Hintergrund und Ziele: Mit der Entwicklung zu einem holistischen Patientenbild und dem Ziel der optimalen medizinischen Versorgung findet seit den 70er Jahren eine vermehrte Integration der psychischen Betreuung in deutsche Allgemeinkranken-häuser statt. Möglich wird dies durch das Liaison- bzw. das Konsiliarmodell. Bei einer Prävalenz psychischer Störungen von ca. 30% in der deutschen Allgemein-bevölkerung bzw. auf somatischen Stationen ist ein erheblicher Bedarf an professi-oneller Betreuung zu verzeichnen. Psychische Störungen können als Ursache, Re-aktion oder Komorbidität bei somatischer Krankheit auftreten. Die dominierenden psychiatrischen Diagnosen sind Depression, Delirium, Demenz, Somatisierungs-störungen, Anpassungsstörungen, substanzbezogene Störungen. Psychische Stö-rungen können weitreichende Folgen auf die Diagnostik, die Therapie und das Be-handlungsergebnis haben. Nur ca. 19% der Menschen mit psychischen Krankhei-ten suchen bewusst professionelle Hilfe auf. Zusätzlich ist die Versorgung psychi-scher Störungen in Allgemeinkrankenhäusern häufig noch ungenügend. Aktuelle, vergleichende Studien des Liaison- und Konsiliarmodells deutscher bzw. westeu-ropäischer Patientenpopulationen fehlen bisher. Ziel der Arbeit war es das Über-weisungsverhalten, das Patientenprofil, die Prävalenzen und die Behandlungs-empfehlungen der beiden Modelle miteinander zu vergleichen und anschließend anhand der Studienergebnisse eine Empfehlung der optimalen psychiatrischen Betreuung psychisch kranker Patienten in deutschen Allgemeinkrankenhäusern zu erstellen. Methoden: In dieser retrospektiven, nicht-interventionellen, multizentrischen Studie wurden 890 stationäre Krankenhauspatienten, die sich primär aufgrund eines so-matischen Leidens vorstellten, auf psychiatrische Komorbiditäten untersucht. Hier-für wurden zwei unterschiedliche psychiatrische Betreuungsmethoden, das Liai-son- sowie das Konsiliarmodell, miteinander verglichen. Es wurden zum einen 545 Patientendaten des Klinikum Forchheim ausgewertet, in welchem die Erkrank-ten zweimal wöchentlich zu festen Sprechstundenzeiten nach dem Liaisonprinzip betreut wurden. Zum anderen wurden die Daten von 345 Patienten, welche im Uni-versitätsklinikum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg nach dem Konsiliarmodell betreut wurden, analysiert. Die jeweilige Indikation für ein psychiat-risches Konsil stellte der somatisch behandelnde Arzt. Dieser initiierte auch die psychiatrische Betreuung. Es handelte sich in mehr als 90% der Fälle um drei iden-tische Psychiater. Der darauffolgende Konsilablauf entsprach im Wesentlichen dem eines Routinekonsils und war an beiden Krankenhäusern identisch. Die Diagnosen wurden vom Psychiater orientierend an der ICD-10 gestellt. Die statistische Aus-wertung der erhobenen Patientendaten erfolgte durch SPSS Statistics 23. Um die Ergebnisse der beiden Krankenhäuser einander gegenüberstellen zu können, be-diente man sich der deskriptiven Analyse bzw. anderer adäquater statistischer Me-thoden wie der Regressionsanalyse. Ergebnisse und Beobachtungen: Das Durchschnittsalter aller Studienteilnehmer betrug 64,7 Jahre, 59,9% waren weiblich. 82,5% der Patienten besaßen eine psy-chiatrische Vordiagnose. 90,8% der Patienten wurden von internistischen Stationen überwiesen. Die häufigste Diagnose waren Affektstörungen (39,3%), gefolgt von organischen psychischen Störungen (18,9%), von Alkohol-induzierten psychischen Störungen (11,3%) und von Reaktionen auf starken Stress bzw. Anpassungsstö-rungen (10,4%). Unter Suizidalität litten 11,1% (9,0% latent, 2,2% akut) der Patien-ten. Bei 5,5% der Patienten wurde keine psychische Störung festgestellt. In über 90% der Fälle genügte eine einzige psychiatrische Konsilsitzung. Am häufigsten wurden Antidepressiva (27,3%; 17,4% Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, 4,0% Trizyklische Antidepressiva) verschrieben. Im An-schluss an die Konsilbehandlung wurde zur weiterführenden Behandlung 41% der Patienten eine ambulante psychiatrische Therapie empfohlen. Das Durchschnittsal-ter war im Liaisonmodell mit 69 Jahren höher als im Konsiliarmodell mit 57 Jahren. Die Überweisungsrate im Konsiliarmodell war signifikant niedriger als im Liaison-modell (3,7% vs. 6,8%, p<0.001). Die somatischen Fachärzte der entsprechenden Stationen stellten im Konsiliarmodell in 98,5% der Fälle, im Liaisonmodell in 88,3% der Fälle korrekterweise eine Konsilanfrage an den psychiatrischen Dienst (p<0.001). Die Konsiliarmodell-Patienten wiesen häufiger schwere Erkrankungen auf und benötigten daher komplexere Therapien wie beispielsweise signifikant häufigere Einweisungen auf die psychiatrische Intensivstation (28,7% vs. 0,4%, p<0.001). Affektive Störungen waren im Konsiliarmodell häufiger anzutreffen (46,6% vs. 34,8%, p<0.001). Organische psychische Störungen waren im Liaison-modell signifikant häufiger anzutreffen (24,0% vs. 10,3%, p<0.001). Besonders her-vorzuheben ist der hoch signifikante Unterschied der Suizidalität im Liaison- im Vergleich zum Konsiliarmodell (7,8% vs. 16,3%, p<0.001). Das Ausbleiben einer psychiatrischen Diagnose kam im Liaisonmodell vergleichsweise häufig vor (8,4% vs. 0,6%, p<0.001). Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wurden signifi-kant häufiger im Liaisonmodell verordnet (23,5% vs. 7,8%). Benzodiazepine wur-den wiederum häufiger im Konsiliarmodell verschrieben (38,6% vs. 20,0%).