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SMART DEVICES
Mobile Labore für Feldversuche
Mit Computer- und Sensortechnik ausgestattete mobile Geräte werden zunehmend
auch für die medizinische Forschung genutzt. Das ist Neuland für alle Beteiligten.
M
it dem Smartphone For-
schung betreiben? Das klingt
zunächst etwas befremdlich, da die-
se Geräte primär mit dem gewöhn -
lichen Privat- und Arbeitsleben in
Verbindung gebracht werden und
nicht mit Wissenschaft. Dennoch
sprechen manche Gründe dafür,
Smart Devices (Smartphones, Tab-
let-PC, Smart Watches, Brillenge-
stelle wie Google Glass et cetera)
für die Forschung einzusetzen. Als
ständige Begleiter können sie leicht
sensorisch „Fühlung“ aufnehmen,
ohne als störend oder fremd empfun-
den zu werden. Smart Devices sind
zunehmend integraler Bestandteil
des Lebens und begleiten uns bei fast
allen Tätigkeiten. Allein die Zahl der
Smartphone-Nutzer weltweit wird
derzeit auf eine Milliarde geschätzt
(1). Somit steht ein attraktiver Pool
zur Rekrutierung potenzieller Studi-
enteilnehmer zur Verfügung.
Neben der Marktforschung ent-
decken auch die Lebens- und Ge-
sundheitswissenschaften die sich
hieraus ergebenden Möglichkeiten
für wissenschaftliche Forschungs-
projekte. Der Ansatz ist vielver-
sprechend: Die Verwendung von
Smart Devices könnte möglicher-
weise eine neue Ära der (medizini-
schen) Feldforschung einläuten und
die Geräte für sämtliche Fachberei-
che interessant machen. Beispiele
findet man erwartungsgemäß im
Public-Health-Sektor.
Beispiele für Studien
Smartphone-Apps werden zum
Beispiel für die Datensammlung
zur Bestimmung der Prävalenz des
Rauchverhaltens in Fahrzeugen (2)
oder auch zur Bestimmung der Re-
aktionszeiten in Worterkennungs-
tests (3) angeboten. Ebenso gibt es
einen Depressions-Monitor (4), der
die eingegebenen Daten zur (seriö-
sen?) Gesundheitsforschung weiter-
leitet. Auch für Pharmakovigilanz-
studien ist der Einsatz von Smart
Devices interessant (5).
Forschung unter Einsatz von
Smart Devices hat den Vorteil, dass
die körperliche und psycholo-
gische Nähe der Nutzer zu
den Geräten die Rekru-
tierung von Studien-
teilnehmern erleichtern kann. Über
geschickte Strategien, zum Bei-
spiel die Kombination mit Inter -
nettechnologien (Websites, soziale
Netzwerke) sind multinationale Re-
krutierungen einfacher zu bewerk-
stelligen. Je nach Forschungsproto-
koll lassen sich räumliche und zeit-
liche Bindungen aufweichen, und
einzelne Studienaufgaben können
flexibel von den Studienteilneh-
mern durchgeführt werden – bei-
spielsweise auch zu Hause, ohne
Laborkittel, Anreise zum Studien-
zentrum. Ein gesteigerter Komfort
für die Studienteilnehmer lässt eine
verbesserte Adhärenz bei der Stu-
diendurchführung und geringere
Drop-out-Raten erwarten. In einem
Smart Device Trial lassen sich zu-
dem günstige Faktoren in Bezug
auf die Kosten identifizieren: In
machen Studien werden bereits bei
den Nutzern vorhandene Endgeräte
eingesetzt, so dass Anschaffungs-
kosten hierfür entfallen. Das Glei-
che gilt für den Unterhalt der Gerä-
te einschließlich der Energie- und
Datenübertragungskosten (unab-
hängig vom gewählten Übertra-
gungsweg). Der Aufwand für die
Erstellung einer Studiensoftware
ist vergleichsweise gering gegen-
über anderen Strategien.
Auch der personel-
Foto: Fotolia/bloomua
A 1478
THEMEN DER ZEIT
teilnehmer ab – eine Verantwortung,
die er bei anderen Studiendesigns
selten tragen muss. Durch die nur
gering bis gar nicht vorhandenen
Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich
der Einhaltung von Standards sind
Verletzungen oder Manipulationen
des Studienprotokolls einfacher mög-
lich und können weder vollständig
erfasst noch ausgeschlossen werden.
Das kann zu Verzerrungen der Studi-
energebnisse führen.
Neben den Chancen gibt es so-
mit auch Risiken. Wird eine App zu
Forschungszwecken an Probanden
abgegeben, müssen dabei gegebe-
nenfalls bestehende rechtliche An-
forderungen des Medizinprodukte-
rechts eingehalten werden. Dies ist
– grob vereinfacht – immer dann
der Fall, wenn eine Software als
Stand-alone-Software vom Herstel-
ler eine medizinische Zweckbe-
stimmung erhalten hat (6). Sieht
das Projekt also vor, dass der Pa-
tient mit dem Smartphone eine
Messung oder eine Aufnahme macht,
die durch die App automatisiert
ausgewertet wird, müsste zuvor ein
Konformitätsbewertungsverfahren
durchlaufen und ein CE-Kennzei-
chen erworben werden.
Werden zudem für breitangeleg-
te Forschungsprojekte private Ge-
räte eingesetzt, sind datenschutz-
rechtliche Aspekte zu berücksichti-
gen. Der Forscher muss daher im
Vorfeld auf eine adäquate Daten-
schutzerklärung achten, vor allem
dann, wenn länderübergreifend Da-
ten ausgetauscht werden und Län-
der involviert sind, die weniger
strenge Datenschutzvorschriften ha-
ben als Deutschland.
In der Regel wird der Durchfüh-
rende des Forschungsvorhabens für
mögliche Schäden an den privaten
Geräten nicht haften wollen. Soweit
Schäden auf die anzuwendende
Software zurückzuführen sind, ist
eine vollständige Haftungsfreistel-
lung jedoch unwahrscheinlich.
Forschungsvorhaben unter Ein-
satz von Smart Devices und Apps
sind nach der guten wissenschaftli-
chen Praxis durchzuführen (7). So
sind die Deklaration von Helsinki
(8) und je nach Vorhaben spezielle
internationale oder nationale Vor-
schriften zu beachten. Den Stu -
dienteilnehmern sollten möglichst
keine Kosten entstehen, zumindest
die Studien-App sollte kostenfrei
verfügbar sein. Wünschenswert
wäre auch, die nötigen Mobilge -
räte einschließlich Zubehör und
Mobilfunkvertrag zur Verfügung
zu stellen.
Empfehlungen für die Praxis
Abgesehen vom Datentransfer wird
eine Studie – korrekte Planung und
Durchführung vorausgesetzt – an -
onym und autonom ablaufen. Auf-
grund des fehlenden persönlichen
Kontakts zwischen Forschenden,
Forschungseinrichtung und Studi-
enteilnehmern ist möglichst trans-
parent über die Studie zu informie-
ren. Den Studienteilnehmern sollte
Folgende Angaben sollte der Kurztext
zur schnellen Information potenzieller
Studienteilnehmer enthalten:
Zur forschenden Institution
●
Name, Anschrift der forschenden
Institution
●
Namen der verantwortlichen Wis-
senschaftler, deren Qualifikation
und Funktion
●
Sponsoreninformationen und be-
stehende Interessenkonflikte
●
Entwicklergruppe der Applikation
Zur Forschung
●
Information darüber, dass es sich
um Forschung handelt
●
zielgruppengerechte Information
über das Forschungsvorhaben
●
Forschungsinhalt, eingesetzte Me-
thoden, Risiken, Informationen zum
Datenschutz, Rücktrittsmöglichkeiten
●
Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme
●
Hinweis auf zustimmende Bewer-
tung der Studie durch eine Ethik-
kommission
●
Registrierungsnummer der Studie
und Ort der Registrierung
ERSTINFO FÜR STUDIENTEILNEHMER
le Aufwand des Studienzentrums
kann sich je nach Design verrin-
gern, wenn etwa die Tests unter der
Eigenregie der Studienteilnehmer
durchgeführt werden können und
diese gleichzeitig auch noch die
Studienaufsicht mit abdecken. Das
kann aber nur dann funktionieren,
wenn eine Studien-App gut geplant
ist, selbsterklärend und standar -
disiert funktioniert und die For-
schungsfrage ein solches Vorgehen
überhaupt zulässt. Die Kosten für
solche Studiendesigns fallen denk-
bar gering aus, vor allem wenn das
komplette Studienmanagement di-
gital abgedeckt wird und Visiten in
Studienzentren entfallen.
Methodische Aspekte
Methodisch sind dabei etliche Hür-
den zu nehmen, die über die An-
sprüche herkömmlicher Internetbe-
fragungen hinausgehen und bisher
kaum erforscht wurden. Die Stan-
dardisierung ist eine Herausforde-
rung. Für ein unter kontrollierten
Bedingungen eingesetztes Smart
Device ist diese sicherlich möglich,
aber spätestens bei der Verwendung
durch den Probanden werden Ein-
schränkungen sichtbar: Der jeweili-
ge Studienteilnehmer gestaltet den
Versuch aktiv mit und wird das Ge-
rät natürlich auch außerhalb einer
definierten Umgebung, beispiels-
weise des Labors, benutzen. Unter
welchen Bedingungen ein Versuch
gestartet wurde, kann weder mittels
Gerät noch über die Studien-App
ausreichend überprüft werden, so
dass immer eine (kalkulierbare)
Unsicherheit bezüglich des Durch-
führungsstandards bestehen bleibt.
Die App kann nur den Rahmen
vorgeben und über die internen Ge-
rätefunktionen begrenzt die Umge-
bungsbedingungen überprüfen oder
beeinflussen, etwa durch Steuerung
bestimmter Gerätefunktionen. Daher
kommt es darauf an, dass der Stu -
dienteilnehmer die vorgegebenen
Bedingungen erfüllt, zum Beispiel
hinsichtlich der Umgebungsbeleuch -
tung, des Lärmpegels oder der Ver-
wendung eines Mobilgeräts mit be-
stimmten Eigenschaften wie einer
vorgegebenen Displaygröße. Damit
hängen die Validität und Reliabilität
der Studie maßgeblich vom Studien-
Deutsches Ärzteblatt
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THEMEN DER ZEIT
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Deutsches Ärzteblatt
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D
roht nach den jüngsten Ent-
hüllungen über PRISM und
TEMPORA bereits der nächste hand-
feste Überwachungsskandal? Dem
Postillon liegen Dokumente vor, aus
denen hervorgeht, dass unbescholte-
ne Bürger jahrzehntelang systema-
tisch von Ärzten abgehört worden
sind. Die Mediziner – eigentlich Ver-
trauenspersonen – sollen dafür unter
anderem sogenannte Stethoskope
verwendet haben.
Regelmäßiges Ziel der umfassenden
Abhörmaßnahmen seien vor allem inne-
re Organe wie Lunge und Herz gewe-
sen. Auffälligkeiten und Abweichungen
von der Norm wurden akribisch proto-
kolliert. Bei bestehendem Anfangsver-
dacht kamen außerdem nicht selten
weitere Hightechgeräte zum Einsatz, mit
denen die Betroffenen, im Ärzte jargon
auch „Patienten“ genannt, buchstäblich
durchleuchtet wurden.
Finanziert und koordiniert wurden und
werden die Abhöraktionen von einem
komplizierten Geflecht aus teils privaten,
teils staatlichen Organisationen, die unter
Kodenamen wie AOK und Bar mer auf
dem gesamten Bundesgebiet operieren
beziehungsweise operieren lassen.
Ein Insider, der selbst jahrelang Pa-
tienten abgehört hat, erklärt die Praxis:
„Wir checken jeden genauestens durch,
fragen nach Krankheiten, Ernährung,
Privatleben. Bemerken wir etwa einen
beschleunigten Herzschlag oder unge-
wöhnliches Schwitzen, werden weitere
Maßnahmen ergriffen. Wir suchen
dann auch im familiären Umfeld nach
ähnlich auffälligem Verhalten.“ Ferner
gehöre es zur Praxis, Medikamente zu
verabreichen. Bei mangelnder „Koope-
ration“ habe es überdies in der Ver-
gangenheit sogar Todesfälle gegeben.
Bei den Verantwortlichen allerdings
spielt man den Skandal herunter. Die
Ärztekammer etwa ließ mitteilen: „(. . .)
Sämtliche Operationen sind vom Pa-
tienten genehmigt. Wenn abgehört
wird, dann ausschließlich zum Wohl
und im Interesse der Bürger. (. . .)“
Jedoch geht aus den Dokumenten
auch hervor: In sogenannten Vorsor-
geuntersuchungen sollen auch gezielt
Patienten untersucht worden sein, für
die zu diesem Zeitpunkt gar kein Be-
fund vorlag. Die rechtliche Grundlage
dafür ist umstritten.
Die von der Opposition geforderte
„Aufklärung“ hat man von offizieller
Seite bisher nur Pubertierenden ver-
sprochen – in den nächsten Tagen
wird jedoch eine umfassende Stel-
lungnahme erwartet.
Quelle: www.der-postillon.com
GLOSSE
Nachdruck aus „Der Postillon“ – mit freundlicher Genehmigung
NEUER ÜBERWACHUNGSSKANDAL
Ärzte sollen millionenfach
Bürger abgehört haben
Foto: iStockphoto
es auf vielfältige Weise ermöglicht
werden, Information zu erhalten
und Rücksprache zu nehmen (etwa
über Websites und Chats). Zum
Austausch kann zum Beispiel ein
Blog mit angeschlossenem Forum
dienen. Dabei gilt es aber zu beden-
ken, dass die Probandeninformation
– und damit auch das Forschungs-
projekt an sich – bei einer allgemei-
nen Teilnehmerrekrutierung ohne
vorher fest definierten Nutzerkreis
„offen“ verfügbar, somit von über-
all her einsehbar und damit schlecht
zu schützen ist.
Die Studien-App hält die Tests
vor und übernimmt das Datenma n -
agement und den Datentransfer. Ers-
te Informationen zum Einsatzzweck
sollten für den Nutzer direkt in einer
Kurzbeschreibung (Kasten) bereitste-
hen, detaillierte Hinweise auf einer
externen Webseite erhältlich sein. Die
adressatengerechte Probandeninfor-
mation sollte neben den Zielen den
Zweck der App einschließlich Funk-
tionalitäten und möglicher Limita -
tionen nennen sowie ausführlich auf
Datenschutzaspekte, Projektpartner
und Finanzierung (mit Angabe et -
waiger Sponsoren) eingehen.
Die Entwicklung von Apps für
Studienzwecke muss höchsten Qua-
litätsmaßstäben genügen, um das
Vertrauen in entsprechende Projek-
te nicht zu verspielen. Zusätzlich
zu einer möglichst barrierefreien
und zielgruppengerechten Benut-
zerschnittstelle sollte die App in ei-
ner Vorstudie bereits hinsichtlich
ihrer Anwendbarkeit evaluiert wor-
den sein. Dies schließt eine Über-
prüfung auf Funktionsfehler und
deren Beseitigung ein. Zum Schutz
der Nutzerdaten sind ein verschlüs-
selter Datentransfer sowie eine si-
chere Datenspeicherung und Verar-
beitung nach aktuellen Standards zu
gewährleisten.
▄
Dr. med. Urs-Vito Albrecht,
Dr. rer. biol. hum. Ute von Jan
PLRI MedAppLab, Peter-L.-Reichertz-Institut
für Medizinische Informatik der Technischen
Universität Braunschweig und der Medizinischen
Hochschule Hannover,
Albrecht.Urs-Vito@mh-hannover.de
Dr. jur. Oliver Pramann
Kanzlei 34 Rechtsanwälte und Notare, Hannover
@
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit3113
THEMEN DER ZEIT
Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110
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5. August 2013
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THEMEN DER ZEIT
LITERATURVERZEICHNINS HEFT 31−32/2013, ZU:
SMART DEVICES
Mobile Labore für Feldversuche
Mit Computer- und Sensortechnik ausgestattete mobile Geräte werden zunehmend
auch für die medizinische Forschung genutzt. Das ist Neuland für alle Beteiligten.
LITERATUR
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