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Luigi Colani: Der Designer als Marke, Visionär und Erzähler

Authors:
  • Academy of Media Arts Cologne

Abstract

Luigi Colani is certainly one of the most famous designers of our time, yet one of the most controversial as well«. So stellt sich Colani auf seiner Website vor, und in der Tat: An ihm scheiden sich die Geister. Als Meister aller Klassen sieht er sich selbst und kann das vielfach belegen. Er hat für namhafte Unternehmen gearbeitet, die japanische Car Styling verglich ihn mit dem Jahrhundert-Architekten Antoni Gaudí und Paris Match soll ihn einen »Leonardo des 20. Jahrhunderts« genannt haben. Kritiker dagegen halten ihn für überbewertet und konzeptionell beschränkt. Fest steht, dass Luigi Colani das Bild des Designers in den 70er und 80er Jahren wesentlich geprägt hat. Er war das Rollenmodell des Signature Design, bei dem der Designer als Urheber des Produkts auftritt und sich als Marke inszeniert. Ob Kamera oder LKW, Fernsehgerät oder Brille: Alles, was durch die Hände des Meisters geformt wurde, trägt seine Signatur samt stilisiertem Portrait als Gütesiegel. Eine solche Autorenschaft des Entwerfers war bisher nur aus der Modewelt bekannt und wurde nun auf Konsum-und sogar Investitionsgüter übertragen. Ferdinand Alexander Porsche und Philippe Starck konnten darauf aufbauen, und auch die heutigen Auflagen von Charles Eames Stühlen tragen mittlerweile dessen Signatur. Dies war eine deutliche Abkehr vom der Position des dienenden Gestalters, der hinter seinem Produkt zurücktritt, wie sie von Vertretern der klassischen Moderne in Nachfolge des Bauhauses und der Hochschule für Gestaltung Ulm vertreten wurde. Colani dagegen, als Schlossherr und Schnauzbartträger, Zigarrenraucher und Lautsprecher spielte mit einem Macho-Image des Großentwerfers, der die Disziplin Design aus der lustfeindlichen Enge schwäbischer Tüftler befreite und ihn selbst zum Prototypen des öffentlich bekannten Designers werden ließ. In den 70er Jahren hätten Umfragen zum Thema sicherlich ergeben: Design ist, was Colani macht. Er trimmte seine Autos auf Hochgeschwindigkeit und ließ sie auf Salzseen Weltrekorde fahren. So durchwehte die politisch korrekte, aber etwas muffige Welt des deutschen Designs ein Hauch von Glamour und weiter Welt. Colani selbst rückte in die Nähe von Popstars, und für manchen männlichen Jugendlichen in dieser Zeit plazierte dies den Berufswunsch Designer gleich nach der angestrebten Musikkarriere.
Ein stilisiertes Colani-Portrait
samt Signatur etablierte den Designer
als Marke, 1
1 > Colani als Typ und Marke
»Luigi Colani is certainly one of the most famous designers of our time, yet one
of the most controversial as well«. So stellt sich Colani auf seiner Website vor,
und in der Tat: An ihm scheiden sich die Geister. Als Meister aller Klassen sieht
er sich selbst und kann das vielfach belegen. Er hat für namhafte Unternehmen
gearbeitet, die japanische Car Styling verglich ihn mit dem Jahrhundert-Architek-
ten Antoni Gaudí und Paris Match soll ihn einen »Leonardo des 20. Jahrhunderts«
genannt haben. Kritiker dagegen halten ihn für überbewertet und konzeptionell
beschränkt.
Fest steht, dass Luigi Colani das Bild des Designers in den 70er und 80er
Jahren wesentlich geprägt hat. Er war das Rollenmodell des Signature Design, bei
dem der Designer als Urheber des Produkts auftritt und sich als Marke insze-
niert. Ob Kamera oder LKW, Fernsehgerät oder Brille: Alles, was durch die Hände
des Meisters geformt wurde, trägt seine Signatur samt stilisiertem Portrait als
Gütesiegel. Eine solche Autorenschaft des Entwerfers war bisher nur aus der Mo-
dewelt bekannt und wurde nun auf Konsum- und sogar Investitionsgüter über-
tragen. Ferdinand Alexander Porsche und Philippe Starck konnten darauf aufbauen,
und auch die heutigen Auflagen von Charles Eames Stühlen tragen mittlerweile
dessen Signatur.
Dies war eine deutliche Abkehr vom der Position des dienenden Gestalters, der
hinter seinem Produkt zurücktritt, wie sie von Vertretern der klassischen Moderne
in Nachfolge des Bauhauses und der Hochschule für Gestaltung Ulm vertreten
wurde. Colani dagegen, als Schlossherr und Schnauzbartträger, Zigarrenraucher
und Lautsprecher spielte mit einem Macho-Image des Großentwerfers, der die
Disziplin Design aus der lustfeindlichen Enge schwäbischer Tüftler befreite und
ihn selbst zum Prototypen des öffentlich bekannten Designers werden ließ. In den
70er Jahren hätten Umfragen zum Thema sicherlich ergeben: Design ist, was
Colani macht. Er trimmte seine Autos auf Hochgeschwindigkeit und ließ sie auf
Salzseen Weltrekorde fahren. So durchwehte die politisch korrekte, aber etwas
muffige Welt des deutschen Designs ein Hauch von Glamour und weiter Welt.
Colani selbst rückte in die Nähe von Popstars, und für manchen männlichen
Jugendlichen in dieser Zeit plazierte dies den Berufswunsch Designer gleich nach
der angestrebten Musikkarriere.
In: Museum für konkrete Kunst Ingolstadt, Hrsg. 2002: Experiment 70 – Designvisionen
von Luigi Colani und Günter Beltzig, Katalog zur Ausstellung, S. 39 – 51
1
Peter Friedrich Stephan Luigi Colani: Der Designer als Marke, Visionär und Erzähler
Peter Friedrich Stephan Luigi Colani: Der Designer als Marke, Visionär und Erzähler
Colani 1971
Die Badeeinheit, 2
Colani 1971
Livingroom mit aufblasbaren
Wohnlandschaften, 3
1Colani 1971, Ylem, o.S.
2a.a.O.
3a.a.O.
4a.a.O.
5a.a.O.
2 > Colani als Ein-Mann-Revolution
Colani hat den Designer weltweit als Marke durchgesetzt und popularisiert, in
Deutschland aber blieb er Außenseiter. Ein ohnehin nur schwach entwickelter
Designdiskurs wurde von politischen, wissenschaftlichen, sozialen und öko-
logischen Themen bestimmt und von nur wenigen Personen und Institutionen
getragen, zu denen Colani kein inniges Verhältnis entwickeln wollte oder konnte.
Er hatte eine Ein-Mann-Revolution im Sinn und wollte nach seinem Studium
in Berlin und Paris und ersten Arbeitsstationen wieder in Berlin eine eigenständi
g
finanzierte Forschung aufbauen. Seine Konzepte überzeugten in Deutschland
aber weder die Designkollegen noch die Industrie. Colani war für seine Umgebung
eine Nummer zu groß und dachte zu schnell und zu weit voraus.
Die Bandbreite seiner Ideen fasste er 1971 in einem Buchobjekt zusammen,
das er Ylem nannte und dessen Bedeutung angegeben wurde als »…nicht im
ordentlichen‹ wissenschaftlichen Sprachschatz gebraucht, da Zentralwort wage-
mutiger Spekulation über die Entstehung des Alls von größter geistiger Pene-
tranz
und Elastizität.«1
Colani sah dieses »evolutionär-romantische, rehabilitations-exhibitionistische,
optimistische, utilitaristische, hedonistisch-epikuräische Pamphlet«2als sein
»Sandkorn zu der abzutragenden Pyramide«
3
. Auf Basis dieser metaphorisch
schief begründeten Fundamentalkritik des Menschen und seiner Umwelt
»Zweibeiner-Überheblichkeit, eingepflanzt in eine Vierbeiner-Mechanik«) wird
Utopie mit klassischen Zielsetzungen formuliert: »… zu einer neuen Umwelt zu
werden, in welcher der Mensch gelernt haben wird, für wen er seine Welt ein-
richtet, um durch ein Minimum an entfremdeter Arbeit freier und besser leben
zu können.«4
In den Kapiteln Der Mensch, Wohnen, Gesellschaft, Kommunikation, Architektur,
Subaquatisches, Transport und Verkehr, Auto und Fliegen werden für alle relevanten
Funktionssysteme spekulative Entwürfe vorgestellt, deren Bandbreite und Dimen-
sion noch heute staunen lässt, obwohl fast alle Ideen nicht über das allererste
Skizzenstadium hinaus entwickelt werden.
Zu den erwarteten oder angestrebten sozialen Szenarien findet sich nur eine
explizite Angabe, die wechselnde Männer-, Frauen- und Kindergesellschaften als
Alternativen zur Kleinfamilie darstellt. Aussagekräftiger sind die Entwürfe, auf
denen eine sexuell befreite Freizeitgesellschaft zu sehen ist, die durch High-Tech-
Einrichtungen versorgt wird.
Colani zeigt sich als empfindsamer, experimenteller und expressionistischer
Vordenker und möchte sein Buch verstanden wissen als Versuch, »die gesell-
schaftlichen Hebelkräfte der schöpferisch kritischen Futurologie und des Designs
auszuloten, um die ungeheuren, ungenutzten Kräfte der freiwerdenden Phantasie
der noch verunsichert abseits Stehenden als friedliche Triebkraft zur Umänderung
des Systems heranzuziehen.«5
Ein revolutionärer Jargon, wie er zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich war und
sich ähnlich auch in der 1968 aus politischen Gründen geschlossenen Hochschule
für Gestaltung Ulm hätte finden lassen.
2
Hermann Finsterlin 1919
Großbauprojekt/Gemeinschaftsprojekt
Konzerthaus, 4
<<
In dieser staatlichen Hochschule hatten sich progressive Gestalter versammelt,
die sich die Um- und Ausgestaltung der noch neuen Demokratie zum Ziel setzten
und bemüht waren, Design zu einer begründbaren Disziplin zu machen, deren
Methoden anschlussfähig an die der entstehenden System- und Planungswissen-
schaften sein sollten.
Davon war Colani weit entfernt. Seine Arbeiten können eher in der expressio-
nistischen und sozialutopischen Tradition gesehen werden, die in Deutschland
die Architekten Bruno Taut, Hermann Finsterlin und Erich Mendelssohn hervor-
gebracht hat. Explizit auf diese Denk- und Entwurfsrichtungen bezogen hat sich
Colani aber nicht. Ihm ging es ausschließlich darum, seine individuelle Imagina-
tion möglicher Zukünfte mit feiner Zeichen- und Modellbautechnik anschaulich
zu machen und dabei das Bild eines Entwerfergenies zu pflegen, das vorausset-
zungslos erscheint und bisher nicht Dagewesenes vorstellt.
Reality Check
Colani wollte realisieren und arbeitete dabei alleine gegen den Rest der Welt. In
seinen
Herrenhäusern versammelte der Designfürst eine Schar junger Adepten,
die die Entwürfe des Meisters, zumeist Automodelle, handwerklich auszuführen
hatten. Nach
einigen erfolgreichen und mehreren erfolglosen Versuchen einer
Zusammenarbeit mit
der Autoindustrie entwickelte Colani eine neue Strategie:
»Da ich wenig Zeit verlieren wollte, auf dem Umweg über das Design zu meiner
angestrebten eigenwirtschaftlichen Forschung zu gelangen, setzte ich den harten Hebel
an und begann mit großem Elan, die Medien benutzend, das Design von Industrie-
produkten zu kritisieren.«6
Damit zementierte er sein Image als enfant terrible, das er im Land der Garten-
zwerge nicht mehr los werden konnte und wohl auch nicht wollte. Folgerichtig
verabschiedete sich Colani 1981 aus Deutschland, nicht ohne in der Zeitschrift
Form, dem Zentralorgan arrivierter Designer, die Gründe zu nennen:
»Ich habe mir große Mühe gegeben, mit der deutschen Mentalität auszukommen, aber
wie ich es einmal formulierte, fällt in einem Land, dessen Menschen zu Margarine-
würfeln gezwungen werden, einer in Kugelform immer unangenehm auf.«7
Auch vor einer historischen Parallele schreckte er nicht zurück:
»Da ich ein sehr politisch denkender Mensch bin, komme ich mir manchmal vor wie
die
Emigranten, die 1939 Deutschland verließen.«8
Peter Friedrich Stephan Luigi Colani: Der Designer als Marke, Visionär und Erzähler
Colani 1971
Wohnturm, Modell, 5
3
6Luigi Colani 1981: Abschied
in: Zeitschrift form 95, S. 35
7a.a.O.
8a.a.O.
Screenshots von Colani-Objekten, die
im Internet angeboten werden, 6
<<
In Asien wurde er mit offenen Armen empfangen, realisierte wegweisende Pro-
jekte unter anderem für Mazda (MX-5) und Canon (Kamera T 90) und wurde zum
ersten Rollenmodell weltweit agierender Designer. Eine detaillierte Würdigung
einzelner Projekte fällt jedoch schwer, da Colani keinen Aufwand zur systematischen
Dokumentation treibt und sich einschlägige Publikationen auf die Abbildung der
häufig beeindruckenden Zeichnungen und Modelle konzentrieren.
Nach eigenen Aussagen ist der Meister in letzter Zeit bei architektonischen
Großprojekten in Japan engagiert, was allerdings ebenfalls nicht weiter dokumen-
tiert ist. In merkwürdigem Gegensatz zu dieser globalen Dimension stehen viele
Kleinprojekte von Brillen, Schreibgerät, Fernglas, Airbrushpistole, Kosmetikserie
und Türgriffen, die im Internet wie ein Gemischtwarenladen erscheinen; siehe
Screenshots.
3 > Colani im Kontext
Bei aller Unterschiedlichkeit der Ansätze von Colani und der Hochschule für
Gestaltung Ulm gilt doch für beide, dass sie in Deutschland mit großen
Schwierig
-
keiten zu kämpfen hatten, aber international stark beachtet wurden. Sie
stehen
in der ehrenvollen Tradition von Design-Vordenkern, die bis heute Anregungen
vermitteln und zu denen in den USA Charles Eames und Buckminster Fuller, in
England die Popdesigner um Peter Cook und Archigram und in Italien die Radical
Design Bewegung um Alessandro Mendini und Ettore
Sottsass gehören. Radikales
Denken, freie visionäre Entwicklung, selbst bestimmte
Forschung und anschau-
liche Vermittlung wurden angestrebt und mehr oder weniger umfassend realisiert.
Dabei werden die unterschiedlichen Verortungen im jeweiligen kulturellen
Umfeld sichtbar: Eames arbeitete für die US-Army, den amerikanischen Staat,
IBM
und namhafte Möbelhersteller wie Hermann Miller. Fuller kooperierte eben
falls
zeitweilig mit der US-Army und erforschte Behausungs- und Transportmöglich-
keiten auf der Basis einer selbst entwickelten Comprehensive Design Science.
Die Art Schools der Engländer brachten neben späteren Popstars wie David
Bowie und Pink Floyd auch die Poparchitekten von Archigram hervor, deren urbane
Entwürfe wie walking city und plug in city sowohl als Denkanregung wie auch als
Postermotiv funktionierten.
In Italien konnten Entwerfer mit Familienbetrieben ebenso wie mit Gross-
unter
nehmen wie Olivetti arbeiten, publizierten ihre theorielastigen Projekte in
der
domus und bildeten nach Avantgardezirkeln wie Archizoom und Alchymia
auch kommerzielle Gruppen wie Memphis. In der Tradition des politischen Aktio
-
nismus wurde Design von Gruppen wie Ufo und Strum auch als soziale Orga-
nisationsform eingesetzt und in die Nähe von zeitgenössischen Kunstformen wie
Fluxus und Happening gebracht.
4Peter Friedrich Stephan Luigi Colani: Der Designer als Marke, Visionär und Erzähler
9Video »autoMORROW« 1989
Relativierung
Vor diesem Hintergrund relativiert sich der Solitär Colani. Seine Entwürfe waren
nicht radikaler als andere zu ihrer Zeit, seine grundlegenden Gedanken weniger
detailliert und systematisiert als die von Eames und Fuller, seine Visualisierungen
eher traditioneller als die von Archigram und seine Theoriebildung weniger an-
spruchsvoll als etwa die der Italiener. Während diese umfassend gebildeten Archi-
tekten strategisch genug dachten, um ihre bildnerischen Mittel polemisch und
ironisch einzusetzen, um etwa das Thema Kitsch in seiner politischen Bedeutung
anzusprechen, kommt Kitsch bei Colani ganz ungebrochen vor. Dabei mißachtet
er auch sein eigenes Motto von 1971: »Schluss mit Variationen in Pastelltönen«.14
siehe Abb.7
Aber es ist nicht die Lust an der Dekoration und am schön Überladenen, die
Colani antreibt, sondern, hierin ganz deutsch, der tiefere Zusammenhang und der
Blick aufs Ganze. Seine weichen Formen begründet er evolutionsgeschichtlich
und sie sollen als Kritik an der dominierenden, technikbestimmten und menschen
-
verachtenden Kistenarchitektur verstanden werden. So erklärte er vor einer Ver-
sammlung von Automanagern auf der Detroit Autoshow, dass Euklid sich geirrt
habe, da nirgendwo im Universum ein rechter Winkel existiere. Statt dessen sei
alles aus der Kugel abgeleitet, vom Mutterleib bis zum lustvollen Zeichnen aus
dem Armgelenk.9
Dies erinnert an das Verschimmelungsmanifest von Friedensreich Hundert-
wasser und dessen Mitstreitern. Auch Fuller hielt die zentrale Rolle des rechten
Winkels für einen Fehler und baute seine synergetische Geometrie auf Kugel und
Tetraeder auf. Aber weder die künstlerische Protesthaltung, noch die systematische
Durcharbeitung alternativer Modelle haben Colani interessiert. Bezüge oder
Kom
mentare zwischen ihm und vergleichbaren Ansätzen scheinen jedenfalls
nicht überliefert zu sein.
5Peter Friedrich Stephan Luigi Colani: Der Designer als Marke, Visionär und Erzähler
<<
Colani 1981
Sanitäranlagen
für Villeroy & Boch, 7
Archizoom Associati 1967
Presagio di rose, dream bed, 8
Designdiskurs
Für Colani stand und steht sein Image als Meister aller Klassen im Vordergrund,
der einen einsamen Kampf gegen Ignoranz und Mittelmaß führt. Die virtuos
illus
trier
ten Zukunftsszenarien suggerieren einen ungebrochenen Glauben an die
technische Lösung sozialer Probleme. Begrifflich sind seine Visionen kaum aus-
buchstabiert und erscheinen allenfalls ex negativo. So rät er, die »Technokraten vie-
ler Dummheitsschattierungen«10 und die »impotenten Apparatschicks«11 zu vertreiben
und einige Designer (man vermutet: möglichst Groß-Entwerfer seines Kalibers)
zu beauftragen.
Damit bleibt Colani methodisch und konzeptionell hinter der zeitgenössischen
Diskussion zurück. Die Perspektiven einer Gesellschaft, der die Arbeit ausgeht,
ebenso wie die Rolle des durch Technik autarken Individuums wurden in den 60er
Jahren
bereits in verschiedenen Disziplinen diskutiert und auch im Design
behan-
delt. So wur
den an der Hochschule für Gestaltung Ulm Einsichten in kom
plexe
Planungsprozesse formuliert und künstlerisch oder politisch motivierte Initiativen
entwickelten sich zu sozialen Gestaltungsprojekten (Steward Brand: Whole Earth
Catalogue, Gruppe Global Tools in Italien). Aus der politischen und architektur-
theoretischen Diskussion, dem Eindruck des Berichts Limits of Growth
– a report to
the Club of Rome 1972, der Energiekrise, der Diskussion um Atomkraft
samt der
sie begleitenden Expertokratie begründete sich ein starkes Interesse an ökologischen
Fragestellungen, aus denen Studien zum vernetzten Denken und
Entwerfen her-
vorgingen (Christopher Alexander 1977: A pattern language, Rüdiger
Lutz 1978:
Soft Systems Design, Frederic Vester 1980: Neuland des Denkens
– Vom t
echnokrati-
schen zum kybernetischen Zeitalter). Zusammen mit den kulturellen Fragestellunge
n
der in den 80er Jahren aufkommenden Postmoderne (Ausstellung Design ist
unsichtbar, Linz 1980) und der Digitalisierung in den 90er Jahren entwickelte sich
ein komplexer Designbegriff, für den Colanis Werk eine historisch interessante
Episode darstellen mag, die heute jedoch von untergeordneter Bedeutung ist.
Bio-Fundamentalismus
Zur Darstellung positiver oder negativer Utopie, von Himmelreich oder Fegefeuer,
wurden schon immer starke Bilder eingesetzt. Bilder argumentieren nicht, son-
dern erzeugen Affekte, die unmittelbar die Vorstellungen des Wünschenswerten
oder zu Vermeidenden speisen. Die nachgeschobenen Begründungen jedoch
sollen konstruieren, warum diese Darstellungen Gültigkeit beanspruchen können.
Colani formuliert evolutionstheoretische, biologische und naturwissenschaft-
liche Ableitungen und sieht sich als Vorreiter der Bionik und des design engineering.
Einsichtig scheint dies bei aerodynamischen Studien zu sein, aber schon bei ein-
fachen Griffen verfehlt die scheinbar plausible einfache Abformung eines Hand-
griffs in Ton die Fakten eines erweiterten Funktionalismus: Die Hand will nicht
nur greifen, sondern auch tasten, sie will nicht nur einen statisch optimierten
Kraftschluss, sondern sucht nach flexibel veränderbaren und damit ermüdungs-
frei zu nutzenden Optionen.
Peter Friedrich Stephan Luigi Colani: Der Designer als Marke, Visionär und Erzähler
10Luigi Colani 1971: Ylem, a.a.O.,
Vorwort, o.S.
11a.a.O.
6
<<
Peter Friedrich Stephan Luigi Colani: Der Designer als Marke, Visionär und Erzähler
12Luigi Colani 1971: Ylem, a.a.O.,
Das gilt erst recht für die Gestaltung von Arbeitsplätzen. Ob für die Kugelküche,
das
High efficiency-Büro Hi-EFF oder das Lernsystem Flötotto Optimal: Immer
nutzt Colani »die rotationssymmetrische Form der halben Kugel, die sich als nicht
zu
verbessernde Lösung anbietet«.12
Über die Trivialitäten von griffgerechten Ablagen und sichtgerechten Anzeige-
flächen
hinaus kann eine traditionelle, mechanisch begründete Ergonomie bei der
Gestaltung von Arbeitsplätzen nicht weiterhelfen. Für die Gestaltung von Inter-
aktionen zwischen Menschen, Menschen und Aufgaben sowie Menschen und
Maschinen bedarf es einer genaueren Analyse und eines geradezu entgegengesetz
-
ten Designverständnisses.
Nicht das Entwurfsgenie ist hier gefragt, sondern der postheroische Teamarbeiter,
der die Mühen der Empirie nicht scheut und vor Ort mit künftigen Nutzern
arbeitet.
Der Entwurf eines Sekretärinnenstuhls zeigt die Konsequenzen von Colanis Hard
Systems Design: So visionär der Anspruch auch gewählt ist, die Rolle der
Sekretärin bleibt erhalten, ebenso die Schreibmaschine und die Diktate wieder-
gebenden Kopfhörer. Die moderne Formensprache soll den Entwurf als Arbeits-
erleichterung verkaufen, während doch lediglich traditionelle Vorstellungen
in einem nur verschönernden, keineswegs aber »vorwegnehmenden Gegenzug«
(Ernst Bloch) überzuckert werden. Ein Ansatz des Soft Systems Design dagegen
wäre es, nach den Arbeitsbedingungen zu fragen, die stärker als von den um-
gebenen Dingen von weichen Faktoren abhängen: Gestaltung des Arbeitsvertrages,
Kontakt zu den Mitarbeitern, Flexibilität in der Arbeitszeit und der Methodik etc..
Solche Aspekte sind von Colanis Standpunkt aus überhaupt nicht zu erkennen.
Er nimmt am Diskurs nicht teil und gerät damit nicht nur fachlich ins Abseits,
sondern auch in Widerspruch zu seinem selbst gestellten Anspruch, gemäß der
Einsicht in evolutionäre Theorien zu arbeiten: Die fundamentalistisch verteidigte
weiche Linienführung demaskiert sich so als rhetorische Figur, die jene Verhält-
nisse zementiert, die sie zu kritisieren vorgibt.
7
<<
Colani 1971
Sekretärinnenstuhl, 9
Colani 1971
High efficiency-Büro Hi-EFF, 10
Colani 1971
Flötotto Lernsystem, 11
Peter Friedrich Stephan Luigi Colani: Der Designer als Marke, Visionär und Erzähler
4 > Design-Denker
Unter den Designern gibt es nicht viele, die versuchen, ihre bildnerische Arbeit
auch analytisch zu durchdringen und auf den Begriff zu bringen. Während die
meisten Gestalter die Einordnung ihrer Werke den professionellen Kritikern und
Historikern überlassen, treibt die Design-Denker ein umfassenderer Anspruch:
Sie wollen ihre
Positionen auch politisch, wirtschaftlich, weltanschaulich und
ästhetisch begründen und
der Sprache die angemessene Form selber abringen.
Davon profitiert der immer
noch
unterentwickelte Designdiskurs, der die
Positionen unterschiedlicher Design
philosophien sowohl implizit, in ihren gestal
-
terischen Beiträgen, als auch explizit, in der begrifflichen Auseinandersetzung,
diskutierbar macht.
Otl Aicher und Luigi Colani sind zwei Exponenten der deutschen Designszene
in den 60er und 70er Jahren, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Trotz-
dem lassen sich beide vergleichen in ihrem Anspruch auf ein grundsätzliches
Denken, dem
Ziel eigenständiger Forschung und dem Bestehen auf einer gesell-
schaftlich tragfähigen
Begründung.
Otl Aicher, der Begründer und Rektor der Hochschule für Gestaltung Ulm,
war ein international anerkannter Typograph und Gestalter von Erscheinungs-
bildern (Erco, Lufthansa, ZDF, Olympische Spiele 1972). Sein Arbeitsansatz ging
von einem originären Forschungsformat aus, das genaue Beobachtung, syste-
matische Durcharbeitung und gestalterische Formulierung verband. So produzierte
er grundlegende Studien unter anderem zur Mobilität
13
und zum Kochen
14
. Aicher
propagierte ein Denken, das aus dem Machen kommt, »Denken am Objekt«, und
damit rückgebunden ist an Qualitäten, die im Handwerk selbstverständlich waren,
aber unter neuen technologischen Bedingungen bewusst angestrebt und umge-
setzt werden müssen. Wie Colani hatte auch Aicher Bildhauerei studiert und wie
dieser formuliert er eine kritische Haltung zum formalen akademischen Betrieb:
»Es ist wie mit dem Staat: Jeder schimpft auf ihn und fühlt sich in seiner Freiheit ein-
geengt. Aber alle erwarten, dass er uns versorgt. Sie kommen alle gelaufen,
wenn er
Orden verteilt, die Intelligenz drängt sich peinlich vehement an die Stellen,
die Professoren
-
titel verteilen. So gut wie niemand ist zu stolz, auf staatliche Unterstützung zu ver-
zichten und sich seinen Wintervorrat selber anzulegen.«15
Colanis Kritik klingt sehr ähnlich: »Die sogenannte kritische Intelligenz hat es
nicht fertig gebracht, aus ihrer isolationistischen Spitze auszubrechen und zur
Basis der Bevölkerungspyramide vorzudringen, in der in der richtigen Sprache
vorgetragene Aufklärung über gesellschaftlich relevante Vorgänge eine seismische
Welle erzeugen könnte, um Dinge wirkungsvoll zu verändern.«16
Sowohl Aicher als auch Colani entwickelten eine individuelle Arbeitsweise und
gestalteten die Zusammenarbeit mit Industriepartnern so, dass nicht nur ver-
einzelte Produkte gestaltet wurden, sondern längerfristige Studien erstellt und
Entwicklungszyklen begleitet werden konnten.
8
13Otl Aicher 1982: Kritik am Auto.
Schwierige Verteidigung des Autos
gegen seine Anbeter, Berlin
(2. Auflage 1996)
14Otl Aicher 1982: Die Küche zum
Kochen – Das Ende einer
Architekturdoktrin, München
15a.a.O., S. 107
16Luigi Colani 1971: Ylem, a.a.O.,
Vorwort, o.S.
<<
Peter Friedrich Stephan Luigi Colani: Der Designer als Marke, Visionär und Erzähler
Die Ergebnisse für vergleichbare Arbeitsbereiche und die bildnerische Darstel-
lung sind allerdings wieder völlig unterschiedlich: Colani zeichnet skizzenhaft
und
baut Modelle und Prototypen, Aicher schreibt viel und verwendet durchgängig
Strichgrafiken, die existierende Gegenstände zwar zeigen und vergleichbar machen,
aber gleichzeitig von ihnen abstrahieren. Colani schafft sich einen eigenen
Mikro
kosmos, in dem er frei agiert, Aicher dagegen bezieht sich im Wesentlichen
auf Bestehendes.
Beispiel: Küche
Ergonomische Studien wie die Analyse von Greifräumen und Laufwegen finden
sich
bei beiden Entwerfern, ebenso wie die Zielvorgabe, für mehr Sinnlichkeit und
Effizienz
zu sorgen.
Aus der Minimierung von Wegstrecken leitet Colani seine Kugelküche ab, die
er 1970 für Poggenpohl entwirft.
17
Der Bediener sitzt dabei in einer Kapsel von
2,40 m
Durchmesser auf einem Drehstuhl, um den sich die in bunte, glänzende
Plastikoberflächen eingelassenen High-Tech-Geräte gruppieren. In Aichers Studie
von 1982 bildet dagegen ein Holztisch das Zentrum, an dem mit mehreren Per-
sonen gearbeitet werden kann, und die Gerätschaften sind in Funktionsinseln
gruppiert.
Colanis Küche geht von der technischen Autarkie des Einzelnen aus und wirkt
im
Rückblick wie eine Filmkulisse zum Kommandostand eines Science-Fiction-
Raum
schiffs. Aichers Küche geht von den Prozessen der Nahrungszubereitung
aus und stellt das gemeinsame Handeln in den Mittelpunkt. So erreicht er eine
fle
xible Optimierung,
die auch heute noch Gültigkeit beanspruchen kann.
9
17»In cooperation with the designer
Luigi Colani and the German Institute
for Environmental Physiology a
kitchen emerged which was considered
to be a model which looked forward to
the year 2000.« (http://www.poggen-
pohl-usa.com/historymain.html
am 04.08.02)
Colani 1970
Kugelküche für Poggenpohl, 12
Aicher 1982
Küchenstudie,
13
<<
Beispiel: Mobilität
Colanis Werk kreist um die Aerodynamik von Fortbewegungsmitteln, die er
vornehmlich als Automobile umsetzt. Er produziert über Jahrzehnte Studien zu
Renn- und Personenwagen und beschäftigt sich mit der Optimierung von
Geschwindigkeit und
Verbrauch. Zwar kritisiert er in Ylem das Auto mit starken
Worten, sieht den Individual
verkehr als zu überwindendes Übel an und entwirft
größere Systeme für den Personen- und Lastentransport wie Schnellzüge,
künstliche Wasseradern und aufschäumbare, demontierbare Straßensysteme.
Doch während diese Projekte im Skizzenstadium bleiben, kann er seine Autoent-
würfe zumindest als Prototypen realisieren. Besonders die spektakulären Renn-
wagen garantieren ihm Popularität in einer autoverrückten Gesellschaft und prägen
wesentlich das Bild seiner Arbeit.
Aicher dagegen formuliert für eine Ausstellung fundierte Überlegungen zu
Verkehr und Transport, indem er die bisherige Entwicklung analysiert. Er ent-
wirft kein Auto
und auch kein futuristisches Verkehrmittel, sondern beschäftigt
sich mit dem Verkehrs
system, unter Einbeziehung vor allem sozial bestimmter
Nutzungsszenarien. Daraus können brauchbare Forschungsziele und Rand-
bedingungen für zukünftige Entwicklungen abgeleitet werden. Als der auftrag-
gebenden Rückversicherung die vertretenen Positionen zu kritisch werden, über-
nimmt BMW die Ausstellung, deren Manager
sogar zu Aichers entlegenem
Arbeitsort Rotis pilgern, um an Workshops teilzunehmen.
So nicht, Herr Cannelloni!
Colani dagegen verkehrte mit der deutschen Automobilindustrie nach einigen
fehlgeschlagenen Kooperationsversuchen nur noch über die Medien. Als er in den
siebziger Jahren im Stern aktuelle Automodelle in gewohnt rhetorischer
Weise
kritisierte (
VW
Golf: »Kohlenkiste«, Heckfenster eines
BMW
: »Käseecken«),
antwor-
tete BMW in einer Anzeige mit der Überschrift: So nicht, Herr Cannelloni! und
zeigte eine schwache kugelförmige Autoskizze, deren Ungeeignetheit als Diskus-
sionsbeitrag offensichtlich ist.
Aktuelle Autoformen jedoch sind ohne Colanis Einfluss kaum denkbar. Die
Entwicklung weg von der Staatskarosse und hin zum Fun-Car mit variablen
Nutzungs
möglichkeiten für eine Freizeitgesellschaft hat Colani vorausgesehen.
Peter Friedrich Stephan Luigi Colani: Der Designer als Marke, Visionär und Erzähler 10
Colani 1971
Autostudie
»Mehrzweckautomobil,
im Rohrstrassensystem und
auf der flachen Straße
zu fahren. Antrieb elektrisch«,
14
Peter Friedrich Stephan Luigi Colani: Der Designer als Marke, Visionär und Erzähler
5 > Colani als Erzähler
Das verstärkte Interesse am 70er Jahre-Design erfreut sich am bunten Plastik, der
gezielten Geschmacksverirrung und dem damals noch ungebrochenen Zukunfts-
glauben. Je visionärer und trendiger die Entwürfe sind, desto stärker wirkt heute
der Schaudereffekt und desto trauriger stimmen die mittlerweile stumpfen und
zerkratzten Oberflächen.
Für eine Marke der
70er
Jahre wie Colani sind über vierzig Jahre Marktpräsenz
ein großer Erfolg, zumal er sein Corporate Design unverändert ließ. Auch heute
noch zieht er mit Schnauzbart und weißem Rollkragenpullover jugendliche
Massen an, etwa zur Eröffnung seiner Ausstellung im Januar 2001 im Popdom in
Köln, wo er, erstaunlich vital und wie immer unterhaltsam, von Projekten erzählt
und sich an Superlativen freut:
»Ich habe gerade den größten Architekturwettbewerb der Welt in Kyoto gewonnen,
jetzt kann nur noch Colani helfen, … stellt Euch vor, ein Wassertropfen fällt ins Wasser
und das habe ich als Architektur gemacht: Ein Ringwall von 600 Metern aus Wolken-
kratzern bestehend, alles verglast, in der Mitte ein riesiges Ding, da gehen die Haupt-
straßen der Stadt durch, die Japaner sind durchgedreht, als die unser Modell gesehen
haben, ich habe das mit der Antonov, dem riesigsten Flugzeug, das es überhaupt
gibt…«18
Und die digitale Jugend steht da und staunt. Vielleicht haben sie auf ihrem
Vobis-Computer die Colani-Signatur gesehen. Maus und PC mögen dabei wind-
schnittig
gestaltet sein, aber mit der Performance des Computers haben sie nichts
zu tun. Dabei
hat Colani schon früh die Bedeutung der Kommunikationsmedien
erkannt und etwa für sein high efficiency Büro skizziert. Aber die Verlagerung
des Designs zu Info-Architektur und Interfaces für umfassende Software-Umge-
bungen ging an ihm vorbei.
Die große Erzählung
Eine technikbewehrte Vorstellungskraft hatte zu allen Zeiten Konjunktur. It is a
man´s world: Ob militärisch gestimmt oder als Science-Fiction verpackt, ob ausge-
malt in der ehemals prägenden Pflichtlektüre Das neue Universum, dem Jahrbuch
für Jungen, oder hoch gehängt als Illustration von Großtaten der sozialistischen
Pioniere: Welcher Junge geriete nicht ins Träumen angesichts der rasanten
Renderings und gerade gelandeter fünfstöckiger Riesenflugzeuge?
Generationen von jungen Designstudenten haben wegen Colani ihr Studium
begonnen, und die Keller und Dachböden der Designhochschulen sind bis
heute vollgestellt mit Variationen zum Thema Fortbewegung vom U-Boot bis zum
Hängegleiter. Die auf Autos fixierten Designer verschwinden allerdings meist
lautlos in den Entwicklungsstudios der Autoindustrie in Californien und sind in
der Diskussion um zukünftige Designentwicklungen nicht zu vernehmen.
Vermutlich wird man Colani am ehesten gerecht, wenn man ihn als Erzähler
sieht, der in seiner plastischen und bildnerischen Sprache von phantastischen
Zukünften berichtet.
So stellte ihn ein japanischer Autor in eine Reihe mit den Größen der Science-
Fiction Literatur: »…a critique of civilization through SF, standing in the tradition of
Jules Verne and H.G. Wells .« 19
11
<<
18Colani im Popdom Köln 2001
private Aufzeichnung
19Shighemi Kanda: Encounter with
the Colani Universe: A few thoughts
on its impact on us, in: For a brigh-
ter tomorrow, a.a.O., S.26
Peter Friedrich Stephan Luigi Colani: Der Designer als Marke, Visionär und Erzähler
Und ähnlich, wie in der Science-Fiction soziale Szenarien wesentlich von den
technischen Möglichkeiten abhängen, erscheint auch bei Colani die Zukunft als
ein ungeformter Tonklumpen, der nur richtig in die Hand genommen werden
müsste, um ihm menschliches Maß und Form zu geben.
Selbst ein harter Kritiker, hat Colani von den Anfängen bis heute mit der
Kritik an seiner Arbeit gelebt, und sie scheint ihn nicht wesentlich beeindruckt zu
haben. Er
arbeitet bemerkenswert unhistorisch. Statt wie andere seiner Genera-
tion mit der Siche
rung seines Lebenswerks und dessen Archivierung beschäftigt
zu sein, lebt und arbetet er nach vorne und ist immer schon beim nächsten
Projekt.
Neben vielen historischen Verdiensten sticht für die deutsche Designszene vor
allem heraus, dass er sie gründlich durchgerüttelt hat und schon früh Innova-
tionen in internationalem Maßstab angemahnt hat. Sein Appell von 1981 hat
nichts an Aktualität
verloren. Hier bezeichnet er es als: »…Tragik, dass Archive mit
bahnbrechenden Ideen,
die schon lange auf die Realisation warten, zu denen gehen, die
für unser etwas zu müde gewordenes Land viel zu frisch sind.«20
Und weiter?
Unter der Überschrift design future veröffentlicht Colani auf seiner Website ein
Fragezeichen, gebildet aus einer embryonal gekrümmten Wirbelsäule, die sich
zur Fruchtblase weitet, in der staunend und erwartend ein Kleinkind steht.
Hier endlich
verlässt der Meister sein bewährtes Muster und verzichtet auf schlag-
fertige Antworten.
P.S.
Auf der Hannover Messe 1978 wird Colanis spektakulärer LKW-Entwurf als
Prototyp vorgestellt. In der Zeitung ist ein Bild abgedruckt, und der auf der
Messe jobbende Abiturient sieht sich den Wagen an und setzt sich ins Cockpit.
Kurz darauf, als der Schüler wieder bei seiner Arbeit als Tellerabräumer ist,
erscheint Colani mit seiner Entourage im Messerestaurant und hält Hof. Der
junge Mann drängt sich nach vorne und fragt nach einem Rat für zukünftige
Designstudenten. Colani stutzt kurz und reagiert gleichermaßen väterlich wie
mediengerecht. Er lässt den Jungen zu sich setzen, beginnt über die vor ihm
stehende Kaffeekanne zu philosophieren, bezeichnet darauf mit dickem Filzstift
deren Defizite und schließt mit der Empfehlung, niemals eine Designschule
zu betreten, sondern eine Lehre als Stukkateur zu machen und danach mal bei
ihm anzuklopfen. Ich war nachhaltig beeindruckt, aber gehalten habe ich mich
daran nicht.
12
20Luigi Colani: Abschied, a.a.O.
Colani o.J.
Designfuture
www.colani.ch, 17
<<
Colani 1971
Rendering für Sportwagen, 16
Colani o.J.
Heavy Transport Plane, Modell, 15
Peter Friedrich Stephan Luigi Colani: Der Designer als Marke, Visionär und Erzähler
> Abbildungen
1Japanische Zeitschrift Car Styling Vol. 34 1/2
Special Edition, Tokyo 1981: For a brighter tomorrow, Part 2, S. 30
2 Luigi Colani 1971: Ylem, a.a.O., o.S.
3a.a.O., o.S.
4Staatsgalerie Stuttgart, graphische Sammlung
5 Luigi Colani 1971: Ylem, a.a.O., o.S.
6 www.colani.ch, Frühjahr 2002
7Japanische Zeitschrift Car Styling Vol. 34 1/2
Special Edition, Tokyo 1981: For a brighter tomorrow, Part 2, S. 96
8 Andrea Branzi 1984: The Hot House, S. 59
9 Luigi Colani 1971: Ylem, a.a.O., o.S.
10 a.a.O., o.S.
11 a.a.O., o.S.
12 a.a.O., o.S.
13 Otl Aicher 1982: Die Küche zum Kochen, a.a.O., S. 44
14 Luigi Colani 1971: Ylem, a.a.O., o.S.
15 Japanische Zeitschrift Car Styling Vol. 34 1/2
Special Edition, Tokyo
1981: For a brighter tomorrow, Part 2,
S. 49
16 Luigi Colani 1971: Ylem, a.a.O., o.S.
17 www.colani.ch, Frühjahr 2002
13
>in: Museum für konkrete Kunst Ingolstadt, Hrsg. 2002: Experiment 70 – Designvisionen
von Luigi Colani und Günter Beltzig, Katalog zur Ausstellung, Edition Braus, S. 3951
Peter Friedrich Stephan Luigi Colani – Der Designer als Marke, Visionär und Erzähler
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Die Küche zum Kochen
Otl Aicher 1982: Die Küche zum Kochen, a.a.O., S. 44