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Herzschr Elektrophys 3 2008
Herzschr Elektrophys 19:146–154 (2008)
DOI 10.1007/s00399-008-0017-2
omas Hilbel
omas M. Helms
Gerd Mikus
Hugo A. Katus
Christian Zugck
ÜBERSICHT
Telemetrie
Szenarien im klinischen Umfeld
Eingegangen: 18. Juli 2008
Akzeptiert: 30. Juli 2008
Prof. Dr. T. Hilbel (
✉
)
Fachhochschule Gelsenkirchen
Fachbereich Physikalische Technik
University of Applied Sciences
Department of Physical Engineering
Neidenburger Strasse 43
45877 Gelsenkirchen
Deutschland
Medizinische Klinik, Innere Medizin III:
Kardiologie, Angiologie und Pneumologie
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg
Tel.: +49-6221/5639780
Fax: +49-6221/565514
E-Mail: omas.Hilbel@
med.uni-heidelberg.de
Dr. T. M. Helms
Deutsche Stiung für chronisch Kranke
Fürth, Deutschland
Prof. Dr. med. Dipl. Phys. G. Mikus
Innere Medizin VI: Klinische Pharma-
kologie und Pharmakoepidemiologie
Universitätsklinikum, Medizinische Klinik
Heidelberg, Deutschland
Prof. Dr. H. A. Katus
Medizinische Klinik, Innere Medizin III:
Kardiologie, Angiologie und Pneumologie
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg, Deutschland
Priv.-Doz. Dr. C. Zugck
Medizinische Klinik, Innere Medizin III:
Kardiologie, Angiologie und Pneumologie
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg, Deutschland
Telemetry in the clinical setting
7Zusammenfassung
Die
telemetrische Übertragung des
Elektrokardiogramms wurde 1949
von Norman J. Holter erfunden.
Bereits Anfang der 1960er Jahre
wurde dann in Krankenhäusern die
Patiententelemetrie eingesetzt. Die
Telemetrie erlaubt eine frühzeitige
Mobilisierung von Patienten mit
kardiovaskulärem Risiko und der
Notwendigkeit einer kontinuier-
lichen Überwachung. Heutzutage
werden für die Telemetrie sowohl
Systeme genutzt, die hersteller-
spezische UHF-Radiowellen-
technologie zur Fernübertragung
der physiologischen Parameter
verwenden, als auch Systeme, die
standardisierte digitale WLAN-
Topologien des ISM-Hochfre-
quenz-Bands einsetzen. Moderne
Systeme erlauben nicht nur die
Ableitung eines Mehrkanal-EKGs,
sondern auch die Übertragung von
nicht-invasiven Blutdruckmessun-
gen und der SpO2-Sättigung. Die
Messung des SpO2 ist unabding-
bar für die Fernüberwachung von
Patienten mit Herzschrittmachern.
Echte 12-Kanal EKG-Systeme sind
für die Überwachung von Patien-
ten in einer „Chest-Pain-Unit“ und
bei der Überwachung von Pro-
banden im Rahmen von Medika-
menten-Zulassungsstudien von
Vorteil. Moderne Systeme bieten
dem Patienten durch ihr leichtes
Gewicht und optimierte Patienten-
kabel ein Maximum an Tragekom-
fort. Entscheidend für die System-
wahl ist die genaue Erkennung
von Arrhythmien. Kontinuierliche
Echtzeit-Telemetrie-Systeme zur
Überwachung chronisch Kranker
im häuslichen Umfeld sind bei
Nutzung des Potentials von Digital
Video Broadcasting Terrestrial
(DVB-T) in Zukun denkbar,
derzeit aber noch nicht verfügbar.
Zukunsweisend ist die telemet-
rische Fernabfrage von Schrittma-
cherimplantaten. Sie ermöglicht
eine Alarmierung bei Fehlfunktio-
nen und eine rasche Geräte-Opti-
mierung.
7Schlüsselwörter
Telemetrie ∙
kardiales Monitoring ∙ Patienten-
überwachung ∙ EKG ∙ elektromedi-
zinische Technologie
7Abstract
Telemetric cardiac
monitoring was invented in 1949
by Norman J Holter. Its clinical
use started in the early 1960s. In
the hospital, biotelemetry allows
early mobilization of patients with
cardiovascular risk and addresses
the need for arrhythmia or oxygen
saturation monitoring. Nowadays
telemetry either uses vendor-spe-
cic UHF band broadcasting or
the digital ISM band (Industrial,
Scientic, and Medical Band)
standardized Wi-Fi network tech-
nology. Modern telemetry radio
Telemetrie – Szenarien im klinischen Umfeld 147
Herzschr Elektrophys 3 2008
Einleitung
Telemetrie bedeutet Fernmessung. Die Fernmessung von
physiologischen Daten nennt man Bio-Telemetrie. Der
folgende Artikel befasst sich mit der Telemetrie von Herz-
kreislaufparametern, insbesondere dem Elektrokardio-
gramm. Die Grundlagen für die Bio-Telemetrie entwickelte
Norman Holter um 1949 Er gilt nicht nur als Ernder des
Langzeit-EKGs [13], sondern ihm gelang erstmals auch die
drahtlose, telemetrische Aufzeichnung eines Elektrokar-
diogramms [14]. Holters erste Telemetrie-Einheit bestand
aus einem 1-Kanal-EKG und wog ca. 34 Kilogramm. Die
telemetrische Überwachung des Elektrokardiogramms
wurde dann in Nordamerika ab den 1960er Jahren zuneh-
mend in Krankenhäusern zur Patientenüberwachung, in
der klinischen Forschung und in der Sportmedizin einge-
setzt. Häug wurden vor der Troponin-Ära [16] Patienten
mit Brustschmerzen längere Zeit mittels Telemetrie zum
Infarktausschluss überwacht [3, 17, 18, 20, 23]. Bis heute
wird in den USA die Patiententelemetrie weitaus häuger
eingesetzt als in Deutschland.
Während sich die Notwendigkeit der mobilen Patien-
tenüberwachung in Deutschland durch die Verkürzung
der Liegezeiten wohl auf einem konstanten Niveau hält,
gewinnt die Vitalparameter-Telemetrie auf dem Gebiet
„Personal Health“ und vor allem auf dem Gebiet des
Leistungs- und Freizeitsports zunehmend an Bedeu-
tung. Zwischenzeitlich bieten Sportartikel- und Handy-
Hersteller stilistische Sporthandys an, die in der Ober-
armtasche verstaut werden und physiologische Daten
von einem Pulsmessgerät und einem Schrittzähler emp-
fangen. Herzschlag, verbrannte Kalorien und Geschwin-
digkeit können dann auf eine Internetseite transferiert
und mit einem persönlichen Trainingsprol abgegli-
chen werden (www.micoach.com). Außerdem können
die biologischen Messwerte direkt auf dem Handydis-
play dargestellt werden. Die Daten werden von den Sen-
soren mittels Bluetooth telemetrisch vom Körper an das
Handy übertragen.
Stand der Technik bei der externen
Patiententelemetrie im Krankenhaus
Ein Telemetrie-System besteht aus Telemetrie-Sendern
und einer Zentrale, die die Signale mehrerer Sender
empfangen und darstellen kann. Üblicherweise besteht
die Patientenkomponente aus einem Mehrkanal-Tele-
metrie-Sender, die man je nach gewähltem Produkt um
ein nichtinvasives Blutdruck-Messmodul NIPB und/oder
um ein SpO2-Sauerstomodul erweitern kann. Bei Herz-
schrittmacherpatienten reicht ein reines EKG-Monito-
ring nicht aus. Diese Patientengruppe muss mit einem
zusätzlichen SpO2-Telemetrie-Modul überwacht werden.
Heutzutage stehen für die Telemetrie sowohl Systeme,
die herstellerspezische digitale UHF-Radiowellentechno-
logien zur Fernübertragung der Vitalparameter nutzen,
als auch Systeme, die standardisierte digitale WLAN-
Topologien des ISM Hochfrequenz-Bands (Industrial,
Scientic, and Medical Band) nutzen, zur Verfügung. Es
ist die gleiche Technik, wie sie auch für drahtlose WiFi-
Computerverbindungen eingesetzt wird. Durch Einsatz
von WiFi-WLAN-Accesspunkten erspart man sich ggf.
die zusätzliche Ausstattung des Krankenhauses mit RF-
Antennen für die Patiententelemetrie. Es bedarf jedoch
bei Mitbenutzung des WLAN spezieller Technologien, die
die Patiententelemetrie gegenüber dem üblichen Daten-
verkehr priorisieren, denn die Meldung einer Arrhythmie
darf nicht wegen einer hohen Netzlast verzögert werden.
Bei Nutzung von WLAN können neben kleinen Teleme-
trie-Sendern auch große Multiparameter-Überwachungs-
monitore genutzt werden. Multiparameter-Monitore sind
zwar zu groß zum Tragen, können aber problemlos am
Bett angebracht werden, sodass der Patient ohne Moni-
tor-Systemwechsel lückenlos auf all seinen Behandlungs-
wegen in einem mit WLAN ausgestatteten Krankenhaus
überwacht werden kann. Die nahtlose Überwachung mit-
tels eines einzigen Systems birgt aber auch gleichzeitig das
derzeit technisch noch ungelöste Problem, dass der Patient
seinen für ihn vorgesehenen Überwachungsbereich nicht
transmitters can measure and send
multiple physiological parameters
like multi-channel ECG, NIPB and
oxygen saturation. e continuous
measurement of oxygen satura-
tion is mandatory for the remote
monitoring of patients with cardiac
pacemakers. Real 12-lead ECG
systems with diagnostic quality
are an advantage for monitoring
patients with chest pain syndromes
or in drug testing wards. Modern
systems are light-weight and deli-
ver a maximum of carrying com-
fort due to optimized cable design.
Important for the system selection
is a sophisticated detection algo-
rithm with a maximum reduction
of artifacts. Home-monitoring
of implantable cardiac devices
with telemetric functionalities are
becoming popular because it allows
remote diagnosis of proper device
functionality and also optimization
of the device settings. Continuous
real-time monitoring at home for
patients with chronic disease may
be possible in the future using
Digital Video Broadcasting Ter-
restrial (DVB-T) technology in
Europe, but is currently not yet
available.
7Keywords
telemetry ∙ cardiac
monitoring ∙ hospital monitoring ∙
ECG ∙ patient monitoring systems ∙
wireless bedside monitoring ∙ phy-
siologic data ∙ multi-band ∙ diagno-
stic telemetry ∙ wireless monitoring
148 T. Hilbel et al.
Herzschr Elektrophys 3 2008
verlassen kann, ohne dass es an der Zentrale zu einem
Signalverlust kommt. Im Falle einer Alarmierung besteht
dann das Problem der schnellen Patientenortung.
Anforderungen für externe
Patienten-Telemetrie-Systeme
Die Patientenmodule sollten für den Patienten den
größtmöglichen Tragekomfort bieten. Weiter müssen
moderne Telemetrie-Geräte kompakt, leicht und weit-
gehend wasserdicht gemäß der Normklasse IPX7 sein.
Die Batterienutzungsdauer sollte bei 18–24h liegen.
Moderne Akkusysteme können Einmalbatterien über-
legen sein. Die Telemetrie-Systeme sollten sowohl vom
Personal als auch vom Patienten einfach zu bedienen
sein. Die Elektrodenkabel sollten leicht und stabil sein.
Beim Anlegen und Tragen sollte es nicht zum Kabel-
gewirr kommen. Komfortabel ist es, wenn man über
einen Knopf am Telemetrie-Sender die Aufzeichnun-
gen in der Telemetrie-Zentrale speichern und ausdru-
Abb. 1 Zeigt ein Telemetrie-System das UHF
HF-Technologie nutzt. Die Signale werden vom
Aufzeichnungssystem (links) über eine Hochfre-
quenzantenne an die Zentrale gesendet.
Abb. 2 Zeigt ein Telemetrie-System das WLAN
nutzt. Bei diesem System können auch Multipa-
rameter-Monitore eingesetzt werden. Dies ist von
Vorteil, wenn der Patient mit dem Bett durchs
Haus gefahren wird. Die Daten werden über ei-
nen WLAN-Accesspoint an die Zentrale weiterge-
leitet.
Telemetrie – Szenarien im klinischen Umfeld 149
Herzschr Elektrophys 3 2008
cken kann. Unabdingbar ist ein Alarmknopf / Schwes-
ternruf am Telemetrie-Sender. Von Vorteil ist es, wenn
man von der Zentrale den Patienten Informationen
zusenden kann. Die Anzahl der nutzbaren Sendeka-
näle, die auch gleichzeitig die Zahl der einsetzbaren
Sender bestimmt, sollte möglichst hoch sein; z. B. 256
oder mehr Kanäle. Echte 12-Kanal EKG-Telemetrie-
Systeme sind von Vorteil, wenn man häufig 12-Kanal-
EKGs schreiben oder Ischämiepatienten überwachen
muss. Zu beachten ist, dass ein aus 5 oder 6 Elektroden-
ableitungen errechnetes 12-Kanal-EKG nicht einem
echten 12-Kanal-Standard-EKG entspricht. Aber auch
ein nur am Torso mit 10 Elektroden abgeleitetes 12-
Kanal-EKG entspricht nicht genau einem über die dis-
talen Extremitäten abgeleiteten Standard-EKG [19].
Die Telemetrie-Zentrale sollte einfach zu bedienen
sein. Sie sollte Weiterschaltung auf andere Zentralen
und Satellitenmonitore erlauben. Auch das Schreiben
und Drucken von Rhythmusstreifen, ggf. 12-Kanal
Ruhe-EKGs muss unterstützt werden. Von Vorteil
ist es, wenn die Systeme die Speicherung der Auf-
zeichnung über mehrere Tage und das Auswerten von
Langzeit-EKG-Aufzeichnungen unterstützen. Ent-
scheidend ist, dass sowohl die Telemetrie-Aufzeich-
nungseinheit als auch die Zentrale jegliche Art von
Rhythmusstörungen und ggf. ST-Senkungen präzise
erkennt und möglichst wenig Artefakte falsch posi-
tiv meldet. Die EKG-Algorithmen der Anlage müs-
sen auch Schrittmacherrhythmen erkennen. Eine
Exportfunktion und eine Archivierungsfunktion für
die Daten sind von Vorteil. Für die schnelle retros-
pektive Datenanalyse ist die Klassifizierung von Alar-
men in unterschiedliche Schweregrade / Kategorien
wünschenswert.
Ein Problem, an dem derzeit noch geforscht wird,
ist die Ortung des Patienten. Mit den in Entwicklung
be ndlichen Systemen kann man Patienten in einem
Gebäude lokalisieren, wenn sie sich auf einem de nier-
ten Stockwerk au alten. Begibt sich der Patient auf eine
andere Ebene, können die Telemetrie-Antennen oder
WLAN Access Points bisher noch nicht erkennen, ob
sich der Patient auf dem zur Überwachung festgelegten
Stockwerk oder z.B. genau ein Stockwerk höher, aber
genau oberhalb eines Telemetrie-Empfängers des dar-
unterliegenden Stockwerks be ndet. Möglicherweise
kann in Zukun der Einsatz von RFID-Technologie die
Patientenortung vereinfachen.
Während in den U.S.A. von der Regulierungsbe-
hörde für die medizinische Telemetrie drei spezifi-
sche Funkfrequenzen festgelegt wurden, von denen
ein Bereich ausschließlich für die Patienten-Telemet-
rie bestimmt ist [11], gibt es in Europa für die externe
Multiparameter-Telemetrie ein solches exklusives Fre-
quenznutzungsrecht nicht. In den von der deutschen
Netzaufsicht für die medizinischen Frequenzen fest-
gelegten Frequenzbereichen ist das Betreiben anderer
nicht-medizinischer Funktechnologien erlaubt. Zum
Beispiel darf in Deutschland die UHF-Patienten-Tele-
metrie im gleichen Bereich wie ein Computer-WLAN
betrieben werden. Damit die Funktechnologien in
Europa sich nicht durch nicht-exklusive Frequenz-
band-Zuteilung beeinflussen, muss man die Patienten-
systeme durch eine entsprechend sorgfältige Sendeka-
nalwahl konfigurieren. Die Abb. 3a und 3b zeigen das
Problem von möglichen Interferenzen durch nicht-
exklusive Frequenzband-Zuteilung in Europa. Abb. 3a
zeigt als höchsten Peak das Sendefrequenzsignal eines
RF-Telemetriesenders. Abb. 3b zeigt neben dem Peak
Abb. 3a zeigt als höchsten Peak das Sendefrequenzsignal eines RF-Tele-
metriesenders bei 2426,56 MHz.
Abb. 3b zeigt neben dem Peak des Telemetriesenders aus Abb. 3a bei
2426,56 MHz Sendeaktivitäten im gesamten erlaubten Frequenzspek-
trum, wenn zusätzlich zum Patienten RF-Telemetriesender noch zwei
Computer WLAN-Accesspoints aktiv sind.
150 T. Hilbel et al.
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des Telemetriesenders aus Abb. 3a Sendeaktivitäten im
gesamten erlaubten Frequenzspektrum, wenn zusätz-
lich zum Patienten-RF-Telemetriesender noch zwei
Computer-WLAN-Accesspoints aktiv sind. Problema-
tisch wird es, wenn über den Accesspoint noch Dienste
wie herstellerspezifisches VOIP genutzt werden, die
kontinuierliches Frequenz-Hopping (ein Frequenz-
spreizverfahren für die drahtlose Datenübertragung)
einsetzen. Angemerkt sei noch, dass im häuslichen
Umfeld für HiFi, Audio, Video, Festplatten und Dru-
cker immer mehr Ultra-Wideband-Funktechnologien
eingesetzt werden, deren Einfluss auf geschützte Funk-
dienste, wie medizinische Anwendungen, sich noch in
der Beobachtungsphase befindet [2, 10].
Anforderungen für Implantat-Telemetrie-
Systeme von Schrittmachern und ICDs
Moderne Telemetrie-Lösungen für Herzschrittmacher
und implantierbare Kardiodebrillatoren (ICDs) sowie
Aggregate zur kardialen Resynchronisations-erapie
(CRTs). bestehen im Wesentlichen aus drei Komponen-
ten:
Sende- und Empfänger-Einheit im jeweiligen Implan-
tat
Patientenmonitor mit Sende- Empfänger-Einheit zur
Kommunikation mit dem Implantat und Schnittstelle
zum Telefon oder Mobilfunk
Datenserver zur Sammlung und Verteilung der Infor-
mation via Internet, Telefon, Fax oder E-Mail
Telemetrie-Sende- und Empfänger-Einheit
Zur Übermittlung der Daten aus dem Implantat werden
verschiedene Verfahren verwendet. Diese Verfahren
kann man unterschiedlichen Generationen zuordnen.
Erste Generation
Übermittlung von Daten im Beisein des Arztes und des
Patienten
Housecall+ (SJM)
transtelephonisch, online
Zweite Generation
Abfrage der Daten durch den Patienten und automati-
sche telemetrische Übermittlung. Bei allen Implantaten
werden mit Hilfe eines Programmiergerätes eigenstän-
dige Verfahren für die Auslese und Programmierung
der Aggregate verwendet, die auf einer Nahfeld-Kopp-
lung zwischen Auslesekopf und Implantat beruhen.
Mit Hilfe dieser Schnittstelle können telemetrische
Systeme Implantate auslesen. Dieses Verfahren erfor-
dert die direkte Interaktion mit dem Patienten, der zur
Auslese der Daten einen entsprechenden Abfragekopf
über seinem Implantat platziert, da die Reichweite die-
ser Auslese auf wenige Zentimeter begrenzt ist. Sol-
che Systeme, wie die Medtronic CareLink Network®
Lösung, haben den Vorteil, dass nicht nur neu-implan-
tierte Geräte telemetrisch genutzt werden können,
sondern dass auch Patienten mit bereits implantierten
Aggregaten problemlos in die telemetrische Lösung
eingebunden werden können. Die Daten werden auf
Der Patient liest
bequem von
zuhause sämtiche
Daten seines
Implantates mit dem
CareLink Monitor aus.
Der CareLink
Monitor übermittelt
die Daten an den
gesicherten
CareLink
Network-Server
Der Arzt kann die
Daten seiner
Patienten jederzeit
über das internet
abrufen und
analysieren.
1 2 3
Abb. 4 Schema zur Auslese von Daten mit
einem System der 2. Generation (mit freundli-
cher Genehmigung der Fa. Medtronic)
Telemetrie – Szenarien im klinischen Umfeld 151
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den Datenserver übertragen und können später vom
Arzt abgerufen und analysiert werden (Abb. 4).
Dritte Generation
Vollautomatische telemetrische Übermittlung
der Implantat-Daten
Implantate der neuesten Generation verfügen zusätzlich
über eine weitere drahtlose Kommunikationsschnitt-
stelle, die eine Auslese über Distanzen von 10-25 Meter
erlaubt. Für diese Schnittstelle wird ein spezielles Radio-
Frequenzband (415 MHz) verwendet, das speziell für
medizinische Applikationen freigegeben wurde, um eine
Interferenz mit anderen Applikationen zu vermeiden.
Geräte, die mit dieser Technologie ausgestattet sind,
können automatisch, ohne Interaktion mit dem Patien-
ten, mit dem Patientenmonitor Kontakt aufnehmen und
sowohl System- wie auch Diagnose-Daten übermitteln.
Somit kann das Implantat ausgelesen werden, ohne dass
der Patient aktiv an der Auslese teilnimmt. Die Häug-
keit der Auslese des Aggregates hängt von der gewähl-
ten Telemetrie-Strategie des jeweiligen Herstellers ab.
Hierbei kann man grundsätzlich zwei unterschiedliche
Verfahren unterscheiden. Die Fa. Biotronik bietet ein
System an, das täglich einen reduzierten Satz von Infor-
mationen an einen Server überträgt. Dieses Biotronik
HomeMonitoring® System kann als System der dritten
Generation angesehen werden, da es vollautomatisch
Daten übermittelt, die dann weiter ausgewertet werden
können.
Andere Systeme der dritten Generation, wie das
Medtronic CareLink System in Verbindung mit Cone-
xus™ Telemetrie-Technologie (Abb. 5), benutzen eine
Ereignis-getriggerte Übermittlung, die durch vollauto-
matische Alarmierungs-Algorithmen erzielt werden.
Aggregate dieses Herstellers ermitteln vollautomatisch
kritische Zustände des Systems, anhand diagnostischer
Daten auch kritische Zustände des Gesundheitszustan-
des des Patienten. Sie übermitteln nur dann hochwer-
tige diagnostische Daten, wenn ein Patienteneingri
erforderlich ist. Das reduziert die zur Übermittlung
notwendige Batterieenergie und gleichzeitig die Daten-
ut, die vom behandelnden Arzt begutachtet werden
muss.
Der Patientenmonitor für Implantat-Telemetrie
von Schrittmachern und ICDs
Das Herzstück der telemetrischen Lösung für den Patien-
ten stellt der so genannte Patientenmonitor dar. Der
Patientenmonitor liest die Daten aus dem Implantat aus
und übermittelt sie über eine Telefonverbindung an einen
Datenserver, auf dem die Daten gespeichert und an den
medizinischen Anwender weitervermittelt werden. Abb.
6 zeigt den Patientenmonitor der Fa. Medtronic mit dem
Auslesekopf für die Auslese von Implantaten der zweiten
Generation. Dieses System benutzt zur Übermittlung der
Daten eine analoge Telefonverbindung oder eine ISDN-
Fax-Leitung. Die Fa. Biotronik verwendet für die Über-
mittlung der Daten an den Server anstelle einer analogen
Telefonverbindung eine Mobilfunklösung. Dieses System
hat den Vorteil, dass kein Telefonanschluss im Haus des
Patienten nötig ist und eine höhere Mobilität des Patien-
Abb. 5 ICD-Implantat der Fa. Medtronic mit Conexus Telemetrie Einheit
und Antenne für die drahtlose Kommunikation zwischen Implantat und
Patientenmonitor (mit freundlicher Genehmigung der Fa. Medtronic)
Abb. 6 Patientenmonitor der Fa. Medtronic mit Auslesekopf (mit freund-
licher Genehmigung der Fa. Medtronic)
152 T. Hilbel et al.
Herzschr Elektrophys 3 2008
ten ermöglicht wird. Die Abb. 7 zeigt den GSM Patien-
tenmonitor der Fa. Biotronik.
Der Datenserver für die Implantat-Telemetrie
von Schrittmachern und ICDs
Der Zugri auf die Daten wird heute durch unterschied-
liche Verfahren gewährleistet. Die Fa. Biotronik infor-
miert den Arzt mit einem stark reduzierten Datensatz
über E-Mail oder Fax. Die versendete Information ist
auf einige wichtige Systemparameter und diagnosti-
sche Daten begrenzt und kann sowohl an den behan-
delnden Arzt als auch an Zuweiser und Hausärzte
versendet werden. Bei Systemen, die eine vollständige
telemetrische Abfrage aller System- und Diagnose-
Daten ermöglichen, sind die Anforderungen und Mög-
lichkeiten ungleich höher. Als Beispiel kann das Care-
Link Network System dienen, das als einziges als System
zur telemetrischen Nachsorge angesehen werden kann.
Zwischen einer Abfrage des Implantates über ein Pro-
grammiergerät und der Abfrage über das CareLink
System besteht kein Unterschied. Die ausgelesen Daten
beinhalten neben den Informationen zum Batteriesta-
tus auch alle Programmierparameter, die EGM-Auf-
zeichnungen während der Abfrage, alle aufgezeichneten
arrhythmischen Episoden, beispielsweise bei Vorhof-
immern (AF), ventrikulären Tachykardien (VT) und
ventrikulären Flimmer(VF)-Episoden. Tabelle 1 gibt
einen Überblick über die übermittelten Informationen.
Anwendungen
Telemetrische Anwendungen und Telemedizin all-
gemein spielen eine zunehmend wichtige Rolle im
Gesundheitswesen (siehe Beitrag von M. Oe et al. in
diesem He). Eine Vielzahl von Studien hat belegt, dass
eine telemetrische Betreuung von Patienten die Quali-
tät der Versorgung bei gleichzeitiger Kostenersparnis
deutlich verbessern kann [24]. Unter der Vielzahl der
telemetrischen Anwendungen nimmt die telemetri-
sche Auslese von Herzschrittmachern, implantierbaren
Cardioverter Debrillatoren (ICDs) und Geräten zur
kardialen Resynchronisation (CRT-Ds) eine Vorreiter-
rolle ein. Weltweit sind schätzungsweise bereits mehr
als 400.000 Patienten mit einem kardialen Implantat
an eine telemetrische Plattform angeschlossen, und die
Zahl steigt kontinuierlich an. Die telemetrische Aus-
lese der Implantate erlaubt einerseits die Überwachung
der Gerätefunktion, so dass ein sicherer Betrieb und
eine optimale Einstellung der Aggregate gewährleistet
werden kann, andererseits können mit Hilfe moderner
Telemetrie-Technologien die umfangreichen diagnosti-
schen Informationen, die von den Implantaten ermit-
telt werden, dem Arzt zeitgerecht zur Verfügung gestellt
werden. Diese diagnostischen Daten erlauben ein ver-
bessertes Patientenmanagement, beispielsweise bei der
Behandlung von Herzrhythmuserkrankungen sowie der
Abb. 7 zeigt den GSM-Patientenmonitor der Fa. Biotronik (mit
freundlicher Genehmigung der Fa. Biotronik)
Tabelle 1 Übersicht der Daten, die mit dem Medtronic CareLink System
übertragen werden
Current EGM Aktuelles intrakardiales EKG (2-4 Ableitungen)
Quick Look™ Schnellübersicht des Status des Aggregates
Cardiac Compass® Trends Zusammenfassung der diagnostischen Daten
Mittlere Herzfrequenz (Tag und Nacht)
Herzfrequenzvariabilität
Patientenaktivität
Verlauf und Häugkeit Vorhoimmern
Battery and Lead Status Batteriestatus, Ladezeiten, Reizschwellen
Lead Trends Verlauf der Elektrodenimpedanzen
All Parameter Settings Übersicht aller programmierten Parameter
Counters Auistung aller Zähler, z.B. Episoden, Therapieabgaben
AT/AF Summary Zusammenfassung der Information der Vorhofarrhyth-
mien, z.B.
Anzahl
Zeitliche Verteilung
Episoden EGM (intrakardiales EKG)
Rate Histograms Histogramm zur Verteilung der Herzfrequenz
Heart Failure Management Zusammenfassung der diagnostischen Daten zur Beur-
teilung des Status der Herzinsuzienz einschließlich der
Messung der trans-thorakalen Impedanz zur Vorhersage
der Dekompensation (Optivol-Information)
Patient Alert Parameter zu akustischen Warnhinweisen an den
Patienten und zur automatischen telemetrischen Über-
mittlung von Warnhinweisen
Patient Information Information zum Patienten und zum Aggregat
Telemetrie – Szenarien im klinischen Umfeld 153
Herzschr Elektrophys 3 2008
patientenindividuellen Einstellung der Medikation mit
telemetrischer Nachsorge.
Anders verhält es sich mit der Datenlage zur kontinu-
ierlichen telemetrischen EKG-Überwachung in Kran-
kenhäusern und in Rehabilitationskliniken, denn hier
ist die Durchführung prospektiver, ggf. randomisierter
Studien durch geringe Ereignisraten und den daraus
resultierenden erforderlichen hohen Patientenzahlen für
Studien limitiert. Aufgrund mangelnder, durch wissen-
schaliche Studien belegte Daten gibt es derzeit keine
evidenzbasierten formalen Richtlinien zum ausschließ-
lich telemetrischen Patientenmonitoring im Kranken-
haus. Telemetrisches EKG-Monitoring im Kranken-
haus eignet sich für alle Patienten, die überwacht und
mobilisiert werden müssen. Expertenempfehlungen
zum EKG-Monitoring generell wurden zuletzt 2004
vom AHA herausgegeben/veröentlicht [6]. Die Richt-
linien des ACC zum kardialen Monitoring im klini-
schen Umfeld von 1991 sind schon etwas älter [15].
Entscheidend ist, dass jeder Patient mit einer kardialen
Risikokonstellation im Krankenhaus lückenlos in Bezug
auf Arrhythmien, ggf. auf SpO2-Sättigung, ST-Strecken-
veränderungen und QT-Intervallveränderungen über-
wacht werden kann. Estrada et al. erforschten mehrfach
die Wertigkeit des telemetrischen EKG-Monitoring im
Krankenhaus [7, 8, 9]. Sie wiesen darauf hin, dass bei
Patienten, die wegen Arrhythmien in die Notaufnahme
eingewiesen wurden, entgegen den alten Richtlinien des
ACC von 1991 [15], ein kontinuierliches EKG-Monito-
ring indiziert ist, um eine schnelle und optimale Patien-
tenbehandlung durchführen zu können. Curry et al.
führten eine retrospektive Untersuchung zum eektiven
Einsatz von Telemetrie-Systemen durch [4]. Sie kamen
in ihrer Untersuchung zum Schluss, dass Telemetrie-
Überwachung häug bei Patienten ohne Indikation
gemäß ACC Indikationen von 1991 eingesetzt wird,
Kriterien für den optimalen Einsatz durch prospektive
Studien somit noch erarbeitet werden müssten. Ent-
scheidend für die telemetrische Patientenüberwachung
ist, dass das Pegepersonal die auretenden Arrhyth-
mien, ST- oder QT-Veränderungen zu interpretieren
weiß und an die behandelnden Ärzte sofort meldet.
Pelter et al zeigten, dass Patienten mit durch 12-Kanal
EKG-Monitoring festgestellten ST-Ereignissen ein acht-
mal höheres Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen
während des Krankenhausaufenthaltes haben als solche
ohne ST-Veränderungen [21]. Goldman et al haben ein
Risiko-Vorhersage-Werkzeug erarbeitet, um festzule-
gen, welche Patienten, die sich in der Notfallaufnahme
mit Brustschmerzen melden, mittels kontinuierlichem
EKG überwacht werden sollten [12]. Teilnehmer an
klinischen Studien mit Arzneimitteln unterliegen einer
besonderen Sorgfaltspicht, da die klinische Prüfung
eines Arzneimittels gemäß §40 Arzneimittelgesetz nur
dann durchgeführt werden darf, wenn die vorherseh-
baren Nachteile und Risiken gegenüber dem Nutzen
für diese Person ärztlich vertretbar sind. Insbesondere
bei Erstanwendungen – vor allem mit monoklonalen
Antikörpern - sollten die Teilnehmer der Studie eng-
maschig kontrolliert werden [22]. Die zu messenden
Parameter sind - je nach Produkt - individuell festzu-
legen. Neben klinischen Parametern sind dies relevante
Sicherheits- und Pharmakodynamik-Messungen, dazu
gehört auch die kontinuierliche EKG-Überwachung
und –Registrierung mittels Telemetrie. Dies ist eines der
Standardverfahren, wenn es sich um kardioaktive Subs-
tanzen in der frühen klinischen Entwicklung handelt.
Schlussbemerkung
Kurze Krankenhausliegedauern in Deutschland begren-
zen die Notwendigkeit und den Einsatz von telemetri-
schen Patienten-Monitorsystemen. Auch unterliegt die
Ausstattung mit Patienten-Telemetrie häug ökonomi-
schen Aspekten. Andererseits kann man durch konti-
nuierliches Monitoring Leistungen wie eine zusätzliche
Langzeit-EKG- oder Langzeit-Blutdruck-Analyse ein-
sparen, wenn man die bei der Telemetrie erhobenen
Daten entsprechend speichert und analysiert. Auf phar-
makologischen Probandenstationen ist eine Überwa-
chung von großem Nutzen, da sie den gesunden Pro-
banden ein Maximum an Bewegungsspielraum gibt.
Der Einsatz von kontinuierlichen Überwachungssys-
temen im häuslichen Umfeld chronisch Kranker oder
gefährdeter Patienten ist derzeit noch nicht realisiert,
könnte in Zukun aber möglicherweise mit den glei-
chen Techniken, wie es das neue digitale Fernsehen
nutzt – Digital Video Broadcasting Terrestrial (DVB-T)
– realisiert werden [1], wobei dann noch Telemedizin-
Zentren mit der Infrastruktur für Echtzeit-Monitoring
und Noteinsatz-Aktivierung zur Verfügung stehen
müssten. Zukunsweisend ist die telemetrische Fern-
abfrage von Schrittmacherimplantaten und implantier-
baren Cardiovertern/Debrillatoren, sie ermöglichen
eine Alarmierung bei Fehlfunktionen und eine rasche
Geräteoptimierung.
154 T. Hilbel et al.
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