
Zur syntaktischen Struktur von Selbstreparaturen im Deutschen
Martin C. Pfeiffer
Abstract
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem Phänomen der selbstinitiierten
Selbstreparatur im gesprochenen Deutsch. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche
Faktoren die Struktur von Selbstreparaturen formen. Beruhend auf der Annahme,
dass die Durchführung von Selbstreparaturen bestimmten Regularitäten unterliegt,
werden 262 Beispiele aus informellen Interviews im Hinblick auf die auftretenden
Retraktionen syntaktisch analysiert.
Uhmann (2001, 2006) vertritt die Ansicht, dass die Retraktion in Selbstrepara-
turen von einem rein syntaktischen Merkmal bestimmt wird dem funktionalen
Kopf, der das Reparandum unmittelbar c-kommandiert. Wie die vorliegende Stu-
die jedoch zeigt, kann der funktionale Kopf die vielfältigen strukturellen Erschei-
nungsformen von Selbstreparaturen nicht befriedigend erklären. Vor allem Teil
(a) der Extended Head Rule (Uhmann 2001) weist erhebliche Mängel auf: Er kann
59 % der auf ihn entfallenden Reparaturen in meinem Korpus nicht korrekt vor-
hersagen. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass ein adäquates Erklä-
rungsmodell nicht nur syntaktische, sondern auch funktionale Aspekte in Betracht
ziehen muss.
Keywords: Selbstinitiierte Selbstreparatur, Retraktion, Syntax der gesprochenen Sprache, funktio-
naler Kopf.
English Abstract
The present paper deals with the phenomenon of self-initiated self-repair in spo-
ken German and focuses on the syntactic analysis of 262 examples occurring in
informal interviews. The central question is which factors shape the structure of
self-repair. The main interest is directed towards the retraction in self-initiated
self-repair, assuming that there are certain restrictions for the positions of retrac-
ting.
Uhmann (2001, 2006) claims that retractions in self-repair in German are de-
termined by a purely syntactic property, namely the functional head immediately
c-commanding the repairable. However, as the present research shows, the func-
tional head cannot explain the structural diversity in self-repair. Especially part (a)
of the Extended Head Rule (Uhmann 2001) has profound shortcomings and can-
not account for 59% of the examples in my data. I will conclude that an adequate
model for the explanation of the structure of self-repair will have to take into con-
sideration not only syntactic, but also functional aspects.
Keywords: Self-initiated self-repair, retraction, syntax of spoken language, functional head.
Ich danke Peter Auer, Göz Kaufmann, Kerstin Botsch und den GutachterInnen von Gesprächs-
forschung für zahlreiche wertvolle Kommentare zu einer früheren Version dieses Textes.
Gesprächsforschung 11 (2010), Seite 184
1. Einleitung
2. Theoretische Perspektiven auf Reparaturen
3. Theoretische Analyse der Extended Head Rule
4. Empirische Überprüfung der Extended Head Rule
4.1. Pro Extended Head Rule (a)
4.2. Kontra Extended Head Rule (a)
4.3. Pro Extended Head Rule (b)
4.4. Kontra Extended Head Rule (b)
5. Empirisches Ungleichgewicht zwischen den Teilregeln
6. Fazit und Ausblick
7. Literatur
1. Einleitung
Die empirische Erforschung der gesprochenen Sprache ist in der jüngeren Ge-
schichte der Linguistik immer stärker in den Fokus gerückt (vgl. Auer 1993;
Schwitalla 1997). Die Untersuchung von Äußerungen in der Interaktion (vgl. z.B.
Deppermann/Fiehler/Spranz-Fogasy 2006; Günthner/Imo 2006) hat zu der grund-
legenden Erkenntnis geführt, dass gesprochene Sprache eine spezifische Struktur
aufweist, die sich systematisch von der Syntax der Schriftsprache unterscheidet.
Diese Tatsache ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Struktur ge-
sprochener Sprache (im Gegensatz zum schriftlichen Pendant) den spezifischen
interaktionalen und kognitiven Anforderungen Rechnung tragen muss, die
Konversationen in Echtzeit mit sich bringen.
In einer Syntaxtheorie der gesprochenen Sprache muss daher die Zeitlichkeit
mündlicher Sprache eine besondere Rolle spielen (vgl. Auer 2000, 2007). Bei der
Konstruktion einer Äußerung kann ein Sprecher "on line" auf unterschiedliche
syntaktische Grundoperationen zurückgreifen, die zeitlich gesehen einander ent-
gegengesetzt wirken. Die syntaktische Operation, die eine Erwartung des Rezipi-
enten bezüglich der Entwicklung nachfolgender syntaktischer Muster auslöst, be-
zeichnet man als Projektion. Projektionen greifen in der Zeit voraus und eröffnen
eine syntaktische Gestalt, "die erst durch die Produktion einer mehr oder weniger
präzise vorhersagbaren Struktur" (Auer 2000:47) eingelöst wird. Eine zweite
syntaktische Grundoperation, die entgegen der Sprechzeit eine schon bestehende
syntaktische Struktur aufgreift und verändert, wird als Retraktion bezeichnet
(Auer 2000:49).
Retraktionen spielen im Hinblick auf den Gegenstand der vorliegenden Unter-
suchung eine entscheidende Rolle. In alltäglichen Kommunikationssituationen ge-
schieht es häufig, dass ein Sprecher in der bereits begonnenen sprachlichen Pro-
duktion ein Problem bemerkt, dessen Behebung eine Umgestaltung der Äußerung
erfordert. Die konversationelle Organisation stellt dem Sprecher dazu bestimmte
Selbstreparaturmethoden zur Verfügung, die der Vermeidung von Problemen in
der Interaktion dienen (vgl. Schegloff/Jefferson/Sacks 1977). Sprecher haben un-
ter anderem die Möglichkeit, auf das Verfahren der Retraktion zurückzugreifen,
um das bereits Gesagte zu ersetzen, zu ergänzen oder zu tilgen.
Im Folgenden soll eine spezielle Form der Selbstreparatur genauer untersucht
werden, nämlich die selbstinitiierte Selbstreparatur vor syntaktischem Abschluss.
Diese bezeichnet die Bearbeitung eines Reparandums (d.h. einer Problemquelle)
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durch dessen Produzenten unter Beibehaltung der eröffneten syntaktischen
Struktur, indem dieser auf die syntaktische Grundoperation der Retraktion zu-
rückgreift. Die Reparatur wird vom Produzenten selbst eingeleitet, bevor ein syn-
taktischer Abschlusspunkt erreicht ist. Bei der Reparaturdurchführung wird die
ursprüngliche Äußerung in ihrer Form verändert.1
Das hauptsächliche Interesse dieses Beitrags gilt der strukturellen Organisa-
tion dieses Reparaturtyps im Hinblick auf die Retraktion, also dem "Zurücksprin-
gen" des reparierenden Sprechers in die bereits begonnene Satzstruktur, um eine
Reparatur vorzunehmen. In diesem Zusammenhang soll die Extended Head Rule
(Uhmann 2001), eine Regel für die syntaktische Gestaltung selbstinitiierter Selbst-
reparaturen im Deutschen, auf theoretische Konsistenz und empirische Validität
überprüft werden.
2. Theoretische Perspektiven auf Reparaturen
Die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen zur Reparatur, einem allgegenwär-
tigen Phänomen der gesprochenen Sprache, fanden nicht innerhalb der Linguistik
statt, sondern wurden aus ethnomethodologischem Interesse heraus innerhalb der
Konversationsanalyse durchgeführt. Im Zentrum dieser Forschung stand der se-
quentielle Ablauf von Reparaturen (vgl. Schegloff/Jefferson/Sacks 1977) inner-
halb des "Turn-Taking Systems" (Sacks/Schegloff/Jefferson 1974), an dem sich
Sprecher in der Konversation orientieren.
Durch ihre Analyse der sequentiellen Organisation von Reparaturen in der
Konversation lieferten Schegloff/Jefferson/Sacks (1977) Evidenz dafür, dass es
sich bei Reparaturen um präzise beschreibbare Phänomene handelt, die von prin-
zipiellem theoretischen Interesse sind. Bereits in ihrem frühen wegweisenden
Aufsatz (vgl. außerdem Schegloff 1979) forderten sie explizit das Einbeziehen der
Reparaturorganisation in die linguistische Theoriebildung, da sie die zentrale Be-
deutung von Reparaturen für die Erforschung der gesprochenen Sprache erkann-
ten:
An adequate theory of the organization of natural language will have to depict how
a natural language handles its intrinsic troubles. Such a theory will, then, need an
account of the organization of repair (Schegloff/Jefferson/Sacks 1977:381).
Levelt (1983, 1989) unternahm die ersten Versuche, dieser Forderung nachzu-
kommen. Aus einer psycholinguistischen Perspektive heraus machte er deutlich,
1 Die gewählten Definitionskriterien zielen auf die Zusammenstellung eines Korpus zur
Überprüfung der Extended Head Rule (Uhmann 2001) ab, die nur Reparaturen mit eindeutig
erkennbarem Reparandum erfasst. Die Definition schließt daher Substitutionen, Tilgungen und
Insertionen von syntaktischen Konstituenten, bei denen ein klar erkennbares Reparandum vor-
liegt, mit ein. Wiederholungen, so genannte Covert Repairs (Levelt 1983), und bloße gefüllte
und ungefüllte Pausen (z.B. bei der Wortsuche), die in der Konversationsanalyse (vgl. Scheg-
loff/Jefferson/Sacks 1977) als Selbstreparaturen betrachtet werden, sind jedoch nicht Bestand-
teil des Untersuchungskorpus, da sie kein klar identifizierbares Reparandum enthalten. Selbst-
reparaturen, bei denen die bereits begonnene syntaktische Struktur abgebrochen und vollstän-
dig ersetzt wird, werden ebenfalls von der Untersuchung ausgeschlossen, weil auch sie in der
zu überprüfenden Regel (Uhmann 2001) nicht berücksichtigt werden.
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dass die selbstintiierte Selbstreparatur etwas über kognitive Prozesse, vor allem
das Monitoring,2
aussagt und typischerweise eine bestimmte Struktur aufweist:
Abbruchpunkt
Ursprüngliche Äußerung Editing Phase Reparaturdurchführung
mh s dritte hau- nee s vierte haus (0.42) linker seite
Reparandum Verzögerung Editing Term Retraktionspunkt/ Veränderung
Retraktionsspanne
Abb. 1: Die drei Phasen der selbstinitiierten Selbstreparatur. Darstellung und Terminologie (teil-
weise übersetzt) sind Levelt (1983:45) entnommen.
Ausgehend von der strukturellen Analyse seines Korpus3
Im Gegensatz zur relativ breiten Forschungstätigkeit in der Konversationsana-
lyse (vgl. z.B. Jefferson 1974; Schegloff/Jefferson/Sacks 1977; Schegloff 1979;
Goodwin 1980; Zhang 1998; Egbert 2009), der Psycholinguistik (vgl. z.B. Levelt
1983, 1989; Berg 1986, 1992; van Wijk/Kempen 1987; Blackmer/Mitton 1991;
Postma 2000; Kapatsinski 2010) und der Computerlinguistik (z.B. Weischedel/
Sondheimer 1983; Schade/Laubenstein 1993; Nakatani/Hirschberg 1994) wurde
die Reparatur als Gegenstand der Erforschung der Syntax der gesprochenen
Sprache lange Zeit vernachlässigt. Der Hauptgrund für dieses Versäumnis liegt
zweifellos in der generativen Ausrichtung des Hauptzweigs der Grammatikfor-
schung in den vergangenen Jahrzehnten. Gesprochene Sprache ist aus der menta-
listischen Sicht der Generativen Linguistik nicht von Belang, da die Untersuchung
der Performanz (E-language) nur wenig aussagekräftige Rückschlüsse auf die
entwickelte Levelt eine
Regel für Reparaturen, die das syntaktische Verhältnis zwischen ursprünglicher
Äußerung und Reparaturdurchführung zum entscheidenden Merkmal für die Re-
traktion macht, die so genannte Well-formedness Rule (Levelt 1983). Diese Regel
besagt, dass die Wohlgeformtheit (bzw. die Grammatikalität) einer Selbstreparatur
von den gleichen syntaktischen Beschränkungen abhängt, denen auch Koordinati-
onen unterworfen sind. Zwischen ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurch-
führung besteht dieselbe strukturelle Beziehung wie zwischen den Sätzen, die von
einer koordinierenden Konjunktion (z.B. und und oder) verbunden werden.
2 Darunter ist eine Art Kontrollinstanz zu verstehen, die über die Angemessenheit produzierter
Äußerungen wacht und dem Sprecher über eine Rückkopplungsschleife ständig Rückmeldun-
gen über den Erfolg oder Misserfolg der Kommunikation gibt.
3 Die Datengrundlage, auf die sich Levelt (1983) stützt, ist als problematisch anzusehen (vgl.
auch Schegloff 1991:54f.; Schegloff/Ochs/Thompson 1996:25f.; Uhmann 2001:398). Es han-
delt sich um Reparaturen aus einem psycholinguistischen Experiment, in dem kein aktiver Ge-
sprächsteilnehmer und damit auch kein Turn-Taking Sytem vorhanden war, an dem sich
der Sprecher bei der Durchführung von Reparaturen hätte orientieren können. Es liegt daher
die Vermutung nahe, dass in solchen Daten wegen der nicht vorhandenen interaktionalen Or-
ganisation die Struktur von Reparaturen nur verzerrt zutage tritt.
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Kompetenz des Sprechers (I-grammar), den eigentlichen Gegenstand
sprachwissenschaftlicher Betrachtung, zulasse (vgl. z.B. Chomsky 1965:4). Erst
durch die Hinwendung der Linguistik zur korpusgestützten Empirie4
Erste Untersuchungen zu den syntaktischen Verhältnissen in selbstinitiierten
Selbstreparaturen im gesprochenen Deutsch wurden seit Ende der 1990er Jahre
von Uhmann (1997a, 1997b, 2001, 2006) durchgeführt. Damit war auch für das
Deutsche der Grundstein gelegt, der zitierten Forderung von Schegloff/Jeffer-
son/Sacks (1977:381) nach der Entwicklung einer linguistischen Theorie der
Reparaturorganisation nachzukommen. Uhmann (2001) sieht die Retraktion in
einer Reparatur als syntaktisch bestimmtes Phänomen an. Die von Levelt (1983)
als gleichermaßen wohlgeformt eingeschätzten Reparaturvarianten beurteilt sie
differenzierter. Deutsche Beispiele für bestimmte Varianten (vgl. Uhmann
2001:386, Bsp. 15'), scheinen von unserer sprachlichen Intuition als ungramma-
tisch abgelehnt zu werden und in alltäglicher Kommunikation nicht aufzutreten.
Die Well-formedness Rule, die solche Reparaturen dennoch zulässt, sieht sie
folglich für das Deutsche als unterspezifiziert an. An diese Intuition anknüpfend
entwickelt Uhmann (2001) eine Regel für die syntaktische Gestaltung von Selbst-
reparaturen im Deutschen, die im Folgenden diskutiert werden soll.
gelangten
Phänomene der gesprochenen Sprache immer mehr in den Fokus linguistischer
Forschung. Arbeiten zum Wechselverhältnis von Syntax und Interaktion zeigten,
dass es sich bei selbstinitiierten Selbstreparaturen keineswegs um eine chaotische
Durchbrechung syntaktischer Strukturen handelt: "in effect there is a 'grammar of
repair' in English, a way to be fluently dysfluent" (Fox/Jasperson 1995:79). Viel-
mehr handelt es sich hierbei um hochgradig geordnete Phänomene, die innerhalb
des morphosyntaktischen Rahmens der jeweiligen Sprache operieren (vgl. z.B.
Fox/Hayashi/Jasperson 1996; Wouk 2005; Fox/Maschler/Uhmann 2009; Birkner/
Henricson/Lindholm/Pfeiffer 2010).
3. Theoretische Analyse der Extended Head Rule
Als entscheidendes Merkmal für die Retraktion innerhalb von Selbstreparaturen
identifiziert Uhmann (2001:388) den funktionalen Kopf einer Phrase, der das Re-
parandum c-kommandiert:
Head Rule: Self-repairs are preferred if the accomplishment of repair starts with
the repetition of the functional head which immediately c-commands the repair-
able.
Die Hypothese, dass Selbstreparaturen im Deutschen mit dem funktionalen Kopf
beginnen, der das Reparandum unmittelbar c-kommandiert, wird zentraler Dis-
kussionsgegenstand dieses Beitrags sein. Es folgen daher zunächst einige Bemer-
kungen zum theoretischen Konzept, das hinter der Präferenzregel steht, und zur
Terminologie, die zur Formulierung derselben verwendet wird. Um die Aussage
der Kopfregel angemessen beurteilen zu können, soll anschließend die Entstehung
der Extended Head Rule (EHR), Uhmanns endgültige Präferenzregel für die
4 Eigentlich handelt es sich um eine erneute Hinwendung zur empirischen Forschung, deren Be-
deutung ja bereits am Ende des 19. Jh. von der junggrammatischen Schule (z.B. Paul 1880)
betont wurde. Siehe auch Auer (1999:1f.) zur pragmatischen Wende in der Sprachwissen-
schaft.
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Durchführung selbstinitiierter Selbstreparaturen, die eine Weiterentwicklung der
Head Rule darstellt, aus einem theoretischen Blickwinkel nachvollzogen werden.
Die Head Rule stützt sich auf Grundannahmen der X-Bar-Theorie. Unter Beru-
fung auf Haegeman (1994) definiert Uhmann (2001:388) ihr wichtigstes theoreti-
sches Konzept, den funktionalen Kopf, folgendermaßen: "Functional heads are
those non-complex constituents in head position which (simplifying somewhat)
carry grammatical meaning" (Uhmann 2001:388). Als Beispiele für funktionale
Köpfe nennt Uhmann (2001:389f.) die Präposition in Präpositionalphrasen (PP),
den Determinierer in Nominal- bzw. Determiniererphrasen (NP, DP) und das fi-
nite Verb in Complementizerphrasen (CP). Funktionale Köpfe sind bei Uhmann
also allesamt overt realisierte Konstituenten der syntaktischen Struktur einer Äu-
ßerung. Diese Verwendung des Terminus "funktionaler Kopf" führt vor dem Hin-
tergrund anderer Studien zu funktionalen Köpfen zu einiger Verwirrung. Oftmals
wird nämlich in der Generativen Grammatikforschung unter diesem Begriff etwas
völlig anderes verstanden. Cinque (1999) geht beispielsweise davon aus, dass
Adverbialphrasen in der Spezifikatorposition von phonetisch nicht realisierten
funktionalen Köpfen stehen, wobei der Adverbtyp in semantischer Hinsicht dem
jeweiligen funktionalen Kopftyp (z.B. modal, temporal, aspektuell) entspricht.
Bale und Barner (2009:234) unterscheiden in Nominalphrasen zwischen einem
"count-noun functional head" und einem "mass noun functional head". Diese nicht
realisierten funktionalen Köpfe gehen Verbindungen mit lexikalischen Elementen
ein und bilden dadurch zählbare und nicht-zählbare Nomen. Die theoretischen
Auffassungen vom funktionalen Kopf in diesen beiden Studien weisen auf die
weit verbreitete Vorstellung vom funktionalen Kopf als phonetisch nicht
realisierter syntaktischer Einheit hin. Diese Sichtweise ist nicht mit dem Konzept
der EHR in Einklang zu bringen, dass der funktionale Kopf ein Teil der syntakti-
schen Oberfläche ist und als Startpunkt der Reparaturdurchführung genutzt wer-
den kann.
Der vorliegende Beitrag zielt auf die Analyse der Reparatursyntax im Deut-
schen vor dem Hintergrund der EHR ab und nicht auf die Diskussion verschie-
dener Konzeptionen des funktionalen Kopfes. Die obigen Bemerkungen sollen
daher lediglich dazu dienen, scheinbar ähnliche theoretische Konzeptionen von-
einander abzugrenzen und dadurch terminologischen Missverständnissen vorzu-
beugen. In der folgenden Analyse bezieht sich der Begriff 'funktionaler Kopf' aus-
schließlich auf Uhmanns Definition (2001:388).
Im Laufe von Uhmanns (2001) Analyse erfährt die ursprüngliche Head Rule
bestimmte Erweiterungen, weil sie sich mit manchen Reparaturen bzw. der intui-
tiven Bewertung konstruierter Reparaturbeispiele (z.B. Uhmann 2001:395, Bsp.
28b) als nicht kompatibel erweist. Diese Ausdehnung führt schließlich zur For-
mulierung der Extended Head Rule (EHR) (2001:395), der endgültigen Version
der Präferenzregel für Selbstreparaturen:
Extended Head Rule
(a) If the repairable Y is not a functional head, the self-repair preferably starts
with the repetition of the cascade of functional heads X1, … , Xn (n 1) which
immediately c-commands the repairable.
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(b) If the repairable Y is a functional head in a cascade of functional heads X1, … ,
Xn (n 1), then if Y X, [sic!]5
Die Formulierung der EHR wirft mehrere Probleme auf, deren Diskussion im
Zentrum des folgenden Abschnitts stehen wird. Zunächst sollen jedoch die Vor-
hersagen der EHR anhand einiger Beispiele verdeutlicht werden:
the self-repair preferably starts with the
repetition of X1 or its specifier; if Y = X1, the repair preferably starts with the
'new' X1 or its specifier.
Beispiel (1)
01 HH04: wir fahren viel in die GÖRle
02 da kann einem [das pasSIEren
03 I: [mhm
04 HH04: dass einem (-) .h ääh
05 dass man von mOrgens un: bis Abends (-)
06 im wald läuft und man TRIFFT nie[manden
07 I: <<p>[man trifft keinen>
Die Reparatur in (1) entfällt auf EHR (a), weil es sich beim Reparandum, dem In-
definitpronomen einem, nicht um einen funktionalen Kopf handelt. Im Anschluss
an die Reparaturinitiierung in Z. 04 durch eine Pause, kurzes Einatmen und das
Einfügen des Editing Terms ääh retrahiert der Sprecher zur Subjunktion dass und
ersetzt das Indefinitpronomen einem durch das Personalpronomen man. Diese
Selbstreparatur entspricht den Voraussagen der EHR (a), weil die Reparaturdurch-
führung mit der Wiederholung der Subjunktion dass beginnt, die als funktionaler
Kopf der Complementizerphrase fungiert.
Das nächste Beispiel entfällt auf die Bedingung Y = X1 der EHR (b), da es sich
beim Reparandum um einen funktionalen Kopf handelt und keine "Kaskade funk-
tionaler Köpfe" vorliegt:
Beispiel (2)
01 HH04: also das das SCHLIMme si’ (.) ist ja
02 dass dass man WEISS
03 wie manche dinge in diese gesetze geKOMmen sind
In (2) unterbricht der Sprecher das Finitum, vermutlich die Kopula sein in der 3.
Person Plural, so dass das Reparandum si- entsteht. Die darauf folgende Retrak-
tion geht direkt zum Reparandum, dem funktionalen Kopf der Complementizer-
phrase, um das Merkmal Numerus zu verändern. Es ist zu beachten, dass der
Sprecher HH04 den Spezifikator der Complementizerphrase das SCHLIMme nicht
mit in die Reparaturdurchführung einbezieht, was gemäß EHR (b) ebenfalls
zulässig wäre.
Die folgende Reparatur entfällt auf die Bedingung Y X1 der EHR (b), da es
sich beim Reparandum um einen funktionalen Kopf in einer "Kaskade funktiona-
ler Köpfe" handelt:
5 In der zweiten Zeile der EHR (b) liegt offenbar ein Druckfehler vor. Dieser Teil der Regel (b)
erscheint nur für die Bedingung YX1 sinnvoll, nicht aber für YX, da Y ja in jedem Falle ei-
nem X innerhalb der Kaskade funktionaler Köpfe entsprechen muss. In meiner Argumentation
werde ich deswegen von der Richtigkeit der Formulierung YX1 ausgehen.
Gesprächsforschung 11 (2010), Seite 190
Beispiel (3)
01 I: aber ich denk da in=der (.)
02 in=dem HAUPTgebäude
03 ich weiß nicht wer da ist
04 die theoLOgen hauptsächlich
In Übereinstimmung mit den Vorhersagen von EHR (b) geht die Retraktion in (3)
zur Präposition in, wobei das Reparandum (der definite Artikel der) als möglicher
Startpunkt der Reparaturdurchführung übersprungen wird. Die Reparaturdurch-
führung beginnt also mit dem ersten funktionalen Kopf der aus Präposition und
Determinierer bestehenden Kaskade, um das Reparandum der durch einen ande-
ren definiten Artikel mit verändertem Genus (dem) zu ersetzen.
Nach dieser kurzen Illustration der Vorhersagen der EHR können wir uns nun
der theoretischen Diskussion der EHR zuwenden. Im Wesentlichen werden hier
drei Veränderungen im Vergleich zur ursprünglichen Head Rule vorgenommen:
die Berücksichtigung des Falles, dass das Reparandum selbst ein funktionaler
Kopf ist,
die Einführung des Konzeptes der "Kaskade funktionaler Köpfe" und
die Einbeziehung des Spezifikators als möglicher Startpunkt der Reparatur-
durchführung.
Die erste Erweiterung lässt sich leicht nachvollziehen. Die Möglichkeit, dass das
Reparandum ein funktionaler Kopf ist, stellt einen Sonderfall dar, der mit der ur-
sprünglichen Head Rule noch nicht erklärt werden kann und deshalb in den er-
weiterten Regelentwurf mit einbezogen werden muss. Diesem Zweck dient Teil
(b) der EHR. Uhmann (2001:395) unterscheidet jetzt also den Fall, dass das Repa-
randum kein funktionaler Kopf ist, von dem Fall, dass das Reparandum ein funk-
tionaler Kopf ist. Durch diese Formulierung wird das Reparandum in EHR (b) mit
dem funktionalen Kopf gleichsetzt, der als "non-complex" (Uhmann 2001:388)
definiert ist. Damit wird die Möglichkeit ausgeschlossen, dass es sich beim Repa-
randum um eine komplexe Konstituente mit mehreren Wörtern (wie z.B. eine
Phrase) handelt. Wie sich zeigen wird (siehe Abschnitt 4.3), tauchen dadurch
Probleme hinsichtlich der Anwendbarkeit der EHR auf, da das Reparandum häu-
fig aus mehreren syntaktischen Elementen besteht.
Die zweite Erweiterung betrifft die Einführung des Konzepts der "Kaskade
funktionaler Köpfe":
A cascade of functional heads, X1, …, Xn (n 1), in which Y is embedded, is de-
fined as follows: The maximal projection of Xi+1 is a sister constituent of Xi (for all
i: i between 1 and n (1 i n)), and Y is part of the maximal projection of Xn.
(And if n = 1, this amounts to the provisional Extended Head Rule, above.) (Uh-
mann 2001:395).
Wenn man diese Definition der Kaskade konsequent auf alle funktionalen Köpfe
gleichermaßen anwendet, widerspricht folgendes Beispiel der EHR:
Beispiel (4) (aus Uhmann 2001:384)
01 X: und vorne drauf liegt ein grünes äh ein blaues dreieck
Gesprächsforschung 11 (2010), Seite 191
In (4) ist das Reparandum grünes Teil der maximalen Projektion sowohl des Arti-
kels ein als auch des Finitums liegt. Nach obiger Definition handelt es sich bei
liegt ein um eine Kaskade funktionaler Köpfe, so dass die Reparaturdurchführung
laut EHR (a) mit dem X1 der Kaskade (liegt) beginnen müsste. Uhmann betrachtet
Reparaturen wie (4) jedoch als regelkonform, da sich das Konzept der Kaskade
lediglich auf das hierarchische Verhältnis zwischen Präposition und Artikel in
Präpositionalphrasen beziehen soll (Uhmann, persönliche Mitteilung). Dies ist je-
doch aus obiger Definition nicht zu entnehmen.
Auch die dritte Erweiterung verdient eine ausführliche Betrachtung. Die EHR
(b) wird so formuliert, dass nunmehr nicht der funktionale Kopf allein die Retrak-
tion einer Reparatur bestimmt, sondern dass auch dessen Spezifikator als Retrak-
tionspunkt in Frage kommen kann. Diese Erweiterung wird beiläufig damit be-
gründet, dass der Spezifikator von seinem Kopf syntaktisch abhängt und von ihm
regiert wird (vgl. Uhmann 2001:392). Betrachtet man aber die syntaktischen Be-
ziehungen zwischen dem funktionalen Kopf und den anderen Konstituenten einer
Phrase, so reicht diese Begründung nicht aus, um daraus eine besondere Bedeu-
tung des Spezifikators für die Gestaltung der Reparaturstruktur abzuleiten: Nicht
nur der Spezifikator hängt vom Kopf einer Phrase syntaktisch ab, sondern auch
die Komplemente. Die Verbindung zwischen dem Spezifikator und dem Kopf ei-
ner Phrase ist in gewisser Hinsicht sogar weniger stark als die Verbindung zwi-
schen Kopf und Komplement, weil zwischen diesen eine Selektionsbeziehung be-
steht, zwischen Kopf und Spezifikator jedoch nicht. Das unmittelbare c-Kom-
mando, das in der EHR (a) die Beziehung zwischen funktionalem Kopf und Repa-
randum definiert und damit in der EHR von entscheidender Bedeutung für die
Vorhersage der Selbstreparaturstruktur ist, besteht nicht zwischen Spezifikator
und Reparandum (und ebenso wenig zwischen Spezifikator und funktionalem
Kopf). Eine Selbstreparatur, die mit dem Spezifikator beginnt, ist deshalb im
Rahmen einer Regel, die den funktionalen Kopf als entscheidendes syntaktisches
Merkmal betrachtet, nicht auf befriedigende Weise zu begründen.
Ein weiterer kritischer Punkt besteht darin, dass die beschriebene Spezifikator-
Erweiterung nur für Teil (b) der Regel vorgenommen wird, also für den Fall, dass
das Reparandum ein funktionaler Kopf ist. Teil (a) der EHR bleibt von dieser
Ausdehnung unberührt, obwohl Uhmann in ihren Ausführungen keine theoreti-
sche Unterscheidung zwischen den funktionalen Köpfen in EHR (a) und EHR (b)
vornimmt. Im Gegenteil: Die Wahl gleicher Variablen in beiden Teilregeln sugge-
riert identische konzeptionelle Voraussetzungen.
Bei der Beurteilung dieser einseitigen Regelerweiterung ist zu berücksichtigen,
dass die EHR nicht nur eine bloße empirische Generalisierung darstellt. Vielmehr
misst Uhmann dem funktionalen Kopf in verschiedener Hinsicht einen Erklä-
rungswert bei. Einerseits sieht Uhmann (2001:397) in Sprachen wie dem Deut-
schen, das aufgrund seiner freien Wortstellung dem Rezipienten keine "typischen
Muster" (wie SVO im Englischen) für das Parsing einer emergenten TCU bereit-
stellt, mögliche Vorteile in einer Orientierung an einem abstrakten Merkmal wie
dem funktionalen Kopf. Andererseits geht sie davon aus (vgl. 2001:398), dass der
funktionale Kopf auch für die adäquate Beschreibung anderer sprachlicher Akti-
vitäten wie z.B. Code-Switching relevant ist. Darüber hinaus nimmt Uhmann
(2006:198) an, dass Selbstreparaturen aufgrund ihrer Orientierung am funktiona-
len Kopf eine Rolle im Erstspracherwerb spielen können, weil sie dazu geeignet
Gesprächsforschung 11 (2010), Seite 192
sind, "Kindern Hinweise auf die syntaktische Struktur ihrer Muttersprache zu ge-
ben".
Die Frage, warum die Retraktion im einen Fall ausschließlich zum funktiona-
len Kopf gehen sollte, im anderen Fall aber auch optional zum Spezifikator gehen
kann, bleibt unbeantwortet. Vor dem Hintergrund der oben genannten Annahmen
zum theoretischen Status des funktionalen Kopfes in Uhmanns Regel erscheint die
unterschiedliche Behandlung desselben theoretischen Konzepts fragwürdig. Für
die weitere Diskussion des Spezifikator-Problems unter Einbeziehung empirischer
Ergebnisse sei auf die Abschnitte 4.2 und 4.3 verwiesen.
Wie bereits anfangs erwähnt (siehe Fußnote 1 zur Zusammenstellung des Un-
tersuchungskorpus), kann die EHR bestimmte Gruppen von Selbstreparaturen
Insertionen ohne klares Reparandum und Wiederholungen nicht fassen, weil sie
ein eindeutig identifizierbares Reparandum verlangt. Der enge Fokus der EHR,
auf den Uhmann explizit hinweist (2001:396), wird aber dadurch zum Problem,
dass Uhmann auch solche Reparaturen als regelkonform ansieht, die kein klares
Reparandum aufweisen und daher im Widerspruch mit der Formulierung der EHR
stehen. Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen nach der Reparaturinitiierung
Teile der ursprünglichen Äußerung nur wiederholt und nicht verändert werden. Es
ist äußerst problematisch, in solchen Reparaturen einen bestimmten Teil der ur-
sprünglichen Äußerung als Reparandum anzusehen, selbst wenn ein Wortabbruch
vorliegt:
Beispiel (5) (aus Uhmann 2001:383)
01 F: ich mein die g- die grenzgebiete gehen halt (ü) (.) ü:ber
02 ins: .hh (.) mh(h) religiöse oder so,
Beispiele wie (5) enthalten keinerlei Hinweise für eine Interpretation des abgebro-
chenen Wortes als Problemquelle. Über den Grund für die Reparaturinitiierung
kann in solchen Wiederholungen, in denen die ursprüngliche Äußerung in ihrer
Form nicht verändert wird, nur spekuliert werden: Probleme bei der Artikulation
des abgebrochenen Wortes kommen als Auslöser für die Reparatur genauso in
Betracht wie Probleme bei der Konzeptualisierung oder Formulierung eines Sach-
verhalts (die Zögerungssignale in der Verbpartikel in Z.1 und in der Präpositio-
nalphrase in Z.2 lassen diese Interpretation plausibel erscheinen) oder interaktio-
nale Motivationen wie die Sicherung der Aufmerksamkeit des Gesprächpartners
(vgl. Goodwin 1980 zur konversationellen Funktion von Neustarts und Wieder-
holungen am Turnbeginn) um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Bei Fällen
wie (5) handelt es sich zwar um Selbstreparaturen aber aufgrund der Unklarheit
über die zugrunde liegende Problemquelle und der daraus resultierenden Unmög-
lichkeit, diese mit einer syntaktischen Konstituente in Verbindung zu bringen,
nicht um solche Reparaturen, die von der EHR erfasst werden können.
Ein weiteres allgemeines Problem besteht darin, dass die EHR keine Aussage
zu Fällen macht, in denen der funktionale Kopf phonetisch nicht realisiert ist (wie
beim Plural des unbestimmten Artikels) oder in denen die Position des funktiona-
len Kopfes unbesetzt ist (wie in artikellosen Nominalphrasen). Welche Faktoren
bedingen die Reparaturstruktur, wenn das von der EHR postulierte einzige struk-
turbestimmende Merkmal nicht vorhanden ist? Zu dieser Frage wird von der EHR
keine Aussage gemacht, so dass auch diese Fälle nicht erfasst werden.
Gesprächsforschung 11 (2010), Seite 193
4. Empirische Überprüfung der Extended Head Rule
Nach den theoretischen Ausführungen zur EHR im letzten Abschnitt ist es das
Ziel der folgenden Datenanalyse, die Basis für eine empirisch fundierte Aussage
über die Annahmen der EHR zur strukturellen Gestaltung von Selbstreparaturen
im Deutschen zu schaffen. Die Analyse umfasst 262 selbstinitiierte Selbstrepara-
turen aus zwei informellen offenen Interviews, die auf insgesamt fünf Personen
(zwei Sprecherinnen und drei Sprecher) im Alter zwischen 28 und 65 Jahren aus
unterschiedlichen Dialektregionen und mit unterschiedlichem Bildungsgrad zu-
rückgehen. Die Gespräche (Gesamtdauer ca. 200 min) fanden in der Wohnung der
Informanten in einem informellen Rahmen statt. Der Gesprächsgegenstand war
nicht festgelegt, so dass ein lockerer und spontaner Austausch zustande kam.6
Zur Überprüfung der EHR wurden bestimmte Reparaturen, die der angeführten
Definition des Untersuchungsgegenstands entsprechen, von der Untersuchung
ausgeschlossen, weil sie von der EHR nicht erfasst werden.
7
Für die Gliederung der Regelüberprüfung bietet es sich an, beide Teilregeln ge-
sondert zu betrachten und jede Reparatur der EHR (a) oder der EHR (b) entweder
als bestätigendes (pro) oder als widersprechendes (kontra) Beispiel zuzuordnen.
Hierbei handelt es
sich um Substitutionen der Vorfeldkonstituente, bei der die Retraktion zum Be-
ginn des Satzes geht (bzw. gehen muss). Uhmann (2006:186) geht zwar davon
aus, dass die Reparatur mit dem Spezifikator beginnt, wenn es sich bei diesem um
das Reparandum handelt. Diese Vorhersage ist jedoch nicht aus der Kopfregel
herzuleiten, da sich EHR (b) nicht auf den Fall bezieht, dass der Spezifikator das
Reparandum ist. Die EHR macht also zum einen keine Aussage bezüglich der
Struktur dieser Reparaturen, zum anderen ist eine alternative Retraktionsstruktur
ohnehin nicht zu erwarten: Der Sprecher hat in diesen Fällen, wenn das Vor-Vor-
feld nicht besetzt ist, überhaupt nicht die Möglichkeit, zu irgendeiner anderen vo-
rausgehenden Konstituente zu retrahieren. Diese Fälle sollten aus formalen Grün-
den dennoch in eine zukünftige Regel zur Reparatursyntax aufgenommen werden.
4.1. Pro Extended Head Rule (a)
Auf die EHR (a) entfallen insgesamt 96 Reparaturen (37% des Gesamtkorpus),
wovon 39 Beispiele diese Teilregel bestätigen. Das bedeutet, dass die EHR (a)
41% der auf sie entfallenden Daten korrekt vorhersagen kann. Bei den Beispielen,
die der EHR (a) entsprechen, handelt es sich um Substitutionen (n = 33) in der
Nominal-/Determinierer-, Präpositional-, Verbal- und Complementizerphrase so-
wie Insertionen (n = 3) und Tilgungen (n = 3). Im Folgenden sollen eine Substitu-
tion, eine Insertion und eine Tilgung vorgestellt werden:
6 Die im vorliegenden Beitrag verwendeten Gesprächsdaten wurden im Rahmen des DFG-Pro-
jekts "Untersuchungen zur Struktur und Funktion regionalspezifischer Intonationsverläufe im
Deutschen (Dialektintonation)" erhoben, das von 1998 bis 2005 an den Universitäten Freiburg
und Potsdam durchgeführt wurde. Ich danke den Projektleitern Peter Auer und Margret Selting
sowie den Projektmitarbeitern Peter Gilles und Jörg Peters recht herzlich für die Bereitstellung
der Daten.
7 Siehe Abschnitt 1 zur Definition des Untersuchungsgegenstands und zu den Reparaturtypen,
die durch diese Definition ausgeschlossen werden.
Gesprächsforschung 11 (2010), Seite 194
Beispiel (6)
01 HH04: und die sitzen in einem GREmium zusammen (-)
02 und da lassen sich die KASsen (-) äh:
03 die KRANkenkassen die lassen sich da also
04 über=den TISCH ziehen
In (6) liegt eine Substitution vor, in der das Reparandum KASsen durch KRAN-
kenkassen ersetzt wird. Beim Nomen KASsen handelt es sich nicht um den funkti-
onalen Kopf der Phrase, so dass diese Reparatur auf Teil (a) der EHR entfällt. Die
EHR (a) wird durch dieses Beispiel bestätigt, weil der Sprecher gemäß der Vor-
hersage der EHR zum Kopf der Determiniererphrase, dem Determinierer die,
retrahiert und mit diesem die Reparaturdurchführung beginnt.
Beim nächsten Beispiel handelt es sich um eine Insertion:
Beispiel (7)
01 HH04: das (-) LIECHT aber (-)
02 MEI:ne ich dann mehr daran dass mir also
03 die vok(-) die PLATTdeutschen vokabeln
04 das ist ja auch (-)
05 ne (.) TEILweise nehme ich an auch ne eigene sprache
In (7) unterbricht der Sprecher die Produktion des Nomens, um ein Adjektiv ein-
zufügen. Es handelt sich um eine Reparatur mit syntaktischem Anker,8
In (8) liegt eine Tilgung des Adverbs noch vor. Der Sprecher retrahiert zum
unmittelbar vorangehenden Finitum wird als Kopf der Complemetizerphrase, wo
er die Reparaturdurchführung beginnt:
da HH04
nicht direkt zum Adjektiv-Slot retrahiert, sondern den Artikel in die Reparatur-
durchführung mit einbezieht. In dieser Reparatur fungiert das Adjektiv PLATT-
deutschen als Modifikator des Nomens vokabeln und präzisiert dieses. Bei sol-
chen Reparaturen, in denen ein Modifikator eingefügt wird, handelt es sich beim
modifizierten Element um das Reparandum. Solche Selbstreparaturen bezeichne
ich als modifizierende Insertionen.
Beispiel (8)
01 I-HH04: und sie meinen das wird noch nich so:
02 oder wird nich so richtig geNUTZT
Die Prozessierbarkeit der Tilgung seitens des Rezipienten erfordert, dass der
Sprecher in diesem Beispiel nicht direkt zum Slot des Reparandums (in diesem
Fall noch) retrahiert. Nur durch die Präsenz des syntaktischen Ankers wird kann
der Rezipient überhaupt erkennen, dass die Reparaturdurchführung im Vergleich
zur ursprünglichen Äußerung eine Tilgung enthält.
8 Der Begriff "Anker" (Auer und Pfänder 2007) bezeichnet das erste Wort in einer Sequenz
wiederholter Elemente, das den paradigmatischen Slot markiert, in welchem die Retraktion
stattfindet. Die Verwendung dieses Begriffs soll darauf hinweisen, dass das Recycling in sol-
chen Beispielen als ein Hilfsmittel betrachtet werden kann, dem Hörer die Integration einer
Veränderung in die ursprüngliche Äußerung zu erleichtern.
Gesprächsforschung 11 (2010), Seite 195
4.2. Kontra Extended Head Rule (a)
Im nächsten Abschnitt werden Beispiele aus der Gruppe von Reparaturen vorge-
stellt, die der EHR (a) widersprechen. Insgesamt handelt es sich um 57 Reparatu-
ren (59% der auf EHR (a) entfallenden Reparaturen). In dieser Gruppe sind haupt-
sächlich Substitutionen (n = 40), aber auch einige Insertionen (n = 13) und Til-
gungen (n = 4) enthalten. In den meisten Fällen (82%) geht die Retraktion in
Reparaturen, die der EHR (a) widersprechen, direkt zu einem reparaturbedürftigen
Inhaltswort.9
In (9) wird vorl (wahrscheinlich der Beginn des Infinitums vorlesen)
durch das Infinitum RUNterbeten ersetzt:
Beispiel (9)
01 HH04: also ich könnte ihnen also die kabiNETTSliste
02 heute auch nich mehr vorl=so [so RUNterbeten
03 I-HH04: [ja ja
Solche Reparaturen, bei denen die Retraktion nach der Reparaturinitiierung (in
diesem Fall liegt eine Kombination von Wortabbruch mit den Editing Terms so so
vor) nicht weiter zurückgeht als bis zur Grenze des zu reparierenden Inhaltswor-
tes, widersprechen regelmäßig der EHR (a). Die EHR sieht zwar die Möglichkeit
vor, dass der Sprecher direkt zu einem Reparandum retrahiert, allerdings nur,
wenn es sich dabei um einen funktionalen Kopf handelt. Die Möglichkeit einer ef-
fizienten Retraktion direkt zu einem reparaturbedürftigen Inhaltswort wird in der
EHR nicht berücksichtigt. Wenn es sich beim Reparandum um ein Inhaltswort
handelt, sagt die EHR vorher, dass zusätzlich auch ein funktionaler Kopf (in die-
sem Fall das finite Verb könnte) wiederholt werden muss. In vielen Reparaturen
an infiniten Verben, Nomen oder Adjektiven ist dies aber nicht der Fall, so dass
die EHR zentrale strukturelle Aspekte von Selbstreparaturen ausblendet.
Als weitere der EHR (a) widersprechende Retraktionspunkte (18%) dienen
Spezifikatoren des funktionalen Kopfes und weiter zurückliegende funktionale
Köpfe. Es folgt ein Beispiel für ersteren Fall:10
Beispiel (10)
01 i-mu05: ja:
02 geNAU
03 und der hat ja: ä:h
04 der hat sich da DRUCKT ge
Der EHR (a) zufolge müsste die Reparatur in (10), bei der die Partikel ja getilgt
wird, mit dem Finitum hat beginnen, das als funktionaler Kopf der CP (Comple-
mentizerphrase) fungiert. Tatsächlich beginnt sie aber mit SpecCP (Spezifikator
der Complementizerphrase), dem Pronomen der, welches das Vorfeld besetzt.
Hier stellt sich erneut die im theoretischen Teil dieses Beitrags bereits aufgewor-
fene Frage, warum die Retraktion zum Spezifikator in diesem Fall zur Vorfeld-
9 Finite Verben sind in dieser Gruppe nicht enthalten, da es sich bei diesen nach Uhmanns
(2001:388) Definition um funktionale Köpfe handelt.
10 In diesem Beispiel bezieht sich die Münchner Sprecherin i-mu05 auf einen Bekannten, der sich
vor Arbeit "gedrückt" hat.
Gesprächsforschung 11 (2010), Seite 196
konstituente eines Verbzweitsatzes nur in EHR (b) als mögliche Reparatur-
struktur angesehen wird. Zusätzlich zu den angeführten theoretischen Argumenten
widersprechen auch die empirischen Daten einer solchen einseitigen Erweiterung
der Regel und belegen, dass die EHR bestimmte von Sprechern verwendete
Strukturen nicht erklären kann. Auch im nächsten Beispiel findet die
Reparaturdurchführung mit syntaktischem Anker statt:
Beispiel (11)
01 mu05a: äh is der (.) ZWOAte stock is der speicher ausgebaut
02 i-mu05: ja
In (11) geht die Retraktion zum Finitum is, bei dem es sich nach Uhmanns Defi-
nition (2001:388) um einen funktionalen Kopf handelt. Allerdings steht zwischen
dem Reparandum ZWOAte stock und dem Retraktionspunkt noch der funktionale
Kopf der der Determiniererphrase, der das Reparandum ZWOAte stock unmittel-
bar c-kommandiert. Die Retraktion in dieser Reparatur erfolgt aber über diesen
funktionalen Kopf hinaus zum Finitum in Spitzenstellung und widerspricht so-
mit der EHR (a).
Im Folgenden sollen abschließend noch die Insertionen und Tilgungen disku-
tiert werden, die dem Teil (a) der EHR widersprechen. Bei modifizierenden In-
sertionen zeigen Sprecher eine starke Tendenz, zur Position direkt vor dem Repa-
randum d.h. direkt zur Position, an der die Insertion stattfinden soll zu retra-
hieren:
Beispiel (12)
01 HH04: also wenn=ich an meine TÖCHter denke (-)
02 nech von daher (.) ha=hab=ich das MIT=äh (.)
03 so=n BISSchen miterlebt
In (12) soll das Infinitum miterlebt näher bestimmt werden. Dazu unterbricht der
Sprecher die Äußerung noch innerhalb des Reparandums, woraufhin die anschlie-
ßende Retraktion laut EHR (a) zum vorangehenden funktionalen Kopf gehen
müsste. Entgegen der Kopfregel retrahiert der Sprecher aber zur Position direkt
vor dem Reparandum, um eine Verschmelzungsform aus Partikel und
Determinierer so=n sowie das Numerale BISSchen einzufügen, die zusammen die
Funktion eines Adverbs erfüllen. Das folgende Beispiel enthält eine Tilgung:
Beispiel (13)
01 HH04: nech und das DARF man nicht
02 das [is also] sch äh verBOten
03 I-HH04: [mh mh ]
In (13) liegt das abgebrochene Wort sch als Reparandum vor. Vermutlich handelt
es sich bei diesem postalveolaren Frikativ entweder um den Anfang des Adverbs
Gesprächsforschung 11 (2010), Seite 197
strengstens oder des Adverbs schon, das getilgt werden soll.11
4.3. Pro Extended Head Rule (b)
Die Retraktion geht
entgegen der EHR (a) nicht zum funktionalen Kopf ist. Stattdessen "überschreibt"
der Sprecher das Reparandum, ohne einen Teil der ursprünglichen Äußerung zu
wiederholen. Solche Tilgungen, bei denen direkt zum Reparandum retrahiert wird
und nicht zu einem früheren Punkt in der Äußerung, sind nur dann vom Rezipi-
enten prozessierbar, wenn der Abbruchpunkt innerhalb des Reparandums liegt, so
dass dieses als Gegenstand der Tilgung erkenntlich wird. Wird erst an der Wort-
grenze abgebrochen, so muss ein Teil der ursprünglichen Äußerung wiederholt
werden, damit die Reparaturdurchführung nicht als bloße Fortsetzung der Rede
(und die Editing Phase nicht als Wortsuche) interpretiert wird (siehe Bsp. 8).
Alle Reparaturen, bei denen das Reparandum ein funktionaler Kopf im Sinne
Uhmanns (2001:388) ist, entfallen auf die EHR (b). Es handelt sich hierbei um
insgesamt 166 Reparaturen (63% des Gesamtkorpus), von denen 152 Beispiele
der EHR (b) folgen. Das bedeutet, dass die Voraussagen der EHR (b) von 92%
der auf sie entfallenden Reparaturen erfüllt werden. Diese Beispiele lassen sich
danach einteilen, ob die Retraktion zum funktionalen Kopf (n = 130) oder zum
Spezifikator (n = 22) geht.
Wir werden zunächst erstere Gruppe betrachten:
Beispiel (14)
01 i-mu05: und .h des is jetz heut mei: äh des FÜNFte gespräch
In (14) retrahiert die Sprecherin gemäß der EHR (b) zum Possessivartikel mei,
dem funktionalen Kopf der Nominalphrase, um ihn durch den definiten Artikel
des zu ersetzen. Beim nächsten Beispiel handelt es sich um eine Reparatur in der
Präpositionalphrase:
Beispiel (15)
01 HH04: wir haben ja keinen einfluss auf das (-)
02 auf die entSTEhung der gesetze
In (15) bricht der Sprecher unmittelbar nach der Produktion des Artikels ab, um
anschließendbeginnend mit der Präposition aufdie Reparatur durchzuführen,
die in der Veränderung des Genus des finiten Artikels besteht.
11 Dass dem so ist, lässt sich natürlich nicht mit absoluter Sicherheit sagen. Diese Reparatur wird
dennoch als Beispiel angeführt, weil sie
(1) auch für den Fall der EHR (a) widerspricht, dass es sich beim abgebrochenen Wort um ein
prädikatives Adjektiv handelt, das durch verboten substituiert wird und
(2) eine interessante strukturelle Variante der Tilgung darstellt, die meines Wissens für das
Deutsche noch nicht beschrieben wurde.
Solche Fälle, in denen das Reparandum nicht sicher zu rekonstruieren ist, deuten auf ein weite-
res allgemeines Problem der EHR hin: Wenn das Reparandum nicht sicher rekonstruiert wer-
den kann, besteht auch Unklarheit über dessen syntaktische Position, so dass die EHR auf diese
Fälle nicht angewandt werden kann.
Gesprächsforschung 11 (2010), Seite 198
In beiden Phrasentypen ist also der Determinierer das Reparandum, wobei die
Retraktion in der Nominalphrase direkt zum Reparandum geht, in der Präpositio-
nalphrase aber zur Präposition. In Fällen wie (15) wird der Determinierer als
möglicher Startpunkt für die Reparaturdurchführung regelmäßig ignoriert. Dieser
Beobachtung trägt Uhmanns "Kaskade funktionaler Köpfe" (2001:395) Rech-
nung, die in Phrasen mit mehreren aufeinander folgenden funktionalen Köpfen
den ersten funktionalen Kopf als Startpunkt für die Reparaturdurchführung vor-
hersagt (siehe die Abschnitte 3 und 4.4 zur kritischen Diskussion dieses Kon-
zepts).
In den obigen Beispielen (14) und (15) ging die Retraktion direkt zum funktio-
nalen Kopf, der gleichzeitig das Reparandum darstellte. Die EHR (b) lässt aber
auch Retraktionen zum Spezifikator des zu reparierenden funktionalen Kopfes zu
(n = 22; 13% der auf EHR (b) entfallenden Reparaturen):
Beispiel (16)
01 HH04: die kam äh (.)
02 die kommt aus sachsen ANhalt
In (16) retrahiert der Sprecher nicht zum Reparandum, dem Verb kam, sondern
zum Pronomen die, dem SpecCP (Spezifikator der Complementizerphrase).
In der Diskussion der Spezifikator-Erweiterung (siehe Abschnitt 3) wurde be-
reits auf die Problematik hingewiesen, die diese Ausdehnung von EHR (b) aus ei-
ner theoretischen Perspektive mit sich bringt. In empirischer Hinsicht führt die
Spezifikator-Erweiterung dazu, dass Reparaturen wie (16), in denen der Abbruch-
punkt innerhalb oder nach der linken Verbklammer liegt, den Vorhersagen von
EHR (b) nicht widersprechen können: Sowohl das Finitum als auch der Spezifi-
kator im Vorfeld werden in EHR (b) als mögliche Startpunkte für die Reparatur-
durchführung angesehen. Durch das Einbeziehen der Retraktionen zum Spezifi-
kator scheint die EHR (b) statistisch gesehen eine erhöhte Erklärungskraft zu be-
sitzen, jedoch erleidet sie in diesen Fällen durch die fehlende Orientierung am
funktionalen Kopf in Wirklichkeit eine Schwächung der Aussagekraft.
Bei bestimmten Beispielen, die bei oberflächlicher Betrachtung die Voraussa-
gen der EHR (b) erfüllen, stößt man auf Probleme bei der Anwendung der EHR.
Wie aus ihrer Formulierung hervorgeht, bezieht sie sich ausschließlich auf nicht
komplexe Reparanda (siehe Abschnitt 3). Uhmann betrachtet dessen ungeachtet
auch Beispiele, in denen eine Phrase als Reparandum auftritt, als regelkonform:
Beispiel (17) (Uhmann 2006:192)
01 S: irgendwie in der (.) R[ATHAUS* ] eh quatsch nee
02 L: [räuspern]
03 S: in den CITYarkaden.
Es ist natürlich richtig, dass wie Uhmann (2006:192) erläutert die Flexions-
morphologie des Deutschen in manchen Fällen die Einbeziehung des Determi-
nierers in die Reparaturdurchführung zur Herstellung von Kongruenz fordert. In
(17) könnte man deshalb argumentieren, dass das reparaturbedürftige Nomen der
eigentliche Auslöser für die Reparatur des Determinierers ist. Das ändert jedoch
Gesprächsforschung 11 (2010), Seite 199
nichts daran, dass das Reparandum gerade wegen der zwischen ihnen bestehenden
Kongruenzbeziehung aus Determinierer und Nomen besteht und somit als
komplexes Reparandum die formalen Kriterien der EHR nicht erfüllt. Auch im
folgenden Fall liegt ein komplexes Reparandum vor:
Beispiel (18)
01 I-HH04: ach sie meinen jetzt die po
02 DEN politikern fällt nichts ein
Beispiele wie (18) unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt von Reparaturen
wie (17): Das Nomen ist in diesen Fällen nicht der Auslöser für die Reparatur-
durchführung. In (18) ändert sich offenbar bei der Planung der Äußerung die Va-
lenzstruktur des Satzes von der Veränderung des Kasus sind Artikel und Nomen
gleichermaßen betroffen. Abgesehen von reparierten Nominalphrasen finden sich
auch Beispiele im Korpus, bei denen das Reparandum Teile eines Komplement-
satzes umfasst:
Beispiel (19)
01 HH04: wobei die illegalität eigentlich DArin bestand .hh
02 dass er verSCHWIEgen hat (-)
03 dass er mit diesen holländischen gesellschaften (-)
04 dass ER dahinter steht
In (19) wird der Beginn des Objektsatzes dass er mit diesen holländischen gesell-
schaften vor der Produktion eines Verbs abgebrochen und durch die neue, voll-
ständige Version des Komplementsatzes dass ER dahinter steht ersetzt. Dieses
Beispiel liefert weitere Evidenz dafür, dass eine umfassende Beschreibung und
Erklärung von Reparaturstrukturen ohne die Berücksichtigung komplexer Repa-
randa nicht möglich ist.
Versucht man unter Inkaufnahme des dargestellten Widerspruches die EHR
auf Beispiele wie (18) und (19) trotz des komplexen Reparandums anzuwenden,
so bleibt unklar, ob diese der EHR (a) oder (b) zugeordnet werden sollten, da die
komplexen Reparanda in allen obigen Beispielen (mindestens) einen funktionalen
Kopf und (mindestens) ein lexikalisches Element enthalten. Das Problem komple-
xer Reparanda betrifft insgesamt 24 Fälle (9% des Gesamtkorpus).
4.4. Kontra Extended Head Rule (b)
Die EHR (b) steht mit insgesamt 14 Reparaturen, also mit 8% der auf sie entfal-
lenden Beispiele, in Konflikt. Diese recht kleine Gruppe von Reparaturen, die sich
ausschließlich aus Substitutionen zusammensetzt, ist strukturell sehr heterogen, so
Gesprächsforschung 11 (2010), Seite 200
dass hier nur die größte Untergruppe (n = 4) vorgestellt werden soll.12
In diesen
Beispielen geht die Retraktion zu einem funktionalen Kopf, der dem Reparandum
direkt vorangeht:
Beispiel (20)
01 HH04: bei diesen kassenärztlichen verRECHnungsstellen
02 (-)
03 da weiß der (-)
04 weiß die KRANkenkasse nicht (.)
05 hat der arzt die leistung erBRACHT
06 der patient weiß es AUCH nicht
Diese Reparatur verletzt die Vorhersagen der EHR (b), weil der Sprecher den
funktionalen Kopf der nicht direkt durch den neuen Determinierer die ersetzt,
sondern als Startpunkt für die Reparaturdurchführung das Finitum weiß wählt.
Dieses Beispiel erfüllt im Prinzip die formalen Bedingungen für Uhmanns "Kas-
kadenregel" (siehe auch Bsp. 4 und 15). Uhmann geht jedoch davon aus, dass die
Gültigkeit dieser Regel auf Präpositionalphrasen beschränkt ist (Uhmann, persön-
liche Mitteilung), was zu einem Dilemma führt: Wendet man die "Kaskadenregel"
so an, wie sie formuliert ist, handelt es sich bei (20) um ein regelkonformes Bei-
spiel. Wendet man die "Kaskadenregel" in Uhmanns Sinne nur auf Präpositional-
phrasen an, kann (20) nicht als regelkonformes Beispiel gewertet werden. Ange-
sichts der vielen Beispiele, die der EHR widersprechen würden,13
Bei der Überprüfung der EHR ist deutlich geworden, dass beide Teilregeln
nicht nur in theoretischer, sondern auch in empirischer Hinsicht als problematisch
anzusehen sind. Es liegen für beide Teilregeln verschiedene Typen von Gegenbei-
spielen vor, wobei EHR (b) insgesamt mehr zutreffende Voraussagen macht als
EHR (a). Im Folgenden soll das Verhältnis zwischen den beiden Teilregeln etwas
genauer beleuchtet werden.
wenn man von
einer generellen Gültigkeit der "Kaskadenregel" auch außerhalb der Präpositio-
nalphrase ausgehen würde, wurden die recht seltenen Fälle wie (20) als Verstöße
gegen EHR (b) gewertet.
5. Empirisches Ungleichgewicht zwischen den Teilregeln
Die Bezeichnung "empirisches Ungleichgewicht" bezieht sich im Hinblick auf die
beiden Teile der EHR auf zweierlei Aspekte. Zum einen ist damit die ungleiche
quantitative Verteilung der Reparaturen auf die beiden Teilregeln gemeint: Auf
die EHR (a) entfallen 37% des EHR-Korpus, auf die EHR (b) hingegen 63%.
12 Die weiteren Untergruppen sind:
- Retraktionen zu einem Element im Vor-Vorfeld der Äußerung bei Reparaturen am Fini-
tum in Verbzweitstellung (n = 3)
- Retraktionen zu Adverbien (n = 3)
- Retraktionen zum Determinierer bei Reparaturen in der Präpositionalphrase (Missachtung
der Kaskadenregel) (n = 2)
- Substitution einer abgebrochenen Präpositionalphrase durch einen Relativsatz (n = 2).
13 Hierbei würde es sich vor allem um Reparaturen in einer auf das Finitum folgenden Nominal-
phrase handeln, in denen die Retraktion nur bis zum Determinierer geht (siehe Bsp. 4).
Gesprächsforschung 11 (2010), Seite 201
Diese Ungleichverteilung zugunsten der EHR (b) ist in erster Linie auf die große
Anzahl an Reparaturen zurückzuführen (33% des Korpus), die am Finitum durch-
geführt werden, das nach Uhmanns Definition (2001:388) als funktionaler Kopf
anzusehen ist.
Insgesamt betrachtet sagt die EHR 73% der Reparaturen korrekt vorher. Dieses
Gesamtergebnis täuscht aber über den zweiten Aspekt empirischen Ungleichge-
wichts hinweg, der sich bei einer Überprüfung der EHR zeigt. Das Hauptproblem
der EHR besteht nämlich darin, dass die Vorhersagen der beiden Teilregeln in
sehr unterschiedlichem Maße mit den tatsächlich durchgeführten Reparaturstruk-
turen übereinstimmen: EHR (a) kann nur 41% der auf sie entfallenden Reparatu-
ren erklären; die Vorhersagen von EHR (b) sind in 92% aller Fälle zutreffend.
Abb. 2: Gesamtverteilung der Reparaturen pro EHR und kontra EHR
Abb. 3: Verteilung der Reparaturen pro EHR (a) und kontra EHR (a)
Abb. 4: Verteilung der Reparaturen pro EHR (b) und kontra EHR (b)
Für diesen großen Unterschied bezüglich der Bestätigung der beiden Teilregeln
sind vor allem zwei Gründe verantwortlich. Erstens bewirkt der zusätzliche Re-
traktionspunkt in EHR (b), die den Spezifikator des funktionalen Kopfes als re-
gelkonformen Startpunkt für Reparaturdurchführungen einschließt, dass mehr
73%
27%
pro EHR
kontra EHR
41%
59% pro EHR (a)
kontra EHR (a)
92%
8%
pro EHR (b)
kontra EHR (b)
Gesprächsforschung 11 (2010), Seite 202
Beispiele von der EHR erfasst werden können. Es wurden bereits theoretische Ar-
gumente angeführt (siehe Abschnitt 3), warum die Spezifikator-Erweiterung für
eine Regel, die den funktionalen Kopf als entscheidendes Kriterium für die Re-
traktion ansieht, generell abgelehnt werden muss. Darüber hinaus lieferte die em-
pirische Analyse zusätzliche Argumente gegen die einseitige Erweiterung der
EHR. Einerseits führt die Spezifikator-Erweiterung häufig dazu, dass der EHR (b)
widersprechende Reparaturstrukturen unmöglich werden (siehe Abschnitt 4.3,
Bsp. 16). Andererseits retrahieren auch auf Teil (a) entfallende Reparaturen zum
Spezifikator des funktionalen Kopfes, der das Reparandum unmittelbar c-kom-
mandiert (n = 5; siehe Abschnitt 4.2, Bsp. 10). Es handelt sich also nicht nur um
eine allgemeine Schwächung der Erklärungskraft der EHR durch das Einbeziehen
des Spezifikators, sondern es liegt auch eine inkonsistente einseitige Ausdehnung
der EHR im Speziellen vor, die wenn auch nicht in besonders starkem Ausmaß
zum Ungleichgewicht beiträgt.
Zweitens ist es auffallend, dass 82% der Kontra-EHR(a)-Reparaturen nicht er-
klärt werden können, weil der Sprecher direkt zum Reparandum (bzw. bei modifi-
zierenden Insertionen zur Position direkt vor dem Reparandum) retrahiert. Solche
Retraktionen, die eine schnellere Behandlung interaktionaler Probleme ermögli-
chen können, sind nämlich nur dann regelkonform, wenn es sich beim Reparan-
dum um einen funktionalen Kopf handelt: Reparaturen mit Retraktion zum Repa-
randum, die auf EHR (b) entfallen, bestätigen diese ausnahmslos. Dieselbe Re-
traktionsstruktur ist für EHR (a) nicht möglich: Alle auf sie entfallenden Repara-
turen mit Retraktion zum Reparandum widersprechen ihr, da das Reparandum in
diesen Fällen niemals ein funktionaler Kopf ist.
Es zeichnet sich demzufolge im Korpus eine ökonomische Tendenz ab, die mit
den Vorhersagen von EHR (b), nicht aber mit denen von EHR (a) zu vereinbaren
ist. Dieser Umstand ist in entscheidendem Maße verantwortlich für das empiri-
sche Ungleichgewicht zwischen den Teilregeln.
6. Fazit und Ausblick
Insgesamt haben sich bei der theoretischen und empirischen Analyse der EHR vor
allem folgende Punkte als problematisch erwiesen:
Die fehlende Berücksichtigung von Retraktionen zum Reparandum in EHR(a)
Die Einführung des Spezifikators als möglichen Startpunkt in EHR (b)
Die fehlende Berücksichtigung von komplexen Reparanda sowie von Repara-
turen ohne eindeutiges Reparandum (z.B. Wiederholungen) in EHR
Die Einschränkung der Gültigkeit der Kaskaden-Regel auf Präpositional-
phrasen
Die Analyseergebnisse lassen Zweifel daran aufkommen, dass es sich beim funk-
tionalen Kopf wirklich um das entscheidende Kriterium für die Gestaltung der
Reparaturstruktur handelt. Das starke empirische Ungleichgewicht zwischen den
Teilregeln und die verschiedenen Reparaturstrukturen, die der EHR widerspre-
chen oder nicht von ihr erfasst werden, legen nahe, dass bei der Herausbildung der
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Reparaturstruktur andere Faktoren eine Rolle spielen, die in der EHR nicht be-
achtet werden.
Uhmann schließt durch die Formulierung der EHR als "Präferenzregel" nicht
aus, dass die Reparaturstruktur in einzelnen Fällen von den Voraussagen der EHR
abweichen kann jedoch sollten Regelverletzungen zwei Bedingungen erfüllen:
"Sie sollten entweder intuitiv unnatürlich, und/oder auch quantitativ deutlich sel-
tener sein als Selbstreparaturen, die die Präferenz-Kopfregel beachten" (Uhmann
2006:190). Entgegen dieser Voraussage hat die Analyse gezeigt, dass alle Selbst-
reparaturen in meinem Korpus uneingeschränkt ihre Funktion in der Konversation
erfüllen, ohne dass irgendeine Reaktion der Teilnehmer oder die Intuition als
Rechtfertigung dienen könnte, bestimmte Reparaturstrukturen als unnatürlich an-
zusehen. Zudem treten Abweichungen von der EHR (a) häufiger auf (59%) als
Bestätigungen der EHR (a) (41%), so dass vor dem Hintergrund der vorliegenden
Studie beide zitierten Annahmen zurückgewiesen werden müssen.
Angesichts ihres häufigen Auftretens im Sprachgebrauch sollten Retraktionen
direkt zu reparaturbedürftigen Inhaltswörtern nicht als Verstöße gegen EHR (a),
sondern als zentrale strukturelle Bestandteile des Reparatursystems angesehen
werden. Uhmann (2006:193) weist zwar darauf hin, dass der Verzicht auf eine
Retraktion zum funktionalen Kopf eine Option ist, die "funktional effektiv" ist,
jedoch trifft diese Beschreibung der von EHR (a) abweichenden Reparaturstruktu-
ren als funktional zweckmäßig auch auf alle anderen vorliegenden Reparatur-
strukturen zu, die wie oben erwähnt allesamt ihre interaktionale Funktion er-
füllen. In der häufigen Retraktion zum Reparandum kommt nicht nur eine funkti-
onal effektive Struktur zum Vorschein, sondern vielmehr eine ökonomische Ten-
denz zur Verringerung der Retraktionsspanne. Diese effiziente Alternative scheint
angesichts der geringen Erkärungskraft von EHR (a) wichtiger zu sein, als
Uhmann einräumt.
Mit der Charakterisierung von Retraktionen direkt zum Reparandum als effizi-
ente Reparaturstrukturen soll weder gesagt sein, dass Reparaturen mit größerer
Retraktionsspanne generell weniger effizient sind, noch dass es sich bei dieser
ökonomischen Tendenz um den einzig relevanten funktionalen Faktor handelt.
Diese Beobachtung soll vielmehr als exemplarischer Beleg für die Existenz funk-
tionaler Faktoren dienen, die die Struktur bestimmter Typen von Selbstreparaturen
beeinflussen. Man betrachte folgendes Beispiel:
Beispiel (21)
01 i-mu05: also [des is einfach zu ZEITaufwendich ]
02 mu05b: [könn=se höchstens ne (.) ne ]KAtze nehmen
03 die auf=s KAtzenko (.) klo geht
Unabhängig von der Wortart des Reparandums und dessen syntaktischer Umge-
bung liegen in phonologischen Korrekturen mit großer Regelmäßigkeit ein früher
Abbruch und eine kleine Retraktionsspanne vor die Retraktion in (21) geht so-
gar nur bis zur Grenze des Kompositums. Retraktionen zum Reparandum sind
also nicht als Ausreißer aus einem rigiden formalen Schema anzusehen, sondern
als zentraler Bestandteil eines durch Funktionalität geformten Reparatursystems,
in dem Effizienz eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Die Bedeutung dieses
funktionalen Faktors ist bei bestimmten Reparaturtypen wie der Korrektur von
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Versprechern, die häufig mit einer Retraktion direkt zum Reparandum verbunden
sind, besonders deutlich zu erkennen. Die besondere Wichtigkeit effizienter Repa-
raturdurchführungen liegt in diesen Fällen auf der Hand, da nicht korrigierte pho-
nologische Fehler schnell zur Unverständlichkeit der Äußerung und damit zu er-
heblichen interaktionalen Problemen führen könnten.
Die Ergebnisse der theoretischen und empirischen Analyse der EHR machen
deutlich, dass eine Beschreibung der Struktur von Selbstreparaturen wenig Erfolg
versprechend ist, wenn sie sich lediglich auf ein einziges syntaktisches Merkmal
stützt. Eine Erklärung des Selbstreparatursystems in seiner Gesamtheit erscheint
nur dann möglich, wenn strukturbestimmende Faktoren aus verschiedenen Berei-
chen berücksichtigt werden. Um der Selbstreparatur als Phänomen an der Schnitt-
stelle von Interaktion, Kognition und Syntax gerecht zu werden, sollte ein Erklä-
rungsansatz zur Reparaturstruktur Überlegungen aus all diesen Bereichen verbin-
den. Das bedeutet, dass funktionale Faktoren wie z.B. Effizienz oder Pro-
zessierbarkeit (siehe Bsp. 8 und 13) genauso einbezogen werden müssen wie
syntaktische Faktoren. Die Bedeutung letzterer Faktoren kann durch Selbstrepa-
raturen an Verben in Verbletztstellung veranschaulicht werden (siehe Abschnitt
4.2, Bsp. 9). Unabhängig davon, ob es sich bei einem Reparandum im Verbal-
komplex um ein infinites oder ein finites Verb handelt (nur letztere werden von
Uhmann als funktionale Köpfe angesehen), geht die Retraktion in diesen Bei-
spielen zumeist nicht zu einer vorangehenden Konstituente innerhalb der syntakti-
schen Konstruktion, sondern direkt zum Reparandum. Für finite Verben wird
diese Reparaturstruktur von EHR (b) vorhergesagt, wohingegen die Retraktion zu
einem Infinitum in Verbletztstellung der EHR widerspricht, da die Retraktion in
diesem Fall laut EHR zum vorausgehenden funktionalen Kopf gehen müsste. Im
Gegensatz zur EHR, die nur eine Struktur korrekt vorhersagt, kann das topologi-
sche Feldermodell (vgl. Drach 1937) zur Erklärung beider Strukturen herangezo-
gen werden: Offenbar ist die syntaktische Grenze zwischen der rechten Verb-
klammer und dem Mittelfeld so stark, dass sie bei der Durchführung von Retrak-
tionen in der Reparaturdurchführung nur äußerst selten übersprungen wird.
Der vorliegende Beitrag hat vor dem Hintergrund der Analyse der EHR eine
Reihe von Fragen aufgeworfen, die große Herausforderungen für die Entwicklung
künftiger Erklärungsmodelle zur Selbstreparaturstruktur darstellen. Dazu zählt
neben weiterführenden Überlegungen zur Position des Retraktionspunktes auch
die Berücksichtigung komplexer Reparanda sowie die Integration weiterer Selbst-
reparaturtypen (z.B. alle Arten von Insertionen und Wiederholungen), die von der
EHR nicht erfasst werden. Diese Anforderungen werden nicht allein dadurch er-
füllt werden können, dass die EHR konsistenter formuliert wird, um einen be-
stimmten Teil ihrer Probleme zu beheben. Vielmehr deuten die Ergebnisse darauf
hin, dass ein rein strukturorientiertes Erklärungsmodell grundsätzlich zu kurz
greift. Vor dem Hintergrund dieser Studie erscheint die Entwicklung eines adä-
quaten Erklärungsmodells nur dann möglich, wenn es sowohl den sprachspezifi-
schen syntaktischen Faktoren als auch den interaktionalen bzw. kognitiven funkti-
onalen Faktoren Rechnung trägt, die zur Herausbildung der Reparaturstruktur
beitragen.
Gesprächsforschung 11 (2010), Seite 205
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Martin C. Pfeiffer
Hermann Paul School of Language Sciences
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Deutsches Seminar Germanistische Linguistik
Belfortstr. 16
79085 Freiburg
martin.pfeiffer@hpsl.uni-freiburg.de
Veröffentlicht am 7.3.2011
Copyright by GESPRÄCHSFORSCHUNG. Alle Rechte vorbehalten.
... In addition to several theoretical problems concerning the formulation of the Extended Head Rule, empirical counter-evidence also suggests that the emerging structure of self-repair is influenced by not only syntactic, but also important functional motivations (cf. Pfeiffer, 2008Pfeiffer, , 2010. Nevertheless, the importance of Uhmann's (2006) analyses for the present investigation is the finding that carrying out self-repair in German prepositional phrases usually starts with the preposition, while systematically ignoring the determiner as a possible point of retraction. ...
... The grammatical information projected by the form of the German determiner often has to be revised when the ''new'' intended noun no longer matches the projected one (cf. Uhmann, 2006;Pfeiffer, 2010). When such a repair is carried out, the preferred point of repair initiation is directly after the repairable, i.e., the determiner. ...
Article
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This article presents the results of a German–Swedish comparative study on retractions in self-repair within prepositional phrases. Retraction, i.e., when a speaker returns to an earlier point within an unfolding grammatical structure, is a common resource used by both German and Swedish speakers when completing such actions as substituting, deleting, inserting, or repeating parts of an utterance. However, this resource is not necessarily used in the same ways in German and Swedish. Typological differences in the languages, such as word order and morphosyntactic characteristics, can affect the pattern of retraction (cf. 0055 and 0065). This paper examines whether grammatical differences in German and Swedish influence the retraction patterns in these languages.
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This study from the field of interactional linguistics deals with the structure of self-initiated self-repair in German. Based on over 2,500 self-repairs from spontaneous interaction, it develops a highly predictive model that explains the destination of recycling as the outcome of a struggle between competing motivations. The most important motivation that shapes the structure of self-repair is rapidity, a factor closely linked to the conversational preference for progressivity. Speakers tend to carry out self-repair as quickly as possible, often choosing the minimal span of retraction, that is, going back directly to the repairable. When speakers go back beyond the repairable, this can often be explained by other motivations, such as ensuring the processability of the repair for the recipient or, in line with previous research on the syntax of self-repair, preserving a tight syntactic bond between the constituents. On the one hand, the study demonstrates that the destination of recycling in self-repair allows insights into the syntax of German in a general sense. On the other hand, it shows that grammatical factors are not sufficient for comprehensively explaining the destination of recycling in German. Rather, the structure of self-repair seems to be shaped by an interplay of grammatical, interactional and cognitive factors.
Book
Studies in Interactional Linguistics have provided impressive evidence of the systematic use of vocal, verbal, and visual resources in social interaction. While members of the field have discussed what role these resources play in a grammar of social interaction, they have focused primarily on lexico-syntactic structures. The contributions to the present volume, however, focus on prosody and embodiment, exploring the role prosody plays in interactional meaning-making and how visual-spatial resources such as gesture and gaze relate to the use of verbal and vocal resources. This volume includes contributions on Danish, English, French, German, and Swedish interaction, with a primary focus on Interactional Linguistics and additional work from multimodal corpora. This volume will be of theoretical and methodological interest to readers with a background in Linguistics, Conversation Analysis, and multimodal corpora.
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The empirical focus of this paper is on utterances that re-use syntactic structures from a preceding syntactic unit. Next utterances of this type are usually treated as (coordination) ellipsis. It is argued that from an on-line perspective on spoken syntax, they are better described as structural latency: A grammatical structure already established remains available and can therefore be made use of with one or more of its slots being filled by new material. A variety of cases of this particular kind of conversational symbiosis are discussed. It is argued that they should receive a common treatment. A number of features of the general host/guest relationship are discussed.
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Many scholars of language have accepted a view of grammar as a clearly delineated and internally coherent structure which is best understood as a self-contained system. The contributors to this volume propose a very different way of approaching and understanding grammar, taking it as part of a broader range of systems which underlie the organisation of social life and emphasising its role in the use of language in everyday interaction and cognition. Taking as their starting-point the position that the very integrity of grammar is bound up with its place in the larger schemes of the organisation of human conduct, particularly with social interaction, their essays explore a rich variety of linkages between interaction and grammar.
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This paper presents a cognitive theory on the production and shaping of self-repairs during speaking. In an extensive experimental study, a new technique is tried out: artificial elicitation of self-repairs. The data clearly indicate that two mechanisms for computing the shape of self-repairs should be distinguished. One is based on the repair strategy called reformulation, the second one on lemma substitution. W. Levelt's (1983, Cognition, 14, 41–104) well-formedness rule, which connects self-repairs to coordinate structures, is shown to apply only to reformulations. In case of lemma substitution, a totally different set of rules is at work. The linguistic unit of central importance in reformulations is the major syntactic constituent; in lemma substitutions it is a prosodie unit, the phonological phrase. A parametrization of the model yielded a very satisfactory fit between observed and reconstructed scores. © 1987 Academic Press, Inc.
Chapter
Zu den zentralen Unterschieden zwischen geschriebener und gesprochener Sprache gehört es, daß geschriebene Sätze oder Texte als graphisch kodifiziertes, abgeschlossenes und monologisches Produkt rezipiert werden, während gesprochene Sprache phonisch vermittelt wird und sich in einem zumeist dialogischen Äußerungsprozeß1 in der Zeit entfaltet, wobei sie wesentlich von den formal-organisatorischen Mechanismen der Kommunikation mit einem oder mehreren Gesprächspartnern geprägt ist. Gesprochene Sprache entfaltet sich also in der Interaktion, und ohne Rekurs auf diese Tatsache kann sie nicht adäquat analysiert werden. Diese wichtigen Unterschiede zwischen gesprochener und geschriebener Sprache haben u. a. dazu geführt, daß für die Analyse der ersteren eigene Transkriptionssysteme entwickelt werden mußten. Nur, wenn die durch die Interaktion geprägten Entstehungsspuren nicht bei der für die Analyse notwendigen Verschriftlichung getilgt werden, bleiben ja die konstitutiven Eigenschaften der gesprochenen Sprache, ihr prozessualer Charakter und ihre Verankerung in der Interaktion sichtbar und zugänglich.2 Über die gegenstandsadäquate Verschriftlichung hinaus mußten für die gesprochene Sprache jedoch in großem Umfang eigene theoretische Beschreibungskategorien entwickelt werden, die ihrer interaktioneilen Natur Rechnung tragen. Hier hat sich die Konversationsanalyse3 als eigener Forschungsbereich etabliert und mit so zentralen Konzepten wie ‚Redezug‘, ‚Paarsequenz‘, ‚Rezipientenorientierung‘ oder ‚Reflexivität‘ die notwendigen theoretischen Grundlagen und methodischen Vorgehensweisen entwickelt. Aus den essentiellen Unterschieden zwischen gesprochener und geschriebener Sprache ergeben sich also zwangsläufig auch methodisch-theoretische Unterschiede zwischen Konversationsanalyse und Grammatikforschung.