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Krischke, N. R. (2009). Beratung bei Psychischen Krisen. In P. Warschburger (Hrsg.), (S. 233-251). Heidelberg: Springer.

Authors:

Abstract

Psychische Krisen werden in der Regel durch chronische oder akute familiäre, berufliche oder soziale Belastungssituationen, organische Prozesse, Substanzmissbrauch oder infolge Psychischer Störungen ausgelöst. Im Gegensatz zum Begriff »Psychische Störung«, der stärker das Individuum als Träger einer (negativen) Eigenschaft kennzeichnet, betont das Begriffspaar »Psychische Krise« eine Imbalance zwischen den innerpsychischen und den in der Umwelt lokalisierten Belastungen und Herausforderungen für das seelische Wohlergehen einerseits und andererseits die verfügbaren mentalen, kognitiven und behavioralen Fähigkeiten, eine Problemsituation zufrieden stellend zu lösen.
Petra Warschburger (Hrsg.)
Beratungspsychologie
Mit  Abbildungen und  Tabellen
K
Prof. Dr. Petra Warschburger
Universität Potsdam
Institut für Psychologie, Abt. Beratungspsychologie
Karl-Liebknecht-Straße 24/25, 14476 Potsdam
E-mail: warschb@uni-potsdam.de
ISBN-13 978-3-540-79060-0 Springer Medizin Verlag Heidelberg
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SPIN: 
Gedruckt auf säurefreiem Papier  –      
IX
Inhaltsverzeichnis
I Theoretischer Hintergrund . . . . . 1
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1 Problemfelder in der Beratung/
Beratungsanlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.1.1 Zeitliche Trends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.1.2 Beratungspsychologie
Eigenständig oder Anhängsel? . . . . . . . . . . 8
1.2 Aufbau des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2 Theoretischer Hintergrund . . . . . . . . . . . 11
2.1 Rahmenbedingungen
professioneller Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.2 Felder psychosozialer Beratung . . . . . . . . . 20
2.3 Definitionsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.4 Abgrenzung von
Psychotherapie und Erziehung . . . . . . . . . . 23
2.5 Besondere Beratungsformen . . . . . . . . . . . 33
2.6 Kennzeichen von Beratung . . . . . . . . . . . . . 36
3 Beratungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
3.1 Inanspruchnahme von Beratung . . . . . . . . 40
3.2 Beratungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
3.3 Wirksamkeit von Beratung . . . . . . . . . . . . . . 57
3.4 Wirkfaktoren der Beratung . . . . . . . . . . . . . . 68
3.4.1 Spezifische Therapiefaktoren . . . . . . . . . . . 68
3.4.2 Klientenvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
3.4.3 Beratervariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
3.4.4 Berater-Klient-Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . 72
3.5 Modelle allgemeiner Wirkfaktoren . . . . . . 75
4 Neuere Modelle zur Veränderung . . . . 83
4.1 Transtheoretisches Modell . . . . . . . . . . . . . . 84
4.1.1 Kernannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
4.1.2 Stufen der Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . 85
4.1.3 Veränderungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
4.1.4 Stufenspezifische Intervention . . . . . . . . . . 91
4.1.5 Empirische Evidenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
4.1.6 Kritik und Implikationen des TTM . . . . . . . 93
4.2 Motivational Interviewing . . . . . . . . . . . . . . 94
4.2.1 Abgrenzung zu anderen
Beratungsansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
4.2.2 Wirksamkeit des Motivational
Interviewing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
4.2.3 Motivational Interviewing – Für wen? . . . 101
5 Mediengestützte
Beratungskommunikation . . . . . . . . . . 107
5.1 Definitionsversuch und Einteilung . . . . . 108
5.2 Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
5.3 Telefonberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
5.4 Internetbasierte Beratung . . . . . . . . . . . . . 120
5.5 Herausforderungen für die Zukunft . . . . 124
II Anwendungsfelder . . . . . . . . . . . . . . 129
6 Beratung in der
Pädagogischen Psychologie . . . . . . . . 131
Chr. Schwazer, P. Buchwald
6.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
6.2 Was ist Beratung in der
Pädagogischen Psychologie? . . . . . . . . . . . 133
6.3 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 135
6.3.1 Bedeutung der drei großen psycho-
logischen Schulen für die Beratung . . . . 135
6.3.2 Systemisch orientierte Ansätze . . . . . . . . 138
6.3.3 Ressourcenorientierte Beratung . . . . . . . 139
6.4 Beratung von Lehrern
und Lehrerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
6.4.1 Rolle des Lehrenden in der
Schule – Eine sich wandelnde Aufgabe . 140
6.4.2 Stress in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
6.4.3 LehrerInnen-SchülerInnen-Verhältnis . . 141
6.4.4 Burnout von Lehrern und Lehrerinnen . 142
6.4.5 Individuelle Beratung von Lehrenden . . 143
6.4.6 Beratung von Lehrerkollegien . . . . . . . . . . 144
6.4.7 Institutionsberatung Schule . . . . . . . . . . . 145
6.5 Beratung von Jugendlichen . . . . . . . . . . . . 146
6.5.1 HIV/AIDS-Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
6.5.2 Schulangst und Prüfungsangst . . . . . . . . 148
6.6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
7 Gesundheitsberatung . . . . . . . . . . . . . . . 155
H. Domsch, A. Lohaus
7.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
7.2 Eingrenzung des Begriffes . . . . . . . . . . . . . 156
7.3 Von der Patientenaufklärung
zur Gesundheitsberatung . . . . . . . . . . . . . . 157
7.4 Ziele einer Gesundheitsberatung . . . . . . . . 157
7.5 Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
7.5.1 Zielgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
7.5.2 Gesundheitsberater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
7.6 Theoretischer Hintergrund
und neuere Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
7.6.1 Modelle der Gesundheitspsychologie . . . 160
7.6.2 Subjektive Krankheitstheorien . . . . . . . . . . 161
7.6.3 Beratungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
7.6.4 Empowerment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
7.6.5 »E-Health«: Beratung im Internet . . . . . . . . 164
7.7 Gesundheitsberatung bei
Kindern und Jugendlichen . . . . . . . . . . . . . . 166
7.8 Beispiel einer Gesundheitsberatung
an chronisch Kranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
7.9 Anforderungen und Effektivität . . . . . . . . . 169
8 Beratung in der Klinischen
Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
F. Mattejat, J. Pauschardt
8.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
8.2 Theoretisch-konzeptuelle Aspekte:
Was bedeutet »Beratung« in der
Klinischen Psychologie? . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
8.3 Klinisch-psychologische
Beratungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
8.3.1 Psychodynamische Beratung . . . . . . . . . . . 178
8.3.2 Kognitiv-behaviorale Beratung . . . . . . . . . 182
8.3.3 Personzentrierte Beratung . . . . . . . . . . . . . . 185
8.3.4 Systemische Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
8.4 Aktuelle Entwicklungen:
Neuere Beratungsmodelle in der
Klinischen Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
8.4.1 Psychoedukation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
8.4.2 Eltern- und Familienberatung nach
dem Familien-Kooperations-Modell . . . . . 198
8.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
9 Beratung in der Arbeits- und
Organisationspsychologie . . . . . . . . . . . . 207
E. Bamberg
9.1 Handlungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
9.1.1 Suchtberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
9.1.2 IT-Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
9.1.3 Outplacementberatung . . . . . . . . . . . . . . . . 209
9.2 Merkmale von Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . 210
X Inhaltsverzeichnis
9.3 Beratung als Arbeitstätigkeit . . . . . . . . . . . . 211
9.3.1 Interaktionsbezogene Anforderungen . . 212
9.3.2 Arbeitsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
9.3.3 Organisationaler Kontext . . . . . . . . . . . . . . . 213
9.4 Konzepte zu Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
9.4.1 Beratung von Individuen . . . . . . . . . . . . . . . 214
9.4.2 Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
9.4.3 Direktivität – Nondirektivität . . . . . . . . . . . . 217
9.5 Akteure in der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . 218
9.5.1 Klienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
9.5.2 Beraterinnen und Berater . . . . . . . . . . . . . . 220
9.6 Anforderungsorientierte Beratung . . . . . . 222
9.7 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
9.7.1 Coaching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
9.7.2 Mentoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
9.7.3 Supervision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
9.7.4 Gemeinsamkeiten und Unterschiede . . . . 231
9.8 Status quo und
Entwicklungsperspektiven –
Ein Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
10 Beratung bei Psychischen Krisen . . . . . 235
N. R. Krischke
10.1 Primat ambulanter Hilfen bei
Psychischen Krisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
10.2 Begründungszusammenhänge für
Beratung im Verlauf Psychischer Krisen . . 237
10.3 Kommunale Strukturen der
Beratung bei Psychischen Krisen . . . . . . . . 237
10.4 Häufigkeit und Charakteristika von
Menschen in Psychischen Krisen . . . . . . . . 239
10.5 Kennzeichnung Psychischer Störungen
im Verlauf Psychischer Krisen . . . . . . . . . . . 240
10.6 Theoretische Grundannahmen
zu Psychischen Krisen und Krisen im
Lebensvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
10.7 Beratung bei schweren
Psychischen Krisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
10.8 Grundhaltungen, Aufgaben
und Funktion von Beratung in
Psychischen Krisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
10.8.1 Grundhaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
10.8.2 Aufgaben als Berater bei
Psychischen Krisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
10.8.3 Funktion von Beratung für
Menschen in Psychischen Krisen . . . . . . . . 251
XI
Inhaltsverzeichnis
III Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
11 Zusammenfassende Betrachtung
und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
11.1 Beratung – Ein dynamisches
Anwendungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
11.2 Differenzierung und Spezialisierung
in der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
11.3 Beratung in den etablierten
Anwendungsfächern der
Psychologie – Konvergenzen
und Divergenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
11.4 Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
11.5 Science-Practioner-Modelle . . . . . . . . . . . . . 263
11.6 Beratungspsychologie
Ein eigenständiges Anwendungs-
und Forschungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
Ethische Richtlinien der Deutschen
Gesellschaft für Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . 267
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
10
Beratung bei Psychischen Krisen
N. R. Krischke
10.1 Primat ambulanter Hilfen bei Psychischen Krisen 234
10.2 Begründungszusammenhänge für Beratung im
Verlauf Psychischer Krisen 235
10.3 Kommunale Strukturen der Beratung bei Psychischen Krisen 235
10.4 Häu gkeit und Charakteristika von Menschen in Psychischen
Krisen – 237
10.5 Kennzeichnung Psychischer Störungen im Verlauf Psychischer
Krisen – 238
10.6 Theoretische Grundannahmen zu Psychischen Krisen
und Krisen im Lebensvollzug 238
10.7 Beratung bei schweren Psychischen Krisen 240
10.8 Grundhaltungen, Aufgaben und Funktion von Beratung
in Psychischen Krisen 242
10.8.1 Grundhaltungen 242
10.8.2 Aufgaben als Berater bei Psychischen Krisen 245
10.8.3 Funktion von Beratung für Menschen in Psychischen Krisen 249
Literatur 250
10
234 Kapitel 10 Beratung bei Psychischen Krisen
Psychische Krisen werden in der Regel durch
chronische oder akute familiäre, beru iche oder
soziale Belastungssituationen, organische Prozesse,
Substanzmissbrauch oder infolge Psychischer Stö-
rungen ausgelöst. Im Gegensatz zum Begri »Psy-
chische Störung«, der stärker das Individuum als
Träger einer (negativen) Eigenscha kennzeichnet,
betont das Begri spaar »Psychische Krise« eine
Imbalance zwischen den innerpsychischen und
den in der Umwelt lokalisierten Belastungen und
Herausforderungen für das seelische Wohlergehen
einerseits und andererseits die verfügbaren menta-
len, kognitiven und behavioralen Fähigkeiten, eine
Problemsituation zufrieden stellend zu lösen.
De nition
Beratung bei Psychischen Krisen ist eine auf
den Augenblick und die Zukunft der Betrof-
fenen, der Angehörigen und der Menschen
des sozialen Bezugssystems ausgerichtete,
kurz- und langfristig angelegte kooperative
Interventionsstrategie zur Hilfe bei der nach-
haltigen Überwindung der aktuellen und zur
Vermeidung weiterer Krisen mit dem Ziel,
psychosoziale Nachteile zu vermeiden oder so
gering wie möglich zu halten.
Psychische Krisen, die als unmittelbares, subjektives
seelisches Leid wahrgenommen werden, führen bei
einer beträchtlichen Anzahl von Menschen zu dem
Wunsch, ambulante und/oder stationäre seelische
Hilfen bei Psychologen oder Ärzten in Anspruch zu
nehmen. Ähnlich wie bei körperlichen Krankhei-
ten  nden wir bei Menschen mit psychischem Leid
auch viele Personen, die ihr Leid nicht ernst neh-
men, die der Au assung sind, dieses Leid einfach
ertragen zu müssen, die sich für ihr Leid und deren
mögliche Ursachen schämen, die e ektive Hilfe für
unmöglich halten oder die Angst und schlechte
Erfahrungen mit dem psychosozialen Hilfesystem
gemacht haben. Besonders Menschen, die bisher
aufgrund ihrer psychischen Belastungen keine psy-
chologische oder medizinische Hilfe in Anspruch
genommen haben, können in schwere Psychische
Krisen geraten. In solchen Situationen werden die
Betro enen häu g von Angehörigen oder Außen-
stehenden als psychisch au ällig, bizarr oder selbst-
und fremdgefährdend wahrgenommen. Neben der
Polizei sind dann vor allem kommunale Sozialpsy-
chiatrische Dienste und Krisendienste die ersten
Adressen, die auf eine Psychische Krise aufmerk-
sam (gemacht) werden. Der vorliegende Beitrag
befasst sich mit Beratungsanlässen, die ö entliche
psychosoziale Hilfen im Verlauf Psychischer Krisen
erforderlich werden lassen.
10.1 Primat ambulanter Hilfen
bei Psychischen Krisen
Durch die grundlegenden Reformen der psychia-
trischen Versorgung psychisch erkrankter Menschen,
die nach der Diskussion des Berichts über die Lage
der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland
im Deutschen Bundestag eingeleitet wurden (vgl. Psy-
chiatrie-Enquête; Deutscher Bundestag, ), haben
ambulante Sozialpsychiatrische Dienste (SPsDs bzw.
SPDs) und -stündige Bereitscha s- oder Krisen-
dienste zusammen mit ambulanten Einrichtungen
der psychiatrischen P ege, des betreuten Wohnens
sowie zur beru ichen Rehabilitation einen großen
Teil der Versorgung psychisch erkrankter Menschen
übernommen, die bisher, teilweise über Jahrzehnte,
in stationären psychiatrischen Kliniken behandelt
worden waren. Der durch die Enquête eingeleitete
Paradigmenwechsel bei der Behandlung chronisch
psychisch erkrankter Menschen zielt sowohl auf die
Stärkung wohnortnaher ambulanter Versorgungs-
strukturen als auch auf die Stärkung und den Erhalt
der grundlegenden Menschenrechte. Der Befund der
Enquête des Deutschen Bundestags machte allen Ver-
antwortlichen unmissverständlich deutlich, dass die
Auswirkungen der bisherigen Versorgungsstrukturen
in wesentlichen Punkten nicht mit den grundlegenden
Menschenrechten und der Menschenwürde vereinbar
waren. Im Mittelpunkt aller psychischen und sozialen
Hilfen steht nun nicht mehr der Versorgungsgedanke,
sondern die Stärkung der Autonomie, das Recht auf
Teilhabe und Nachteilsausgleich bei Psychischen Stö-
rungen wie bei körperlichen Krankheiten. Die sozial-
rechtliche Gleichbehandlung beim Nachteilsausgleich
von körperlichen Erkrankungen und Psychischen
Störungen bei gleichzeitiger Anerkennung eines weit-
gehenden Rechts auf Selbstbestimmung begründet
den außerordentlichen Stellenwert von Beratung bei
der Prävention, Intervention und Rehabilitation von
Menschen mit Psychischen Krisen.
235 10
10.2 Begründungszusammenhänge
für Beratung im Verlauf
Psychischer Krisen
Der Erhalt, die Wiederherstellung und die Stärkung
der Autonomie sind Voraussetzungen zum Erhalt und
der Wiederherstellung der Teilhabe am sozialen und
beru ichen Leben auch für Menschen mit Psychi-
schen Störungen in Anlehnung an die De nition von
Gesundheit (vgl. WHO, ) und die De nition von
Behinderung im Rahmen der Internationalen Klas-
si kation von Funktionsstörungen ICF (vgl. Linden
& Baron, ). Eine weitere Voraussetzung ist eine
möglichst wohnortnahe Organisation der notwendi-
gen Hilfen zum Nachteilsausgleich und zur Heilung
oder Linderung der der Krankheit oder der Psychi-
schen Störung zugrunde liegenden Ursachen. Der
ambulante gemeindepsychiatrische Ansatz ermög-
licht es den von einer Psychischen Krise Betro enen
ihre persönlichen, beru ichen, kulturellen und öko-
logischen Beziehungen zu erhalten und als Ressource
zur Überwindung der Krise zu nutzen. Die inhaltli-
che Veränderung der Schwerpunkte und der Struktu-
ren bei der Versorgung psychisch kranker Menschen,
aber auch die Veränderung der Sichtweise einer Psy-
chischen Störung oder Krankheit als eine Psychische
Krise, stellt nicht nur eine begri iche Anpassung
an den Zeitgeist dar, sondern re ektiert eine Erwei-
terung des pathologischen Krankheitsbegri s um
psychische und soziale Dimensionen (vgl. WHO,
). Durch die paradigmatische Veränderung und
Erweiterung des Blickwinkels, Psychische Krankhei-
ten oder Störungen als eine Krise bei der Teilhabe am
sozialen, beru ichen und kulturellen Leben vor dem
Hintergrund bestehender körperlicher und oder see-
lischer Nachteile aufzufassen, lässt sich der Anspruch
auf Würde auch bei Menschen mit Psychischen Stö-
rungen durch Hilfen zur Selbstbestimmung in Kri-
sensituationen praktisch realisieren. Das Grundrecht
auf Selbstbestimmung gilt für alle Menschen, auch
für Menschen mit psychischen Krankheiten bzw. für
Menschen in Psychischen Krisen (Gostin, ). In
der ICF- (vgl. Dilling, Mombour & Schmidt, )
und im DSM-IV (vgl. Saß, Wittchen & Zaudig, )
wird anstelle des Begri s »Krankheit» der Begri
»Störung« verwendet.
Im medizinischen und psychosozialen Kontext
wird dem Menschenrecht auf Selbstbestimmung
dadurch Rechnung getragen, dass allen medizini-
schen Eingri en, erapien und Hilfen jeweils eine
eingehende Beratung vorausgeht, die über die Vor-
und Nachteile, aber auch über die Risiken und Alter-
nativen informiert und au lärt (vgl. Grisso & Ap-
plebaum, ). Außer in medizinischen Notfällen,
nach Unfällen, Gewalteinwirkung oder infolge von
Infektionen oder akutem Organversagen können
medizinische Maßnahmen zur Lebensrettung auch
ohne Einwilligung und Aurung der Betro enen
oder naher Angehöriger durchgeführt werden. Das
Gleiche gilt für die Anwendung von Zwangsmaß-
nahmen im Verlauf Psychischer Krisen. Um die
Grundrechte der Betro enen zu wahren, müssen
neben den Zwangsmaßnahmen in jedem Fall auch
fachliche Hilfen angeboten und erklärt werden (vgl.
Marschner & Volckart, ). Die Art der Hilfe-
leistungen für Menschen in Psychischen Krisen so-
wie die Voraussetzungen für die Anwendung von
Zwangsmaßnahmen regeln in fast allen Bundes-
ländern Psychisch-Kranken-Gesetze (PsychKG; vgl.
Bohnert, ; Cording & Weig, ).
10.3 Kommunale Strukturen der
Beratung bei Psychischen
Krisen
Am Beispiel des Niedersächsischen Gesetz über Hil-
fen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke
(NPsychKG) vom . Juni  lässt sich sehr gut auf-
zeigen, welche Bedeutung die Kenntnis und die bera-
terische Vermittlung von Organisations- und Struk-
turwissen neben menschlicher, psychosozialer und
medizinischer Kompetenz erhält, um unter schwieri-
gen Umständen Menschen in Psychischen Krisen die
Möglichkeit zu geben, auf der Grundlage geeigneter
Informationen angebotene Hilfen anzunehmen. Vor-
ausgesetzt die kommunalen Angebote sind di eren-
ziert und auf die spezi schen Bedürfnisse von Men-
schen in Psychischen Krisen zugeschnitten, kann
eine die Selbstbestimmung und die Würde achtende
Beratung bei Kriseninterventionen in vielen Fällen
die Anwendung von Zwangsmaßnahmen auch bei
Selbst- und Fremdgefährdung vermeiden helfen. Das
Niedersächsische Psychisch-Kranken-Gesetz sieht
hierzu beispielsweise den Au au Sozialpsychiatri-
scher Dienste (NPsychKG, § ) und den Zusammen-
schluss aller Anbieter und Kostenträger psychosozia-
ler Leistungen zu Sozialpsychiatrischen Verbünden
10.3  Kommunale Strukturen der Beratung bei Psychischen Krisen
10
236 Kapitel 10 Beratung bei Psychischen Krisen
(NPsychKG, § ) vor. Sozialpsychiatrische Dienste
und Sozialpsychiatrische Verbünde sind zwei zent-
rale Strukturelemente zur Organisation gemeinde-
naher, e ektiver ambulanter Hilfen für Menschen in
Psychischen Krisen.
Auszug aus dem Niedersächsischen
Psychisch–Kranken–Gesetz
Sozialpsychiatrischer Dienst (NPsychKG,
NI § 7)
Die Landkreise und kreisfreien Städte rich-
ten Sozialpsychiatrische Dienste ein.
Der Sozialpsychiatrische Dienst steht
unter der Leitung einer Ärztin oder eines
Arztes mit abgeschlossener psychia-
trischer oder kinder- und jugendpsychia-
trischer Weiterbildung.
Die Landkreise und kreisfreien Städte
sollen, soweit erforderlich, Kinder- und
Jugendpsychiatrische Dienste einrichten.
Sozialpsychiatrischer Verbund
(NPsychKG, NI § )
Die Landkreise und kreisfreien Städte
bilden Sozialpsychiatrische Verbünde. Im
Sozialpsychiatrischen Verbund sollen alle
Anbieter von Hilfen im Sinne des §  Abs.
 vertreten sein. Der Sozialpsychiatrische
Dienst führt dessen laufende Geschäfte.
Der Sozialpsychiatrische Verbund sorgt
für die Zusammenarbeit der Anbieter von
Hilfen und für die Abstimmung der Hilfen,
um die Versorgung nach Maßgabe des § 
Abs.  sicherzustellen. Die Sozialpsychia-
trischen Verbünde in benachbarten Ver-
sorgungsgebieten sollen zu diesem Zweck
zusammenarbeiten.
Plant ein Anbieter von Hilfen oder dessen
Träger eine wesentliche Änderung des
Angebots an Hilfen, so hat er den Sozial-
psychiatrischen Verbund hierüber unver-
züglich zu unterrichten.«
1.
2.
3.
1.
2.
3.
Sozialpsychiatrische Dienste und häu g gut inte-
grierte -Stunden- Krisendienste organisieren die
Hilfen für Menschen in psychischen Krisensitu-
ationen. Sie verfügen häu g über ärztliche und/
oder nicht-ärztliche Kriseninterventionsteams, die
neben telefonischer Beratung für Betro ene, Ange-
hörige, soziale Bezugspersonen und Mitarbeiter
anderer Dienste am Ort des Krisengeschehens tätig
werden. Sie wirken deeskalierend ein, zeigen ggf.
für psychische, interpersonelle und soziale Pro-
blemlagen Lösungswege auf und können häu g
nach einer Krisenintervention die Betro enen an
andere, wohnortnahe medizinische, soziale oder
psychotherapeutische Einrichtungen weiterver-
mitteln, Termine vereinbaren und Zugangsbarrie-
ren abbauen. Die Sozialpsychiatrischen Verbünde
werden in der Regel vom örtlichen Sozialpsychia-
trischen Dienst geleitet und bilden eine verbindli-
che Organisationsform bestehend aus allen Anbie-
tern psychologischer, pädagogischer und sozialer
Hilfen, insbesondere unter Beteiligung der Sozial-
versicherungsträger, der Sozial- und Jugendhilfe,
psychiatrischer Krankenhäuser, von Sozialstatio-
nen, ambulanter P egedienste, niedergelassener
Ärzte, Psychologen, von Verbänden der Freien
Wohlfahrtsp ege, der Kirchen und Religionsge-
meinscha en (vgl. NPsychKG,NI § ).
Beins () gibt beispielha einen Überblick
über die in einem Sozialpsychiatrischen Verbund in
Niedersachsen zusammenarbeitenden Institutionen,
Dienste, Anbieter von Gesundheitsleistungen und
Kostenträgern. Dem Sozialpsychiatrischen Dienst
kommt eine Schlüsselstellung bei der Vermittlung
und der Fallführung zu. In dem Maße, wie die Fä-
higkeiten der von einer Psychischen Krise betro e-
nen Menschen eingeschränkt sind über Angehörige,
Selbsthilfegruppen, Haus- oder Fachärzte medizi-
nische und psychosoziale Hilfen zur Bewältigung
der Krise selbstfürsorglich zu aktivieren, wächst die
Bedeutung ö entlicher Hilfsangebote wie sie durch
Sozialpsychiatrische Dienste geleistet werden. Die
Mitarbeiter von Sozialpsychiatrischen Diensten und
Krisendiensten leisten selbst psychiatrische, psycho-
logische und sozialarbeiterische Hilfen und nehmen
gleichzeitig auch die Rolle eines »Gate Keepers« ein,
der betro enen Menschen Wege zu den regulären
medizinischen, psychologischen und sozialen Ein-
richtungen in der Region aufzeigt und hil , die Kos-
tenübernahme mit Krankenkassen, Rentenversiche-
rungen, der Arbeitsverwaltung oder den Gemeinden
zu klären. Zur Sicherung der Teilhabe, des Nachteils-
237 10
ausgleichs und zum Erhalt der Selbstbestimmung
und Autonomie beziehen Kriseninterventionen
lebenspraktische Hilfen in den Bereich Wohnen,
Beschä igung, Quali kation, aber auch spezi sche
Hilfen zur P ege, bei Sucht sowie, Kinder-, Jugend-
und Alterserkrankungen mit ein (. Abb. 10.1).
10.4 Häu gkeit und Charakteristika
von Menschen in Psychischen
Krisen
Schleuning und Welschehold () berichten für
die Region München Süd über eine Inzidenz von ,
Krisenfällen auf . Einwohner pro Jahr. Biehl,
Möhlenkamp, Bärwinkel und Sammadi ()
kommen für Bremen auf eine Inzidenz von sechs
Patienten auf . Einwohner im Jahre . Der
Anteil der Beratung und Informationsvermittlung
betrug in Bremen  bei . Einzelleistungen
des Sozialpsychiatrischen Dienstes ca. . Es wer-
den insbesondere Erwachsene im mittleren Lebens-
alter erreicht, dabei mehr Frauen als Männer. Die
nanzielle Lage und die Beschä igungssituation der
Klienten ist im Vergleich zur Bevölkerung unter-
durchschnittlich, ebenso der Bevölkerungsanteil
der nicht-deutschen oder nicht-deutschstämmi-
gen Nutzer. Bergold und Zimermann (, )
berichten, dass ein erheblicher Anteil der Einsätze
des Berliner Krisendienstes im Zusammenhang
mit schweren und ernsten Krisen statt ndet. Auf
der Ebene deskriptiver Beschreibungen leidet eine
größere Gruppe der Klienten unter starken Ein-
schränkungen des Emp ndens, der Vitalität und
auch der Autonomie. Die Klienten sind verzwei-
felt, ratlos, depressiv und suizidal. Sie haben sehr
häu g Angst, Panik und sind gereizt oder aggres-
siv. Psychosoziale Krisendienste werden in hohem
Maße von Menschen mit chronischen Psychischen
Störungen in Anspruch genommen. Die Untersu-
chungen von Biehl et al. () zur Nutzung des
Sozialpsychiatrischen Dienstes in Bremen im Jahre
 ergeben ein ähnliches Bild:  sind Klien-
ten mit Psychiatrieerfahrungen,  haben eine
Suchtproblematik,  leiden unter einer Psychose
oder einer a ektiven Störung,  unter einer
Persönlichkeitsstörung,  unter einer Neurose,
 erhalten Unterstützung durch die Sozialhilfe,
 sind ohne Arbeit und  leben in betreuten
Wohneinrichtungen. Die beispielha e Charakteri-
sierung der Nutzer des Bremer und Berliner Sozial-
psychiatrischen Dienstes verdeutlicht, dass neben
der klinisch therapeutischen Intervention aufgrund
einer Psychischen Störung oder psychischen Leids
vor allem auch Hilfen auf der Ebene des psycho-
sozialen Kontexts notwendig sind.
10.4  Häu gkeit und Charakteristika von Menschen in Psychischen Krisen
Abb. 10.1. Struktur Sozialpsychiatrischer Verbunde nach dem PsychKG in Niedersachsen. (Mod. nach Beins, 2007)
Sozialpsychiatrischer Dienst
Sozialpsychiatrische
Verbünde
Psychiatrische Fachklinik
Landeskrankenhaus
Institutsambulanz
Tagesklinik
Suchtberatung
Hilfen für psychisch
erkrankte Kinder
Jugendliche
Geronto-
psychiatrische Hilfen
Psychiatrische
Krankenpege
Spezielle Dienste
Psychosozialer Dienst
Firmen für psychisch
Erkrankte
WfB für seelisch
Behinderte
Beschäftigungs- und
beruiche Reha
Wohnen
Tagesstätte
Betreutes Wohnen
Wohnheim
Selbsthilfegruppen
Niedergelassene
Psychiater
Hausärzte
Betroene und
Angehörige
10
238 Kapitel 10 Beratung bei Psychischen Krisen
10.5 Kennzeichnung Psychischer
Störungen im Verlauf
Psychischer Krisen
Psychische Krisen umfassen die gesamte psychische,
soziale und ökologische Situation eines Menschen.
Im Verlauf der Krise  nden wir sehr häu g sehr dyna-
mische Veränderungen im Ausmaß des psychischen
Leids und eine Zuspitzung ungelöster sozialer, per-
sönlicher und interpersonaler Problemsituationen.
Zur Charakterisierung der Art und der Schwere der
Beeinträchtigung psychischer Grundfunktionen eig-
net sich im deutschsprachigen Raum das Manual der
Arbeitsgemeinscha für Methodik und Dokumen-
tation in der Psychiatrie AMDP (vgl. Fähndrich &
Stieglitz, , ). Das AMDP System versteht sich
vor allem als Klassi kationssystem zur standardisier-
ten Erfassung eines psychopathologischen Befundes
mit Hilfe eines halbstrukturierten Interviews. Das
AMDP System berücksichtigt neben Angaben zur
Person, Veränderung der Lebenssituation, frühere
eigene und Erkrankungen bei nahen Verwandten
sowie einen di erenzierten psychiatrischen und
somatischen Befund. Das AMDP-System stellt anam-
nestische Angaben zur Person, Veränderungen in der
Lebenssituation und zum Verlauf aktueller und frü-
herer Krankheitsmanifestationen an den Beginn der
Befunderhebung. Die eigentliche psychiatrische Klas-
si kation beinhaltet die genaue Beschreibung psychi-
scher Funktionen wie Bewusstsein, Denkstörungen,
Wahn, Sinnestäuschungen, Ich-Störungen, Störun-
gen des A ekts und des Antriebs (. Tab. 10.1).
Die Erhebung eines psychopathologischen Be-
fundes stellt vor allem für psychologische und
ärztliche Beratungsanlässe und Interventionen im
Rahmen schwerer Psychischer Krisen eine sehr
gute Grundlage dar, um verlässliche Hinweise auf
die Art einer möglichen Krankheit respektive einer
Psychischen Störung im Sinne der Psychisch–Kran-
ken–Gesetze zu erhalten. Mit Hilfe des so gewon-
nenen psychopathologischen Befunds lassen sich in
einem weiteren Schritt möglicherweise vorliegende
Psychische Störungen beschreiben und klassi zie-
ren. In Deutschland wird zur Klassi kation einheit-
lich das ICD- der WHO verwendet (vgl. Dilling et
al., ). Zu den schweren Psychischen Störungen
zählen nach dem ICD- Organische Psychische
Störungen wie Demenzen oder das Organische
Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma (F -
), Psychische Störungen durch Substanzkonsum
(F -), Schizophrenie, schizotype und wahnha e
Störungen (F -), A ektive Störungen (F-),
Neurotische- Belastungs- und somatoforme Störun-
gen (F -) und in einigen Fällen auch Störungen
aus dem Bereich der Verhaltensau älligkeiten mit
körperlichen Störungen und Faktoren wie beispiels-
weise extremes Untergewicht bei Anorexia nervosa
(F .) oder schwere Fälle von Pädophilie (F .).
10.6 Theoretische Grundannahmen
zu Psychischen Krisen und
Krisen im Lebensvollzug
Krisen im Lebensvollzug sind nach Erikson
(/) die wichtigsten äußeren Faktoren einer
gesunden und adaptiven psychischen und sozialen
lebenslangen Entwicklung. Erikson sieht die psycho-
soziale Entwicklung des Menschen in erster Linie als
einen von acht regelha en Krisen vorangetriebenen
Prozess der Entwicklung der subjektiven Sicht auf
die eigene Person. Dieser, als Identitätsentwicklung
bezeichnete, vorwiegend emotionale und kognitive
Prozess orientiert sich an biologischen und kultur-
immanenten, sozial erwünschten biographischen
Lebensaufgaben. In Abhängigkeit vom Ausmaß
und den Möglichkeiten zu einer  exiblen Auswahl,
Akzeptanz oder Ablehnung biographischer Aufga-
ben im Lebensvollzug geht eine stetige Veränderung
der rollenbezogenen Aufgaben und Ziele einher, die
in re exiver Weise den selbstkonstruktiven Anteil
eines Menschen in Bezug auf die Stärke und Richtung
der gesamten eigenen Entwicklung bestimmen.
Keupp () weist in diesem Zusammenhang
auf den rasanten Wandel der Vorstellungen von einem
»guten Leben« insbesondere in den westlichen Gesell-
scha en hin. Die »Koordinaten«, die moderne Men-
schen im Hinblick auf die eigene biographische Ent-
wicklung beein ussen, unterliegen  uiden Prozessen
der Entgrenzung, Fusion, Durchlässigkeit und wech-
selnden Kon gurationen. Dies zeigt sich unter ande-
rem in lebenslangen Lern- und Ausbildungsphasen,
instabilen und zeitlich befristeten Arbeitsverhältnis-
sen und den als »Patchwork« bezeichneten familiären
Strukturen. Die am klassischen Familien-, Staats- und
Gesellscha sbild orientierten individuellen »Entwick-
lungsaufgaben« nach Erikson beschreiben die Art und
die Dynamik »regulärer« Entwicklungskrisen in der
239 10
modernen Gesellscha nur unzureichend. Dennoch
erweist sich Eriksons Krisenbegri als hilfreich bei
der Einordnung Psychischer Krisen und Psychischer
Störungen in einen allgemein zunehmend diskonti-
nuierlich verlaufenden, sozial-biographischen Ent-
wicklungsprozess. Erikson verdeutlicht mit seinem
Konzept der acht regulären Entwicklungskrisen die
»Normalität« der zumeist anstrengenden und häu g
auch erschöpfenden adaptiven sozialen Prozesse und
Herausforderungen, die im Verlauf der lebenslangen
Entwicklung notwenig sind.
Nach Müller () lassen sich  eorien zur
Beschreibung Psychischer Krisen nach
psychotherapeutischen Schulen,
Phasen (als Reaktion auf außergewöhnliche
Ereignisse),
Lebensabschnitten (in Anlehnung an Erikson),
unterschiedlichen psychosozialen Auslösern
(vgl. Sonneck et al., ) sowie
4
4
4
4
pragmatischen Handlungsmodellen unter-
scheiden.
Bei der schulenspezi schen Einteilung von Kri-
sentheorien stehen die jeweiligen Prinzipien und
Grundannahmen zur Entwicklung und Behand-
lung Psychischer Störungen im Mittelpunkt der
Betrachtungen. Psychische Krisen sind demnach
vorrangig störungs-, krankheits- oder ereignis-
korreliert. Die Verhaltens-, Gesprächs-, Gestalt-
therapie, Psychoanalyse oder die Tiefenpsycho-
logie haben in diesem Zusammenhang für akute
und chronische Krisen jeweils allgemeine Konzepte
zur Krisenintervention entwickelt. Sonneck et al.
() di erenzieren zwischen
Traumatischen Krisen,
Veränderungskrisen,
chronisch-protrahierten Krisen,
dem Burnout-Syndrom und
Posttraumatischen Belastungsstörungen.
4
4
4
4
4
4
Tab. 10.1. Kategorien des AMDP-Systems. (Nach Fähndrich & Stieglitz, 1997, 1998)
Psychiatrischer Befund Somatischer Befund Anamnese
Bewusstseinsstörungen Schlaf- und Vigilanz-Störung Eigene familiäre Situation
Orientierungsstörungen Appetitstörung Wohnen
Aufmerksamkeits- und Gedächt-
nisstörungen
Gastro-intestinale Störungen Schule, Bildung, Beruf
Formale Denkstörungen Kardio-respiratorische Störungen Suchtgeschichte
Befürchtungen und Zwänge Andere vegetative Störungen Krankheiten in der Vergangen-
heit
Wahn Neurologische Störungen (Sei-
tendi erenzen)
Familiäre Herkunft
Sinnestäuschung Cerebrale Krampfanfälle Psychische Störungen in der
Kindheit / im Jugendalter
Ich-Störungen Psychiatrische Erkrankungen
Störungen der Aktivität
Antriebs- und psychomotorische
Störungen
Circadiane Besonderheiten
Andere Störungen
Befundunsicherheit Klinisch Psychiatrische Erfahrung
des Untersuchers
10.6  Theoretische Grundannahmen zu Psychischen Krisen und Krisen im Lebensvollzug
10
240 Kapitel 10 Beratung bei Psychischen Krisen
Traumatischen Krisen liegen in der Regel Ereignisse
zugrunde, die grausam oder lebensbedrohlich sind
und auf der Seite des Individuums zunächst zu
einem Schock, einer ungerichteten, häu g abweh-
renden Reaktion und in einem längeren Prozess
zu einer inhaltlichen und emotionalen Verarbei-
tung im Sinne einer Neuorientierung führen. Im
ungünstigen Fall kann die Reaktion jedoch auch zu
einer Chroni zierung oder der Entwicklung einer
Posttraumatischen Belastungsstörung führen. Ver-
laufsorientierte Krisentheorien gehen von trauma-
tischen Ereignissen oder auch von normalen bzw.
biographisch vorhersehbaren Veränderungen im
Leben der Betro enen aus. Die Konfrontation mit
Veränderungen führt zu einer Überforderung der
Bewältigungsressourcen und löst bei den Betrof-
fenen Versagensängste aus. Die erlebte Ine ektivi-
tät und die Angst zu versagen kann entweder zu
Passivität oder zu verstärkter Mobilisierung zusätz-
licher Ressourcen führen. Bei Passivität und Resi-
gnation als Reaktion auf  nanzielle oder andere
soziale (Über-) Forderungen und Verp ichtun-
gen verstärkt sich der Veränderungsdruck auf die
Betro enen. Reichen bei Veränderungskrisen die
mobilisierten Ressourcen weiterhin nicht aus, zeigt
sich nach einer gewissen Zeit das Vollbild einer
Krise.
10.7 Beratung bei schweren
Psychischen Krisen
Um keine Missverständnisse au ommen zu lassen
sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in
Abhängigkeit vom Ausmaß der in einer akuten Psy-
chischen Krise wirksam werdenden Psychischen
Störung, Beratung nicht eine notwenige ambulante
oder stationäre Psycho- und/oder Pharmakothera-
pie sowie eine medizinische Behandlung körper-
licher Erkrankungen ersetzen kann. Vielmehr ist
die Beratung der von einer schweren Psychischen
Krise Betro enen und der Menschen im engen
und weiteren sozialen Kontext unabdingbar, um
letztlich auch individuenzentrierte, psychothe-
rapeutische und medizinische Maßnahmen ein-
zuleiten, aufrecht zu erhalten und erfolgreich mit
gemeindenahen psychosozialen Interventionen
zu vernetzen. Beratung ersetzt keine psychologi-
sche oder ärztliche Krisenintervention. Aber ohne
vorangehende und nachfolgende Beratung können
Kriseninterventionen weder kurz- noch langfristig
psychisches Leid ausreichend e ektiv lindern und
psychosoziale Probleme einer dauerha en Lösung
zuführen.
Akute Psychische Krisen erfordern zu deren er-
folgreichen langfristigen Lösung oder Linderung im-
mer die Einbeziehung des sozialen und ökologischen
Kontextes. Kriseninterventionen bei akuten Psychi-
schen Krisen beinhalten gleichermaßen therapeuti-
sche wie beraterische Kompetenzen. Die beraterische
Kompetenz im Rahmen akuter Krisenintervention
trägt maßgeblich zur Deeskalation sowie zur Wie-
deran- und Einbindung der Betro enen in ihr priva-
tes und soziales Gefüge sowie zur Heranführung an
das professionelle psychosoziale Hilfesystem bei. Die
beraterische Kompetenz von Kriseninterventions-
krä en scha neue Perspektiven, bietet alternative
Handlungsszenarien zur Problemlösung bei schwe-
ren interpersonellen Kon ikten an, ermöglicht neue
professionelle Hilfsangebote, verscha Zeit und er-
weckt neue Ho nungen auf eine bessere Zukun . Be-
raterische Kompetenz im Rahmen von Kriseninter-
ventionen fördert die Zusammenarbeit im Rahmen
familiärer, freundscha licher, nachbarscha licher
und ö entlich/professioneller Bemühungen, interper-
sonelle und psychosoziale Probleme zu lösen. Psychi-
sche und schwere Psychische Störungen können dabei
sowohl die Folge als auch die Ursache von psycho-
sozialen Problemlagen sein. Vielfach liegt ein schwer
zu durchschauendes Interaktionsgefüge zwischen den
interpersonellen und/oder psychosozialen Problemen
und schweren Psychischen Störungen vor.
Eine erfolgreiche Beratungsstrategie bei Psychi-
schen Krisen bezieht neben den unmittelbar Be-
tro enen, häu g chronisch psychisch vorbelastete
Menschen, in jedem Fall das nähere und weitere
soziale Umfeld mit ein. In der Regel o enbart sich
bereits im Rahmen einer ersten rudimentären Ana-
mneseerhebung, dass der aktuellen schweren Psy-
chischen Krise ein multifaktorielles Geschehen zu-
grunde liegt. Häu g sind Personen aus dem sozialen
Nahbereich wie Partner, Kinder, Eltern oder Nach-
barn sowie Mitarbeiter und Kollegen psychosozia-
ler Einrichtungen und Behörden, zumindest aus
der Sicht der Betro enen, in die Entwicklung der
Krise verstrickt. Die Zuschreibung und Bewertung
ursächlicher Faktoren bei der Entwicklung akuter
Psychischer Krisen wird zwischen den Betro en
241 10
10.7  Beratung bei schweren Psychischen Krisen
Unterschiede in der Sichtweise auf Psychische Krisen zwischen Betro enen, Angehörigen und
professionellen Helfern
Betro ene und professionelle Helfer sehen beide am häu gsten eine Krankheit als Ursachen für die
Entwicklung einer Psychischen Krise an (. Abb. 10.2). Im Gegensatz zu den Helfern sehen Patienten
in ihrer Suchtproblematik, innerfamiliären Kon ikten und individuellen Problemlagen viel häu ger
eine Ursache für die Entwicklung der akuten Krise. Professionelle Helfer betonen hingegen sehr viel
häu ger die Selbstgefährdung und Verzögerungen in der psychosozialen Versorgung der Betro e-
nen. Für Angehörige stehen neben der Erkrankung vor allem eine mangelnde
Compliance und sozial
au älliges Verhalten in einem starken ursächlichen Zusammenhang mit der Entwicklung der Psychischen
Krise (vgl. Krischke, ). Auf die Frage, »Wie hätte die Krise verhindert werden können?« geben 
der professionellen Helfer und  der Angehörigen an, dass die Krise nicht hätte verhindert werden
können. Dies glauben jedoch nur  der Betro enen. Bei Betro enen, professionellen Helfern und bei
den Angehörigen besteht hingegen Einigkeit darüber, dass eine frühere und konsequente Hilfe dazu ge-
eignet gewesen wäre, die aktuelle Krise zu verhindern. Gleichzeitig haben  der Betro en keine Vorstellung
darüber, wie sie die Krise hätten selbst verhindern können. Ebenfalls  der Betro enen gaben an, dass aus
ihrer
Sicht durch eine spätere Einbeziehung der Polizei die Krise hätte verhindert werden können. Soziale
Unterstützung wird von Betro enen () und professionellen Helfern () gleichermaßen selten als
Möglichkeit gesehen, Krisen zu verhindern. Angehörige sehen darin überhaupt keine Möglichkeit (vgl.
Krischke, )
Exkurs
0
5
10
15
20
25
30
35
40
Erkrankung
Suchtproblematik
Innerfamiliäre Konflikte
Individuelle Problemsituation
Selbstgefährdung
Leugnen
Außerfamiliäre Konflikte
Mangelnde Compliance
Sozial auffälliges Verhalten
Keine Erinnerung
Fremdgefährdung
Somatische Ursachen
Versorgungsverzögerung
Institutionelle Meldung
Mangelndes soziales Netzwerk
Patienten (N=40)
Mitarbeiter (N=51)
Abb. 10.2. Ursachen für die Entwicklung Psychischer Krisen aus Sicht der Betro en, Angehörigen und der profes-
sionellen Helfer. (Mod. nach Krischke, 2006)
10
242 Kapitel 10 Beratung bei Psychischen Krisen
und den professionellen Helfern nicht selten sehr
unterschiedlich beurteilt (vgl. Krischke, ).
Die unterschiedlichen Sichtweisen von Betro enen,
professionellen Helfern und Angehörigen auf die
Ursachen Psychischer Krisen und die Möglichkeiten
diese zu verhindern, verdeutlichen auch, wie wich-
tig eine zielgruppenspezi sche Beratung im Verlauf
Psychischer Krisen ist. Die Reduktion psychischen
Leids auf Seiten der Betro enen und des sozialen
Umfelds sowie und der Angehörigen kann durch-
aus gegensätzliche Zielvorstellungen beinhalten. In
solchen Situationen wird die verwendete Beratungs-
strategie selbst zu einem Modell guter Praxis bei der
Lösung zukün iger psychosozialer Kon ikte.
10.8 Grundhaltungen, Aufgaben
und Funktion von Beratung
in Psychischen Krisen
Nach den Ausführungen zur Unterscheidung
zwischen Psychischen Störungen und Psychi-
schen Krisen, der Darstellung des historischen
und ethischen Begründungszusammenhangs, der
Strukturen und der unterschiedlichen Sichtwei-
sen auf die Beratungsanforderungen bei Psychi-
schen Krisen ist es nun möglich, Grundhaltun-
gen, Aufgaben und Funktionen von Beratung im
Verlauf Psychischer Krisen zusammenzufassen
(. Abb. 10.3). Zur Vereinfachung lassen sich die
drei Dimensionen Grundhaltungen, Aufgaben
und Funktionen von Beratung bei Psychischen
Krisen unterscheiden.
10.8.1 Grundhaltungen
Mit dem Begri »Grundhaltung« sind in erster
Linie die psychosoziale Sicht auf Gesundheit und
Krankheit, in Anlehnung an den Gesundheitsbe-
gri der WHO () und die Selbstbestimmungs-
rechte sowie die Würde der Betro enen gemeint.
Ebenso wie bei allen Maßnahmen in der somati-
schen Medizin ist auch bei der Beratung von Men-
schen in Psychischen Krisen die Zustimmung der
Betro enen nach Möglichkeit vor Beginn einer
Beratung und Intervention einzuholen. Dies gehört
zu den Grundrechten von Patienten (vgl. Davison,
Neale & Hautzinger, ). Hierzu zählen:
der Respekt vor der Autonomie des Patienten,
Schadensvermeidung ( Nichtschadensgebot),
Hilfeleistung und Handeln zum Wohl des
Patienten (Bene z) und
Gerechtigkeit ( Fairness).
Beauchamp und Childres () nennen Vorbedin-
gungen, Informations- und Zustimmungselemente ,
die vor dem Beginn einer medizinischen Inter-
vention sicher eingehalten werden müssen. Zu den
Vorbedingungen einer Intervention zählen
die Einwilligungsfähigkeit und die
Freiwilligkeit.
De nition
Einwilligungsfähigkeit beinhaltet die Kompe-
tenz zu verstehen und zu entscheiden.
Die Freiwilligkeit zu einer Entscheidung ist
dann gegeben, wenn die Betro enen keinem
Druck oder Zwang ausgesetzt sind oder Angst
haben müssen, jetzt oder zukünftig benach-
teiligt zu werden.
Informationselemente vor Beginn einer Interven-
tion oder Behandlung sind die
O enlegung aller für eine Entscheidung sach-
lich relevanten Informationen,
die Empfehlung eines Behandlungsplans oder
einer Vorgehensweise und die
Überprüfung des Verständnisses des Patienten
in Bezug auf die oben genannten Punkte.
Zu den Zustimmungselementen gehören die Ent-
scheidung über die Teilnahme oder Nichtteil-
nahme,
die Präferenz für die nun anstehende Beratung
oder Behandlung und
Autorisierung und ausdrückliche Zustimmung
zur Teilnahme und zum aktuellen Behand-
lungsplan.
Durch das Vorliegen einer Psychischen Störung
kann die Einwilligungsfähigkeit mehr oder weniger
stark beeinträchtigt sein. In bestimmten, gesetzlich
durch die Psychisch–Kranken–Gesetze (PsychKG)
der Länder geregelten Fällen, können fürsorglich
Eingri e in das Selbstbestimmungsrecht psychisch
erkrankter Menschen vorgenommen werden. Die
1.
2.
3.
4.
4
4
4
4
4
4
4
243 10
Abb. 10.3. Die Grundhaltungen, Aufgaben und Funktion von Beratung
10.8  Grundhaltungen, Aufgaben und Funktion von Beratung in Psychischen Krisen
Aufbau von Vertrauen, Deeskalation, Information und Einleitung konstruktiver Problemlösungen
Psychodiagnostik
• Suizidalität
• Bewusstsein
• Orientierung
• Aufmerksamkeit /
Gedächtnis
• Störungen nach ICD-10
Prävention
Intervention
Rehabilitation
Kontext
• Fremdgefährdung
• Konikte
• Lebenssituation:
Wohnung, Arbeit, soz.
Eingebundenheit
• Migration / Sprache
• Lebensumfeld
Medizinische Faktoren
• Sichtbare Verletzungen
• Vergiftungen
• Extreme Schwäche /
Hilose Lage
• Lebensbedrohung
aufgrund einer Krankheit
• Exsikkose/ Unterernährung
Entwicklung von
Perspektiven
• Beschreiben des Status
• Auslöser /
Vorgeschichte
• Erarbeiten von kurz-,
mittel- & langfristigen
Zielen
Beratung und
Weitervermittlung
über Hilfen des
ambulanten und / oder
stationären medizinischen
und psychosozialen
Hilfesystems
Med. Behandlung
Psychotherapie
Sozialarbeit /
Soziotherapie
Wohnungssuche
Schuldenberatung
Arbeitssuche
Maßnahmen zur
Selbst-und
Fremdsicherung
Vertrauensvolle &
stetige Zusammenarbeit
mit der Polizei und allen
psychosozialen
Leistungserbringern
10
244 Kapitel 10 Beratung bei Psychischen Krisen
Einwilligungsfähigkeit sollte in jedem Fall durch
folgende Standards geprü werden (vgl. Davison
et al., ):
Liegt die Fähigkeit zum Verständnis der rele-
vanten Informationen vor?
Besteht die Fähigkeit zum rationalen und
schlussfolgerndemn Umgang und Verarbei-
tung von Informationen?
Kann die Fähigkeit zum Tre en und zum
Kommunizieren einer Entscheidung festge-
stellt werden?
Besteht Krankheitseinsicht in dem Sinne, dass
der Patient die Einwilligungssituation und ihre
Konsequenzen erkennen kann?
Das sichtbare Bemühen um eine Beratungseinwilli-
gung und die behutsame Überprüfung der Einwilli-
gungsfähigkeit bei Verdacht auf das Vorliegen einer
Psychischen Störung vor Beginn einer Kriseninter-
vention ist zusammen mit einem angemessenen
Verhalten bei der Kontaktaufnahme zur betro e-
nen Person und des anwesenden sozialen Umfelds
ein notwendiges und sehr e ektives Verfahren zum
Au au von Vertrauen. Die angemessene O enle-
gung aller wichtigen Informationen, die mit dem
aktuellen Beratungs- und Interventionsanlass, der
üblichen Vorgehensweise und den sich abzeichnen-
den kon iktlösenden Möglichkeiten zusammen-
hängen, tragen zusammen mit einer Überprüfung
des Verständnisses ebenfalls zum Vertrauensau au
auf Seiten des Klienten bei.
Zur Deeskalation trägt vor allem eine großzügi-
ge Bemessung der Beratungszeit und das Angebot
mehrerer Interventionsoptionen für Menschen in
Psychischen Krisensituationen bei. In vielen Fällen
wird es unumgänglich sein, den gesamten Prozess
der Krisenintervention bei Psychischen Krisen
unter der Prämisse der impliziten Zustimmung zur
Teilnahme an einer Intervention und Beratung sei-
tens der Betro enen billigend in Kauf zu nehmen.
Die Hinzuziehung eines Krisendienstes ist in der
Praxis ein vom Gesetzgeber gewünschtes und legiti-
miertes Verfahren, eine schwere Psychische Störung
zu diagnostizieren, die möglichen Auswirkungen
auf eine bestehende Situation mit Selbst- und/oder
Fremdgefährdung zu begutachten und Hilfen
zur Bewältigung der Psychischen Krise und einer
vorhandenen Psychischen Störung bereitzustel-
len. Sowohl die Entscheidung über die Teilnahme
1.
2.
3.
4.
oder Nichtteilnahme, die Präferenz für die nun an-
stehende Beratung und Intervention als auch die
Autorisierung zur Teilnahme zu einem vorgeschla-
genen Interventions- und Behandlungsplan sind für
Menschen in Psychischen Krisen besonders dann
sehr eingeschränkt, wenn auch durch die Krisen-
intervention keine konstruktiven Lösungswege für
die aktuelle Situation verbindlich und zuverlässig
erreicht werden können. Ohne ausreichende Mit-
arbeit der Betro enen steigt die Wahrscheinlichkeit
einer unfreiwilligen stationären psychiatrischen Be-
handlung zur Gefahrenabwehr - als letztlich verblei-
bende einzige Maßnahme - stark an.
In jedem Fall ist es zu vermeiden, in einem
frühen Stadium des Krisenintervention- ohne vor-
hergehende Maßnahmen zum Au au von Vertrau-
en- mit »Wenn – Dann« Szenarien die Koopera-
tionsfähigkeit und -bereitscha psychisch belasteter
Menschen einzuengen. Das präzise Aufzeigen von
zu erwartenden Konsequenzen kann durchaus zu
einer robusten eigenen Positionierung gehören und
kann, vor allem gegenüber dominant und macht-
bewusst au retenden Personen, hilfreich sein. Dies
sollte jedoch immer mit o enen Fragen nach friedli-
chen Alternativen zum jetzt sehr unglücklichen Ge-
fährdungsverhalten begleitet werden. Das Bemühen
zur Herstellung einer Beratungseinwilligung trägt
zur Deeskalation bei. Es kann zusammen mit der
Darstellung der eigenen Funktion und der Fähig-
keiten dazu genutzt werden, bereits in der Eingangs-
phase der Beratung notwenige Informationen und
Hinweise auf psychische und soziale Problemlagen
und mögliche konstruktive Lösungen zu  nden.
Neben der Zusammenarbeit mit allen psychoso-
zialen Diensten, Haus- und Fachärzten sowie den
Krankenhäusern kommt auch der Zusammenarbeit
mit der Polizei eine bedeutsame Rolle zu. In Bre-
men stellte sich heraus, dass  der Kriseninter-
ventionen, die zu einer Zwangseinweisung führten,
auf einer Polizeiwache stattfanden (vgl. Krischke,
). In vielen Fällen ist es die Polizei, die im Rah-
men ihrer Einsätze den Psychosozialen Krisendienst
hinzu zieht, um abzuklären, ob das selbst- und/ oder
fremdgefährdende Verhalten eines Betro enen im
Zusammenhang mit einer Psychischen Störung
steht. Solche Situationen erfordern auch von den
Krisenhelfern Maßnahmen zur Selbst- und Fremd-
sicherung sowie zur Beurteilung der Selbst- und
Fremdgefährdung im Rahmen schwerer Psychischer
245 10
Störungen. Die Fremd- und/oder Selbstgefährdung
wurde in der Regel bereits vor der Hinzuziehung des
Krisendienstes durch die Polizei oder Vertreter des
Ordnungsamtes festgestellt. In diesen Fällen müssen
auch die Mitarbeiter bei der Beratung im Rahmen
einer Krisenintervention verlässliche Hinweise auf
eine Gefährdung erkennen und einige Grundregeln
zur Fremd- und Eigensicherung beachten.
10.8.2 Aufgaben als Berater
bei Psychischen Krisen
Die Aufgaben als Berater und/oder Krisenhelfer aus
institutioneller Sicht, lassen sich nicht trennscharf
von den Funktionen für die Betro enen trennen.
Dennoch ist es aus didaktischen Gründen hilf-
reich genau diesen Perspektivwechsel im Verlauf
einer Beratung und Intervention bei Menschen in
Psychischen Krisen mehrmals vorzunehmen, um der
humanen Grundhaltung und den Menschenrechten
auch in Grenzsituationen der Selbstbestimmung
eines Menschen zwischen dem Schutzanspruch der
Gemeinscha und der Entfaltungsmöglichkeit eines
Individuums näher zu kommen. Zu den Aufgaben
von Beratung zählen die Selbst- und Fremdsiche-
rung beim Umgang mit Menschen in Psychischen
Krisen, die psychologische und medizinische Diag-
nostik und die Analyse des Kontextes.
Umgang mit Selbst- und Fremdgefährdung
bei der Beratung in schweren Psychischen
Krisen
Psychische Krisen sind ebenso wie »Psychische Stö-
rungen« durch das subjektive Leid der Betro enen
und/oder des sozialen Umfelds gekennzeichnet.
Eine besondere Dramatik und Aktualität erhal-
ten Psychische Krisen, wenn sie zusätzlich durch
Aspekte der Selbst- und/oder Fremdgefährdung
begleitet werden. In der Literatur wird darauf hin-
gewiesen, dass es bisher keine empirischen Belege
dafür gibt, dass von Menschen in Psychischen Kri-
sen oder mit Psychischen Störungen mehr Gefahren
ausgehen als von der Normalbevölkerung. Auch für
professionelle Helfer werden ernstha e Bedrohun-
gen, die von Klienten im Rahmen einer Krisen-
intervention ausgehen, eher die Ausnahme bilden.
Dennoch hat das  ema Selbstschutz im Rahmen
von Kriseninterventionen bei Selbst- und Fremdge-
fährdung einen wichtigen Stellenwert, der vor allem
in der Ö entlichkeit mit sehr viel Aufmerksamkeit
verfolgt wird.
Die Selbst- und/oder Fremdgefährdung kann
glaubha als direkte verbale Drohung formuliert
werden oder sie erschließt sich aus den situati-
ven, sozialen und ökologischen Umständen der
Betro enen. Bei der Anwendung des jeweiligen
landesspezi schen Psychisch–Kranken–Gesetzes
(PsychKG) steht in diesen Situationen neben der
medizinischen und psychosozialen Begutachtung
gleichrangig die Koordination und Bereitstellung
geeigneter psychosozialer Hilfen im Mittelpunkt.
Die formal korrekte Einleitung von Zwangsmaß-
nahmen zum Schutz der Betro enen, der Öf-
fentlichkeit oder anderer relevanter Güter wird
durch Vertreter des Ordnungsämter, teilweise mit
Unterstützung der Polizei, koordiniert und durch
einen richterlichen Beschluss veranlasst oder in
einem gesetzlich geregelten Zeitintervall von -
Stunden nach einer Unterbringung nachträglich
bestätigt oder aufgehoben.
Wenn der begründete Verdacht geäußert wird,
dass eine Selbst- und/oder Fremdgefährdung im Zu-
sammenhang mit einer schweren Psychischen Stö-
rung (Krankheit) steht und mit hoher Wahrschein-
lichkeit unmittelbar bevorsteht oder eintreten wird,
müssen in der Regel die Ordnungsämter (und die
Polizei) im Rahmen der gesetzlichen Regelungen
ein medizinisches Gutachten von einem Psychiater
oder einem in der Psychiatrie erfahrenen Arzt ein-
holen, bevor neben unmittelbaren Maßnahmen zur
Gefahrenabwehr durch die Polizei, Zwangsmaß-
nahmen im Sinne einer stationären Unterbringung
in einer Psychiatrischen Klinik nach dem jeweili-
gen Psychisch-Kranken-Gesetz durch einen Rich-
ter eingeleitet oder nachträglich legitimiert werden
können. Auch in solchen sehr zugespitzten Krisen-
situationen sehen die meisten Psychisch-Kranken-
Gesetze der Länder in Deutschland nicht nur einen
einfachen ärztlichen Begutachtungsau rag vor,
sondern ein intensives Kriseninterventionsma-
nagement zur Verhinderung von Zwangsmaßnah-
men. Damit verbunden ist die Suche nach geeig-
neten Alternativen zur Linderung der Psychischen
Störung und der damit in Verbindung stehenden
aktuellen oder fortbestehenden Selbst- und/oder
Fremdgefährdung.
10.8  Grundhaltungen, Aufgaben und Funktion von Beratung in Psychischen Krisen
10
246 Kapitel 10 Beratung bei Psychischen Krisen
Um einen Automatismus zwischen der An-
forderung eines Arztes zur Erstellung eines Psy-
chiatrischen Zeugnisses und der Durchführung
einer Zwangseinweisung möglichst auch struktu-
rell zu erschweren, versuchen viele Länder neben
ärztlich geleiteten Kriseninterventionsteams zu-
nehmend nicht-ärztliche -Stunden-Kriseninter-
ventionsteams bereit zu halten. Diese nicht-ärzt-
lichen Teams können keine Begutachtung nach
dem PsychKG vornehmen. Sie kümmern sich aus-
schließlich um eine Deeskalation, die Suche nach
psychosozialen Hilfen und die Herstellung einer
Einwilligungsbereitscha zur Annahme psycho-
logischer, ärztlicher und sozialer Hilfen. Erst wenn
alle Informations- und Beratungsangebote sowie
die angebotenen Problemlösemöglichkeiten als un-
geeignet verworfen werden müssen, wird ein ärzt-
liches Gutachten im Sinne des PsychKG erstellt.
Kommunale ärztliche und nicht-ärztliche Krisen-
interventionsteams rekrutieren sich in der Regel
aus einer Vielzahl von Mitarbeitern, die, wie in Nie-
dersachen, in ähnlichen Strukturen wie denen der
Sozialpsychiatrischen Verbünde zusammenarbei-
ten. Die Belastung und die Kosten für solche Diens-
te können auf diese Weise gering gehalten werden
und die Kooperation zwischen den in der sozialpsy-
chiatrischen Versorgung Tätigen wird intensiviert.
In gewissem Maße besitzen alle Psychischen Stö-
rungen in Anlehnung an die ICD- oder das DSM-IV
das Potential, ohne geeignete professionelle Beratung
und Intervention im Verlauf chronischer oder akuter
sozialer und/oder ökologischer Anforderungen in
eine akute schwere Psychische Krise mit Selbst- und/
oder Fremdgefährdung einzumünden. Insgesamt be-
trachtet, haben die persönliche Gewaltgeschichte, das
Alter und die Doppeldiagnose Schizophrenie und
Sucht die höchste Prädiktionskra für erneute Gewalt.
Krischke () hat im Rahmen einer Literaturana-
lyse aus sechs empirischen Originalarbeiten und acht
Review-Artikeln eine Übersicht der wichtigsten
in der Literatur genannten Prädiktoren für eine
Selbst- und Fremdgefährdung zusammengestellt
(. Tab. 10.2). Der Stand der Forschung zur Gefah-
renprognose und die Vielzahl der genannten Para-
meter verdeutlichen vor allem, dass es keinen Algo-
rithmus zur Gefahrenprognose, sondern maximal
eine Sammlung von Indikatoren für eine erhöhte
Wahrscheinlichkeit von Selbst- und Fremdgefähr-
dung gibt.
Je nach Ausprägung des Verhaltens einer be-
tro enen Person und der Häufung von Risiko-
merkmalen (vgl. . Tab. 10.2) sollten minimale,
aber dennoch essentielle Verhaltensweisen zum
Selbst- und Fremdschutz bei Kriseninterventionen
eingehalten werden.
Exkurs
Verhalten bei Kriseninterventionen
Vor Beginn einer individuellen Beratung
oder Krisenintervention ausreichend
Informationen über das Vorgeschehen,
den Bedrohungsgrad und die persönliche
Gewaltgeschichte einholen.
Ein oder mehrere Fluchtwege müssen
stets o en und gut erreichbar sein.
Die potentiell gefährliche Person sollte
sich niemals zwischen Ihnen und dem
Fluchtweg be nden.
Sind mehrere Personen potentiell gefähr-
lich, sollte zunächst die Polizei für eine
sichere Beratungssituation und Trennung
der Personen sorgen.
Die Türen im Zimmer der Kriseninterven-
tion sollten stets (einen Spalt weit) o en
stehen, Schlüssel sind vorher zu entfernen.
Ein zweiter oder mehrere andere Helfer
sollten sich während der Beratungssitua-
tion permanent in Sicht-, Hör- und Ein-
greifweite aufhalten.
Gehen Sie nur in Räume, in denen sich
keine o ensichtlich gefährlichen Gegen-
stände be nden oder sorgen Sie vorher
für deren Entfernung.
Bereits bei geringsten Anzeichen aggres-
siven Verhaltens gegen Sie als Berater be-
ginnen Sie sofort deeskalierend zu reagie-
ren: »Wollen Sie, dass ich gehe?«, »Gibt es
jemanden, den Sie jetzt lieber sprechen
würden?« , »Kennen Sie jemanden, der
uns hier jetzt helfen kann?« , »Ich bin hier
um Schlimmeres zu verhindern!«, »Wollen
Sie mir sagen, was Sie so aufregt?« , »Be-
richten Sie mir zuerst, wie der Tag heute
angefangen hat!« , »Mit was hat die Krise
begonnen?« etc.
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4
247 10
Tab. 10.2. Übersicht über die wichtigsten in der Literatur genannten Indikatoren für Fremd- und Selbstgefährdung.
(Nach Krischke, 2006, S. 136-138)
Selbstgefährdung Fremdgefährdung
Soziodemographische Merkmale
Höheres Alter
Beamte, Verwaltungskräfte bzw. Sachbearbeiter,
Geschäftsführer, Fachkräfte, angelernte Arbeiter
Männliches Geschlecht
Lebensphase der Adoleszenz
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Geringes Alter
Geringe Bildung
Alleinlebend
Stadtbewohner
Obdachlosigkeit
Männliches Geschlecht
Geringer sozioökonomischer Status
Dunkle Hautfarbe
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Äußere Faktoren / derzeitige Umstände
Soziale Isolierung
Depression oder Alkoholismus in der Familie
Höhere  nanzielle Ressourcen
Drohender Bankrott
Massiver Stress
Jahreszeit: Frühjahr
Bei Mädchen: Prämenstruelle Phase oder Menst-
ruationsphase
Störungen der innerfamiliären Interaktion
Selbstmordmeldungen im Freundeskreis oder
den Medien
Eskalation krisenhafter Lebensumstände
Zerbrochene Familienstruktur
Belastende Lebensereignisse (Verluste)
Haft
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Geringe soziale Unterstützung
Interventionsversuche und physischer Kontakt
Psychosozialer Versorgungsmangel
Massive Belastung, Erschöpfung
Schwere Kränkung durch Verlust der sozialen
Rolle
Scheidung bzw. Trennung vom Lebenspartner
Nähe zum Opfer
Verstrickung mit Bezugspersonen
Bedrohung gegenüber erkennbaren Opfern
Erst vor weniger als 72 Stunden eingewiesen
Verbindungen zu einer gewaltbereiten Subkultur
Belastendes Milieu
Belastungsfaktoren
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Verhalten
Aggressiv abwehrendes Verhalten
Stimmungsschwankungen
Veränderungen der äußerlichen Erscheinung
Leistungsveränderungen
Interesselosigkeit
Unfallneigung
Sammeln von Gegenständen zur Selbstverletzung
Selbstverletzendes Verhalten
Selbstbestrafungstendenzen
Verschenken von geliebten Dingen
Äußerungen eigener Wertlosigkeit und Belastung
Langer Schlaf
Gezielte oder ungezielte Suizidandrohungen
Abbruch sozialer Kontakte
Zunehmende Einengung auf den Tod
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Verbale Beschimpfungen
Bedrohliche Gesten
Bedrohliche Haltung
Mangelnde Medikamentencompliance
Aufregung, Erregung, Reizbarkeit
Psychomotorische Unruhe
Plötzliche Stimmungswechsel
Frustrationsintoleranz
Sexuelle Triebhaftigkeit
Fehlende Selbstkritik
Stark egozentrisches Verhalten
Gewissenlosigkeit
Projektionstendenz
Feindseligkeit
Verachtung von Bezugspersonen
Erhöhte Spannung
Unkooperatives Verhalten
Drohungen
Obszöne Äußerungen
Suizidversuche
Rücksichtsloses Autofahren
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10.8  Grundhaltungen, Aufgaben und Funktion von Beratung in Psychischen Krisen
10
248 Kapitel 10 Beratung bei Psychischen Krisen
Tab. 10.2. Fortsetzung
Selbstgefährdung Fremdgefährdung
Ungestümes Verhalten
Beschädigung oder Zerstörung von Gegenstän-
den
Vorliegen eines spezi schen Handlungsplans
Erste Schritte in der Umsetzung eines Handlungs-
plans
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4
Eigenschaften
Gelebte Bisexualität
Nicht gelebte Homosexualität
Suizidale Impulse
Suizidgedanken
Konkrete Vorstellungen über die Art der Durch-
führung
Ho nungslosigkeit
Schwere Schuld- und Versagensgefühle
Gefühle von Wertlosigkeit
Hil osigkeitsgefühle
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4
Geringe Kommunikationskompetenz
Leichte Kränkbarkeit
Mangelnde Impulskontrolle
Kognitive De zite
Angst
Suizidgedanken
Gewaltphantasien
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Pathologie
Essstörungen
Quälend erlebte Schlafstörungen
Substanzmissbrauch
Körperlich/psychosomatische Symptome
Schwere Krankheiten
Gewichtszunahme oder Gewichtsverlust
Verfolgungswahn
Bipolare a ektive Störung
Manie
Ungünstiger Zustand bei Klinikentlassung
Erkrankung an unipolarer Depression an Manie
erkrankter Verwandtschaft ersten Grades
Schizophrenie
Depression nach psychischem Trauma
Depression
Depressive Wahnsymptomatik
Persönlichkeitsstörung (insb. Borderlineerkran-
kung)
Komorbide Persönlichkeitsstörung mit Impulsivi-
tät
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Persönlichkeitsstörung
Funktionale Beeinträchtigungen
Paranoide Symptome
Substanzmissbrauch
Wahnsymptome
Halluzinationen
Antisoziale Persönlichkeitsstörung
Status nach Hirnverletzung oder -erkrankung
Psychose
Schizophrenie & Substanzmissbrauch
Schizophrenie
Verwirrung
Psychopathie
Bipolare a ektive Störung
Akutes psychotisches / maniformes Störungsbild
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Biographie
Zurückliegende Krankenhausaufenthalte
Zurückliegende Rückschläge oder wechselhafter
Erfolg in dem Versuch, Hilfe anzunehmen
Zurückliegende Suizidversuche
Psychische und physische Traumata in der Kind-
heit
Problemgeschichte seit früher Kindheit
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Früheres gewalttätiges Verhalten
Zurückliegende Krankenhausaufenthalte
Missbrauch/Misshandlung in der Jugend
Zurückliegende Inhaftierungen
Erst kürzlich stattgefundene Gewalttaten
Früheres Missbrauchsopfer
Kindlicher Zeuge von Missbrauch
Inhaftierung des Vaters
Drogenkonsum des Vaters
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249 10
Psychodiagnostik im Rahmen
von Kriseninterventionen
Die in . Tab. 10.2 vorgestellten Beurteilungskri-
terien stellen auch eine zusätzliche Hilfe für eine
psychologische Diagnostik dar. Insbesondere
Hinweise auf den Konsum psychotroper Sub-
stanzen oder das Vorliegen eines hirnorganischen
Psychosyndroms geben eindeutige Hinweise auf
eine potentielle Selbst- und Fremdgefährdung wie
auch auf die grundlegende Strategie bei der Bera-
tung und der Planung weiterer Maßnahmen. Stö-
rungen des Bewusstseins, der Orientierung, der
Aufmerksamkeit, des Gedächtnis, im Denken, Sin-
nestäuschungen und Wahnerleben lassen sich in
der Regel mit wenigen Fragen zur Person, zu den
anderen Anwesenden, zum Ort und Datum sowie
durch einen Bericht über das Geschehen abklären.
Die Art der Beschreibung, Gestik und Mimik geben
ausreichend Hinweise auf eine möglicherweise vor-
liegende Psychische Störung nach dem ICD-. Die
psychologische und ärztliche Befunderhebung in
Krisensituationen sollte regelmäßig supervidiert
und im Rahmen diagnostischer Praktika und Fort-
bildungen eingeübt werden.
Hinweise auf somatische Erkrankungen
Im engeren Sinne kann im Rahmen einer Kri-
senintervention und Beratung keine medizini-
sche Diagnostik statt nden. Dennoch kommen
o ensichtlichen Einschränkungen der Gesundheit,
wie eine extreme Schwäche, die hil ose Lage eines
Menschen, sichtbare Verletzungen, Anzeichen für
eine Intoxikation oder anderen Hinweisen auf einen
akuten medizinischen Notfall eine ganz besondere
Bedeutung bei der Einleitung weiterer Hilfsmaß-
nahmen und der Beratungsaufnahme und -durch-
führung zu. Ein medizinisches Grundverständnis,
eine medizinische Ausbildung in Erster Hilfe, Schu-
lungen in Gesprächsführung und Fortbildungen
in der psychologischen Krisenintervention sind
ebenso unverzichtbar wie eine gründliche Einarbei-
tung durch erfahrene Kollegen und Kolleginnen.
Kontextanalyse
Die Kontextanalyse ist ein übergeordnetes Ziel, das
einerseits aus dem bio-psycho-sozialen Verständnis
von Gesundheit und Krankheit abgeleitet werden
kann und anderseits instrumentell zum Au au
von Vertrauen, zur Deeskalation, zur Ablenkung
von gefährlichen Zielen, zur Prognose von Selbst-
und Fremdgefährdung, zur Zusammenarbeit mit
anderen Institutionen, Angehörigen, Nachbarn
und Freunden, zur psychologischen und medi-
zinischen Diagnostik und zur Beurteilung alter-
nativer Problemlösungen eingesetzt werden kann.
Die Kontextanalyse dient der Aufdeckung von
inner- und interpersonellen Kon ikten sowie der
Einbeziehung und behutsamen O enlegung der
aktuellen Lebensumstände und dem weiteren sozia-
len Lebensumfeld. Bedeutsam sind Informationen
zur privaten Lebenssituation, Lebenspartnern, Kin-
dern, Eltern, anderen Verwandten und Freunden
ebenso wie Informationen zur Wohn-, Einkom-
mens- und Berufssituation. In Ergänzung zur psy-
chologischen und medizinischen Diagnostik und
Befunderhebung sind anamnestische Informatio-
nen über zurückliegende somatische Erkrankungen,
Krankenhausaufenthalte und Psychische Störungen
mit ambulanter oder stationärer Betreuung sowie
Kon ikte mit Behörden, Behördenmitarbeitern
und dem Gesetz ebenso wichtig wie Informationen
zur sozialen Eingebundenheit, zur Migration und
sprachlichen oder kulturellen Barrieren.
10.8.3 Funktion von Beratung für
Menschen in Psychischen Krisen
Beratung hil Menschen generell und besonders
Menschen in Psychischen Krisen, möglichst frei
und selbstbestimmt in einer komplexen sozialen
Welt zu leben. Beratung hil Menschen Informa-
tionen zu erhalten, zu verstehen und Handlungen
unter Einbeziehung dieser (ggf. neuen) Informatio-
nen zu planen und in Übereinstimmung mit den
individuellen Bedürfnissen und Notwendigkeiten
sowie dem sozialen Kontext, Normen und Geset-
zen umzusetzen. Menschen in Psychischen Kri-
sen können durch eine Psychische Störung sowie
durch situative soziale Belastungen unterschiedlich
stark in ihren basalen psychischen Funktionen, wie
Bewusstsein, Orientierung, Aufmerksamkeit, Den-
ken, Gedächtnis und Wahrnehmung eingeschränkt
sein. Beratung hat dann auch die Funktion eines
Nachteilsausgleichs. Die beraterische Grundhal-
tung – der Erhalt und/oder die größtmögliche
10.8  Grundhaltungen, Aufgaben und Funktion von Beratung in Psychischen Krisen
10
250 Kapitel 10 Beratung bei Psychischen Krisen
Autonomie und Selbstbestimmung für Menschen
in Psychischen Krisen schnellst möglichst und öko-
nomisch wieder herzustellen- macht es notwendig,
zusammen mit den Patienten und dem sozialen
Umfeld kurz-, mittel- und langfristige Perspektiven
zur Überwindung der Psychischen Krise aufzu-
bauen.
In Abhängigkeit von der aktuellen psychischen
und physischen Verfassung können Menschen in
Psychischen Krisen aktiv in den Prozess eingebun-
den werden, die aktuelle Krise und das aktuelle
Be nden als Problemsituation zu sehen, Problem-
lösungen zu erarbeiten oder sich aktiv an gemeinsa-
men Problemlösungen zu beteiligen. Hierbei wer-
den das Be nden und die Sicht der Klienten auf die
eigene Krise in kurz-, mittel- und langfristige Ziele
umformuliert. Im Mittelpunkt stehen dann Aussa-
gen wie, »Ich möchte« und »Ich möchte nicht, dass
…«. In dieser Situation angelangt, werden System-
kenntnisse für die weitere Beratung notwendig, um
aus den kommunal vorhandenen Hilfsangeboten
und den potentiell verfügbaren ambulanten, teil-
stationären und stationären Maßnahmen diejenige
oder entsprechende Kombinationen herauszugrei-
fen, die unter Einbeziehung der Betro enen, die an
die Situation am besten angepasste Problemlösung
darstellen. Das Arbeiten in einem Sozialpsychiat-
rischen Verbund stellt hierzu eine gute struktu-
relle Grundlage und Hilfe dar. Je komplexer und
di erenzierter die kommunalen Versorgungs- und
Hilfsangebote für Menschen in Psychischen Krisen
sind und je stärker diese Angebote die Selbstbe-
stimmung und Autonomie berücksichtigen, desto
überzeugender sind die Beratungsangebote, die
auf die Kooperation der Betro enen setzen, um
die Auswirkungen Psychischer Krisen zu lindern
und deren Ursachen abzuschwächen oder zu be-
seitigen. In dem Maße, wie eine Beratung bereits
in einer akuten Krisensituation Perspektiven für
nachfolgende medizinische Behandlungen vorhan-
dener somatischer Erkrankungen, den Zugang zur
ambulanten Familien- und Erziehungsberatung,
zur ambulanten und stationären Psychotherapie,
zu umfangreichen sozialarbeiterischen Hilfen und
zur Unterstützung bei der Wohnungssuche, der
Schuldenberatung oder der beru ichen Quali ka-
tion und Arbeitssuche anbieten kann, wächst die
Chance, dass Beratung in Psychischen Krisen ernst
genommen wird und zu einer e ektiven Hilfe für
die Betro enen und zur Steuerung der psychoso-
zialen Hilfen für Menschen in Psychischen Krisen
wird.
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Article
Full-text available
Im Beitrag wird über die Ergebnisse der Evaluation des Berliner Krisendienstes berichtet. Seit 2000 gibt es in Berlin eine umfassende Krisenversorgung, die in der Modellphase wissenschaftlich begleitet wurde. Der Auftrag und das Konzept des Dienstes kurz werden beschrieben. Vorgestellt werden auch die Grundüberlegungen zum Design der Begleituntersuchung und ein Überblick über die vielfältigen Einzeluntersuchungen. Die Darstellung der Ergebnisse konzentriert sich auf die Charakterisierung der Hilfesuchenden, ihre Problematik und auf die Bewertung der Kriseninterventionen durch das Klientel und durch Professionelle aus den jeweiligen Regionen. Die Bedeutung des Krisendienstes für das regionale Versorgungssystem wird aufgezeigt. Anhand von Befunden über die Art der Gesprächsführung wird gezeigt, dass sich Parallelen zu Ergebnissen der neueren Psychotherapieforschung aufweisen lassen. Zum Abschluss wird das Verhältnis von Krisendienst und psychotherapeutische Versorgung auf dem Hintergrund der Befunde diskutiert. Es zeigt sich, dass es aus vielerlei Gründen für beide Systeme wichtig ist, auf einander verweisen zu können.
Article
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Die dem hier vorgelegten Abschlussbericht zugrunde liegende Studie über die Tätigkeit des Berliner Krisendienstes (BKD) wurde von dem Bezirksamt Charlottenburg in Auftrag gegeben, das wiederum seinerseits von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales beauftragt worden war. Diesem war durch Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung zwischen den Berliner Bezirksämtern die Zuständigkeit für die Förderung und Umsetzung der ambulanten Krisenversorgung im Land Berlin übertragen worden. Das Bezirksamt Charlottenburg beauftragte die Freie Universität Berlin in Kooperation mit der Katholischen Hochschule Berlin, die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation des landesweiten Krisendienstes vorzunehmen. Die Ergebnisse der Begleitforschung sollen eine Grundlage für die Entscheidung über "die zukünftige Struktur, die Arbeitsweise und das Leistungsprofil der ambulanten Krisenversorgung im Land Berlin" nach Ablauf der dreijährigen Erprobungsphase bilden. Außerdem sollte die Begleitforschung durch eine zeitnahe Umsetzung der Forschungsergebnisse "die effektive Entwicklung sowie die Strukturierung und Weiterentwicklung des landesweiten ambulanten Krisendienstes unterstützen." Auf diese Weise sollte die Begleitforschung ein integraler Bestandteil des Qualitätsmanagements sein. Um diesen Anforderungen zu entsprechen, wurde von den beiden Hochschulen ein Begleitforschungskonzept vorgelegt, das der komplexen Untersuchungssituation gerecht werden sollte. Es handelte sich um einen sozialwissenschaftlichen Forschungsansatz, bei dem nicht nur der "outcome", sondern auch die Einbettung des BKD in das Beziehungsgeflecht der psychosozialen und gemeindepsychiatrischen Versorgung Berlins Beachtung fand. Im Sinne von LEBOW (1992) handelt es sich dabei um ein "community impact model" der Evaluation. Als Konsequenz stand zunächst die Beschreibung des BKD in seinem Kontext und in seiner Entwicklung im Vordergrund. Dies wird durch die Einbeziehung des methodologischen Prinzips der Triangulation ermöglicht, bei der nach den Vorstellungen von DENZIN (1978) eine Kombination von Methodologien und Methoden bei der Untersuchung eines Phänomens genutzt werden. Hierdurch lassen sich komplexe Forschungsgegenstände vielfältig und facettenreich beschreiben. In der vorliegenden Untersuchung wurde dies durch die Verwendung quantitativer und qualitativer Untersuchungsansätze, durch vielfältige Erhebungs- und Auswertungsmethoden sowie unterschiedliche Untersucher realisiert. Auch für die Entwicklung von Beurteilungskriterien der Güte der Arbeit des BKD wurde ein Ansatz herangezogen, der aus der neueren sozialwissenschaftlichen Evaluationsforschung hervorgegangen ist. Problem der Beurteilung ist, dass jeder Beurteilung ein Werturteil zugrunde liegt. Diese Werte sind aber nicht wissenschaftlich ableitbar, sondern sie leiten sich aus bestimmten Grundüberzeugungen und Interessen des jeweiligen Beurteilers und sind eng mit seinem jeweiligen 3 Begleitforschungsvertrag zwischen dem Bezirksstadtrat für Gesundheit und Soziales und der Freien Universität vom 27.7.1999 Standort im sozialen Gefüge verbunden. "Was dem Einen sin Uhl ist dem Anderen sin Nachtigall." Dieser alte Spruch verdeutlicht das Problem. Es hilft auch nur begrenzt, wenn man wissenschaftliche Überlegungen heranzieht. Auch "die Wissenschaft" ist nur ein spezieller Standort, von dem aus man Bewertungskriterien formulieren kann. Ob diese Kriterien dann für die Nutzer des BKD, für die Mitarbeiter, für die Verwaltung oder für die Politiker brauchbar sind, ist zumindest manchmal durchaus fragwürdig. Aus diesem Grund wurde eine Strategie gewählt, die in der Literatur zu Evaluation als Stakeholder-Ansatz bekannt ist. Dieser besagt, dass die Bewertungsmaßstäbe unterschiedlicher Interessentengruppen in die Untersuchung einbezogen und im Rahmen der Untersuchung erhoben werden müssen. Für die vorliegende Untersuchung bedeutet dies, dass zunächst von den Zielsetzungen ausgegangen wird, die in der "Konzeption einer ambulanten Krisenversorgung für Berlin" niedergelegt sind, die den Ausgangspunkt für den Berliner Krisendienst bildet. Sie wurde von einer von der zuständigen Senatsverwaltung initiierten Arbeitsgruppe mit anschließender Diskussion und Modifikation mit der Berliner Fachöffentlichkeit (Landespsychiatriebeirat) und der Verwaltung (Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, bezirkliche Verwaltungen) entwickelt. Aufgrund dieser Geschichte wird angenommen, dass dieses Konzept den damaligen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessensgruppen bzw. methodischen Ansätzen in Berlin widerspiegelt. Es muss daher geprüft werden, ob die dort genannten Ziele auch erreicht worden sind und wo Abweichungen stattgefunden haben. In dieses Konzept wurden nachweislich bereits die fachliche Norm aus den "Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention zur Organisation von Krisenintervention" aufgenommen (FREYTAG et al. 1998). Auch diese Normen werden daher als Ausgangspunkt der Beurteilung benutzt. Genauso bedeutungsvoll aber sind die Kriterien und Bewertungen der unterschiedlichen Beteiligten, also der einzelnen Stakeholder, die in der einen oder anderen Weise mit dem Krisendienst zu tun haben. Dazu gehören die verschiedenartigen Nutzer (Klienten, Angehörige, Professionelle aus dem Versorgungssystem), Mitarbeiter des BKD, Einrichtungen der Berliner Versorgung, Ärzte, Einwohner von Berlin als potentielle Nutzer usw. Die Kriterien dieser stakeholder sollten in eigenen Untersuchungen erhoben werden. Um der Forderung des Auftraggebers nachkommen zu können, auch die Weiterentwicklung und das Qualitätsmanagement des Berliner Krisendienstes zu unterstützen, wurden sowohl Elemente einer formativen wie auch einer summativen Evaluation in das Design aufgenommen. Bei ersterer werden die Ergebnisse am Ende eines Projekts untersucht und es wird beurteilt, ob die Maßnahme im Sinne ihrer Zielsetzung erfolgreich war oder nicht. Bei letzterer fließen die Forschungsergebnisse kontinuierlich in die Entwicklung des Projekts ein und steuern die Entwicklung mit. In der nachfolgenden Studie wurden die Ergebnisse in unterschiedlicher Form immer wieder an den BKD zurückgemeldet (Zwischenberichte, Gesamtteamtreffen, Besprechungen mit Mitarbeiter-AGs und Geschäftsführern, Diskussionsforum Berliner Krisendienst, Sonderauswertungen für unterschiedliche Diskussionen und Präsentationen des BKD usw.), der vorliegende Bericht gibt aber gleichzeitig auch im Sinn einer summativen Evaluation einen Einblick in den Stand des BKD, den er am Ende der Erprobungsphase erreicht hat. Die Systematik, die dem Design der vorliegenden Untersuchung zugrunde liegt, ist diejenige des Qualitätsmanagements. Qualitätsmanagement und Evaluation durchdringen sich häufig gegenseitig. Darauf hat u.a. TROJAN & LEGGEWIE (1999) verwiesen. Aspekte wie Struktur, Prozess und Ergebnis werden zur Gliederung beider Bereiche genutzt. Dies ist aber nicht nur eine äußerliche Ähnlichkeit, sondern beide Ansätze sind miteinander verwoben, ergänzen und fördern einander, vor allem dann, wenn man Evaluation als formative Evaluation im oben beschriebenen sozialwissenschaftlichen Sinne versteht. Die Untersuchung, die eigentlich aus einer Vielzahl von aufeinander bezogenen Einzeluntersuchungen besteht, wurde daher nach dieser Systematik strukturiert. Hinsichtlich der Struktur- oder Potentialdimension sollte laut Konzept eine sorgfältige Deskription der materiellen und ideellen Voraussetzungen des BKD vorgenommen werden. Hierunter zählen sowohl die materielle Ausstattung der Dienste, ihre Organisationsstruktur, die Fähigkeiten und Fertigkeiten ihrer Mitarbeiter als auch ihre Einbettung in der Region, ihre verkehrstechnische Erreichbarkeit usw. Zu diesem Bereich gehörte auch die Entwicklung einer Basisdokumentation, die eine kontinuierliche Erfassung von Daten für unterschiedliche Zwecke erlauben sollte. (Entwicklung der Inanspruchnahme des Krisendienstes, Beschreibung des Klientels, Arbeitsweise der Dienste, Vernetzung, persönliche Einschätzung des Einsatzes durch die Mitarbeiter usw.). Die Prozessqualität sollte vornehmlich zusammen mit den Mitarbeitern im Rahmen der Selbstbeforschung untersucht und verbessert werden. Hierzu sollten Schlüsselprozesse im Rahmen eines Prozessgliederungsplanes bestimmt werden, die dann beschrieben und schrittweise verbessert werden sollten. Zusätzlich sollten aber auch Informationen über die Art und die Formen der Interventionen mit Hilfe unterschiedlicher Verfahren (qualitative und quantitative Analysen von Daten aus der Basisdokumentation, Klientenaussagen), gesammelt werden, so dass Aussagen über die Prozessqualität der Arbeit möglich sein sollten. Neben der Arbeit mit den Klienten ist die Vernetzung und Kooperation mit den regionalen Einrichtungen der psychosozialen und psychiatrischen Versorgung eine wichtige Aufgabe des BKD. Beide stellen zentrale Forderungen im Rahmen der Gesundheitsversorgung, -planung und -förderung dar; mit ihnen verbinden sich eine Vielzahl von Erwartungen an die Verbesserung der Versorgung, an die Identifizierung von Rationalisierungs- und Kosteneinsparungspotentialen usw. Die Untersuchung der Kooperation und der Vernetzung der Versorgungseinrichtungen und der Mitarbeiter sollte daher einen der Schwerpunkte der Evaluation darstellen. Die Untersuchung und der Nachweis von Bezügen zum und Auswirkungen auf das gesamte Versorgungssystem erschien von besonderem Interesse. Diese Aspekte sollten in der Studie ein besonderes Gewicht erhalten, wobei auch untersucht werden sollte, wie die Steuerung des Krisendienstes durch einen beauftragten Bezirk gelingt bzw. inwieweit die Bezirke in den einzelnen Regionen in die jeweilige Arbeit der Standorte einbezogen werden. Besonders interessant schien dabei das Vernetzungspotential zu sein, das durch die Honorarmitarbeiter repräsentiert wird. Durch ihre Doppelrolle als Mitarbeiter der regionalen Einrichtung und des Krisendienstes sind sie in der Lage, die Vernetzung als Person zu betreiben und unterschiedliche Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Einrichtungen herzustellen. Zur Untersuchung von Synergieeffekten durch Vernetzung und Bekanntheitsgrad lagen aus vorangegangenen Untersuchungen Fragebögen mit entsprechenden Unterskalen vor. Hieraus sollte ein entsprechender Fragebogen konstruiert werden. Zur Abschätzung der Ergebnisqualität sollten die Ziele und Kriterien für erfolgreiche Tätigkeit des BKD aus mehreren Perspektiven heraus erhoben werden. Dieses Vorgehen entspricht dem oben genannten Stakeholder-Ansatz, bei dem davon ausgegangen wird, dass bei unterschiedlichen Interessengruppen unterschiedliche Kriterien und Bewertungen der Angebote zu finden sein werden. Grob lassen sich zunächst folgende Gruppen und Zielformulierungen unterscheiden, die einbezogen werden müssen: • die Auftraggeber, also das Bezirksamt Charlottenburg von Berlin bzw. die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sowie die einzelnen Bezirke • die Antragsteller, also der Trägerverbund Berliner Krisendienste (GbR) • die Mitarbeiter der Krisendienste, sowohl Kernteam als auch Honorarmitarbeiter • die Mitarbeiter der übrigen psychosozialen/psychiatrischen Versorgung in Berlin • die Bevölkerung bzw. die potentiellen Nutzer der Einrichtungen • die Forscher Die jeweiligen Zielsetzungen und die späteren Bewertungen sollten auf unterschiedliche Weise dokumentiert und analysiert werden. Die Zielsetzungen des Auftraggebers und des Antragstellers sind im Konzeptpapier repräsentiert. Die dort angesprochenen expliziten und impliziten Zielsetzungen sollten analysiert und operationalisiert werden, um auf diese Weise Instrumente zur Bewertung aus dieser Perspektive zu gewinnen. Die Zielsetzungen und Kriterien der Kernteammitarbeiter sollten in einer Zukunftswerkstatt gemeinsam entwickelt, in der Selbstbeforschung bearbeitet und in qualitativen Interviews erhoben werden. Die Mitarbeiter des regionalen Versorgungssystems sollten mit Hilfe eines Fragebogens gebeten werden, ihre Zielsetzungen, Einstellungen zur Krisenarbeit, Wünsche und Anregungen bekannt zu machen. Als wünschenswert wurde formuliert, die Erwartungen Einstellungen und Gütekriterien der Bevölkerung, d.h. auch der potentiellen Nutzer, einzubeziehen. Anhand der Literatur und von Untersuchungsergebnissen der Forschergruppe sollten ebenfalls Erfolgskriterien entwickelt werden, die aus einer wissenschaftlichen Perspektive die Einschätzung der Ergebnisqualität erlauben. Als solche allgemeine Außenkriterien für die Evaluation sollten auch die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention zur Organisation von Krisenintervention dienen (FREYTAG et al. 1998). Auch eine gesundheitsökonomische Analyse sollte einbezogen werden, wobei die Möglichkeiten dazu eher als gering eingeschätzt wurden, da zum Vergleich Daten über die Kosten des gesamten Systems der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung in Berlin nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stünden. Auf alle Fälle sollten jedoch die Kosten der einzelnen Interventionsbausteine (z.B. Telefongespräch, persönliches Gespräch, Hausbesuch usw.) berechnet werden. Hierdurch werde es möglich, die Kosten der Aktivitäten der Mitarbeiter anzugeben und ggf. mit den Kosten anderer Einrichtungen zu vergleichen.
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Originaltext vom Verlag; nicht vom SfBS bearbeitet. Kap. 15. Emotionale Störungen und Störungen des Verhaltens in der Kindheit und Adoleszenz. 5. Aufl. - 1998, S. 490 - 523 als rtf-Datei vorhanden Die Klinische Psychologie gehört zu den schillerndsten Gebieten der Psychologie. Die Übersetzung basiert auf der 8. amerikanischem Auflage und vermittelt einen anschaulichen Überblick über das ganze Spektrum psychischer Störungen: Entstehung, Behandlung und Erforschung.
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Der Interviewleitfaden ist für die Arbeit mit dem AMDP-System entwickelt worden, kann jedoch auch unabhängig von der Anwendung des Systems eingesetzt werden. Er dient der Erfassung des psychopathologischen Befundes. Fachkräften aus der Psychiatrie, Psychotherapie und Klinischen Psychologie wird damit ein Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, um mit entsprechenden Fragen zielgerichtet und dennoch einfühlsam ein weites Spektrum an psychopathologischen Symptomen zu erfassen. Die vorliegende 6. Auflage berücksichtigt alle aktuellen Veränderungen der 11. Auflage des AMDP-Systems. Neben einer Überarbeitung des theoretischen Teils des Interviewleitfadens, wurde auch der Fragenkatalog überarbeitet und erweitert, so dass insgesamt die Nutzerfreundlichkeit des Leitfadens nochmals verbessert werden konnte. Der Interviewleitfaden ist auch Bestandteil des AMDP-Buchsets (ISBN 978-3-8017-3193-9).
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The principal subject of this chapter is the role that principles play in the so-called four-principles approach or principlism. The historical and textual background of the positions I will defend are found in Principles of Biomedical Ethics, which I coauthored with James F. Childress and in my recent book Standing on Principles. In the first section, I investigate the nature and sources of principles in recent biomedical ethics and provide an analysis of the four-principles framework. The second section is devoted to the central role played in the four-principles account by the theory of common morality, which is comprised not only of principles (and rules), but also of virtues, ideals, and rights. The third section shows how universal principles are fashioned into particular moralities and the circumstances under which moral pluralism is consistent with universal morality. The fourth section shows how general principles are made practical for particular moralities by being made more specific, as suitable for particular circumstances. Finally, in the fifth section, I show the relevance of principles for discussions of human rights, multiculturalism, and cultural imperialism.
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Krankheit geht nicht nur mit Beschwerden, sondern auch mit Fähigkeits-beeinträchtigungen einher. Die Internationale Klassifi kation der Funktionsfähig-keit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der WHO beschreibt «Fähigkeiten» als Bedingungsfaktor der «Teilhabe (Partizipation)». Fähigkeitsbeeinträchtigungen sind wichtig in der Diagnostik psychischer Störungen. Sie sind die Basis der Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit, Erwerbs-minderung oder Pfl egebedürftigkeit. Sie bieten wichtige Ansatzpunkte für die Behandlung. In diesem Buch wird dargestellt, was unter Fähigkeiten zu verstehen ist, welche Bedeutung ihnen bei psychischen Erkrankungen zukommt, wie sie zu erfassen sind und welche therapeutischen und sozialmedizinischen Folgen daraus erwachsen. Das Buch richtet sich an alle Personen, die in der Betreuung psychisch Kranker tätig sind, d. h. Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Ergotherapeuten, Mitarbeiter von Behinderteneinrichtungen, Sozialarbeiter, sozialmedizinische Gutachter, Mitarbeiter von Sozialversicherungen, Juristen u. a.
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Citation: Grisso, T., & Appelbaum, P. (1998). Assessing competence to consent to treatment: A guide for physicians and other health care professionals. New York: Oxford University Press. ISBN 0195103726, 9780195103724. Summary: One of the most challenging tasks facing clinicians today is the assessment of patients' capacities to consent to treatment. The protection of a patient's right to decide, as well as the protection of incompetent patients from the potential harm of their decisions, rests largely on clinicians' abilities to judge patients' capacities to decide what treatment they will receive. However, confusing laws and the complicated ethical issues surrounding the concept of competence to consent have made the process of competence assessment intimidating for many clinicians. Health professionals--physicians, medical students, residents, nurses, and mental health practitioners--have long needed a concise guidebook that translates the issues for practice. That is what this book accomplishes. This volume is the product of an eight-year study of patients' capacities to make treatment decisions--the most comprehensive research of its kind. The authors describe the place of competence in the doctrine of informed consent, analyze the elements of decision-making, and show how assessments of competence to consent to treatment can be conducted within varied general medical and psychiatric treatment settings. The book explains how assessments should be conducted and offers detailed, practice-tested interview guidelines to assist medical practitioners in this task. Numerous case studies illustrate real-life applications of the concepts and methods discussed. Grisso and Appelbaum also explore the often difficult process of making judgments about competence and describe what to do when patients' capacities are limited. Winner of the American Psychiatric Association's Guttmacher Award, 2000. Preview available via Google Books.
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It is not necessary to recount the numerous charters and declarations ... to understand human rights.... All persons are born free and equal in dignity and rights. Everyone ... is entitled to all the rights and freedoms set forth in the international human rights instruments without discrimination, such as the rights to life, liberty, security of the person, privacy, health, education, work, social security, and to marry and found a family. Yet, violations of human rights are a reality to be found in every corner of the globe.