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© Klaus Rüschhoff, Springer Medizin
A. Krueger
1
· M. Frink
1
· A. Kiessling
1
· S. Ruchholtz
1
· C.A. Kühne
1
1
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie,
Universitätsklinika Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg
2
Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie,
Universitätsklinika Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg
Schockraummanagement
Im Zeitalter von Weißbuch,
S3-Leitlinie, „Advanced Trauma Life Support“
und TraumaNetzwerk DGU
Zusammenfassung
Die Behandlung Schwerverletzter ist – wie auch die Verletzungsschwere und -kombination
– oftmals hoch komplex und lässt nur wenig Spielraum für Verzögerungen, Dissens oder gar
Fehler. Um diese auf ein Minimum zu reduzieren sind – neben optimalen apparativen und
strukturellen Voraussetzungen – auch eingespielte Schockraumteams notwendig, die nach
festen, allen Teammitgliedern bekannten und auch von allen Teilnehmern konsentierten Al-
gorithmen interdisziplinär zusammenarbeiten. Das Weißbuch „Schwerverletztenversorgung“
der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und die kürzlich erschienene S3-Leit-
linie bieten hier evidenzbasierte Vorgaben der strukturellen, apparativen, organisatorischen
und personellen Voraussetzungen.
Schlüsselwörter
Schockraummanagement · Weißbuch · TraumaNetzwerk · Deutsche Gesellschaft für
Unfallchirurgie · Traumaregister
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Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CME-
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kammer Hessen und der Nord rheinischen
Akademie für Ärztliche Fort- und Weiter-
bildung und damit auch für andere Ärzte-
kammern anerkennungsfähig.
Hinweis für Leser aus Österreich
und der Schweiz
Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Pro-
gramm (DFP) der Österreichischen Ärzte-
kammer werden die in der e.Akademie
erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als
fachspezifische Fortbildung anerkannt.
Der Chirurg ist zudem durch die Schwei-
zerische Gesellschaft für Chirurgie mit
1 Credit pro Modul anerkannt.
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Springer Medizin Kundenservice
Tel. 0800 77 80 777
E-Mail: kundenservice@springermedizin.de
CME Zertifizierte Fortbildung
Redaktion
M. Betzler · Essen
H.-J. Oestern · Celle
P.M. Vogt · Hannover
Chirurg 2013
DOI 10.1007/s00104-012-2384-9
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
1Der Chirurg 2013
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CME
Lernziele
Nach Lektüre dieses Beitrages…
F kennen Sie die evidenzbasierten Algorithmen der medizinisch-technischen und sozial-
interprofessionellen Zusammenarbeit in einem Schockraumteam,
F sind Sie informiert über die baulichen, personellen, technischen und medizinischen
Neuerungen bei der Behandlung schwerverletzter Patienten,
F kennen Sie die besonderen Behandlungssituationen bei HIV-Infektion, Zeugen Jehovas
und Gravidität.
Einleitung
Im Jahr 2011 belief sich die Zahl der polizeilich erfassten Straßenverkehrsunfälle in der Bundesre-
publik Deutschland auf 2.361.457. Im Rahmen dieser Unfälle kam es zu insgesamt 306.266 Perso-
nenschäden; 3991 Menschen verloren dabei ihr Leben; dies war der erste Anstieg an Verkehrstoten
seit 20 Jahren [1]. Neben Straßenverkehrsunfällen kommt es selbstverständlich auch durch andere
Ursachen wie Abstürze aus größerer Höhe, bei Selbsttötungsabsichten, Gewalttaten etc. zu schwe-
ren, lebensbedrohlichen Mehrfachverletzungen [2, 3] Die genaue Zahl polytraumatisierter Patien-
ten in Deutschland beruht auf Schätzungen bzw. Hochrechnungen und wird hier je nach Autor mit
32.000 bis 39.000 angegeben [4, 5]. Deutlich exaktere Zahlen sind in den kommenden Jahren durch
die flächendeckende Implementierung des Netzwerkes „TraumaNetzwerk DGU
der Deutschen Ge-
sellschaft für Unfallchirurgie“ und der damit verbundenen verpflichtenden Dokumentation aller in
den Kliniken über den Schockraum aufgenommenen schwerverletzten Patienten zu erwarten. Hier
wurden im Jahr 2011 in insgesamt 521 Kliniken die Daten von 24.227 schwerverletzten Patienten er-
fasst. Von den geschätzten ca. 900 Kliniken, die sich in Deutschland an der Versorgung schwerver-
letzter Patienten beteiligen, sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits ca. 700 in regionalen Trauma-
netzwerken organisiert und über 600 auditiert bzw. zertifiziert.
Die Behandlung schwer- und schwerstverletzter Patienten stellt das behandelnde Team oft und
wiederholt vor ungewohnte Herausforderungen, große Schwierigkeiten und/oder einmalige Situ-
ationen. Die Kombinationsvielfalt und Komplexität der möglichen Verletzungsmuster führt dazu,
dass im Großen und Ganzen keine Schockraumversorgung der anderen gleicht. Umso wichtiger ist
es daher, das situative Moment von dieser Komplexität zu befreien und einen im wahrsten Sinne des
Wortes „Behandlungsraum“ zu schaffen, in dem alle Abläufe – medizinisch-technisch und auch so-
zial-interprofessionell – festen, bekannten Algorithmen folgen, um Hektik und Chaos zu vermei-
den und damit negative Behandlungsergebnisse zu minimieren.
Neben Straßenverkehrsunfällen
sind Stürze aus größerer Höhe und
Gewalttaten Ursache lebensbedroh-
licher Mehrfachverletzungen
Die Zahl polytraumatisierter Patien-
ten in Deutschland wird mit 32.000
bis 39.000 angegeben
Durch die Komplexität der Ver-
letzungen gleicht nahezu keine
Schockraumversorgung der ande-
ren
Emergency room management. In the era of the White Paper,
S3 guidelines, Advanced Trauma Life Support
and
TraumaNetwork DGU
of the German Society of Trauma Surgery
Abstract
The treatment of the severely injured is, just as the injury severity and combinations, often highly
complex and leaves little leeway for delay, dissent or even error. In order to reduce this to a minimum,
trained emergency room teams in addition to optimal technical and structural prerequisites are ne-
cessary. This must function in an interdisciplinary fashion according to fixed consensus algorithms
which are known to all team members and have been agreed by all participants. The White Paper on
treatment of the severely injured of the German Society of Trauma Surgery (DGU) and the recently
published S3 guidelines offer evidence-based recommendations on the structural, technical, organi-
zational and personnel prerequisites.
Keywords
Emergency room management · White Paper · TraumaNetwork · German Society of Trauma Surgery ·
Trauma register
2
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Der Chirurg 2013
CME
Zur Behandlung schwerverletzter Patienten sind in den letzten Jahren wichtige Publikationen –
wie das Weißbuch Schwerverletztenversorgung und die S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletz-
tenbehandlung – erschienen [6, 7]. Darüber hinaus ist es – nicht zuletzt durch genannte Publika-
tionen – zu einem massiven Anstieg der Teilnahme an den ATLS („advanced trauma life support“)-
Kursen der DGU gekommen.
Die Neuerungen bei der Behandlung schwerverletzter Patienten – baulich, personell, technisch
und medizinisch – sollen dabei in dem vorliegenden Artikel umfassend und strukturiert dargestellt
werden. Besonderen Behandlungssituationen bei HIV-Infektion, Zeugen Jehovas und Gravidität wird
ein eigener Abschnitt gewidmet.
Alarmierungskriterien
Das Schockraumbasisteam (. Tab. 1) sollte bereits vor Eintreffen des Patienten im Schockraum
anwesend sein. Hierdurch werden bereits zu Beginn der Behandlung Verzögerungen und Informa-
tionsdefizite vermieden. Clarke et al. [8] zeigten, dass bei Patienten, die den Schockraum mit intraab-
dominellen Blutungen im Volumenmangelschock erreichen, die Überlebenswahrscheinlichkeit um
1% je 3 min Zeitverzögerung bis zur Laparotomie sinkt. Damit das Team rechtzeitig informiert wer-
den kann, wurden Alarmierungskriterien ausgearbeitet (. Tab. 2). Treffen ein oder mehrere dieser
Kriterien zu, wird das Team – optimalerweise – über einen Sammelruf parallel aktiviert [9]. Alar-
mierungskriterien haben aber darüber hinaus auch den Zweck, jene Patienten frühzeitig zu identi-
fizieren, welche einer initialen Diagnostik und Behandlung im Schockraum bedürfen. Dass anhand
der Alarmierungskriterien ein Großteil der Patienten letztendlich „falsch“ eingestuft wird („over-
triage“), ist notwendig, um die Zahl derer zu minimieren, die trotz ihrer Verletzungsschwere (zu-
nächst) nicht als polytraumatisiert erkannt werden („undertriage“). Das American College of Sur-
geons Committee on Trauma (ACS COT) gibt die Raten für „undertriage“ mit 5–10% und für die
„overtriage“ mit 30–50% an [10].
Schockraumteam
Entsprechend der Versorgungsstufe im TraumaNetzwerk DGU soll das Schockraumbasisteam aus 2
bis 4 Ärzten und 4 bis 5 Pflegekräften bestehen. Dabei muss die Hälfte der verantwortlichen unfall-
chirurgischen Ärzte mindestens ATLS-Kurs-Standard auf- und nachweisen [6]. Die Mitgliederzahl
des erweiterten Schockraumteams – anwesend innerhalb von 20 min – variiert entsprechend zwi-
schen 4 bis 11 bzw. 14 Ärzten und ist je nach Verletzungsschwere zu erweitern (. Tab. 3). Diese gro-
Das Schockraumbasisteam sollte
bereits vor Eintreffen des Patienten
im Schockraum anwesend sein
Treffen ein oder mehrere Alarmie-
rungskriterien zu, wird das Team
über einen Sammelruf parallel ak-
tiviert
Das Schockraumbasisteam soll aus
2 bis 4 Ärzten und 4 bis 5 Pflegekräf-
ten bestehen
Tab. 1 Mitglieder des Schockraumbasisteams (in Abhängigkeit der Versorgungsstufe)
Lokales Traumazentrum Regionales Traumazentrum Überregionales Traumazentrum
1 FA für Orthopädie/Unfallchirurgie
oder Viszeralchirurgie oder Allge-
meinchirurgie bzw. Weiterbildungs-
assistent (FA-Standard)
1 FA bzw. Weiterbildungsassistent
für Orthopädie/Unfallchirurgie
(FA-Standard)
1 FA bzw. Weiterbildungsassistent
für Orthopädie und Unfallchirurgie
(FA-Standard)
1 FA für Anästhesiologie
bzw. Weiterbildungsassistent
(FA-Standard)
1 Weiterbildungsassistent in
Orthopädie/Unfallchirurgie oder in
Viszeralchirurgie und/oder
Allgemeinchirurgie
1 Weiterbildungsassistent in Ortho-
pädie und Unfallchirurgie oder in
Zusatzweiterbildung „Spezielle Un-
fallchirurgie“ oder Weiterbildungs-
assistent in Viszeralchirurgie oder
Allgemeinchirurgie
1 FA für Anästhesiologie bzw. Wei-
terbildungsassistent (FA-Standard)
1 FA für Anästhesiologie bzw. Weiter-
bildungsassistent (FA-Standard),
1 FA für Radiologie bzw. Weiterbil-
dungsassistent (FA-Standard)
1 FA für Radiologie bzw. Weiter-
bildungsassistent (FA-Standard)
2 Pflegekräfte Chirurgie
1 Pflegekraft Anästhesiologie
1 medizinisch-technische
Radiologiefachkraft
2 Pflegekräfte Chirurgie
1 Pflegekraft Anästhesiologie
1 medizinisch-technische
Radiologiefachkraft
2 Pflegekräfte Chirurgie
1 Pflegekraft Anästhesiologie
1 medizinisch-technische
Radiologiefachkraft
Transportdienst
FA Facharzt.
3Der Chirurg 2013
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CME
ße Zahl (mit)behandelnder Ärzte zeigt bereits die Notwendigkeit bestimmter Strukturen und Algo-
rithmen sowie einer Autorität, welche diese überwacht, leitet und ordnet – den sog. Schockraumlea-
der. Wem diese Aufgabe zuzusprechen sein sollte, wird nach wie vor politisch und auch wissenschaft-
lich sehr kontrovers diskutiert. Unstrittig scheint hingegen die Tatsache, dass durch die Einführung
eines „Leaders“ Versorgungs- und Behandlungsabläufe verbessert werden können und das bessere
Behandlungsergebnisse erzielt werden [11, 12] Die Schockraumleitung kann entweder einer Einzel-
person (vertikale Struktur) übertragen werden oder interdisziplinär (horizontale Struktur) erfolgen.
Dabei hat sich die horizontale Struktur, in der die Teammitglieder gleichgestellt miteinander agie-
ren und kommunizieren, als die effektivere herausgestellt [13, 14]. Die Aufgaben, die dem oder den
Leadern zufallen, sind dabei in erster Linie technisch-medizinischer sog. „technical skills“ (operati-
ve Erfahrung, manuelles Geschick, Organisation des Diagnostik- und Behandlungsablaufes – auch
nach Beendigung der Schockraumphase) wie auch sozialer-kommunikativer Art, sog. „non-technical
Die Schockraumleitung kann ent-
weder einer Einzelperson übertra-
gen werden oder interdisziplinär er-
folgen
Tab. 3 Mitglieder des erweiterten Schockraumteams (in Abhängigkeit der Versorgungsstufe)
Lokales Traumazentrum Regionales Traumazentrum Überregionales Traumazentrum
FA für Orthopädie/Unfallchirurgie
mit Zusatzweiterbildungs-
qualifikation
Spezielle Unfallchirurgie
(Oberarzt)
FA für Orthopädie/Unfall-
chirurgie mit Zusatzweiter-
bildungsqualifikation
Spezielle Unfallchirurgie
(Oberarzt)
FA für Orthopädie/Unfallchirurgie mit
Zusatzweiterbildungsqualifikation
Spezielle Unfallchirurgie oder FA für
Chirurgie mit spezieller Unfallchirurgie
(Oberarzt)
FA für Viszeralchirurgie oder
Allgemeinchirurgie (Oberarzt)
FA für Viszeralchirurgie oder
Allgemeinchirurgie (Oberarzt)
FA für Viszeralchirurgie oder Allgemein-
chirurgie (Oberarzt)
FA für Anästhesiologie (Oberarzt) FA für Anästhesiologie (Oberarzt) FA für Anästhesiologie (Oberarzt)
FA für Radiologie (Oberarzt) FA für Radiologie (Oberarzt) FA für Radiologie (Oberarzt)
FA für Neurochirurgie FA für Neurochirurgie
FA für Gefäßchirurgie FA für Gefäßchirurgie
Fakultativ:
alle Disziplinen wie über-
regionales Traumazentrum
FA für Herz- und/oder Thoraxchirurgie
FA für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie
FA für HNO
FA für Augenheilkunde
FA für Urologie
Fakultativ:
FA für Gynäkologie
FA mit Zusatzweiterbildung
Handchirurgie
FA für Kinderchirurgie oder Pädiatrie
FA Facharzt.
Tab. 2 Kriterien zur Aktivierung des Schockraumteams (wie in den S3-Leitlinien formuliert)
Empfehlungsgrad A Empfehlungsgrad B
Störung der Vitalparameter Offensichtliche Verletzungen Unfallmechanismus bzw.
-konstellation
– Systolischer Blutdruck
<90 mmHg nach Trauma
– Penetrierende Verletzungen der Rumpf-/
Halsregion
– Sturz aus >3 m Höhe
– GCS <9 nach Trauma – Schussverletzungen der Rumpf-/Halsregion – Verkehrsunfall
– Atemstörungen/
Intubationspflicht nach
Trauma
– Frakturen von mehr als 2 proximalen
Knochen
– Frontalaufprall mit Intrusion
von mehr als 50–75 cm
– Instabiler Thorax – Geschwindigkeitsverände-
rung von Δ >30 km/h
– Instabile Beckenfraktur – Fußgänger-Zweirad-Kollision
– Amputationsverletzung proximal
der Hände/Füße
– Tod eines Insassen
– Verletzungen mit neurologischer Quer-
schnittssymptomatik
– Ejektion eines Insassen
– Offene Schädelverletzung
– Verbrennung >20% von ≥ Grad 2b
GCS Glasgow Coma Scale.
4
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Der Chirurg 2013
CME
skills“ (Leitung, Integration und Koordination aller Teammitglieder, Durchsetzungsfähigkeit, Schaf-
fung von Vertrauen in die Fähigkeiten). Darüber hinaus fällt es dem/den Leadern zu, nach der akuten
Behandlungsphase Kontakt z. B. den Angehörigen und/oder der Polizei aufzunehmen. Einer Studie
von Hjortdahl et al. [15] zufolge sind „technical and non-technical skills“ gleichermaßen wichtig und
werden dementsprechend von den Teammitgliedern in hohem Maße von dem/den Schockraumlea-
dern gefordert. In der S3-Leitlinie Polytrauma heißt es daher salomonisch …
… sollen idealerweise nach Absprache der „Beste“ bzw. die „Besten“ die Aufgabe des „Trauma-Leader“
bzw. der „interdisziplinären Führungsgruppe“ wahrnehmen. [7]
Bauliche und apparative Voraussetzungen
Auf bauliche und apparative Voraussetzungen soll hier nur der Vollständigkeit halber eingegangen
werden. Für ausführliche Informationen und Beschreibungen verweisen wir auf die S3-Leitlinie bzw.
das Weißbuch Schwerverletztenversorgung [5, 6]. Der Schockraum sollte eine Mindestgröße von
25 m
2
– optimalerweise 50 m
2
– aufweisen, damit entsprechend der Teamgröße ausreichend Arbeits-
platz für die Einzelpersonen besteht. In überregionalen Traumazentren muss die Möglichkeit zur
gleichzeitigen Behandlung von mindestens 2 Schwerverletzten bestehen.
Für die zeitnahe Erkennung und Behandlung von Verletzungen einschließlich lebensbedrohlicher
Körperhöhlenverletzungen muss im Schockraum entweder eine Bildgebung auf Basis von Ultraschall
und Röntgen oder eines dort installierten Computertomographen (CT) vorgehalten werden. Hier ist
von Autorenseite anzumerken, dass wenngleich das Multislice-CT (MSCT) aufgrund seiner Schnel-
ligkeit und auch diagnostischen Sicherheit immer häufiger für die Initialdiagnostik im Schockraum
gefordert wird, die Schockraumröntgendiagnostik des Beckens und Thorax und Sonographie des Ab-
domens (FAST) inkl. 4-Kammer-Blick nach wie vor als Standard gesehen werden kann. Zur Durch-
führung von Notfalleingriffen sollte sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Schockraum ein Not-
falloperationssaal befinden, in dem alle notwendigen Geräte (Beatmungseinheit) und Siebe für un-
fall-, viszeral-, neuro- und thoraxchirurgische Noteingriffe separat vorgehalten werden.
ATLS
Das ATLS (“advanced trauma life support”)-Konzept versucht, eine Vereinheitlichung der Prioritäten
aller Schwerverletzten vorzunehmen, um nach standardisierten Vorgehensweisen auch ohne appara-
tive Diagnostik lebensbedrohliche Verletzungen zu erkennen und umgehend zu behandeln. Durch
die Einfachheit und klare Struktur bietet dieses Konzept insbesondere Berufsanfängern eine gute Ba-
sis bei der Behandlung dieser oft komplexen Patienten.
Die Behandlung unterscheidet zwei Phasen, den „primary survey“, bei dem alle unmittelbar le-
bensbedrohlichen Verletzungen und Zustände erkannt und umgehend behandelt werden sollen und
den nachrangigen „secondary survey“, bei dem dann alle weiteren auch nicht lebensbedrohlichen
Verletzungen diagnostiziert werden sollen.
Primary Survey
Im Primary Survey soll der schwerverletzte Patient standardisiert nach einem festgelegten Schema
untersucht werden, um lebensbedrohliche Verletzungen unmittelbar zu erkennen und sofort zu be-
handeln. Die Priorisierung erfolgt nach einem alphabetischen System von A bis E. Die Priorisierung
ist für alle Patienten gleich, wobei alle Untersuchungen im großen Schockraumteam parallel erfolgen
können. Im Folgenden sollen die einfachsten Grundsätze von ATLS skizziert werden.
Airway – Sicherung des Atemwegs
Hierunter fallen Maßnahmen wie Einbringen eines Guedel-Tubus, endotracheale Intubation oder
– wenn dies technisch nicht möglich ist – die Koniotomie. Indikationen sind z. B. Bewusstseinstrü-
bung (GCS <9) oder schwere, stark blutende Verletzungen im Bereich des Gesichtsschädels. Bei be-
stimmten Verletzungen (z. B.: Rauchgasinhalation, Verbrennungen) kann es erforderlich und vor-
ausschauend sein, die Atemwege prophylaktisch zu sichern.
Der Schockraum sollte eine Min-
destgröße von 25 m
2
aufweisen
In unmittelbarer Nachbarschaft zum
Schockraum sollte sich ein Notfall-
operationssaal befinden
Das ATLS-Konzept versucht, eine
Vereinheitlichung der Prioritäten al-
ler Schwerverletzten vorzunehmen
Der schwerverletzte Patient wird
standardisiert nach einem festge-
legten Schema untersucht
5Der Chirurg 2013
|
CME
Breathing – Sicherung der (Be-)Atmung
Bei Traumapatienten sollten 12 Thoraxverletzungen aktiv gesucht und ausgeschlossen werden:
F Verlegungen der oberen Atemwege (Trachea/Kehlkopf/Bronchien),
F Spannungspneumothorax,
F offener Pneumothorax,
F instabiler Thorax,
F massiver Hämatothorax und
F Herzbeuteltamponade
können unbehandelt jeweils in Minuten zum Tod führen („deadly six“).
Kleinere Verletzungen von Trachea/Kehlkopf/Bronchen, einfacher Hämato- oder Pneumotho-
rax, Lungenkontusion, Contusio cordis, traumatische Zwerchfellruptur oder traumatische gedeck-
te Aortenruptur können mit zeitlicher Latenz lebensbedrohlich werden und sollten ebenfalls aktiv
ausgeschlossen oder deren klinischer Verlauf engmaschig kontrolliert werden. Die meisten B-Pro-
bleme können durch einfache chirurgische Maßnahmen behandelt werden (Thoraxdrainage, Peri-
kardpunktion, Perkardiozentese). In einigen, jedoch selteneren Fällen kann eine Thorakotomie im
Schockraum erforderlich sein, um eine schwerwiegende Verletzung schnell und adäquat zu adres-
sieren (s. Notfalleingriffe).
Circulation – Stoppen einer Blutung
Als Merksatz für die häufigsten Lokalisationen der Blutungen gilt: „Blood on the floor and four mo-
re“ (externe Blutung, Thorax, Abdomen, Becken/Retroperitoneum, Frakturen großer Röhrenkno-
chen). Externe Blutungen sollten mittels Druckverband gestoppt werden. Tourniquets sind unse-
res Erachtens als Ultima Ratio ebenfalls erlaubt. Massive Blutungen in Thorax und Abdomen sollten
bei instabilen Patienten durch eine fokussierte Ultraschalluntersuchung (FAST, „focused assessment
with sonography for trauma“) erkannt werden. Liegen kreislaufwirksame, nicht stillbare Blutungen
im Thorax und/oder Abdomen vor, ist eine Notfallthorakotomie und/oder Laparotomie – ggf. noch
im Schockraum – durchzuführen (s. Notfalleingriffe/Damage Control). Eine einfache Form der Be-
handlung blutender Beckenverletzungen ist die Anlage/Verwendung einer Beckenschlinge, eines
Pelvic-Binders oder eines Lakens, das auf Höhe des Trochanter major um das Becken geschlungen,
angezogen und z. B. mit einem Kabelbinder fixiert wird. Sind diese Maßnahmen nicht wirksam, ist
ggf. ein chirurgisches Vorgehen mit retroperitonealem Packing vorzunehmen. Wichtigstes Ziel der
Behandlung des hämorrhagischen Schocks ist es, die Blutung zu stoppen. Interdisziplinäre Abspra-
chen und Algorithmen sind für die Behandlung schwerverletzter Patienten zu fordern. Beispielhaft
sei hier die angiographische Blutstillung aktiver Blutungen im Becken durch die interventionellen
Radiologen genannt. Gleichzeitig ist eine differenzierte Substitution von Blut- und Gerinnungsfak-
toren (s. Gerinnungsmanagement) durchzuführen und eine Auskühlung des Patienten zu vermei-
den (Wärmedecken, warme Infusionen etc.)
Disability – neurologischer Status
Parallel zu den Untersuchungen A, B, C erfolgt eine orientierende neurologische Untersuchung, die
neben der Erfassung des Bewusstseins anhand der Glasgow Coma Scale auch Größe und Form der
Pupillen sowie Pupillomotorik beinhaltet.
Exposure/Environment – Entkleiden des Patienten
Hierunter ist der sog. Body-Check mit chirurgischer Untersuchung, Erfassung der Begleitumstände
und das Erwärmen des Patienten (s. oben) zu verstehen.
Lebensrettende Notfalleingriffe/Damage Control
Polytraumatisierte Patienten haben oftmals schwere Verletzungen der verschiedenen Körperregio-
nen, die mit einem massiven Blutverlust einhergehen können. Aus eigenen Berechnungen von Daten
des TraumaRegister DGU wissen wir, dass Patienten mit Massivtransfusionen in hohem Maße tho-
rakale und/oder abdominelle und/oder pelvine Blutungen haben. Um diese lebensbedrohlichen Blu-
tungen schnell und effektiv kontrollieren zu können, müssen Gerinnungstherapie und operatives
Vorgehen aggressiv, schnell und effizient sein und den Patienten optimalerweise nur minimal belas-
Bei Traumapatienten sollten 12 Tho-
raxverletzungen aktiv gesucht und
ausgeschlossen werden
Die meisten B-Probleme können
durch einfache chirurgische Maß-
nahmen behandelt werden
„Blood on the floor and four more“
Massive Blutungen in Thorax und
Abdomen sollten bei instabilen Pa-
tienten durch eine fokussierte Ultra-
schalluntersuchung erkannt werden
Wichtigstes Ziel der Behandlung
des hämorrhagischen Schocks ist es,
die Blutung zu stoppen
6
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Der Chirurg 2013
CME
ten. Diesen Forderungen wird durch das Konzept des „damage control“ entsprochen – einem prio-
ritätenorientierten Therapieschema mit 4 Phasen:
1. präklinische bzw. frühklinische Phase („ground zero recognition phase“),
2. Phase der Erstoperation,
3. Phase der Stabilisierung,
4. Phase der geplanten Reoperation.
Dabei werden in der ersten Phase alle lebensrettenden Operationen durchgeführt. Alle zeitaufwen-
digen Operationen werden auf ein (unverzichtbares) Minimum reduziert und erst nach Stabilisie-
rung des Patienten auf der Intensivstation in den ersten Tagen nach Trauma in einem Folgeeingriff
ggf. definitiv durchgeführt.
Indikationen zum Damage Control sind u. a. [16]:
F Blutverlust von über 10 EKs (Erythrozytenkonzentraten),
F ISS (Injury Severity Score) >35,
F Hypotension länger als 1 h oder eine Hypothermie <35°C,
F zeitaufwendige Intervention bei persistierendem Schock,
F Koagulopathie mit einer PTT („partial thromboplastin time“) >60 s,
F Azidose mit einem pH von <7,2,
F lebensbedrohliche extraabdominelle Verletzung(en).
Die folgenden Operationen des Damage Control Surgery sollten vom Schockraumteam beherrscht
werden:
Mediane Laparotomie zur Inspektion des gesamten Abdomens
Blutungen können durch Crush-Splenektomie, 4-Quadranten-Packing oder auch intestinale Seg-
mentresektionen beherrscht werden. Es werden keine Anastomosierungen durchgeführt, Dünn-
darmsegmente ggf. nur mit dem Stapler abgesetzt und im Rahmen des „second look“ definitiv ver-
sorgt. Die Splenektomie hat in der Traumasituation bei Schwerstverletzten ihren festen Platz. Ledig-
lich bei ausschließlichen Milzverletzungen und kleinen Einrissen kann ggf. ein Erhaltungsversuch
unternommen werden. Ausgeprägte hepatische Blutungen können oft mittels Pringle-Manöver kon-
trolliert werden; nicht kontrollierbare Lebervenenverletzungen sollten gepackt werden. Resektionen
der Leber verbieten sich – bis auf wenige Ausnahmen – in der Traumasituation.
Um die Gefahr eines abdominellen Kompartments zu reduzieren, sollte das Abdomen nur pro-
visorisch mit Okklusivverband oder VAC („vacuum assisted closure“) verschlossen werden, [17]. Be-
steht die Notwendigkeit zu einem Second Look sollte dieser nach spätestens 48–72 h erfolgen [18].
Indikation für eine Laparotomie stellt die hämodynamische Instabilität mit Nachweis freier ab-
domineller Flüssigkeit in der Ultraschalluntersuchung (FAST) – nach Ausschluss anderer behebba-
rer Ursachen – dar.
Thorakotomie bei relevanten thorakalen Blutungen oder kardialen Verletzungen
Prinzipiell sind die thorakalen Notfalleingriffe nur in einem kurzen Zeitfenster wirksam und müs-
sen oftmals sehr zeitnah durch eine definitive Versorgung abgelöst werden sollten. Die Thorakoto-
mie erfolgt anterolateral im 5. Interkostalraum (ICR) und kann bis auf die Gegenseite erweitert wer-
den (sog. „clamshell“) und/oder mit einer Sternotomie kombiniert werden. Über diesen Zugang
lässt sich die Aorta erreichen und abklemmen, um lebensbedrohliche thorakale und/oder abdomi-
nelle Blutungen zu reduzieren/stoppen.
Nicht beherrschbare Blutungen aus den Hilusgefäßen können ggf. durch den sog. Hilus-Twist
kontrolliert werden [19]. Nach Durchtrennung des Lig. pulmonale inferius, lässt sich dabei der je-
weilige Lungenflügel um 180° um seine Querachse drehen, wodurch es zu einer Verdrillung (Twist)
der Hilusgefäße kommt. Funktionell entspricht dies einer Hemipulmektomie, die sich auch meist im
(direkten) Verlauf anschließt. Ebenfalls über diesen Zugang können kardiale Verletzungen erreicht,
eine Perikardtamponade entlastet oder eine offene Herzdruckmassage durchgeführt werden. Am
Herzen ist bei penetrierenden Verletzungen eine temporäre Blutstillung mittels Foley-Katheter oder
durch Einbringen von Hautklammern in das Myokard einen Versuch wert [20].
Das Damage-Control-Konzept ist
ein prioritätenorientiertes Therapie-
schema mit 4 Phasen
In der ersten Phase werden alle le-
bensrettenden Operationen durch-
geführt
Die Splenektomie hat in der Trau-
masituation bei Schwerstverletzten
ihren festen Platz
Die Thorakotomie erfolgt antero-
lateral im 5. ICR
Über diesen Zugang können auch
kardiale Verletzungen erreicht wer-
den
7Der Chirurg 2013
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CME
Die Indikationen zur Thorakotomie sind noch immer größtenteils inkonklusiv. Einigkeit besteht
lediglich darin, bei stumpfem Thoraxtrauma und Herz-Kreislauf-Stillstand bereits am Unfallort kei-
ne Thorakotomie mehr unter Reanimationsbedingungen im Schockraum durchzuführen [7]. An-
ders verhält es sich bei penetrierenden Traumen oder bei Verlust der Lebenszeichen kurz vor oder
bei Ankunft in der Klinik, da die Überlebenschancen hier höher sind. Die Thoraxwand kann jeder-
zeit temporär als „skin-only“ oder Klebeverschluss mit z. B. Okklusivverbände oder z. B. Opsite-Fo-
lie verschlossen werden – speziell wenn ein Second Look oder ein erneuter Eingriff in den Thorax
notwendig sind.
Beckenkompression/Stabilisierung mit Beckengurten
Tuchschlingen oder Fixateur externe bzw. eine Beckenzwinge können zur Kontrolle relevanter Blut-
verluste angelegt werden. Kommt es hierdurch trotzdem zu keiner hämodynamischen Stabilisierung
des Patienten und besteht weiterhin Transfusionspflichtigkeit muss ggf. ein retroperitoneales Packing
erfolgen [21]. Notfallembolisationen funktionieren nur bei nachgewiesenen arteriellen Blutungen
und sind nur bei hämodynamisch stabilen Patienten möglich.
Damage Control Orthopedics
Im Gegensatz zum Damage Control Surgery (s. oben) wird das Vorgehen nach dem sog. Damage
Control Orthopedics (DCO) noch uneinheitlich bewertet. Der Begriff Damage Control Orthope-
dics wurde 2000 von Scalea et al. [22] etabliert und umfasst die notfallmäßige – nur präliminär sta-
bilisierende – Versorgung von Knochen- und/oder Weichteilverletzungen bei instabilen Patienten,
um die definitive Versorgung zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen, wenn sich die physiologi-
schen Parameter des Patienten wieder stabilisiert haben. Der antizipierte Vorteil eines solchen Vor-
gehens liegt in der Verkürzung der primären Phase zwischen Schockraum und Intensivstation und
in der Reduktion postoperativer Komplikationen (Multiorganversagen, ARDS [„acute respiratory
distress syndrome“]) und damit auch der Mortalität [23, 24].
Bezogen auf die zu versorgenden knöchernen Verletzungen bedeutet dies, dass Schaftfrakturen
von z. B. Humerus, Tibia und Femur sowie Ellenbogen-, Knie- und Sprunggelenksfrakturen primär
mit Fixateur externe – unseres Erachtens aber auch ebenso gut mittels Gipsschiene o. Ä. – versorgt
werden sollten. Frakturen z. B. des Unterarms, Handgelenkes oder des Fußes können gleichfalls auf
einer Schiene ruhiggestellt werden. Weichteilverletzungen werden débridiert und anschließend tem-
porär gedeckt (Vakuumversiegelung oder Kunsthaut).
Auf das Vorgehen bei Beckenringfrakturen wurde bereits im Abschnitt Damage Control Surge-
ry eingegangen.
Es sei hier abermals darauf hingewiesen, dass flankierend zu allen operativen Eingriffen – insbe-
sondere in den geschilderten Notfallsituationen – eine aggressive, standardisierte Therapie mit Blut-
und Gerinnungsprodukten erfolgen muss. Verschiedene Arbeiten konnten nachweisen, dass sich
sowohl die Mortalität als auch die Transfusionsmenge durch festgelegte, in der Klinik vorgehaltene
Transfusionsprotokolle reduzieren lässt [25, 26].
Gerinnungsmanagement
Die S3-Leitlinien erkennen die traumainduzierte Koagulopathie (TIK) als eigenständiges Krankheits-
bild an, welches deutliche Einflüsse auf das Überleben der Patienten hat. Aus diesem Grund gilt als
Schlüsselempfehlung (GoR A), dass die Gerinnungsdiagnostik und Therapie im Schockraum unmit-
telbar begonnen werden soll. Die Koagulopathie beim Polytrauma wurde anfänglich als sekundäre
Verbrauchskoagulopathie verstanden und, durch Hypothermie und Azidose verstärkt, als letale Trias
beschrieben. Aktuell wird die traumainduzierte Koagulopathie als eigenständiges, primäres Krank-
heitsbild angesehen. Ursächlich für dieses Krankheitsbild sind die schockbedingte Hypoperfusion
und Hyperfibrinolyse. Eine TIK liegt bei ca. 30% der Polytraumapatienten bereits im Schockraum
vor und muss von der disseminierten intravasalen Koagulopathie, die in der Frühphase des Traumas
nicht vorliegt, differenziert werden.
Die Massenblutung ist als Blutverlust von ≥100% des Blutvolumens innerhalb von 24 h, ≥50% in-
nerhalb von 3 h, von 150 ml/min oder 1,5 ml/kg KG/min über 20 min definiert.
Bei Herz-Kreislauf-Stillstand bereits
am Unfallort sollte keine Thorako-
tomie mehr unter Reanimationsbe-
dingungen im Schockraum durch-
geführt werden
Tuchschlingen oder Fixateur exter-
ne bzw. eine Beckenzwinge können
zur Kontrolle relevanter Blutverlus-
te angelegt werden
DCO umfasst die notfallmäßige prä-
liminär stabilisierende Versorgung
von Knochen- und Weichteilverlet-
zungen
Die primäre Phase zwischen Schock-
raum und Intensivstation wird ver-
kürzt
Flankierend zu allen operativen Ein-
griffen muss eine aggressive, stan-
dardisierte Therapie mit Blut- und
Gerinnungsprodukten erfolgen
Die traumainduzierte Koagulopat-
hie ist ein eigenständiges primäres
Krankheitsbild
8
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Der Chirurg 2013
CME
Neben der klinischen Beobachtung, dass Blutungen nicht zeitgerecht zum Stillstand kommen,
ist die Wertung der Laborparameter schwierig, zumal die Ergebnisse zeitversetzt vorliegen und im-
mer einen Zustand in der Vergangenheit beschreiben. Die vom Notarzt abgenommenen Blutproben
sollten verworfen werden, da sie den behandelnden Arzt in falsche Sicherheit wiegen können. Quick
(Prothrombinzeit/INR) und die partielle Thromboplastinzeit messen nur die Zeit bis zum Beginn
einer Thrombusbildung, geben aber keine Auskunft über Stärke und Qualität des Thrombus. Des
Weiteren werden die Messwerte unter standardisierten Parametern (37°, gepuffert, Kalziumüber-
schuss) im Labor gemessen, die aber die Realität des Schwerverletzten mit Hypothermie, Azidose,
Hypokalziämie und Anämie nicht widerspiegeln. Ein weiterer Nachteil dieser beiden Gerinnungs-
werte ist außerdem, dass sie nicht im Schockraum erhoben werden können und die Ergebnisse häu-
fig erst 45 min nach Abnahme vorliegen.
Eine Alternative hierzu stellt die Rotationsthrombelastographie (ROTEM) dar. Mit diesem Test-
verfahren kann neben der Zeit bis zum Einsetzen der Gerinnung, die Geschwindigkeit der Gerinn-
selbildung, die Stärke und auch die Qualität des Thrombus ermittelt werden. Das Verfahren kann
im Schockraum durchgeführt werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung liegen dann wesentlich
schneller vor als bei den herkömmlichen globalen Gerinnungstests.
Damage Control Resuscitation
Die Schlüsselempfehlungen beinhalten, dass bei Patienten, die aktiv bluten, bis zur chirurgischen
Blutstillung eine permissive Hypotension (mittlerer arterieller Druck ~65 mmHG, systolischer ar-
terieller Druck ~90 mmHg) angestrebt werden soll. Als Kontraindikation für dieses Konzept gilt das
Schädel-Hirn-Trauma. Weitere Schlüsselempfehlungen sind der Ausgleich der Azidose (pH≤7,2), die
Vermeidung bzw. Therapie der Hypokalziämie (<0,9 mmol/l) und Hypothermie (<34°C).
Bei Patienten, die die Kriterien der Massivblutung erfüllen, sollte ein spezifisches Massentransfu-
sionsprotokoll für den Schockraum etabliert und durchgeführt werden. Bei einem aktiv blutenden
Patienten kann die Indikation zur Transfusion bei Hämoglobinwerten <10 g/dl bzw. 6,2 mmol/l ge-
stellt werden. Das Massentransfusionsprotokoll sollte bei Gabe von FFP („fresh frozen plasma“) ein
Verhältnis zu EKs von 1:2 bis 1:1 vorsehen. Die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten wird
bei Thrombozytenzahlen <100.000/µl empfohlen. Bei Plättchenfunktionsstörung kann die Therapie
mit Antifibrinolytika oder Desmopressin (DDAVP) erwogen werden. Fibrinogen sollte bei Werten
<1,5 g/l substituiert werden. Bei schweren Blutungen kann die „Blindgabe“ von Faktor XIII, der für
die Quervernetzung des Fibrins erforderlich ist, in einer Dosierung von 15–20 IE/kg KG erwogen
werden. Da Kalzium ein wichtiger Kofaktor ist, ist darauf zu achten, dass keine Hypokalziämie vor-
liegt. Die Substitution von rekombinantem aktiviertem Faktor VII (rFVIIa) wurde in einzelnen Ka-
suistiken durchgeführt, ist aber an einige wichtige Voraussetzungen gebunden (Fibrinogen ≥1 g/dl,
Hb ≥7 g/dl, Thrombozytenzahl >100.000/µl, Ionisiertes Kalzium ≥0,9 mmol/l, Körperkerntempera-
tur >34°C, pH-Wert >7,2 sowie Ausschluss einer Hyperfibrinolyse und eines Heparineffektes). Die
Gabe von Antithrombin (AT) bei anhaltender massiver Blutung wird nicht mehr empfohlen. Nur bei
sicher diagnostizierter disseminierter intravasaler Koagulopathie (DIC) mit nachgewiesenem ATIII-
Mangel stellt dies eine Indikation zum „off-label use“ dar.
Besondere Situationen
HIV/AIDS, HBV, HCV
Deutschland liegt mit einer HIV/AIDS-Rate bei Erwachsenen von 0,1% an 122. Stelle weltweit (zum
Vergleich: Vereinigte Staaten 0,6%, Platz 64; Kanada 0,3%, Platz 84; Spanien, Schweiz und Frankreich
0,4%, Platz 73, 74 u. 76; [27]). Aufgrund der verbesserten antiretroviralen medikamentösen Behand-
lung mit einer Verlängerung der Überlebenszeit muss in der Zukunft mit einer Zunahme dieser Er-
krankung bei (nicht nur) traumatologischen Patienten gerechnet werden. Untersuchungen und Be-
rechnungen zufolge liegt das Infektionsrisiko nach einer Stich- oder Schnittverletzung bei 0,3% [28,
29].
Das Risiko einer Infektion im Schockraum ist dabei aus verschiedenen Gründen als höher anzu-
nehmen. Zum einen kommt es aufgrund der Verletzungsschwere im Einzelfall zum Kontakt mit we-
sentlich größeren Blutmengen (Notthorakotomie/Laparotomie z. B) und hierdurch auch zu einem
Die Wertung der Laborparameter
schwierig, da die Ergebnisse immer
zeitversetzt vorliegen
Das Verfahren kann im Schockraum
durchgeführt werden
Das Massentransfusionsprotokoll
sollte bei Gabe von FFP ein Verhält-
nis zu EKs von 1:2 bis 1:1 vorsehen
Bei schweren Blutungen kann die
„Blindgabe“ von Faktor XIII in einer
Dosierung von 15–20 IE/kg KG er-
wogen werden
Die Gabe von Antithrombin wird
nicht mehr empfohlen
Deutschland liegt mit einer HIV/
AIDS-Rate bei Erwachsenen von
0,1% an 122. Stelle weltweit
9Der Chirurg 2013
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CME
gesteigerten Übertragungsrisiko. Andererseits besteht eine erhöhte Verletzungsgefahr, da viele Ein-
griffe simultan und damit ungeordneter als im Operationssaal ablaufen. Darüber hinaus handelt es
sich bei dem Patientengut mitunter um ein quasi Risikopatientengut, mit bekanntermaßen erhöh-
ter Prävalenz von humanem Immundefizienzvirus (HIV), Hepatitis-B- (HBV), Hepatitis-C-Virus
(HCV) und Hepatitis [30]. Speziell bei penetrierenden Verletzungen fanden Seamon et al. [31] bei
9,4% der im Schockraum behandelten Patienten eine Infektion mit HIV, HBV oder HCV; mit 7,6%
war die Rate der HCV-Infektionen deutlich höher als die mit HBV (2,1%) oder HIV (1,2%). 75% der
positiv getesteten Patienten wussten zuvor nichts von ihrer Infektion.
Da die Kenntnis einer Infektion zum Zeitpunkt der Aufnahme und Behandlung im Schockraum
eine Ausnahme darstellt, sollten folgende Vorgehensweisen besonders beachtet werden:
F alle Teammitglieder sollten die notwendigen Immunisierungen erhalten (haben),
F es sollten prinzipiell Paar Handschuhe, bei invasiven Eingriffen auch Schutzbrillen getragen
werden,
F ggf. Schnelltestung auf HIV noch im Schockraum,
F Durchführung einer Postexpositionsprophylaxe bei Kontamination mit infiziertem Blut.
Transfusion bei Zeugen Jehovas
Bei weltweit ca. 7 Mio. Zeugen Jehovas gehören in der Bundesrepublik ca. 160.000 bis 170.000 Per-
sonen dieser Glaubensgemeinschaft an. Die Notwendigkeit einer lebensrettenden Bluttransfusion
bei Religionsgruppen (z. B. Zeugen Jehovas, Evangelische Glaubensbrüder), deren Glaube eben die-
ses verbietet, stellt das gesamte Schockraumteam vor ein großes Problem. Vereinfacht ausgedrückt
kommt es zu einer Rechtsgüter- bzw. Pflichtenkollision – Schutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit
sowie das Recht auf Selbstbestimmung vs. das Rechtsgut Leben/ Schutz des Lebens. Eine sehr de-
taillierte Aufarbeitung dieses Themas findet sich z. B. bei Ulsenheimer [32] sowie Schelling und Lipp-
treu [33]. Für das Vorgehen im Schockraum lassen sich zunächst folgende Algorithmen formulieren
1
.
1. Für die Notsituation gilt, dass der Arzt die Behandlung übernehmen muss (allg. Rechtspflicht zur
Hilfeleistung, § 323c, Strafgesetzbuch [StGB]).
2. Bei nicht bewusstlosen, voll geschäftsfähigen Patienten ist die Verweigerung einer (lebensretten-
den) Bluttransfusion verbindlich. Der Arzt hat sich allerdings um die Zustimmung zur Transfu-
sion zu bemühen.
3. Bei bewusstlosen, im Augenblick nicht geschäftsfähigen Patienten, aber vorliegender Patienten-
verfügung (§ 1901a, Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) ist der vom Patienten bestimmte Betreuer/
Vorsorgebevollmächtigte hinzuzuziehen. Er kann die Patientenverfügung durchsetzen, aber ihr
auch widersprechen.
4. Bei bewusstlosen, im Augenblick nicht geschäftsfähigen Patienten ohne Vorliegen einer Patien-
tenverfügung muss
a) ein (vorläufiger) Betreuer eingesetzt werden (hierfür ist oftmals allerdings keine Zeit) oder
b) der Arzt/das Schockraumteam (ggf. in Rücksprache mit z. B. Angehörigen) nach dem mut-
maßlichen Willen des Patienten entscheiden. Die getroffene Entscheidung und die ihr zu-
grunde liegenden Gründe sollten auf jeden Fall dokumentiert werden.
5. Bei nicht bewusstlosen, nicht volljährigen Patienten ist – wenn von diesen die Bedeutung und
Tragweite ausreichend beurteilt werden kann – wie bei Erwachsenen zu verfahren. Im Zweifel soll-
te hier aber von der fehlenden Einsichts- und Urteilsfähigkeit ausgegangen werden. Der elterliche
Wunsch bzw. die Forderung der Unterlassung einer Transfusion sind für den Arzt nicht maßgeb-
lich (Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. II, Grundgesetz [GG]).
6. Bei bewusstlosen, nicht volljährigen Patienten muss
a) die Einwilligung der Eltern zur ärztlichen Behandlung (hier: Transfusion) eingeholt werden.
Verweigern die Eltern dies, muss
1. das Familiengericht eingeschaltet werden (wenn es die Zeit zulässt) oder
1
Der Autor weist darauf hin, dass trotz größtmöglicher Sorgfalt bei der Erstellung dieses Artikels keine Gewähr für
die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der in dem Artikel enthaltenen Informationen und Handlungsempfeh-
lungen übernommen werden kann. Eine etwaige diesbezügliche Haftung wird ausdrücklich ausgeschlossen.
Es kommt zu einer Rechtsgüter-
bzw. Pflichtenkollision
10
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Der Chirurg 2013
CME
2. der Arzt seinem Heilauftrag nachkommen und die lebensrettende Transfusion – gegen den
Willen der Eltern – vornehmen (Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit,
Art. II, GG)
Aus dem Gesagten ergeben sich mehrere Probleme und Konsequenzen, die optimalerweise bereits
im Vorfeld Beachtung gefunden haben sollten:
F In jedem Krankenhaus sollten zur Behandlung der genannten Glaubensgemeinschaften Be-
handlungsalgorithmen vorliegen.
F Ärzte, die aus welchen Gründen auch immer diese Algorithmen nicht umsetzen wollen/kön-
nen, sollten – soweit dieses realisierbar ist – nach Möglichkeit nicht an der Behandlung teilneh-
men.
F Es sollte eine Person geben, die auch de jure die Verantwortung trägt, wenn es später zu zivil-
oder strafrechtlichen Klagen kommt (s. auch Schockraumleader).
Neben den genannten juristischen bzw. religiösen Schwierigkeiten stehen dem Schockraumteam
aber auch einige medizinische Behandlungsoptionen (außerhalb der Fremdbluttransfusion) zur Ver-
fügung:
F maschinelle Autotransfusion, unter der Voraussetzung, dass das Schlauchsystem und der Auf-
fangbeutel ein geschlossenes System bilden (allerdings akzeptieren nicht alle Zeugen Jehovas
dies),
F frühzeitige, kalkulierte Gerinnungstherapie direkt zu Beginn der Behandlung im Schockraum
mit Fibrinogen (2–4 g), PPSB, (1500–2000 I.E.), Tranexamsäure (1 g) und bei stärkeren Blutun-
gen auch die Gabe von rFVIIa (90 µg/kg KG),
F Steigerung der Anämietoleranz durch
1 Normovolämie,
1 suffiziente Muskelrelaxierung (zur Reduktion des O
2
-Bedarfs),
1 Steuerung der Narkosetiefe,
1 adäquate Beatmung (hyperoxisch mit F
i
O
2
1,0).
Gravidität bei Polytrauma
Trauma bei Schwangeren ist die führende, schwangerschaftsunabhängige Todesursache bei der Mut-
ter und beim Fetus [34]. Diese Daten zeigen, wie wichtig eine adäquate Diagnostik und Behand-
lung der schwangeren Patientin im Schockraum ist. Die Furcht vor Schäden des ungeborenen Kin-
des durch ionisierende Strahlen darf nicht dazu verleiten, die gebotene und notwendige Diagnostik
nicht durchzuführen. Dabei stellen nicht unbedingt die akut lebensbedrohlich verletzten, schwan-
geren Patienten ein Problem dar. Bei diesen ist oftmals nur durch eine zügige Diagnostik und ggf.
operative Eingriffe (im Schockraum) das Leben der Mutter zu retten. Flüssigkeitssubstitution und
Transfusion von Blut- und Gerinnungsprodukten stehen hier an 1. Stelle, da auch der uterine Blut-
fluss ausschließlich durch den mütterlichen Blutdruck bestimmt wird, entgegenwirkende Autore-
gulationsmechanismen der uterinen Gefäße bei Hypotension bestehen nicht. Ein größeres Problem
stellen vielmehr die Patientinnen dar, bei denen eine Abwägung von Für und Wider – insbesondere
der radiologischen Diagnostik – erfolgen könnte. Um in diesen Situationen die wesentlichen Abläu-
fe nicht unnötig zu verzögern, sollten auch Algorithmen für die Behandlung Schwangerer existieren:
Medizinisch indizierte radiologische Diagnostik mit ionisierenden Strahlen sollte – auch bei vor-
liegender Schwangerschaft – durchgeführt werden. Bei einer schwer verletzten Schwangeren ist die
CT das diagnostische Verfahren der Wahl; die effektive Dosis für den Fetus ist dabei mit 0,1 mSv z. B.
bei einem Schädel-CT und 0,3 mSv bei einem Thorax-CT gering [2]. Es ist immer zu prüfen, ob diese
Diagnostik durch MRT oder Sonographie zu ersetzen ist; Cave: MRT im 1. Trimenon zurückhaltend
einsetzen; gadoliniumhaltiges Kontrastmittel in der MRT-Untersuchung vermeiden (Risiko-Nutzen-
Abwägung), da dieses in den fetalen Kreislauf gelangt.
Bei jeder Frau im gebärfähigen Alter sollte direkt im Schockraum ein ß-HCG-Schnelltest vorge-
nommen werden. Bei wachen, ansprechbaren und kardiopulmonal stabilen Patientinnen ist zu prü-
fen, ob bis zum Eintreffen des Ergebnisses mit der weiteren radiologischen Diagnostik gewartet wer-
den kann. Ab der 24. SSW sollte ein Kaiserschnitt zur Rettung des Fetus erwogen werden, wenn die
In jedem Krankenhaus sollten zur
Behandlung von Glaubensgemein-
schaften Behandlungsalgorithmen
vorliegen
Trauma bei Schwangeren ist die
führende, schwangerschaftsunab-
hängige Todesursache
Flüssigkeitssubstitution und Trans-
fusion von Blut- und Gerinnungs-
produkten stehen an 1. Stelle
Bei einer schwerverletzten Schwan-
geren ist die CT das diagnostische
Verfahren der Wahl
Ab der 24. Schwangerschaftswoche
sollte ein Kaiserschnitt zur Rettung
des Fetus erwogen werden
11Der Chirurg 2013
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CME
Mutter im Schockraum verstirbt; optimalerweise innerhalb von 4 min., maximal 20 min. nach irre-
versiblen Herz-Kreislauf-Stillstand der Mutter.
Wenn medizinisch vertretbar, sollte die Patientin in Linksseitenlage (V.-cava-Kompression!) lie-
gen.
(Klein-)Kinder
Auch (Klein-)Kinder sind hinsichtlich der durchzuführenden Schockraumdiagnostik zu behandeln
wie erwachsene Patienten. Zur konventionellen Röntgendiagnostik im Schockraum gehört daher
auch beim Kind die Thorax- und Beckenaufnahme – die bei kleinen Kindern auch auf einer einzel-
nen Platte erfolgen kann. Beim schwerverletzten Kind ist die CT-Diagnostik der Goldstandard. Hier
ist darauf zu achten, dass an den Geräten spezielle alters- und gewichtsadaptierte Programme an-
gewendet werden und Maßnahmen zur Dosisreduktion, wie z. B. Untersuchung bei niedrigerer Röh-
renspannung (80–100 kV), zum Einsatz kommen.
TraumaNetzwerk DGU
Um die bundesweite Implementierung, Anpassung und Einhaltung der in diesem Artikel genannten
Voraussetzungen zur Schwerverletztenbehandlung zu gewährleisten, wurde von der DGU das Pro-
jekt TraumaNetzwerk DGU initiiert [35, 36]. Darin arbeiten alle teilnehmenden Kliniken nach fest-
gelegten Standards, um eine flächendeckende, qualitativ gleichwertige Versorgung zu bieten. Entspre-
chend der Versorgungsstufe des einzelnen Krankenhauses kann eine Einstufung als lokales, regiona-
les oder überregionales Traumazentrum erfolgen, wobei die jeweils notwendigerweise vorzuhalten-
de Ausstattung und Organisation durch externe Prüfer sichergestellt wird.
Durch die Vernetzung und Kooperation einzelner Traumazentren entstanden so bis zum heutigen
Zeitpunkt insgesamt 37 zertifizierte, regionale Traumanetzwerke mit 510 teilnehmenden Kliniken.
Eine Organisation weiterer ca. 200 Traumazentren in Traumanetzwerken wird für das Jahr 2013 er-
wartet. Ob und inwieweit hierdurch ein weiterer entscheidender Schritt in der Versorgung Schwer-
verletzter gemacht wurde, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Aufgrund der verpflich-
tenden Teilnahme aller Traumazentren am TraumaRegister DGU konnten bislang die Daten von ca.
100.000 Patienten gesammelt werden [38]. Diese werden in regelmäßigen Abständen analysiert und
den Kliniken zur Qualitätskontrolle mitgeteilt.
Fazit
Das Weißbuch „Schwerverletztenversorgung“ der DGU und die kürzlich erschienenen S3-Leitlinie
bieten evidenzbasierte Vorgaben für die strukturellen, apparativen, organisatorischen und perso-
nellen Voraussetzungen zur Versorgung Schwerverletzter. Die Durchsetzung dieser Vorgaben und
Strukturen erfolgt heutzutage überwiegend in TraumaNetzwerken der DGU (. Tab. 3).
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. C.A. Kühne
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie,
Universitätsklinika Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg,
35043 Marburg
kuehnec@med.uni-marburg.de
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor weist für sich und seine Koautoren auf folgende Beziehungen hin: C.A. Kühne
und S. Ruchholtz sind Mitglieder der Leitungsgruppe von AKUT/Traumaregister DGU.
Beim schwerverletzten Kind ist die
CT-Diagnostik der Goldstandard
Das Projekt TraumaNetzwerk DGU
liefert evidenzbasierte Vorgaben
zur Behandlung Schwerverletzter
Die Teilnahme aller Traumazent-
ren am TraumaRegister DGU ist ver-
pflichtend
12
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Der Chirurg 2013
CME
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13Der Chirurg 2013
|
springer medizin.de/eAkademie
CME-Fragebogen
D
Für Zeitschriftenabonnenten ist die Teilnahme am e.CME kostenfrei
Bitte beachten Sie:
• Teilnahme nur online unter: springermedizin.de/eAkademie
• Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt.
• Es ist immer nur eine Antwort möglich.
?Das Damage-Control-Konzept gliedert
sich in 4 Phasen. Welche zählt nicht da-
zu?
o
Präklinische bzw. frühklinische Phase
(„ground zero recognition phase“)
o
Phase der Erstdiagnostik
o
Phase der Erstoperation
o
Phase der Stabilisierung
o
Phase der geplanten Reoperation
?Indikationen zum Damage Control sind
u. a.:
o
Blutverlust von über 4 EKs
o
Hypertension
o
Hyperthermie >37°C
o
Koagulopathie
o
Lange Primärrettungszeit
?Second-Look-Operationen am Abdomen
sollten stattfinden nach:
o
6–12 h
o
12–18 h
o
18–24 h
o
24–36 h
o
48–72 h
?Das Schockraumbasisteam besteht aus:
o
Chirurg, Neurochirurg, Pflegekraft, MTRA
o
Unfallchirurg, Neurochirurg, Pflegekraft,
MTRA
o
Chirurg, Neurochirurg, Radiologe, Pflege-
kraft, MTRA
o
Chirurg, Anästhesist, Radiologe, Neurochi-
rurg, Pflegekraft, MTRA
o
Je nach Versorgungsstufe aus unter-
schiedlichen Mitgliedern
?Schockraumalarmierungskriterien sind
u. a.:
o
Systol. Blutdruck unter 100 mmHg
o
Fußgängersturz
o
Amputation eines Fingers
o
AIS ≤4
o
Tod eines Insassen
?Eine Sectio im Schockraum kann ab wel-
cher SSW erwogen werden?
o
22. SSW
o
23. SSW
o
24. SSW
o
25. SSW
o
26. SSW
?Bei schweren Blutungen kann/können
folgende Produkte ex juvantibus verab-
reicht werden:
o
Fibrinogen
o
Antithrombin
o
Desmopressin
o
PPSB
o
Protamin
?Bei Patienten der Glaubensgemeinschaft
der Zeugen Jehovas…
o
muss in der Notsituation der Arzt die Be-
handlung nicht übernehmen.
o
ist bei nicht bewusstlosen, voll geschäfts-
fähigen Patienten die Verweigerung einer
(lebensrettenden) Bluttransfusion ver-
bindlich.
o
muss bei bewusstlosen, nicht volljähri-
gen Patienten das Sozialamt eingeschaltet
werden.
o
muss bei bewusstlosen, nicht volljährigen
Patienten der Arzt dem Willen der Eltern
nachkommen.
o
darf keine Gerinnungstherapie durchge-
führt werden.
?Zu den „deadly six“ zählt nicht:
o
Herzbeuteltamponade
o
Spannungspneumothorax
o
Traumatische gedeckte Aortenruptur
o
Instabiler Thorax
o
Offener Pneumothorax
?Welche Aussage zu den Modalitäten und
der Organisation des Schockraumma-
nagements ist falsch?
o
Das erweiterte Schockraumteam sollte in-
nerhalb von 20 min anwesend sein.
o
Die Schockraumleitung kann z. B. interdis-
zipilnär erfolgen.
o
Regionale Traumazentren müssen min-
destens 2 Schwerverletzte gleichzeitig be-
handeln können.
o
Die Teilnahme am TraumaNetzwerk DGU
ist freiwillig.
o
Das TraumaRegister DGU ist ein Instru-
ment der Qualitätskontrolle.
Diese zertifizierte Fortbildung ist
12 Monate auf springermedizin.de/
eAkademie verfügbar.
Dort erfahren Sie auch den genauen
Teilnahmeschluss. Nach Ablauf des
Zertifizierungszeitraums können Sie diese
Fortbildung und den Fragebogen weitere
24 Monate nutzen.
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Der Chirurg 2013