Content uploaded by Patrick Guertler
Author content
All content in this area was uploaded by Patrick Guertler on Oct 27, 2014
Content may be subject to copyright.
632 WISSENSCHAFT · SPECIAL: PCR
PATRICK GÜRTLER, LARS GERDES
BAYERISCHES LANDESAMT FÜR GESUNDHEIT UND LEBENSMITTELSICHERHEIT,
MOLEKULARBIOLOGIE, OBERSCHLEIßHEIM
Real-time PCR used to be the gold standard when it comes to detection of
rare mutations, copy number variations or genetically modified organ-
isms. A new option for DNA analyses is the digital PCR. In digital PCR, the
reaction mix is distributed to many partitions and endpoint PCR is per-
formed. The fraction of positive partitions can be used to calculate the ini-
tial concentration. Digital PCR is highly sensitive and allows quantifica-
tion of absolute copy numbers without using a standard curve.
10.1007/s12268-014-0498-y
© Springer-Verlag 2014
óDie erste Generation der PCR ermöglicht
die Detektion von Nukleinsäuren über eine
Endpunkt-PCR mit anschließender Gelelek-
trophorese der Amplifikationsprodukte. Eine
Quantifizierung der Nukleinsäuren wurde
erst mit der Einführung der quantitativen
Real-Time-PCR (qPCR) als zweite Generation
der PCR praktikabel. Die Quantifizierung
kann dabei durch die Verwendung von Hydro-
lysesonden (Abb. 1A) oder interkalierenden
Farbstoffen in Echtzeit verfolgt werden. Der
Schnittpunkt der Amplifikationskurve
(Abb. 1B) mit einem gesetzten Schwellenwert
(threshold) ergibt den Cq-Wert (Cq = cycle of
quantification) [1]. Über den Vergleich mit
Standards bekannter Konzentration (abso lute
Quantifizierung) bzw. mit Referenzgenen
(relative Quantifizierung) kann auf die
initiale DNA- oder RNA-Menge geschlossen
werden.
Bei der dritten Generation, der digitalen
PCR (dPCR), wird der Reaktionsansatz auf
sehr viele kleine Partitionen verteilt. Man
erhält Partitionen, die keine Ziel-DNA ent-
halten, und Partitionen, die eine oder meh-
rere Kopien der Ziel-DNA enthalten. Anschlie-
ßend wird eine Endpunkt-PCR mit Detektion
(z.B. mit Hydrolysesonden) für jedes Kom-
partiment durchgeführt, sodass sich ein posi-
tives (1) oder negatives (0) Signal für jede
Partition ergibt. Diese 0/1-Antworten führten
zu der Bezeichnung „digitale PCR“. Die DNA-
Kopien in der Probe werden über das Ver-
hältnis aus positiven und negativen Kompar-
timenten – unter Berücksichtigung des Reak-
tionsvolumens und der Verdünnung – berech-
net. Mit einer Poisson-Korrektur wird berück-
sichtigt, dass in einigen Kompartimenten
Analysemethoden
Digitale Polymerasekettenreaktion
(dPCR)
BIOspektrum |06.14 |20. Jahrgang
˚ Abb. 1: Schema einer sondenbasierten quantitativen Real-Time-PCR (qPCR). A, Die Hydrolysesonde bindet an den DNA-Abschnitt (1). Der Reporter
(R) gibt die Anregungsenergie an den Quencher (Q) weiter. Der Abbau der Sonde erfolgt durch die DNA-Polymerase (violetter Stern) (2). Folglich gibt
der Reporter sein Signal nicht mehr an den Quencher weiter und fluoresziert (3). B, Amplifikationskurve einer qPCR. Der Cq-Wert entspricht dem
Zyklus, bei dem das Fluoreszenzsignal das Grundrauschen überschreitet und den Schwellenwert schneidet.
A
1
2
3
B
mehr als eine Ausgangskopie des
Zielgens vorhanden sein kann
(anschauliche Erläuterung in [2]).
Derzeit gibt es zwei dPCR-
Ansätze: Bei der ersten Variante
erfolgt die Partitionierung durch
Verwendung von Chips mit festen
Kompartimenten. Dadurch wer-
den die Anzahl der Partitionen
und der dynamische Messbereich
festgelegt. Bei der neueren zwei-
ten Variante werden über eine
Wasser-Öl-Emulsion Tröpfchen
mit dem Reaktionsansatz erzeugt
(Emulsions-PCR). In diesen Tröpf-
chen findet dann eine Hydroly-
sesonden-basierte Endpunkt-PCR
mit anschließender einzelner
Analyse statt (Abb. 2). Aufgrund
der Tröpfchenbildung wird diese
Variante der dPCR auch als digi-
tale droplet-PCR oder ddPCR
bezeichnet [3].
Vorteile
Einer der größten Vorteile der
dPCR gegen über der qPCR ist die
Möglichkeit der absoluten Quan-
tifizierung von DNA-Kopien ohne
Verwendung einer externen Kali-
bration, z.B. mit einer Standard-
kurve. Dies spart nicht nur Zeit
und Chemikalien, sondern auch
wertvolles Proben- oder Refe-
renzmaterial.
Die dPCR ist zudem toleranter
als die qPCR gegenüber mit der
DNA ko-isolierten Inhibitoren aus
einigen Matrices. Bei der qPCR
hat dies einen direkten Einfluss
auf das Messergebnis, da eine
Inhibition über eine Absenkung
der PCR-Effizienz zu einer Erhö-
hung des Cq-Wertes führt. Die
gemessenen Kopienzahlen sind
demzufolge niedriger als den
wahren Ausgangskopien der Pro-
be entsprechend. Die
dPCR hingegen ist
eine Endpunkt-PCR.
Hier wird am Ende
der Reaktion gemes-
sen und lediglich
positive von negati-
ven Partitionen
unterschieden. Die
PCR-Effizienz spielt
folglich nur dann
eine Rolle, wenn der
inhibitorische Effekt
so groß ist, dass zu
wenig PCR-Produkt
gebildet wird und
positive von negati-
ven Partitionen nicht
mehr voneinander
unterschieden wer-
den. Dann kann auch
über die dPCR keine
verlässliche Quanti-
fizierung mehr
durchgeführt wer-
den. Die starke Ver-
dünnung der Probe
bei der dPCR führt
allerdings auch zu
einer starken Ver-
dünnung der Inhibi-
toren.
Eine auf Hydroly-
sesonden basierende
dPCR ist wie eine
BIOspektrum |06.14 |20. Jahrgang
˚ Abb. 2: Schema einer sondenbasierten
digitalen
droplet
-PCR (ddPCR). A, Das Reak-
tionsvolumen wird auf z. B. 20.000 Tröpf-
chen verteilt. B, Die DNA wird zufällig auf die
Tröpfchen verteilt. C, PCR in jedem Tröpf-
chen. Bei der Amplifikation wird der Repor-
ter freigesetzt. D, Das Fluoreszenzsignal des
Reporters wird für jedes Tröpfchen erfasst.
Die Anfangskonzentration kann statistisch
über eine angenommene Poisson-Verteilung
berechnet werden.
A
B
C
D
qPCR multiplexfähig, abhängig von der Gerä-
tekonfiguration. Etablierte qPCR-Protokolle
können oft ohne aufwendige Adaption direkt
auf die dPCR übertragen werden.
Anwendungsbereiche
Einer der Ansatzpunkte für die Entwicklung
der dPCR war die Detektion von seltenen
Mutationen, die vor allem in der Krebsdiag-
nostik eine wichtige Rolle spielen. Durch das
seltene Auftreten dieser Mutationen liegt bei
einer qPCR-Analyse das Hintergrundsignal
des Wildtyp-Allels oftmals deutlich über dem
der Mutation, sodass eine Detektion schwie-
rig ist. Durch die starke Verdünnung und die
Partitionierung bei der dPCR wird das Hinter-
grundsignal des Wildtyps reduziert und die
Mutation innerhalb der Partition aufkonzen-
triert [4].
Eine weitere diagnostische Anwendungs-
möglichkeit der dPCR ist die direkte Messung
von Variationen in der Kopienzahl der Ziel-
DNA (copy number variations, CNV). Diese
CNV entstehen durch Deletionen, Verdoppe-
lungen und Umstrukturierungen im Genom.
Sie werden mit vielen Krankheitsbildern in
Verbindung gebracht, darunter z.B. das
Down-Syndrom (Trisomie21). Bislang wer-
den diese Variationen über qPCR detektiert
und quantifiziert. Partitionierung und die
Konzentration des Targets innerhalb der
jeweiligen Partition bei der dPCR führen hier
zu einer gesteigerten Sensitivität, sodass CNV
mit einer höheren Wahrscheinlichkeit detek-
tiert werden können. Es gibt Ansätze, Triso-
mie21 über fetale DNA direkt im Blutplas-
ma der Mutter nicht-invasiv pränatal nach-
zuweisen [5].
Weiterhin gibt es Veröffentlichungen zur
dPCR in der Medizin für Virusdetektion [6],
Biomarkeranalyse [7], Transplantationsme-
dizin [8] und die Detektion von pathogenen
634 WISSENSCHAFT · SPECIAL: PCR
BIOspektrum |06.14 |20. Jahrgang
˚ Abb. 3: Auswertung der erhaltenen Tröpfchen einer digitalen
droplet
-PCR (ddPCR) für eine Plasmid-Verdünnungsreihe (mit zwölf Stufen von nominell
10.000 bis 0,2 Kopien des Soja-Referenzgens Lektin). A, Darstellung der Tröpfchen (Abszisse:
Event Number
) und ihrer Fluoreszenz im FAM-Kanal (Or -
di nate: Ch1-Amplitude) in Falschfarben (blaue Farbtöne zeigen eine niedrige, rote eine hohe Tröpfchendichte an). Gemessen wurden Duplikate (ge -
trennt durch gelbe vertikale Linien, Well-Bezeichnungen oben); negative Tröpfchen (nur mit Hintergrundfluoreszenz) bei ca. 700 Fluoreszenzeinheiten,
positive (mit erfolgter Amplifikation) bei ca. 2.000. Die rote horizontale Klammer markiert den Verdünnungsbereich, in dem positive und negative Tröpf-
chen gut separiert sind. B, Gleiche Daten, allerdings hier als Häufigkeitsverteilung mit Fluoreszenz auf der Abszisse und Häufigkeit auf der Ordinate.
AB
Quantifizierung relative Quantifizierung, absolute Quantifizierung über Standard- absolute Quantifizierung der Kopienzahlen ohne Standardkurve
kurve
Kosten weniger Verbrauchsmaterial notwendig, geringere Kosten für bislang wenige Hersteller, daher auch höhere Kosten für Chemikalien,
Chemikalien, Instrumente meist günstiger Verbrauchsmaterial und Instrumente; digitale droplet-PCR als kosten-
günstigere Variante der dPCR [11]
Hochdurchsatz automatisierbar derzeit nicht automatisierbar
Anwendungen Quantifizierung von DNA-Kopien, Detektion von Kopienzahlvariationen, Quantifizierung der Genexpression
Qualitätskontrolle und Assay-Validierung, siRNA-, miRNA-Analysen Quantifizierung von Next Generation Sequencing-Bibliotheken, Detektion
von seltenen Mutationen
Tab. 1: Vergleich zwischen Real-Time-PCR und digitaler PCR.
Real-Time-PCR Digitale PCR
BIOspektrum |06.14 |20. Jahrgang
Bakterien [9]. Auch die Umweltan-
alytik macht sich die hohe Sensiti-
vität der dPCR-Messungen zunutze
[10].
Ein speziell die Autoren interes-
sierendes Anwendungsgebiet für die
dPCR ist die Detektion von gentech-
nisch veränderten Organismen
(GVO), speziell Pflanzen. Bislang
werden in parallelen Ansätzen die
DNA-Kopien des gentechnisch ein-
geführten DNA-Ab schnitts (Trans-
gen) und eines pflanzenspezifischen
Referenzgens über Standardkurven
mittels qPCR quantifiziert. Diese
Kopienzahlen werden ins Verhältnis
gesetzt und ergeben den relativen
Anteil eines GVO in der Probe. Die
dPCR ermöglicht die Quantifizierung
der Kopienzahlen ohne den Einsatz
von externen Standardkurven [11].
Am Bayerischen Landesamt für
Gesundheit und Lebensmittel -
sicherheit (LGL) untersuchen wir
u. a. die Anwendbarkeit der ddPCR
für die Routinediagnostik [12], z.B.
zur Bestimmung der Kopienzahlen
von Plasmid-Standardkurven für die
qPCR. Anhand von Verdünnungs-
reihen kann bei unbekannten Aus-
gangskonzentrationen ein weiter
Messbereich abgedeckt werden
(Abb. 3). ó
Literatur
[1] Bustin SA, Benes V, Garson JA et al. (2009)
The MIQE guidelines: minimum information for
publication of quantitative real-time PCR experi-
ments. Clin Chem 55:611–622
[2] Brunstein J (2013) Digital PCR: theory and
applications. MLO Med Lab Obs 45:34–35
[3] Hindson BJ, Ness KD, Masquelier DA
et al. (2011) High-throughput droplet digital
PCR system for absolute quantitation of DNA
copy number. Anal Chem 83:8604–8610
[4] Huggett JF, Foy CA, Benes V et al. (2013)
The digital MIQE guidelines: minimum infor-
mation for publication of quantitative digital
PCR experiments. Clin Chem 59:892–902
[5] Lo YM, Lun FM, Chan KC et al. (2007)
Digital PCR for the molecular detection of
fetal chromosomal aneuploidy. Proc Natl
Acad Sci USA 104:13116–13121
[6] Sedlak RH, Jerome KR (2013) Viral diag-
nostics in the era of digital polymerase chain
reaction. Diagn Microbiol Infect Dis 75:1–4
[7] Day E, Dear PH, McCaughan F (2013)
Digital PCR strategies in the development
and analysis of molecular biomarkers for per-
sonalized medicine. Methods 59:101–107
[8] George D, Czech J, John B et al. (2013)
Detection and quantification of chimerism by
droplet digital PCR. Chimerism 4:102–108
[9] Straub T, Baird C, Bartholomew RA et al.
(2013) Estimated copy number of Bacillus
anthracis plasmids pXO1 and pXO2 using
digital PCR. J Microbiol Methods 92:9–10
[10] Tadmor AD, Ottesen EA, Leadbetter JR
et al. (2011) Probing individual environmen-
tal bacteria for viruses by using microfluidic
digital PCR. Science 333:58–62
[11] Morisset D, Stebih D, Milavec M et al.
(2013) Quantitative analysis of food and feed
samples with droplet digital PCR. PLoS One
8:e62583
[12] Gerdes L, Busch U, Pecoraro S (2014)
Digitale PCR – Erste Erfahrungen für die
Analytik von gentechnischen Veränderungen
in Lebensmitteln. Deut Lebensm-Rundsch
(September)
Korrespondenzadresse:
Dr. Lars Gerdes
Bayerisches Landesamt für Gesund-
heit und Lebensmittelsicherheit
Molekularbiologie
Veterinärstraße 2
D-85764 Oberschleißheim
Tel.: 09131-6808-5875
lars.gerdes@lgl.bayern.de
AUTOREN
Patrick Gürtler
1999–2005 Biologiestudium an der TU München, dort 2009
Abschluss der Promotion am Lehrstuhl für Physiologie. Seit
2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bayerischen Land-
esamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in
Oberschleißheim im Bereich Nachweis gentechnisch verän-
derter Organismen (GVO) in Lebens- und Futtermitteln sowie
in Saatgut.
Lars Gerdes
1996–2002 Biologiestudium an der Universität zu Kiel.
2007 Abschluss der Promotion am Lehrstuhl für Biochemie
und Physiologie der Pflanzen der LMU München. Seit 2007
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bayerischen Lan desamt
für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Ober-
schleißheim im Bereich Nachweis von GVO in Lebens- und
Futtermitteln sowie in Saatgut.