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Organisationale Innovation am Beispiel der Projektifizierung der Wissenschaft. Eine figurationssoziologische Perspektive auf Entstehung, Verbreitung und Wirkungen

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Abstract

Der Beitrag untersucht anhand figurationssoziologischer Konzepte, welche Wirkung die Innovation „Projekt“ auf die Wissenschaft hat. Dabei beschränken wir uns auf einige Wirkungen und auf zwei Handlungsebenen: die Organisation Universität (Mesoebene) und Wissenschaftlerkarrieren (Mikroebene). Wir zeigen, dass das klassische deutsche Universitätssystem zwei Probleme nicht lösen konnte (Unterfinanzierung, Koordination von Forscherteams), für die das Projekt bereits zu Beginn des 20. Jh. als geeignete Lösung konstruiert wurde (Semantik der Innovation). Die Soziogenese des Projekts als neue Koordinations- und Finanzierungsform wissenschaftlicher Forschung zeigt, wie sich diese Innovation durch Variation, Selektion und Re-Stabilisierung durchsetzt und sich damit sowohl die Organisationsstrukturen von Universitäten, als auch die individueller Lebensläufe verändern (Grammatik und Pragmatik der Innovation). Während Projekte durchaus geeignet sind, „Big Science“ und interdisziplinäre Forschung zu koordinieren, haben sie das Problem der Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen nicht gelöst. Ihre Wirkung ist ambivalent, was sich besonders gut an wissenschaftlichen Karrieren beobachten lässt. Darüber hinaus haben sie auf der organisationalen Ebene unbeabsichtigte Nebenfolgen: Sie machen die Forschung mehr und mehr abhängig von externen Geldgebern, benachteiligen die Grundlagenforschung und beeinträchtigen die organisationale Reproduktion sowie die Sicherung der Kontinuität in Forschung und Lehre.
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Organisationale Innovation am Beispiel
der Projekti zierung der Wissenschaft
Eine gurationssoziologische Perspektive
auf Entstehung, Verbreitung und Wirkungen
Nina Baur, Cristina Besio und Maria Norkus
1 Figuration, Innovation und Wissenschaft
Eine zentrale Frage der Innovationsforschung lautet, wie bei Innovationsprozessen
Makro-, Meso- und Mikroebene ineinandergreifen und aufeinander bezogen sind
(Hutter et al. 2011). Wir fassen dieses dynamische Wechselverhältnis im Folgen-
den gurationssoziologisch (Elias 1978, 2006) und wollen die Fruchtbarkeit der
Figurationssoziologie für die Innovationsforschung exemplarisch am Beispiel der
Wissenschaft als einem Handlungsbereich illustrieren, der per (Selbst-)De nition
auf die ständige Produktion von Neuem ausgerichtet ist und auch selbst in den
vergangenen hundert Jahren von einigen Neuerungen betroffen war. Insbesondere
fokussieren wir hierbei auf das Phänomen der Projekti zierung der Wissenschaft.
Unseres Erachtens ist die Figurationssoziologie besonders gut geeignet, um die
Gleichzeitigkeit von Prozessen auf verschiedenen Handlungsebenen zu fassen, da
gurationssoziologische Analysen typischerweise aus einem Dreischritt bestehen,
der systematisch unterschiedliche Ebenen des Sozialen aufeinander bezieht (Baur
und Ernst 2011): (1) der Rekonstruktion der Regeln, Struktur und Machtverhält-
nisse der Figuration. In unserem Fall die Organisation der deutschsprachigen
Wissenschaft (Meso- oder Makroebene); (2) der Rekonstruktion der sozialen und
räumlichen Platzierung von Menschen, in unserem Fall von Forschenden und des
mit dieser Platzierung verbundenen Wissens- und Handlungspotenzials (Mikro-
ebene) sowie (3) eine Analyse der Soziogenese der Figuration durch die bewussten
und unbewussten Folgen des Handelns der individuellen Akteure in der Figuration
(Verbindung von Mikro-, Meso und Makroebene in der Zeit).
374 Nina Baur, Cristina Besio und Maria Norkus
Wendet man diesen Ansatz auf die Innovationsforschung an, so ergeben sich
jedoch zwei spezi sche theoretische und methodologische Probleme:
Die Figurationssoziologie ist, erstens, eine prozessorientierte Theorie, das
heißt, sie geht davon aus, dass sich Gesellschaft stetig im sozialen Wandel be n-
det, weshalb nicht Neuerungen, sondern vielmehr jegliche Arten von Strukturen
und Regelmäßigkeiten erklärt werden ssen. Spezi sche Verlaufsformen und
andere Charakteristika sozialer Prozesse zu untersuchen, gilt als eine wesentliche
Aufgabe empirischer Forschung. Damit stellt sich aber die Frage, was „gewöhn-
lichesoziale Prozesse von Innovationen unterscheidet. Eine Mindestbedingung
ist, dass ein Bruch in der Verlaufsform auftritt, was methodologisch bedeutet, dass
die empirisch beobachtete Zeitspanne lang genug sein muss, dass sich ein Vor-
her“, der Bruch und ein Nachheridenti zieren lassen (Baur 2005, S. 142-147).
Allerdings ist nicht automatisch jeder Bruch eine Innovation. Vielmehr ist hierzu
eine zweite Bedingung erforderlich: Ebenso wie Besio und Schmidt (2011) aus sys-
temtheoretischer Perspektive und Knoblauch (2014) aus der Perspektive des kom-
munikativen Konstruktivismus argumentieren auch wir, dass ein Bruch in einem
sozialen Prozess erst dann zur Innovation wird, wenn er von den Akteuren auf
der semantischen Ebene im Sinne von Hutter et al. (2011) diskursiv als Innova-
tion konstruiert wird. Dies bedeutet, dass, um den Ein uss der fortschreitenden
Projekti zierung auf die Figuration Wissenschaft analysieren zu können, zu-
sätzlich zu den oben genannten drei analytischen Ebenen eine vierte Ebene, (4) die
Rekonstruktion des Diskurses, mit berücksichtigt werden sollte.
Zweitens differenziert Elias (1995) nicht systematisch zwischen Mikro-, Meso-
und Makroebene, sondern unterscheidet heuristisch nur zwei Handlungsebenen
(Meso/Makro = Figuration; Mikro = Individuum), wobei der Begriff der Figu-
ration betont, dass interdependente Akteure in komplexe Beziehungsge echte
eingebunden sind und sich daher die verschiedenen Handlungsebenen im Han-
deln immer gleichzeitig manifestieren. r unseren empirischen Fall ist jedoch
zumindest eine weitere Ebene von Relevanz: die Mesoebene. Auf der höchsten
Handlungsebene sst sich in der Wissenschaft das (nationale und globale) Wis-
senschaftssystem identi zieren (Makroebene). Dieses ist in wissenschaftliche
Disziplinen und Organisationseinheiten zum Beispiel Universitäten, außeruni-
versitäre Forschungseinrichtungen, neue Organisationsformen wie Sonderfor-
schungsbereiche (SFBs) und Exzellenzcluster untergliedert, die die Kontinuität
der Forschungsarbeit langfristig sicherstellen. Diese wiederum untergliedern sich
in einzelne Arbeitseinheiten (zum Beispiel Arbeitsgruppen, Forschungsprojekte),
die die konkrete, alltägliche Forschungsarbeit praktisch organisieren (Mesoebene).
Auf der Ebene des einzelnen Individuums ist eine persönliche Karriereplanung
erforderlich, die sich in den Lebenslauf einbettet, der wiederum sozial strukturiert
375Organisationale Innovation am Beispiel der Projekti zierung
ist. Darüber hinaus können auf der untersten Handlungsebene ebenso konkrete
Interaktionssituationen identi ziert werden, in denen Forschung vollbracht wird
(Mikroebene).
r die Analyse der Figuration „Wissenschaft“ tritt ein weiteres Problem zuta-
ge: Elias befasste sich in seinen empirischen Analysen vornehmlich mit national-
staatlich verfassten Gesamtgesellschaften, bei der alle von ihm analysierten Felder
des Sozialen (Sozialstruktur, Politik, Wirtschaft) im Territorium zusammen elen
und sich wechselseitig stabilisierten Spannungen zwischen den Feldern dersel-
ben Ebene lagen nicht in seinem analytischen Fokus. Im Fall der modernen Wis-
senschaft existieren aber für das Individuum (Wissenschaftler) immer mehrere
Figurationen, auf die es gleichzeitig Bezug nehmen muss und die sich in ihren
Logiken teilweisen widersprechen. So stellen etwa die einzelnen Fachdisziplinen
in der Regel andere Anforderungen an die Wissenschaftler als die Universität – es
nnen aber keine der beiden ignorieren werden, weil die Universität der konkrete,
derzeitige Arbeitgeber ist, währen die Fachdisziplin langfristig karriererelevanter
ist.
Um mit diesen verschiedenen Problemen theoretisch und methodologisch um-
gehen zu können und da für den vorliegenden Beitrag vor allem die Ebene der
Organisation wichtig ist, ergänzen wir für die Beschreibung dieser Ebene die Fi-
gurationssoziologie um organisationssoziologische Ansätze aus der Systemtheo-
rie, die auch Innovationsprozesse in Organisationen berücksichtigen (Besio 2009;
Besio und Schmidt 2012).
Aus diesen Überlegungen zu den verschiedenen Analyseebenen ergibt sich ein
drittes, methodologisches Problem: Die Prozesse auf den verschiedenen Ebenen
entfalten sich mit unterschiedlicher zeitlicher Extension (Baur 2015). Während
sich etwa der Wandel der Wissenschaft über Jahrhunderte vollzieht, betgt die
Zeitspanne des Wirkens eines einzelnen Wissenschaftlers in der Regel höchstens
einige Jahrzehnte, das Alltagshandeln vollzieht sich wiederum in alltäglichen,
sehr kurzen Interaktionssequenzen. Entsprechend der Empfehlungen von Baur
und Ernst (2011) greifen wir daher auf einen Methoden-Mix zurück, da sich ver-
schiedene Daten und Quellen unterschiedlich gut eignen, um bestimmte Zeit-
schichten zu erfassen.
Um zu illustrieren, wie wir auf Basis dieser Vorüberlegungen Innovationspro-
zesse in der Wissenschaft gurationssoziologisch untersuchen, greifen wir im Fol-
genden von den Neuerungen im Feld der Wissenschaft (wiederum exemplarisch)
die Projekti zierung als eine Neuerung auf der strukturellen Ebene „Gramma-
tik“ im Sinne von Hutter et al. (2011) und der pragmatischen Ebene heraus und
diskutieren ihre Soziogenese auch in Hinblick auf ihre diskursive Konstruktion
als Innovation („Semantik“), um dann ihre Folgen für die Organisation wissen-
376 Nina Baur, Cristina Besio und Maria Norkus
schaftlicher Forschung sowie das alltägliche Innovationshandeln von Forschenden
zu diskutieren.
Methodologisch haben wir für die Rekonstruktion der Soziogenese der Figu-
ration Wissenschaft“ vor und nach der Projekti zierung sowie der semantischen
Konstruktion von Projekten“ als „Innovation wissenschaftssoziologische und
-historische Forschungsliteratur als Datenquelle verwendet und (re-)analysiert (zu
den methodologischen Problemen dieses Vorgehens siehe ausführlich: Hergesell
2015).
Für die Analyse der Folgen der Projekti zierung beschränken wir uns aus
Platzgründen auf zwei Ebenen: die Mesoebene der Organisation und die Ebene
der individuellen Karriere. Diese Analysen basieren auf mehreren qualitativen
Fallstudien (Baur und Lamnek 2005; Hering und Schmidt 2015) von Forschungs-
projekten sowohl aus den Naturwissenschaften (Chemie, Physik), als auch aus den
Sozialwissenschaften (Soziologie) in Deutschland und der Schweiz. Für jede Fall-
studie triangulieren wir Leitfaden-Interviews mit Forschenden (Helfferich 2015),
Ethnogra en (Knoblauch 2015; Thierbach und Petschick 2015) und natürliche
Daten (Baur 2011; Salheiser 2015), zum Beispiel Webseiten, Projektanträge, Pro-
jektberichte, Protokolle von Arbeitstreffen etc. Die Daten wurden bewusst ausge-
hlt (Akremi 2015) und mit Hilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet
(Kuckartz 2012; Kohlbacher 2005).
Konkret wurden in der Schweiz zwischen 2000 und 2004 zu zehn Forschungs-
projekten an Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen 14
qualitative Interviews geführt und natürliche Daten gesammelt (ausführlich: Be-
sio 2009). Die meisten dieser Projekte waren drittmittel nanziert und hatten eine
Projektlaufzeit von zwei bis drei Jahren. In der Regel sind sie gar nicht oder nur
schwach in dauerhafte organisationale Strukturen oder langfristige Forschungs-
programme eingebettet, so dass der größere Forschungskontext kaum eine Orien-
tierung für die Forschungspraxis im Einzelprojekt bietet.
In Deutschland wurden zwischen 2007 und 2014 Ethnogra en und mehr als
80 Interviews mit Naturwissenschaftlern (v.a. Chemikern und Physikern) durch-
geführt. Einen besonderen Fokus stellten die neuen Formen der Forschungsorga-
nisation – also Sonderforschungsbereiche (SFBs) und Exzellenzcluster – in Berlin
und München dar (Petschick et al. 2013).
377Organisationale Innovation am Beispiel der Projekti zierung
2 Die Figuration „Wissenschaft
vor der Projekti zierung: Grammatik und Pragmatik
des klassischen deutschen Universitätssystems
Um die Auswirkung der Innovation Projekti zierung“ verstehen zu können, ist
es erforderlich, kurz auf die Strukturen des klassischen deutschen Universitäts-
systems, die sich in der zweiten lfte des 19. Jh. herausbildeten, sowie deren
Auswirkung auf individuelle Karrieren zu rekurrieren.
Eine zentrale Idee der deutschen Universitäten war, dass staatlich nanzierte
Forschung eine Unabhängigkeit der Forschung von externen Zwecken sicherstel-
len sollte, so dass Forschende Grundlagenforschung ohne direkten Anwendungs-
zweck betreiben konnten, die primär am (nach wissenschaftlichen Kriterien) „gu-
tenund innovativen“ Ergebnis orientiert ist. Damit waren deutsche Universitäten
von Anfang an als Orte der Forschung gedacht. Um dies sicherzustellen, boten
die Universitätsinstitute den Forschenden eine grundlegende (staatlich nanzierte)
Infrastruktur: So wurden seit dem 20. Jh. in der Physik die Instrumente durch die
Universitäten gestellt, und in der Chemie ist ein Laborassistent üblich (Schimank
1976, S. 393).
Die Universitäten sind dabei Organisationen ohne hierarchische Einheitsstruk-
tur, sondern setzen sich vielmehr aus Instituten und Seminaren zusammen, die
wiederum in Lehrstühle mit dazugehörigen Laboren unterteilt sind und eine ge-
wisse Autonomie genießen. Diese Institute sind so weit unabhängig, dass sie für
konkrete Forschungszwecke direkt von der Staatsverwaltung nanziert werden
nnen, ohne zuvor den Weg über die Fakultät gehen zu müssen (Nipperdey 1998,
S. 571).
Ein weiteres wichtiges Merkmal deutscher Universitäten ist das Humboldtsche
Ideal der Einheit von Forschung und Lehre, das heißt, durch die Verp ichtung zur
Lehre soll die personelle Reproduktion der Wissenschaft sichergestellt werden. Dies
hat einerseits zur Folge, dass die Institute entlang von wissenschaftlichen Fachdis-
ziplinen organisiert sind, die sich wiederum weiter über Lehrstühle ausdifferenzie-
ren und spezialisieren. Die Leitenden der Lehrstühle hatten folglich sicherzustellen,
(vor allem) in ihrem Spezialgebiet die Forschung voranzutreiben sowie die Lehre
in diesem Bereich zu garantieren und wurden entsprechend mit Laboren, Mate-
rialien, Personal und Finanzmitteln ausgestattet (Teichler und Bode 1990). Dies hat
dazu geführt, dass die Forschung innerhalb einer Spezialisierung hochgradig ef -
zient verlaufen konnte. Typischerweise wurden bei der Etablierung der Fachdiszi-
plinen dieselben oder ähnliche interne Differenzierungen der Fächer wie innerhalb
der Universitäten gewählt, so dass sich – über verschiedene Standorte hinweg – die
Lehrstuhlinhaber in gesonderten Sektionen der Fachgesellschaften organisieren,
378 Nina Baur, Cristina Besio und Maria Norkus
Spezialzeitschriften gründen und sich so über ihr Spezialgebiet austauschen konn-
ten. Weiterhin konnten sie über die verschiedenen Standorte Personal austauschen,
Wissensbestände etablieren und einen Wissenstransfer ermöglichen. Diese organi-
sationale Struktur ist äußerst persistent, weil das spezi sche Forschungsprogramm
eben nicht nur an die Lehrstuhlleitung gebunden ist, sondern auch an ein bestimm-
tes Lehrprogramm, das eine spezi sche organisationale Struktur nach sich zieht,
die auch mit dem Ausscheiden der Lehrstuhlleitung nicht so leicht zu ersetzen ist.
So müssten in den Natur- und Ingenieurwissenschaften Labore im Wert von meh-
reren 100.000 bis zu mehreren Mio. abgebaut und ebenso teure neue Labore
eingerichtet werden (während es wenn die Denomination der Stelle gleich bleibt
– üblich ist, dass Neuberufene das Labor ihrer Vorgänger übernehmen).
r die Forschung bewirkte dies, dass zwar Forschung innerhalb einer etablier-
ten Spezialrichtung hochgradig ef zient ist, es aber schwer bis fast unmöglich ist,
außerhalb der etablierten (sub-)diszipliren Grenzen zu forschen oder wirklich
neue Forschungslinien zu gründen, die von den etablierten Pfaden zu sehr ab-
weichen.
r die Lehre bedeutete dies, dass die universitäre Ausbildung klar in Phasen
unterteilt ist (Studium Promotion Habilitation Berufung), die sowohl der
Organisation als auch dem wissenschaftlichen Mittelbau einen klaren Orientie-
rungsrahmen bietet. Das ist (vor der Projekti zierung) der einzige Rahmen, in dem
sich wissenschaftliche Karrieren entwickeln. r diejenigen, die in der Wissen-
schaft bleiben wollen, entsteht durch die Kombination aus Hausberufungsverbot
und der Tradition des Personalaustauschs zwischen den Universitäten die Vorgabe,
im Zuge der universitären Ausbildung den Standort zu wechseln. Hierbei gibt es
implizite Vorgaben, wohin man gehen sollte: Vor dem 2. Weltkrieg war das angel-
sächsische Wissenschaftsnetzwerk weitgehend getrennt vom kontinentaleuropäi-
schen und für letzteres nahezu bedeutungslos. Zentrum der Wissenschaft war seit
dem 19. Jh. Berlin, weshalb im kontinentaleuropäischen Wissenschaftsnetzwerk
Personalaustausch (und damit Karrierewege) fast immer über Berlin gingen (Tay-
lor et al. 2008). Gleichzeitig hat dieses System der akademischen Wanderschaft
aber zur Folge, dass es anders als im angelsächsischen Wissenschaftssystem
hierarchieausgleichend zwischen den Standorten wirkt, das heißt, die Karrie-
rechancen sind nahezu gleich, egal an welchem Standort die Karriere begonnen
wurde (Münch und Baier 2013).
Nicht nur für die Organisation Universität, auch für die einzelnen Wissen-
schaftler gibt es daher starke Anreize, Forschung innerhalb der bereits etablierten
Forschungslinien weiterzuverfolgen. So verlaufen die Karrierewege entlang der
etablierten (sub-)disziplinären Linien. In den Natur- und Ingenieurwissenschaften
gewähren die Lehrstuhlleitungen zudem Zugang zu den teuren Laboren (ohne die
379Organisationale Innovation am Beispiel der Projekti zierung
die eigene Forschung nicht möglich ist) und ermöglichen so gemeinsame Publika-
tionen in wichtigen Zeitschriften (Petschick et al. 2013).
Die Stellen des Mittelbaus sind in der Regel befristet, denn erst mit der Beru-
fung auf eine Professur verfügen Wissenschaftler über eine Lebenszeitanstellung.
Dies hat Konsequenzen in Bezug auf die Machtbalancen innerhalb der Figura-
tion. Betrachtet man die Ebene der Organisationseinheiten und Lehrstuhlleitun-
gen, so sind diese wenig hierarchisch. Innerhalb der Arbeitseinheiten kann die
Organisationsstruktur dagegen sehr stark hierarchisiert sein die professorale
Leitungsebene ist in allen Entscheidungsgremien ausschlaggebend. Außerdem
sind Professoren gleichzeitig Vorgesetzte und fachliche Betreuer des wissenschaft-
lichen Mittelbaus. Lehrstuhlinhaber können in den Naturwissenschaften über die
Zuweisung von Ressourcen entscheiden und damit, wer mit wem publizieren darf
(Petschick 2014b) – sowie welche Inhalte gelehrt werden. Dadurch können einzel-
ne Wissenschaftler gezielt gefördert werden, während bei unliebsamem oder wi-
derspenstigem „Nachwuchs“ die Förderung ausbleibt und damit Karriereoptionen
stark eingeschnkt werden. Über wissenschaftlichen Netzwerke haben Lehrstuhl-
leitungen auch dann noch Ein uss, wenn der „Nachwuchs“ längst an einem ande-
ren Lehrstuhl an einer anderen Universität arbeitet. Wirklich unabhängig werden
Wissenschaftler erst nach der Berufung.
Diese Figuration reproduzierte sich relativ stabil auf der Ebene der Pragmatik
und Grammatik, aber wie alle Figurationen war sie nicht statisch, sondern einem
stetigen Wandel ausgesetzt. Dieser wurde durch die im 19. Jh. beginnende Unter-
nanzierung, die ein Dauerproblem bleiben sollte, beschleunigt. Während diese
zunächst wie oben dargestellt erst einzelne Wissenschaftler (zum Beispiel als
Privatdozenten und Exordinarien) betraf, wurde die Unter nanzierung des deut-
schen Hochschulsystems sehr schnell strukturell: Weil die interne fortschreitende
Spezialisierung den Bedarf an Laboren und Apparaten erhöhte, konnte sie sich
schon bald nicht mehr über das Geld aus der Lehre nanzieren. Das Problem der
Forschungs nanzierung wird dadurch verschärft, dass sich in den letzten Jahr-
zehnten des 19. Jh. ein verstärktes Wachstum der Universitäten abzeichnet: In
Deutschland wächst die Zahl der Professoren, aber auch der kaum oder nicht be-
zahlten Privatdozenten und Extraordinarien (Nipperdey 1998, S. 568-572).
Eine zweite Entwicklung, die die Figuration ins Schwanken bringen kann und
die schon im 19. Jahrhundert einsetzte, war der veränderte Charakter der For-
schung: r bestimmte Forschungsfragen brauchte man größere Forschungsein-
heiten als den traditionellen Lehrstuhl. Weiterhin konnten bestimmte Fragen nur
bearbeitet werden, wenn Forschende quer zu den Spezialisierungen und Disziplinen
interdisziplinär zusammenarbeiteten. Damit stellte sich die Frage, wie man solche
interdisziplinären Fragestellungen und „Big Science nanziert und koordiniert.
380 Nina Baur, Cristina Besio und Maria Norkus
3 Die Semantik der Innovation „Projekt
Zur Lösung dieser Probleme Unter nanzierung und Koordination heterogener
Forscherteams bot sich eine Form der Koordination und Finanzierung von For-
schung an, die ursprünglich aus der Industrie stammte: das Projekt. Das Projekt
kann man als eine Form der Organisation der Forschung auffassen, deren Spezi -
kum ist, dass Forschungsvorhaben als sachlich und zeitlich begrenzte Unterfangen
realisiert werden (Besio 2009, S. 27-33). Im Rahmen eines Forschungsprojektes
werden die erwünschten Ziele und die Mittel, um diese Ziele zu erreichen, nicht
im Laufe der Forschung, sondern im Voraus de niert. Jedes Projekt ist somit durch
eine begrenzte und kurzfristige Planung gekennzeichnet, die Ziele, Ressourcen,
Aufgaben, Zeiten und gegebenenfalls Personen ndelt. Im Gegensatz zu lang
andauernden Strukturen (wie etwa Universitäten, Abteilungen, Lehrstühle oder
Fachgebiete) sind Projekte nicht dazu bestimmt, kontinuierlich bestimmte Tä-
tigkeiten auszuführen. Sie sind vielmehr darauf angelegt, innerhalb einer dafür
vorgesehenen Zeitspanne eine einmalige Aufgabe durchzuführen (Levene 1996,
S. 4164). Gewiss sind die Formen von Drittmittelprojekten in der Wissenschaft
heute vielfältig: Man kann kleine Projektteams aber auch großangelegte Verbund-
projekte, interdisziplire, aber auch rein disziplinäre Projekte, Projekte in der
Grundlagenforschung und Projekte mit starkem Anwendungsbezug unterscheiden.
Diese Unterscheidungen können im Einzelfall wichtig sein, aber wir wollen uns
in diesem Beitrag auf die grundlegenden Eigenschaften des Projektes als Struktur
beschränken, die allen diesen Formen gemeinsam ist.
Spätestens seit den 1920ern und 1930ern greift diese Art zu forschen verstärkt
auch im Wissenschaftsbereich in Deutschland, aber auch in den USA durch. Ge-
stützt wird dies durch die amerikanische Philanthropie sowie deutsche Stiftungen,
die von deutschen Industriellen zur Unterstützung des Wissensfortschrittes ange-
regt wurden. Semantisch wurde das Projekt dabei in zweierlei Hinsicht als „neu“
de niert beziehungsweise ihm wurden zwei innovative Momente zugeschrieben:
Es sei so die Legitimation eine besonders ef ziente und produktive Form (1)
der Forschungskoordination und (2) der Forschungs nanzierung, wobei diese bei-
den Funktionen diskursiv aufeinander bezogen werden:
1. Bezüglich der Koordination der Forschung wird das Projekt zu Beginn sei-
ner Einführung als eine Form aufgefasst, die es ermöglichen kann, Teamarbeit
erfolgreich zu managen. In der Zeit, in der Wissenschaft nicht mehr als das
Werk eines Einzelnen denkbar ist, sondern als Tätigkeit einer (größeren und
gegebenenfalls interdisziplinären) Gruppe notwendig erscheint, wird das Pro-
jekt relevant. Der Übergang von der Figur des Wissenschaftlers als Amateur
381Organisationale Innovation am Beispiel der Projekti zierung
oder einsam in seiner Lehrstube arbeitenden Akademiker zum Modell des For-
schungsteams motiviert die Einführung von Projekten (Krauch 1970, S. 100-
105) als organisationale Innovationen. Die Idee ist, dass Projekte“ zu einem
guten Management der Forschung beitragen und dadurch ihre Ef zienz ga-
rantieren können. Das ist besonders relevant, weil Forschungsprozesse keine
Routinetätigkeiten sind, die leicht im Voraus zu planen und zu steuern sind.
Vielmehr sind Forschungsprozesse offen und durch einen hohen Grad an Unge-
wissheit charakterisiert. Das bedeutet, dass mit dem Projekt ein Organisations-
instrument entwickelt werden soll, das die besondere Eigenschaft hat, kreative
und innovative Tätigkeiten zu managen.
2. Weiterhin ermöglicht das Projekt die gezielte Finanzierung von Forschungs-
vorhaben. Bereits die ersten Stiftungen, die zu einem System der Forschungs-
nanzierung auf der Basis von Projekten übergehen, gehen davon aus, dass im
Vergleich zur institutionellen Finanzierung wissenschaftlicher Organisationen
und einzelner Personen etwa durch Fellowships, Projekte die Produktivität der
Forschung steigern werden (Forman 1974, S. 52-53). Das kann gelingen so die
diskursive Konstruktion –, weil durch den Mechanismus der Bewilligung von
Projekten qualitativ hochwertige Projekte direkt unterstützt werden können.
Darüber hinaus können Wünsche und Anforderungen der Geldgeber bei der
Vergabe von Forschungsmittel berücksichtigt werden. So de nieren amerika-
nische Stiftungen von Anfang an Themenbereiche, die sie unterstützen wollen.
Das Kriterium des Beitrages der Forschung zur gesellschaftlichen Wohlfahrt
rückt so stärker in den Vordergrund (Geiger 1986, S. 149-160), was implizit die
angewandte gegenüber der Grundlagenforschung bevorzugt.
Infolge dieser Konstellation aus vorliegenden Problemen (Unter nanzierung und
Koordination von Forschergruppen) und der diskursiven Konstruktion des Projekts
als angemessene Lösung entstand seit den 1920ern das Projekt als „neueund wur-
de spätestens Mitte der 1980er zu einer regulärenOrganisations- und Finanzie-
rungsform von Wissenschaft. In den folgenden beiden Abschnitten rekonstruieren
wir die Soziogenese der Projekti zierung (beziehungsweise der Grammatik und
die Pragmatik der Innovation), wobei wir die Veränderungen der Forschungskoor-
dination und - nanzierung getrennt diskutieren. r jeden dieser beiden ineinan-
dergreifenden Teilprozesse der Projekti zierung stellen wir in den nächsten beiden
Teilabsch nitten
1
den Prozessverlauf in drei Phasen dar (Variation, Selektion und
Re-stabilisierung) und folgen damit Besio und Schmidt (2012), die der System-
theorie Luhmanns folgend Innovation als spezi sche soziale Evolution begreifen.
1 Die nächsten beiden Abschnitte sind stark an Besio (2009, S. 67-92) angelehnt.
382 Nina Baur, Cristina Besio und Maria Norkus
Dabei muss neben der deutschen auch die US-amerikanische Entwicklung mit-
berücksichtigt werden, da sich nach dem 2. Weltkrieg die Machtverhältnisse im
globalen Wissenschaftssystem verändern und nicht mehr Deutschland, sondern die
USA das Machtzentrum der globalen Wissenschaft und damit auch wesentlicher
Impulsgeber für Innovationen des Wissenschaftssystems selbst sind.
4. Soziogenese der Innovation „Projekt:
Grammatik und Pragmatik im Wandel
4.1 Projekte als neue Form der Forschungskoordination
Variation: Auf der Suche nach einer „Methode des Er ndens
In der Phase der Variation wird etwas (zum Beispiel eine Technik oder ein Inst-
rument) als abweichend von gehnlichen Praktiken beobachtet. Es ist die Phase,
die die Innovationsforschung als Entdeckung und Er ndung bezeichnet.
Die Soziogenese des Projekts als neue Form der Forschungskoordination be-
ginnt mit den ersten Industrielaboren des ausgehenden 19. Jh. Diese sind die Orte,
in denen die Idee einer projektförmigen Koordination von Forschungstätigkeiten
zuerst auftaucht. Zentrale Voraussetzung ist, dass die Industrie (insbesondere die
Chemie- und die Elektroindustrie) erkennt, dass wissenschaftliche Erkenntnis ein
zentraler Faktor im Wettbewerb zwischen Unternehmen ist. So ist etwa, in Ver-
bindung mit einer stetigen Nachfrage des Marktes nach neuen Farben, die Far-
benindustrie in Deutschland einer der ersten Industriezweige, in denen sich diese
Überzeugung ausbreitet (Beer 1975, S. 106).
Ausschlaggebend für die Er ndung des Projektes ist aber, dass die industriellen
Labore, die ursprünglich um einzelne begabte Persönlichkeiten herum entstanden
waren, beginnen, Forscherteams zu beschäftigen (Hack und Hack 1985, S. 123-
142). Im Gegensatz zum alleinstehenden Individuum wird von der organisierten
Forschergruppe erwartet, dass sie Wissen nicht auf Basis kreativer, einzigartiger
und daher wenig steuerbarer Einfälle produziert. Vielmehr ist man überzeugt,
Wissen und notwendige technische Entdeckungen durch bestimmtes Organisieren
erzeugen zu nnen, und man glaubt, damit eine so genannte Methode des Er-
ndens“ (Kreibich 1986, S. 335) zu beherrschen und in Folge auf die Genialität
einzelner Personen verzichten zu können.
Als erste Maßnahme zur Verbesserung der Koordination der Forschungsarbeit
werden die Arbeitsplätze der beteiligten Personen räumlich zu einer „Forschungs-
abteilung“ zusammengelegt. Dies ermögliche eine bessere hrung und Überwa-
chung der Forschungstätigkeiten (Carlson 1997, S. 211). Darüber hinaus entwi-
383Organisationale Innovation am Beispiel der Projekti zierung
ckeln Unternehmen Beurteilungssysteme. So fangen etwa die Labormanager bei
Bell in den ersten Jahrzehnten des 20. Jh. an, jedem Mitarbeitenden eine Aufgabe
zuzuteilen und in einem Notizbuch des Labors zu vermerken, in dem auch auf-
gezeichnet wird, welche Arbeiten am Ende tatsächlich zum Abschluss gebracht
wurden (Noble 1977, S. 120).
Diese Entwicklungen bildeten die Ausgangslage für die Einführung des Pro-
jekts. Zu einer ersten genuinen Projekti zierung kommt man aber erst in dem
Moment, in dem Forschungsvorhaben eine feste Zielsetzung gegeben wird. Dies
ist sehr wichtig r Industrieunternehmen, die sich darauf verlassen müssen, die
Forschung auf die Lösung jener Probleme ausrichten zu können, die sich aus der
Entwicklung vielversprechender Technologien ergeben. Ein frühes Beispiel davon
ist das Projekt „Nylonin den Laboren von DuPont in den 1930er Jahren. Die dort
benutzte Organisationstechnik verfügt über folgende Charakteristiken: ein Plan,
Fristen, die Festlegung von Meilensteinen und ein Monitoring (Hounshell 1992,
S. 243-245). Diese Methode ermöglicht es, Ziele für einen bestimmten Zeitraum
festzulegen und sich auf sie zu konzentrieren, ohne sich von anderen möglichen
Forschungspfaden ablenken zu lassen. Es wird nur eine Anwendung, ein Material,
eine begrenzte Reihe von Produkten ausgewählt und man bleibt dabei für einen
bestimmten Zeitraum gebunden. Im Ergebnis verlagert diese Struktur Machtver-
hältnisse: Jetzt sind es die Manager und nicht die einzelnen Er nder, die den For-
schungsprozess zu kontrollieren glauben.
Man beachte: Diese ersten Versuche, die übliche Art und Weise, Forschung zu
koordinieren, zu ändern, zeigen, dass das Projekt nicht stillschweigend als unab-
sichtliche Nebenfolge des Handelns (Elias 1978) entstand, sondern absichtlich als
neue Managementmethode eingeführt wurde, um bestimmte Ziele zu erreichen.
Diese ersten Versuche setzten dann einen Prozess in Gang, der zu einer grund-
legenden Veränderung von Forschungstätigkeiten führt.
Selektion: Koordination in der Big Science
Eine Variation wird selektiert, wenn sie als Struktur in Praktiken angewendet
wird; wenn sie benutzt, bestätigt und kondensiert wird. So wird etwa das neue
Organisationsinstrument „Projekt“ nach ersten positiven Erfahrungen in der Wirt-
schaft vor allem in der Big Science eingesetzt: Wenn (universitäre und außeruni-
versitäre) Forschung große Mengen von Daten braucht und verarbeitet; wenn sie
hierzu Phasen nicht-orientierter Forschung, Phasen anwendungsorientierter For-
schung und Phasen der Entwicklung einbezieht; und wenn sie zudem interdiszipli-
r arbeiten muss, dann werden fortan Projekte erwünscht.
Da das Projekt verspricht, Probleme der Koordination unter den beschriebenen
Umständen zu lösen, ndet eine positive Selektion statt, die zur Anwendung die-
384 Nina Baur, Cristina Besio und Maria Norkus
ses Organisationsinstruments als Koordinationsstruktur in der Wissenschaft führt.
Das heißt, es sind Werte, Interessen, Berfnisse des aufzunehmenden Kontextes
(hier der Big Science) ausschlaggebend, um die Nutzung der Management-Innova-
tion „Projekt“ zu bewirken.
Nach ersten Erfahrungen mit organisierter, wissenschaftlicher Forschung in
den Laboren großer amerikanischer Firmen der Elektro- und Chemieindustrie
(Noble 1977, S. 121) wird das Projekt schnell ab den 1950er Jahren auf die mili-
tärisch und staatlich nanzierte Forschung übertragen und wird vor allem in der
Luft- und Raumfahrttechnik sowie in der Kernforschung zur dominanten Form
der Forschungsorganisation. Als Prototyp für den organisatorischen Erfolg durch
Projektarbeit im Team gilt das Manhattan Engineering District Project (Kreibig
1986, S. 336), das auch ein eindrückliches Beispiel dafür ist, wie das Koordina-
tionsproblem selbst in den llen erfolgreich gelöst werden kann, wenn das Per-
sonal in verschiedenen Abteilungen oder Bereichen derselben Organisation oder
auch in verschiedenen Organisationen tätig ist.
Re-stabilisierung: Projekti zierung der Wissenschaft I
Auf den Spuren des Manhattan-Projects werden in den folgenden Jahren Projekte
innerhalb der militärischen und der industriellen Forschung durchgeführt. In den
1960ern nutzen zahlreiche F&E-Abteilungen von Firmen Projekte zur Lösung von
zeitbegrenzten und interdisziplinären Problemen mit einem hohen Komplexitäts-
und Innovationsgrad (Riedl 1990, S. 2).
Projekte diffundieren so schnell, weil früh eine Formalisierung von Metho-
den des Projektmanagement beginnt. Schon in den 1940ern entwickelt sich ein
professionelles Verständnis der Planung und Organisation von Wissenschaft und
Technik, wie wir es heute kennen. Ende der 1950er wird das PERT (Program Eva-
cuation and Review Technique) entwickelt. Diese von dem U.S. Department of De-
fense unterstützte Managementtechnik ist in den 1960ern so etabliert, dass sie als
Synonym für Projektmanagement benutzt wird (Blomquist und Söderholm 2002,
S. 27-28). Das PERT sowie die weiteren Techniken des Projektmanagements, die
später entwickelt werden, werden vor allem durch Beratung in die Firmen trans-
portiert. Diese Tätigkeiten werden durch die Entstehung von Berufsverbänden für
Projektmanagementexperten gestärkt (Blomquist und Söderholm 2002, S. 28-34).
Ein weiterer Mechanismus der Diffusion ist die Kooperation zwischen For-
schenden aus verschiedenen Bereichen. Das Organisationsinstrument „Projekt“
verbreitet sich vor allem in der Forschung, die zwischen Industrie und großen
staatlichen Forschungszentren angesiedelt ist. Beispiele sind das Massachusetts
Institute of Technology, das Kooperationen in der Elektro-, Nachrichten-, Energie-
und Verfahrenstechnik sowie auf milirischem Gebiet (insbesondere mit der Air
385Organisationale Innovation am Beispiel der Projekti zierung
Force) unterhält sowie die University of Pennsylvania und das an der IT-Entwick-
lung beteiligte Institute of Advanced Study of Princeton oder die Harvard Univer-
sity, die mit IBM zusammenarbeitet (Kreibich 1986, S. 335-339). In die Universitä-
ten gelangt das Projekt als Ergebnis genau dieser Art von Kooperation mit Firmen
und nichtuniversitären staatlichen Institutionen, wobei dieser Prozess durch (unten
dargestellte) neue Formen der Forschungs nanzierung stabilisiert wird.
Gleichzeitig geht die Re exion darüber weiter, wie Projektmanagement am bes-
ten organisiert und damit Projektabläufe optimiert werden können. In dieser Phase
verändert sich das Projekt als Managementmethode kontinuierlich und wird an
die verschiedenen Kontexte angepasst. Handbücher zu Projektmanagement dif-
ferenzieren sich und die Methoden, die in den Firmen angewendet werden, unter-
scheiden sich, beispielsweise von denen der kleinen Teams in den Geisteswissen-
schaften. Man kann die Phase der Diffusion auch als Phase der inkrementellen
Innovation auffassen, in der ein innovatives Erzeugnis an die gegebenen Umstän-
den angepasst wird, so dass die neue Struktur nicht nur eingeführt, sondern in-
nerhalb der etablierten Routinen und erprobten Abläufe auch nachhaltig etabliert
werden kann.
Am Ende steht eine neue Grammatik der Organisation der Forschung: Durch
das Projekt werden neue Regeln der wissenschaftlichen Koordination eingehrt.
Projektförmige Forschung heißt mlich auf der Basis eines Plan neues Wissen zu
produzieren.
4.2 Projekte als neue Form der Forschungs nanzierung
Variation: Finanzierung der Wissenschaft in Krisenzeiten
Der Prozess der Projekti zierung bestand zum einen darin, dass Projekte als neue
Koordinationsform von Forschung eingeführt und vorangetrieben wurden. Zum
anderen galt die Innovation Projekt“ als neuartige Form der Forschungs nan-
zierung.
Zum ersten Mal ist diese Form der Forschungs nanzierung in den USA bei den
großen philanthropischen Stiftungen wie der Rockefeller-Stiftung und der Carne-
gie-Stiftung zu beobachten. Diese binden zumindest bis in die ersten Jahrzehnte
des 20. Jh. keine konkreten Ziele an die Forschungs nanzierung, denn sie sind
überzeugt, dass der Zuwachs an Wissen automatisch zu Verbesserungen der ge-
sellschaftlichen Verhältnisse führt. Auch in Deutschland entsteht in der zweiten
Hälfte des 19. Jh. eine vergleichbare Situation: Hier werden Stiftungen gegründet,
die Kapital aus privaten Mitteln von Industriellen sammeln (Stichweh 1988, S. 72-
78). Es handelt sich dabei um Körperschaften aus verschiedenen industriellen Sek-
386 Nina Baur, Cristina Besio und Maria Norkus
toren. Beispiele sind die Carl-Zeiss-Stiftung (1889), die Göttinger Vereinigung zur
rderung der angewandten Physik (1898), die Jubiläumsstiftung der Deutschen
Industrie zur Förderung der technischen Wissenschaften (1899) oder auch, etwas
später, die Helmholtz-Gesellschaft zur Förderung der physikalisch-technischen
Forschung (1920) (Richter 1979, S. 27-39). Gemeinsam haben diese verschiedenen
Stiftungen, dass es sich nicht um einzelne wohlhabende Privatleute handelt, die
exakt de nierte Forschungsvorhaben nanzieren wollen, die dem speziellen Be-
darf ihrer Unternehmen entsprechen. Die Machtverhältnisse in diesen Stiftungen
sind vielmehr so, dass niemand seine persönlichen Interessen direkt durchsetzen
kann. Die daraus folgende Notwendigkeit, ein Ziel zu nden, das alle verbindet, er-
öffnet die Möglichkeit zur Finanzierung von Wissenschaft um ihrer selbst willen.
Der Wunsch nach einer Finanzierung der Wissenschaft als solcher, die die Fi-
guration der Stiftungen der Forschungsförderung prägt, bedeutet aber nicht not-
wendigerweise eine projektorientierte Finanzierung. Die deutschen Stiftungen -
nanzieren in der zweiten Hälfte des 19. Jh. Forschung auf verschiedene Arten, die
von der Unterstützung der lokalen Universität über die Finanzierung spezi scher
Infrastrukturen und die Gründung neuer technischer Hochschulen bis zur Verga-
be von Stipendien reichen (Richter 1979). Noch in den 1920ern fördern wichtige
Stiftungen wie die Rockefeller-Stiftung die Wissenschaft vor allem, indem sie auf
eine Stärkung der universitären Forschungsstrukturen zielen (Kohler 1978, S. 488-
489).
Erst später ändern die Stiftungen ihren Kurs hin zur Finanzierung bestimmter
Forschungsvorhaben. In Deutschland beginnt diese Art der Finanzierung in den
1920ern. Anfang der 1930er beginnt auch die amerikanische Philanthropie (ins-
besondere die Rockefeller-Stiftung) verstärkt eine projektorientierte Finanzierung
einzuführen (Geiger 1986, S. 164-167).
Vieles deutet darauf hin, dass wirtschaftliche Krisensituationen in Expansions-
phasen der Wissenschaft diesen Übergang beschleunigen. Diese Situation ndet
sich in Deutschland in den 1920ern, wo die Knappheit an verfügbaren Mitteln dazu
zwingt, neue Wege zur ef zienten Verteilung der Gelder zu suchen. Die deutschen
Stiftungen haben weniger Kapital zur Verfügung für eine Wissenschaft, die immer
teurer wird. Ihre Mittel reichen nicht, um Gebäude, Personal und infrastrukturelle
Kosten zu übernehmen. Um diese Mittel dennoch bestmöglich zu verwenden und
weiterhin Ein uss auf die Wissenschaft zu haben, setzen sie darauf, einzelne viel-
versprechende Forschungsprojekte zu unterstützen (Forman 1974, S. 52-53).
Dieser Zusammenhang zwischen Krise und gezielter Finanzierung wird auch
deutlich in der Zielbestimmung einer 1920 neu gegründeten Organisationen zur
Unterstützung der Wissenschaft, deren Kapital zu großen Teilen aus staatlichen
Quellen stammt: die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft (Vorgänger-
387Organisationale Innovation am Beispiel der Projekti zierung
organisation der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)). Diese hatte das
Ziel, die Wissenschaft während der wirtschaftlichen Krise zu fördern (Zierold
1968, S. 12; Nipperdey und Schmugge 1970, S. 14). Die Notgemeinschaft wurde
unter anderem gegründet, um „das Zutrauen zu wecken, dass die einzelnen Bei-
träge nicht in dem Strudel einer allgemeinen Notlage mit sehr beschnkter Wir-
kung verschwinden, sondern Stützen werden, die sich zu einem festen Notgerüst
aneinanderfügen (Antrag Fritz Habers vom 29. rz 1920 an den Rektor der
Universität Berlin, zitiert nach Zierold 1968, S. 12).
Die Figuration Wissenschaft begann sich also durch Finanzierungsprobleme
zunehmend zu verändern. Private Stiftungen und die Notgemeinschaft sollten
Finanzierungslücken schließen und Forschung ef zienter werden lassen. Damit
vollzog sich auch ein Wandel von Struktur, Arbeitsweisen und Praktiken in der
Wissenschaft.
Selektion: Das Project Grant System
Der Übergang zum System der projektorientierten Förderung kann als eine sub-
stanzielle Neuorientierung der Finanzierungsmethoden der Forschung betrachtet
werden. Das System kann aber erst Anwendung nden, wenn ein Verfahren zur
Auswahl der nanzierungswürdigen Projekte die Normen der neuen Figuration
der Forschungsförderung vervollständigt.
Das Verfahren, das bis heute trotz aller Schwierigkeiten für geeignet gehalten
wird, ist die Bewertung von Projekten durch die Begutachtung durch Kollegen aus
der Wissenschaft (Peer Review). Dieses Verfahren hat seinen Ursprung und seine
erste Phase ernsthafter Verbreitung in den 1920ern in Deutschland, vor allem über
die Finanzierungen der Notgemeinschaft und der Helmholtz-Gesellschaft (For-
man 1974, S. 51). Die Notgemeinschaft verteilte von Anfang an ihre Fördermit-
tel auf Basis eines kollegialen Begutachtungssystems von Projektanträgen (Hohn
und Schimank 1990, S. 45). Das System projektorientierter Finanzierung (Project
Grant System) ist von Anfang an für Forschende sehr interessant, weil es ihre
Macht verstärkt. Denn wenn spezialisierte Arbeiten nanziert werden sollen, hlt
bei der Auswahl vor allem die Expertenmeinung (Price 1978, S. 78-79).
Die Wissenschaftsförderung einzelner Forschungsvorhaben hat den weiteren
Vorteil, dass sie als fair erscheint. Das Project Grant System scheint Privilegien im
Wissenschaftssystem abzubauen, weil Geldmittel anhand der Qualität einzelner
Studien verteilt werden. Das ersetzt die Vergabe von Mitteln im Vertrauen auf die
Institutsleitung, die sie dann nach eigenem Gutdünken weiterverteilte.
Der Wandel der Figuration Wissenschaft wurde in dieser Phase als durch den
Einbezug der sich im Beziehungsge echt be ndenden Akteure via Project Grant
System – aufgenommen und so weiter vorangetrieben.
388 Nina Baur, Cristina Besio und Maria Norkus
Re-stabilisierung: Die Projekti zierung der Wissenschaft II
Die Forschungs nanzierung über Projekte nimmt kontinuierlich zu (Besio 2009;
Kreckel und Pasternack 2008) und wandelt sich von einer Form der Finanzierung
in Zeiten der Krise zu einer normalen Form der Forschungs nanzierung. Dies
konnte nur gelingen, weil das Projekt zu weiteren zentralen Strukturen, Werten
und Interessen in der Figuration Wissenschaft und um die Wissenschaft herum
passt:
Das Projekt prozessualisiert die Wissenschaft in einer Weise, die Privilegien
abschwächen sollte, da es auf wissenschaftlicher Qualität basiert. Aus diesem
Grund wurde die projektorientierte Finanzierung im Zusammenhang mit der
Autonomie der Wissenschaft gesehen. Gerade in Deutschland entstand nach 1968
das Berfnis nach einer langfristigen Demokratisierung der Universitäten und
damit verbunden der Wunsch nach mehr Chancengleichheit, Fairness und
einem Abbau von Hierarchien und professoralen Privilegien (Korte 1987).
Projekte verändern die Machtrelationen in der Wissenschaft: Im Vergleich
zur institutionellen Finanzierung ermöglichen Projekte, die Forschung auf die
genschten Problemfelder auszurichten. Um diesen Interessen zu entsprechen,
verändert sich die Form Projekt“ im Sinne der inkrementellen Innovation. So
entsteht etwa die Form des „Forschungsprogramms“: Einige Institutionen (vor al-
lem amerikanische Stiftungen) setzen von Anfang an Themenbereiche oder For-
schungsgebiete fest, die sie unterstützen wollen (Geiger 1986, S. 149-160).
Das Projekt passt außerdem sehr gut zu den oben diskutierten klassischen
Merkmalen des deutschen Universitätssystems mit seiner festen infrastrukturellen
Basis. Als Finanzierungsmodell für einzelne Vorhaben macht das Projekt diese
infrastrukturelle Basis zugleich erforderlich und für sich nützlich und verstärkt
so seine institutionelle Einbettung in der Figuration. Die projektorientierte Finan-
zierung kann sich zudem darauf stützen, dass die Wissenschaft auch in den Uni-
versitäten immer weniger die Arbeit einzelner Gelehrter ist, sondern immer mehr
in Gruppen erfolgt.
Auch die nanzielle Lage der einzelnen Forschenden führt zu einem günstigen
Klima für die Verbreitung der Projektarbeit: Für sie ist die projektorientierte Fi-
nanzierung am Anfang eine zusätzliche Geldquelle, da es sich um Mittel außerhalb
der institutionellen Finanzierung handelt. Dies gilt sowohl für die Finanzierung
des einzelnen Gehalts (etwa der vielen Privatdozenten und Extraordinarien) als
auch für speziellen Apparaten und Infrastrukturen, die für die eigene Forschung
benötigt, aber von der Universität nicht im Rahmen der Grundausstattung bereit-
gestellt werden.
Dank des Zusammenspiels dieser Faktoren beschleunigt sich spätestens seit
Mitte der 1980er die Projekti zierung. So werden in Deutschland zwischen 1980
389Organisationale Innovation am Beispiel der Projekti zierung
und 2000 mit leichten Schwankungen nurca. 15 % der Universitätshaushalte aus
Drittmitteln nanziert (WR 2000; 2002, S. 59). Erst Mitte der 2000er beschleu-
nigt sich die Projekti zierung stark hrend 2006 noch 19 % der Universitäts-
haushalte drittmittel nanziert waren, sind es 2012 bereits knapp 25 %. Dabei sind
deutliche regionale Schwankungen zu verzeichnen, die 2012 von 17 % (Hessen)
über Durchschnittswerte von 25 % (Bayern) bis hin zu 33 % (Berlin und Sachsen)
reichen (DeStatis 2012). Das Projekt ist damit eine gängige Koordinations- und
Finanzierungsform geworden und verändert damit auch die machtvollen Hand-
lungsmöglichkeiten der sich in der Figuration be ndenden Individuen.
5 Die Figuration „Wissenschaft
nach der Projekti zierung:
Einige Folgen für Grammatik und Pragmatik
Betrachtet man die Soziogenese, lässt sich sagen, dass sich das „Projekt“ durch die
Verknüpfung zweier paralleler Prozesse der Suche nach ef zienten Formen der
Koordination wissenschaftlicher Arbeit mehrerer Forschender sowie der Suche
nach einer Form der Forschungs nanzierung in Zeiten wirtschaftlicher Austeri-
tät erfolgreich als Form wissenschaftlichen Arbeitens durchgesetzt hat, so dass
Projekte (vor allem Drittmittelprojekte) ngst den Alltag der Forschung prägen
(Besio 2009; Torka 2009). Die Phase der Diffusion beziehungsweise der Re-Stabi-
lisierung der Innovation Projektwar ein langsamer und schleichender Prozess,
in dessen Verzug sich nicht nur der Charakter der Innovation Projekt“ selbst,
sondern auch die Kontexte (mit-)verändert haben, in denen diese Innovation wirkt
– einen Prozess, den wir als “Projekti zierung” bezeichnen.
Die Projekti zierung hat wiederum schwerwiegende Folgen auf allen Ebenen
der Figuration Wissenschaft“ (vom gesamten Wissenschaftssystem über die orga-
nisationale Ebene und individuelle Wissenschaftskarrieren bis hin zu den alltäg-
lichen Forschungspraktiken). Sie wirkt in vielfältiger Weise und verändert unter
anderen auch die Entwicklungsmöglichkeiten wissenschaftlichen Wissens selbst.
Wir beschränken uns im Folgenden auf die Folgen der Projekti zierung auf zwei
Ebenen: die Organisationsform Universität“ und wissenschaftliche Karrieren,
und greifen hier auf die von uns geführten Interviews mit Forschenden sowie unse-
re ethnogra schen Beobachtungen zurück.
390 Nina Baur, Cristina Besio und Maria Norkus
5.1 Auswirkungen auf die Organisation Universität
(Mesoebene)
Auf der organisationalen Ebene zeigt unser Datenmaterial zunächst, dass das Pro-
jekt auch heute noch genau die Aufgaben erfüllt, für die es ursprünglich gedacht
war: Projekte sind eine sinnvolle Form der Forschungskoordination, um spezi -
sche Themen in einer de nierten Zeitspanne zu bearbeiten, ohne dabei langfristige
Forschungsfragen berücksichtigen zu müssen.
Projekte regeln Forschungsprozesse in einer besonderen Art und Weise. Ein
zentraler Aspekt der Grammatik und Pragmatik dieser Innovation ist, dass Pro-
jekte als klar abgrenzbare Einheiten und als Entscheidungsprämissen funktio-
nieren. Sie verringern dadurch Unsicherheit, weil Entscheidungen ausschließlich
bezüglich der projektspezi schen Aufgabe getroffen werden müssen und können.
Zeit- und energieraubende Entscheidungsverfahren, aber auch andere Themen und
Forschungsaktivitäten können innerhalb von Projekten zugunsten des Projektziels
vernachlässigt werden (Baecker 1999; Besio 2009: S. 206-207). So betont einer der
von uns befragten Wissenschaftler, dass Projekte von anderen Aufgaben befreien
können:
„[] der größte Vorteil der Arbeit an Projekten [ist] die Befreiung von den unhli-
gen Lehrverp ichtungen und von der Teilnahmep icht an universitären Versamm-
lungen“ (S_I13)
2
Dadurch wird der erfolgreiche Abschluss der projektde nierten, konkreten For-
schungsfragen erleichtert. Ein klar de niertes Forschungsdesign empfanden auch
viele Forschenden förderlich für die Fokussierung der eigenen Forschungsarbeit:
„Bei den Projekten, muss man in realistischen Bahnen denken [...]. Das Projekt bietet
einen Rahmen, in dem über mögliche Probleme re ektiert werden kann“ (S_I3).
„ein Zeitplan [] erlaubt auch, dass man noch ans Ende kommt und: neue Sachen
zu machen“ (S_I7).
Nach Abschluss des Projekts können sich die Forschenden dann neuen Forschungs-
fragen widmen. Aus Perspektive der Organisation bedeutet dies, dass Projektarbeit
als Serie oder Netzwerk behandelt werden muss. Auf diese Weise sind wissen-
2 Die Interviews wurden mit einem Code versehen (S für Sozialwissenschaften) und
nummeriert.
391Organisationale Innovation am Beispiel der Projekti zierung
schaftliche Organisationen nicht langfristig an bestimmte Themen gebunden und
nnen stattdessen verschiedene Forschungsfragen auf absehbare Zeit planen.
Dies fördert Flexibilität hinsichtlich von Ressourcen und kann auch zu größerer
Innovativität führen: Gerade weil die Organisation nicht an eine bestimmte For-
schungslinie gebunden ist, können riskantere Themen bearbeitet werden (Besio
2009). Angesichts der begrenzten Zeitspanne von Projekten müssen Forschende
auch in der Lage sein, exibel neue Kooperationen aufzubauen. Diese Flexibilität
eröffnet die glichkeit, neue Aufgaben in Kooperation mit den neuen Partnern
zu erarbeiten (Schwab und Miner 2011). Das bedeutet, dass Projekte Orte der For-
schung werden, was die traditionelle Figuration der deutschen Universitäten in-
sofern verändert, als dass sich dadurch die Verbindung zwischen Forschung und
Lehre lockert.
Allerdings bringt das Projekt auch unerwünschte Nebenfolgen (Elias 1978)
des sozialen Handelns (in diesem Fall der Projekti zierung) mit sich. Eines der
größten Probleme ist der Zeitdruck. Der eng gesetzte Zeitrahmen von Projekten
macht es schwierig, unerwarteten Ergebnissen nachzugehen (Merton und Barber
2004), obwohl dies gerade bei wissenschaftlicher Forschung strukturell angelegt
ist. Vielmehr wird Forschung Output-orientierter. Weniger wichtig ist das inno-
vative, spannende und durchdachte Ergebnis, sondern mehr und mehr eine be-
stimmte Zahl von Publikationen, die die Ergebnisse des Projekts präsentieren. Die
von uns befragten Forschenden beklagen immer wieder, dass es kaum möglich ist,
Unerwartetes zu ergründen, was auch die Innovationsfähigkeit hemmen kann. So
beklagt etwa einer der Befragten,
„dass es sehr schwierig ist, [zum Beispiel] methodologische Schwierigkeiten wäh-
rend des Projekts zu re ektieren und zu verarbeiten. Das würde heißen, dass sich das
Projekt im Laufe des Projekts verändern könnte, und das führt zu Komplikationen.
[] Nur bis zu einer gewissen Grenze darf ein Projekt selbstre exiv sein, sonst ver-
liert man den Boden unter den Füßen“ (S_I11).
Diese Wirkungen lassen sich vor allem in den Sozialwissenschaften beobachten.
Naturwissenschaftliche Institute verfügen über langandauernde wissenschaftliche
Strukturen, Forschungslinien und maschinelle Infrastrukturen, die es ermögli-
chen, Projekte aneinander zu binden und die überraschenden Ergebnissen eines
Projektes in ein neues Projekt im Rahmen desselben Forschungsprogrammes auf-
zunehmen (Hallonsten und Heinze 2013; Besio et al. 2016). In den Naturwissen-
schaften summieren sich mlich diese langandauernden Strukturen zu den Pro-
jekten mit dem Ergebnis, dass die Pragmatik des Projektes anders aussieht.
392 Nina Baur, Cristina Besio und Maria Norkus
Das größte Problem, das die Projekti zierung mit sich bringt, ist allerdings die
Sicherung von Kontinuität und die Reproduktion sowohl auf der organisationalen,
als auch – wie wir unten zeigen werden – individuellen Ebene. Dieses Problem hat
sich in der Diskussion des Verfolgens langfristiger Forschungslinien infolge des
Zeitdrucks und der kurzen Projektlaufzeiten schon angedeutet und verweist auf
das wohlbekannte Problem organisationalen Lernens (z. B. Hobday 2000; Prenci-
pe und Tell 2001; Schwab und Miner 2011; Sydow et al. 2004). So betonen die von
uns befragten Forschenden ausdrücklich die Problematik der Sicherung von Wis-
sen und Kompetenzen. Für die Organisation umfasst das Wissen über das Projekt-
management (über Planung, Organisation, Koordination von Partnern, Mittelge-
berkommunikation) aber auch über wissenschaftliches Wissen, zum Beispiel über
die Sicherung von Daten und Analysen. Darüber hinaus ist auch implizites Wissen
wichtig, wie etwa dokumentiertes Wissen über Datenstichproben oder Interview-
kontakte.
Verschärft wird das Problem organisationalen Lernens durch die oben ange-
hrte Entkoppelung von Forschung und Lehre. Diese stellt zwar für den einzel-
nen Forschenden eine Entlastung dar und wird daher oft als Vorteil wahrgenom-
men, ist aber r die Organisation Universität“ als Ganzes gerade im deutschen
Wissenschaftssystem ein Problem, insbesondere, da Lehre in wissenschaftlichen
Karrieren für sich genommen nicht honoriert wird: Wissenschaftler, die nur for-
schen, nutzen nicht die Lehre, um ihren Ergebnissen Kontinuität zu geben. Obwohl
von Seiten der Universitäten und der DFG gezielt versucht wird, diese Folgen zu
mindern, handelt es sich dabei um Nebeneffekte der Projektförmigkeit, die schwer
einzudämmen sind.
Auch in diesem Fall sind Forschungsinstitute der Naturwissenschaften in einer
besseren Lage, denn ihre langandauernden Forschungslinien und Infrastrukturen
überdauern einzelne Projekte und geben der Forschung Kontinuität. Insofern ist
es nicht verwunderlich, dass unsere Daten zeigen, dass vor allem in den Sozial-
wissenschaften organisationales Lernen schwierig bleibt (Buchhofer 1979, S. 27).
Ohne starke Strukturen verbleibt als einzige Lösung das Gechtnis von Personen:
„Die Personen geben der Forschung Kontinuität.“ (S_I13)
Genau hier wird eine weitere Eigenheit der klassischen Figuration des deutschen
Wissenschaftssystems problematisch: nur die Professoren haben Dauerstellen und
alle anderen Forschenden befristete Arbeitsverträge mit potenziellen Lücken, das
heißt, dass das System bewusst auf Fluktuation und nicht auf Kontinuität des Per-
sonals angelegt ist. Dieses strukturelle Problem wird durch die Projekti zierung
sogar noch verschärft, weil nun die typischen Vertragslaufzeiten nicht mehr den
393Organisationale Innovation am Beispiel der Projekti zierung
typischen Bildungsphasen (4-6 Jahre) entsprechen: Während die Vertragslaufzei-
ten von wissenschaftlichen Mitarbeitern mit Lehraufgaben auf Haushaltsstellen
klassisch (je nach Standort) 4-6 Jahre dauern, bestehen die meisten Projekte (und
damit auch Stipendien und die Arbeitsverträge auf Drittmittelstellen) in der Regel
nur 2-3 Jahre. Um die organisationale Kontinuität zu sichern, ist das wissenschaft-
liche Personal gezwungen, zusätzliche und sehr zeitaufwändige Managementauf-
gaben zu übernehmen, die in ihren Arbeitsverträgen gar nicht vorgesehen sind
(und die sie wiederum von Forschung und Lehre abhalten). Hierzu gehören unter
anderem das Projektmanagement und insbesondere das Beantragen von neuen
Projekten. Die Folge ist, dass immer mehr Zeit in das Beantragen von Projekten
investiert wird und insbesondere die Professoren immer mehr Projekte managen
und immer weniger selbst forschen, was die organisationale Reproduktion weiter
erschwert. Im Jahr 2009 investierten Hochschullehrende aus den Rechts-, Sozial-
und Wirtschaftswissenschaften nur noch 20 % ihrer Arbeitszeit (statt der vorgese-
henen 33 %) auf die Forschung selbst und 12 % auf die Beantragung von Projekten.
Professoren aus den Naturwissenschaften konnten sogar nur noch 17 % ihrer Zeit
auf die Forschung investieren, während 16 % der Zeit auf Projektanträgen ent el
(EFI 2012, S. 48).
Die Problematik des Umganges mit dem Unerwarteten und der Kontinuität der
Forschung verdeutlicht, dass Projekte gut funktionieren, wenn sie mit weiteren
Strukturen kombiniert werden. Diese Strukturen benötigen aber eine zusätzliche
Finanzierung. Hierbei zeigt sich, dass das Projekt auf der organisationalen Ebene
das Problem der Unter nanzierung nicht lösen kann: Institute müssen entweder
Ressourcen haben, um eine teure wissenschaftliche Infrastruktur zu bezahlen,
oder sie müssen ständig zusätzliche externe Ressourcen auftun, um die neuen Er-
kenntnisse und Forschungsfragen weiterzuführen und eine gewissen Kontinuität
zu erzeugen. Dies impliziert ein weiteres Problem: Durch (1) den Zwang, andau-
ernd zusätzliche externe Mittel zur Sicherung der Forschung aufzutun, (2) weil
diese Mittelgeber ngst nicht mehr nur die DFG oder EU, sondern auch private
Mittelgeber oder Ministerien sind, und (3) weil gerade Letztere durchaus Ein uss
auf die Themen und Forschungsdesigns nehmen (was ja auch ein explizites Ziel
des Projektes war), ndet implizit eine Verlagerung von der Grundlagen- zur an-
wendungsorientierten Forschung statt. Weiterhin wird die klassische Figuration
der deutschen Wissenschaft geändert, die eine relative Unabhängigkeit der For-
schung ermöglichte. Zu befürchten ist, dass durch zunehmende Projekti zierung
die Forschung mehr und mehr an den Interessen der Mittelgeber ausrichtet wird.
394 Nina Baur, Cristina Besio und Maria Norkus
5.2 Auswirkungen auf die Wissenschaftskarrieren
(Mikroebene)
Neben den Folgen für die Universitäten hat die Projekti zierung auch Folgen für
die der Figuration angehörenden Wissenschaftler. So emp nden Sozial- und Na-
turwissenschaftler gleichermaßen Projekte als Chancen und Risiko für die eigene
Karriere, wobei ihre Wirkung in jeder Hinsicht ambivalent ist und sich zumindest
die Lage des wissenschaftlichen Mittelbaus nicht strukturell verbessert:
r die Unter nanzierung von Hochschulen und die Beseitigung der Preka-
rität wissenschaftlicher Karrieren bieten Projekte nur bedingt eine Lösung, weil
sie zwar während der Projektlaufzeit einen Finanzierungsmöglichkeit für die For-
schenden geben, aber die Problematik der Übergänge zwischen den Stellen wei-
terhin nicht nur nicht gelöst ist, sondern sich wegen der typischerweise kurzen
Projektlaufzeiten von 2-3 Jahren sogar noch verschärft. Um eine Bildungsphase
(Promotion oder Habilitation) erfolgreich abzuschließen, braucht man folglich in
der Regel mindestens zwei Projekte, die thematisch aufeinander aufbauen, um sei-
ne persönliche Forschungslinie fortzusetzen. Es ist aber kaum zu garantieren, dass
das richtige Projekt zur richtigen Zeit verfügbar ist. Häu ger noch als früher sind
Beschäftigungsunsicherheit und zeitweise Arbeitslosigkeit eine Folge, wodurch
die bereits früher unsichere Arbeitssituation im Wissenschaftsbereich verschärft
wird (Kreckel und Pasternack 2008). Damit wiederholt sich die Reproduktions-
problematik auf der organisationalen Ebene auch auf der individuellen Ebene.
Auch im Hinblick auf die Planbarkeit einer wissenschaftlichen Karriere und die
Entwicklung eines eigenen Forschungspro ls wirkt die Projekti zierung ambiva-
lent: Zu Beginn der wissenschaftlichen Ausbildung haben Projekte den Vorteil,
dass junge Wissenschaftler (weil sie nicht lehren müssen) mehr Zeit und einen
sozialen Raum für die Entwicklung des eigenen Forschungspro ls haben. Dies
gilt allerdings nur für die Entwicklung eines Forschungspro ls in einem durch das
Projekt gesetzte Themenfeld, während auf klassischen Haushaltsstellen zwar we-
niger Zeit für Austausch im Team ist, dafür aber zumindest in den Sozialwissen-
schaften fast vollkommene Freiheit in der Themenwahl besteht. Im späteren Ver-
lauf der Karriere können Projekte helfen, das eigene Forschungspro l zu schärfen,
weil man sich hrend der Projektarbeit auf bestimmte Themen fokussieren muss.
Außerdem können Projektergebnisse zumeist für eigene Publikationen genutzt
werden. Das in dieser Zeit gewonnene Wissen fungiert als Bildungskapital, das in
neuen Projekten oder anderen Beschäftigungsfeldern außerhalb der Wissenschaft
genutzt werden kann (Arthur at al. 2001).
Dennoch sind die Forschenden in der Gestaltung ihres Forschungspro ls nicht
völlig frei. Um eine Folge nanzierung sicherzustellen, müssen sie ihr Forschungs-
395Organisationale Innovation am Beispiel der Projekti zierung
pro l exibel halten, um sich so den (sich teils sehr schnell wandelnden) Inte-
ressen der Mittelgeber anpassen zu können. Gerade dieses Wechseln zwischen
unterschiedlichen Themen kann die Ausbildung des eigenen Wissenschaftspro ls
behindern und den Eindruck eines fragmentierten Lebenslaufs vermitteln. Weiter-
hin ergeben sich potenzielle Widersprüche zwischen den Anforderungen der Pro-
jekte und denen der Fachdisziplinen (die zumindest für die Chance auf einen Ruf
auf eine Professur nach wie vor ausschlaggebend sind): Oft sind die Forschungs-
trends der Mittelgeber nicht unbedingt konform mit den Anforderungen der spezi-
schen Disziplin oder der wissenschaftlichen Community, und bestimmte Kom-
petenzen kann man in Projekten schlechter erwerben (zum Beispiel Erfahrung in
der Lehre und Lehrverwaltung).
Auf der anderen Seite machen Projekte wissenschaftliche Karrieren schlechter
planbar, weil durch die Projekti zierung der verbindliche Orientierungsrahmen
verloren gegangen ist, den das klassische Universitätssystem bot: Erstens gesellt
sich zu dem klassischen Karrierepfad nun ein zweiter Karrierepfad die „Pro-
jektkarriere“. Zweitens werden die im Zuge der „Projektkarriere“ zu erwerbenden
Kompetenzen vielfältiger, weil sie nun auch Projektmanagement und die hig-
keit, Drittmittel einzuwerben, einschließen. In dieser Weise kann die Projektbe-
schäftigung die Karriere innerhalb der Hochschule erschweren. Einer unserer Be-
fragten formuliert das so:
„Es gibt keine dauerhaften Stellen in der Wissenschaft. Diese Situation ist beson-
ders kompliziert, weil akademische Karrieren mittlerweile durch die aktuellen For-
schungsprogramme de niert werden. Die Publikationen eines Forschers können
thematisch gesehen zu eng sein, oder sie sind einfach eine Sackgasse. Oder sie
fokussieren etwas, das sich nicht mit den diszipliren Forschungstrends deckt [].
Oder der Forscher wird älter und hat nicht mehr die Zeit, sich einem völlig neuen
Thema zu widmen. Wissenschaftliche Trends können zugunsten politischer Trends
verfehlt werden.” (S_I9)
Auf den ersten Blick scheinen Projekte wenigstens dem Wunsch nach der De-
mokratisierung der Hochschulen, dem Abbau professoraler Privilegien sowie der
Enthierarchisierung der Hochschulen zu genügen. So können Projekte den For-
schenden mehr Autonomie in der eigenen Forschung gewähren, weil Projekte in
gewisser Weise von den Forschungszielen der Vorgesetzten abschirmen. Insbeson-
dere Personen aus den Sozialwissenschaften emp nden Projekte als Raum, in dem
Forschungsvorhaben ohne fremde Eingriffe durchgeführt werden können. Das gilt
jedoch nur für bestimmte Formen von Projekten wie etwa die von der DFG nan-
zierte Eigene Stelleoder die Nachwuchsgruppen. In vielen anderen Fällen bleibt
die hierarchische Struktur an den Hochschulen erhalten (und auch dies wird in den
396 Nina Baur, Cristina Besio und Maria Norkus
Interviews kaum re ektiert), und zwar weil fast jedes Projekt an eine dauerhafte
Struktur (wie ein Fachgebiet) angedockt werden muss. Deshalb besteht nach wie
vor der Zwang (insbesondere in der Promotionsphase), sich mit den Lehrstuhl-
inhabern gut zu stellen und ihm Anreize zu bieten, Zeit in die Antragstellung zu
investieren und so die Folgebeschäftigung zu sichern.
6 Ausblick
Wir haben in diesem Beitrag am Beispiel der Projekti zierung gurationstheo-
retisch analysiert, in welchem dynamischen Wechselverhältnis die Innovation
„Projektmit anderen Handlungsebenen steht. Für die Figuration „Wissenschaft
haben wir gezeigt, dass die Innovation „Projektspezi sche Probleme löst: Pro-
jekte sind durchaus geeignet, Big Science und interdisziplinäre Forschung zu
koordinieren, obwohl sie die Frage des Umganges mit dem Unerwartetem und die
der Kontinuität nicht lösen nnen. Auch das Problem der Unter nanzierung der
deutschen Hochschulen können Projekte nicht beheben. Ihre Wirkung auf wis-
senschaftliche Karrieren ist ambivalent sie haben für den wissenschaftlichen
Mittelbau Vorteile, aber auch Nachteile. Darüber hinaus haben sie auf der orga-
nisationalen Ebene einige Folgen (Elias 1978): Sie bedrohen die Unabhängigkeit
der Forschung, benachteiligen die Grundlagenforschung (die wesentlich verant-
wortlich ist für Innovationen) zugunsten anwendungsorientierter Forschung und
gefährden vor allem die organisationale Reproduktion und die Sicherung der Kon-
tinuität in Forschung und Lehre.
Daraus ergeben sich sowohl für die Figurationssoziologie, als auch für das The-
ma Wissenschaft und Innovationeneine Reihe offener Fragen für die nftige
Forschung:
Für die Figurationssoziologie haben wir angedeutet, dass diese nur für Innova-
tionsprozesse (zumindest im Anwendungsfeld „Wissenschaft“) fruchtbar gemacht
werden kann, wenn sie mit anderen theoretischen Ansätzen verbunden werden,
wie hier etwa mit der Systemtheorie. Auf eine Diskussion von Schwierigkeiten und
Lösungsglichkeiten dieser theoretischen Integration haben wir hier bewusst
verzichtet, um der Empirie Raum zu geben dennoch hat diese Diskussion noch
zu erfolgen. Weiterhin zu nennen sind eine Reihe von methodologischen Proble-
men, die bislang nur unzureichend gelöst sind, darunter die Frage, wie man die
Wechselwirkung von Prozessen auf unterschiedlichen Handlungsebenen und Zeit-
schichten sinnvoll analysiert.
Aus Platzgründen haben wir hier auf zwei Analyseebenen fokussiert: auf die
der Organisation Universität“ und die der individuellen Karrieren. Auf beiden
397Organisationale Innovation am Beispiel der Projekti zierung
Ebenen bedarf die Frage, wie Kontinuität und Reproduktion gesichert werden, ge-
nauerer Analysen. Auf der Ebene der Organisation wäre eine Analyse wünschens-
wert, wie sich diese mit anderen Kontexten verwebt, etwa mit verschiedenen Dis-
ziplinen oder mit anderen Organisationsformen, denn es ist ein Ergebnis unserer
Analysen, dass sich gerade die (scheinbar) distinkten Organisationsformen „Uni-
versität“, „außeruniversitäre Forschungseinrichtung“ und „neue Organisationsfor-
men (SFBs, Exzellenzcluster) in der Praxis nicht trennen lassen, weil die For-
schenden aus verschiedenen organisationalen Kontexten im Arbeitsalltag nicht nur
eng miteinander zusammenarbeiten, sondern auch sehr oft über eine der Formen
(zum Beispiel Projekt A im Exzellenzcluster) nanziert sind, aber in einer anderen
Form (zum Beispiel Projekt B an der Universität) arbeiten oder sogar parallel
an beiden arbeiten. Zusätzlich wäre zu kren, wie Projekti zierung durch diese
verschiedenen Kontexte gebrochen oder überformt wird und sich dann auf andere
Handlungsebenen (zum Beispiel individuelle Karrieren) auswirkt.
Auf der Ebene der individuellen Karrieren wäre eine sozialstrukturelle Diffe-
renzierung wünschenswert: Wie wirkt sich Projekti zierung auf Personen unter-
schiedlichen Geschlechts (Gender), sozialer Herkunft (Class), Migrationshinter-
grund (Ethnicit y), Alters (Age) und Gesundheitszustands (Disabilit y) aus, und
wann, wo und wie wirkt hier Intersektionalität (Baur und Wagner 2014)?
Da wir uns in der Analyse auf zwei Handlungsebenen beschnkt haben, wäre
eine Analyse der synchronen und diachronen Wirkung der Projekti zierung über
mehrere Handlungsebenen hinweg wünschenswert, das heißt, die Ebenen des
(nationalen und globalen) Wissenschaftssystems, der einzelnen Arbeitseinheiten
(zum Beispiel Arbeitsgruppen, Forschungsprojekte) und der Interaktionssituatio-
nen im Forschungsalltag müssten systematisch mit einbezogen werden.
Eine besondere Herausforderung stellt das Verhältnis von Wissenschaft, Inno-
vation und Raum, da sich in unserer Empirie ebenfalls ergeben hat, dass (ohne,
dass wir danach gesucht hätten) Raum für Innovationsprozesse in der Wissen-
schaft auf allen Handlungsebenen relevant ist. So war in unserem Forschungs-
design ursprünglich angelegt, dass wir r die Standorte Berlin und München
verschiedene Organisationsformen (SFBs, Exzellenzcluster, Universitäten) syste-
matisch miteinander vergleichen. Ein erstes Ergebnis war, dass sich die Art der
Forschungsorganisation an einem Standort (unabhängig von der formalen Orga-
nisationsform) kaum unterscheidet, wohl aber (auch für dieselbe Organisations-
form) an verschiedenen Standorten. Damit bestätigen sich Ergebnisse aus der
Wirtschaftssoziologie, dass verschiedene Regionen nicht nur unterschiedliche In-
novationspotenziale aufweisen, sondern dass Standorte ihre relative Position im
internationalen Gefüge der regionalen Innovativität“ seit dem 16. Jh. über jede
(wirtschaftliche) Krise hinweg erfolgreich reproduzieren. Ansätze wie die Inter-
398 Nina Baur, Cristina Besio und Maria Norkus
national Business Studies“ (IB) und die Regional Innovation Systems“ erklä-
ren dies durch eine historisch gewachsene lokalspezi sche Kombinationen von
Institutionen, Forschungseinrichtungen, Wirtschaftsstruktur und Infrastrukturen
(Heidenreich und Mattes 2012; Heidenreich und Baur 2015), die maßgeblich die
Leistungsfähigkeit einer Region beein ussen. Die „Ökonomie der Konventionen
ergänzt, dass lokale Anbieter und Nachfrager gemeinsame Glaubenssätze darüber
entwickeln, so dass (Innovations-)Praktiken und deren Rationalität lokalspezi sch
variieren (Baur et al. 2014a). Weiterhin hat die Lebensstilforschung gezeigt, dass
sich Menschen mit modernen Lebensstilen, die gerne Neues ausprobieren, sich
bevorzugt in bestimmten Regionen und in Großstädten ansiedeln (Otte und Baur
2008). Diese Faktoren scheinen sich wiederum wechselseitig zu stabilisieren und
die Grenzen von Regionen zu verfestigen. Wie aber Lebensstile, Wissenschafts-
und Wirtschaftspraktiken lokal zusammenwirken und welche Gemeinsamkeiten
und Unterschiede es zwischen lokalen Konventionen gibt, ist eine Frage für die
nftige Forschung.
399Organisationale Innovation am Beispiel der Projekti zierung
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... Dies ist entscheidend, denn unternehmerische Gruppen Die Bewertung als neu ist im Wesentlichen von einer Unterscheidung zwischen alt und neu getrieben (Knoblauch 2016, S. 116). Es geht darum, dass die Umwelt den "Bruch in der Verlaufsform" ( Baur et al. 2016, S. 142), einen Unterschied zum vorherigen Zustand auch wahrnimmt und anerkennt. Für eine retrospektive Bewertung als innovativ bedarf es dazu einer Durchsetzung, also einer Replikation und Nachahmung durch andere Akteure wie unternehmerische Gruppen. ...
... Die wissenschaftliche Wissensproduktion vollzieht sich heute innerhalb unterschiedlicher Organisationstypen wie Universitäten, außeruniversitären Großforschungseinrichtungen, Industrielaboratorien, Beratungsunternehmen, Regierungsbehörden usw., die die formalen Bedingungen der Arbeit (Arbeitsverträge, Arbeitsstrukturen, Zuteilung von Ressourcen wie Räumen, Laboren, Geräten usw.) gestalten. Quer hierzu hat sich das Forschungsprojekt als eine neue Organisationsform von Forschung spätestens seit den 1980ern durchgesetzt (Besio 2009;Baur/Besio/Norkus 2016): Heutzutage werden Forschungsprojekte in fast allen akademischen Disziplinen durchgeführt und sind meist aus Drittmitteln finanziert. Sie sind auch die bevorzugten Koordinationsmechanismen für inter-oder transdisziplinäre Forschung, die die Grenzen zwischen verschiedenen Organisationen und wissenschaftlichen Feldern überschreitet. ...
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Projekte unterscheiden sich vor anderen organisationalen Strukturen dadurch, dass es sich bei ihnen um temporäre Arrangements handelt, die fest umrissene Aufgaben, einen klar definierten Anfang und ein bereits von vornherein feststehendes Ende aufweisen, d.h. die einmalig und für einen begrenzten Zeitraum ein je spezifisches Set von Personal, Techniken und anderen Ressourcen bündeln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Projekte in soziale Kontexte eingebettet sind und dass die Beziehung zwischen Projekten und ihren Kontexten rekursiv verläuft: Projekte sind bedingt von den Kontexten, in denen sie verankert sind, und tragen ihrerseits dazu bei, diese Kontexte zu formen. Am Beispiel von Forschungsprojekten und aus der Perspektive der Luhmannschen Systemtheorie analysiert der Beitrag, wie sich das zentrale Merkmal von Projekten – die zeitliche Befristung – auf die Projektkontexte auswirkt., also auf Organisationen, wissenschaftliche Karrieren und die Wissenschaft als Ganzes. Der Beitrag zeigt, dass der Hauptvorteil von projektförmiger Arbeit auf allen drei Ebenen darin besteht, Forschenden die Konzentration auf ihre Forschung sowie die effektive Bearbeitung klar definierter Fragestellungen in sequenzieller Abfolge zu ermöglichen Hauptrisiken projektförmiger Arbeit sind die Fragmentierung der Wissenschaft, Wissenserhalt über den Projektverlauf hinaus und Diskontinuität von Berufsverläufen und eine damit einhergehende Beschäftigungsunsicherheit, wobei diese Risiken miteinander verwoben sind. So erschwert die Diskontinuität von Karrieren den Wissenserhalt und treibt damit die Fragmentierung der Wissenschaft weiter voran. In Anlehnung an Luhmann lässt sich sagen, dass Effekte nicht linear sondern „Irritationen“ sind, die durch den irritierten Kontext gefiltert werden: Weder organisationale Strukturen noch Karrieren noch wissenschaftliche Thesen werden durch Projekte determiniert, vielmehr eröffnet projektförmige Arbeit neue Chancen und neue Risiken für Wissenschaftsorganisationen, das wissenschaftliche Personal und die Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Für die Forschungspraxis lässt sich schlussfolgern, dass das zentrale Problem nicht darin besteht, sich zwischen temporären und dauerhafteren Strukturen zu entscheiden, sondern in der Frage, mit welcher Kombination von temporären und dauerhaften Strukturen sowohl Autonomie der Wissenschaft als auch Wissensakkumulation zu gewährleisten sind.
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Dieser Beitrag rückt den aktuellen Paradigmenwandel in der Forschung zu Unternehmertum in den Mittelpunkt. Unternehmerisches Handeln wird verstanden als kollektives Handeln unternehmerischer Gruppen. Eine Engführung von Innovation im Diskurs zu Unternehmertum, so wird gezeigt, verhindert es, die innovative Kapazität unternehmerischer Gruppen passend zu greifen. Neue Perspektiven auf Innovation können dieses Spannungsverhältnis begrifflich auflösen, wie am Ansatz von Sensemaking und Sensegiving sowie reflexiver Innovation gezeigt wird.
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This paper argues that, from the perspective of the sociology of knowledge, science is not as clearly demarcated from other knowledge formations as a large part of science studies or the philosophy of science claim. Rather, the rise of the knowledge society not only results in a dissemination of science, scientific knowledge and practices into society, but also and consequently in a transgression of the boundaries of science itself. Since the boundaries of science become a problem, we need a new empirical theory of science, which combines the normative perspective of the Philosophy of Science with the descriptive, empirical and sociological perspective of Science Studies in order to critically clarify what we want to consider as scientific.
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Dieses Open-Access-Buch präsentiert ein praxistheoretisches Konzept, das die Analyse verschiedener Aspekte und Formen kollektiven Handelns ermöglicht. Im Zentrum steht die Erweiterung des Handlungsverständnisses bei Anthony Giddens für Kollektive. Dabei werden Ansätze der Klassiker, der Organisations- und Bewegungsforschung sowie der jüngeren Debatten in Sozialtheorie und Philosophie integriert und miteinander verbunden. Heute wird eine neue Vielfalt an Formen kollektiven Handelns thematisiert, traditionelle Formen werden dagegen in Frage gestellt. Die vorgeschlagene Grundidee lautet: Lösen wir uns vom bisherigen Fokus auf stabile Kollektivakteure, gerät die fragile Praxis kollektiven Handelns in den Blick. Praxistheorien erhalten derzeit große Aufmerksamkeit. Sie haben zur Handlungsfähigkeit von Kollektiven bislang jedoch wenig zu sagen. Das Buch füllt diese Leerstelle und hat dabei stets die Anwendbarkeit für empirische Analysen im Blick. https://link.springer.com/book/10.1007%2F978-3-658-24945-8
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Kollektives Handeln ist ein Phänomen multipler Koordination. Die Konstitution kollektiven Handelns zu analysieren, meint die Arten und Weisen zu bestimmen in denen das wechselseitig koordinierte Verbinden von Aktivitäten, basierend auf den kompetenten Aktivitäten situierter Akteure, die sich auf die Regeln und Ressourcen vielfältiger Handlungskontexte stützen können, in alltäglichen Interaktionen produziert und reproduziert wird (in Anlehnung an Giddens 1984: 25). Will man die Konstitution kollektiven Handelns praxistheoretisch verstehen und erklären, ist es daher zunächst bedeutsam, die praxistheoretische Grundfigur der Konstitution des Sozialen in der Dualität von Struktur für das Kollektivhandeln zu spezifizieren.
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Die im Folgenden entwickelte Heuristik kollektiven Handelns basiert auf einem strukturationstheoretisch informierten Begriff der Agency. In einem ersten Schritt wird das Konzept systematisiert und verschiedene Aspekte sowie Formen von Agency unterschieden. In einem zweiten Schritt erfolgt dann eine Übertragung dieser Aspekte und Formen von Agency auf die Ebene des Kollektivhandelns. Abschließend wird die Abgrenzung des so entstandenen Konzepts des Kollektivhandelns zu anderen Kollektivbegriffen diskutiert. Neben einer Vielzahl kleinerer Beispiele wird dabei für eine komplexere Illustration der bereits eingangs erwähnte Fall eines interorganisationalen Netzwerks in der Katalyseforschung herangezogen.
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Bereits früh vertrat Tilly (1977) die These einer tiefgreifenden Prägung von Grundfragen kollektiven Handelns durch die Klassiker der Sozialwissenschaften. Dies ist nicht verwunderlich, stellt doch, bei aller gebotenen Vorsicht in der Verengung des klassischen Kanons, die Trias aus Weber, Durkheim und Marx Sozialwissenschaftlern bis heute Narrative spezifischen soziologischen Denkens zur Verfügung (vgl. Baehr 2002), die in sozialwissenschaftlichen Debatten als Allegorien verwendet werden (Kemple 2014: 4ff.). Ihre grundlegenden Schriften liefern bis heute spezifische Komplexe aufeinander bezogener Grundbegriffe, damit verbundene, umfassende Deutungsangebote und nicht zuletzt klassische Formen der Performanz soziologischer Analyse (ebd.).
Article
Der Text befasst sich mit der Spezifik in der diskursiven Ausgestaltung von Innovation mittels eines Vergleichs mit anderen Formen des menschengemachten Neuen: Reform und Revolution. Ausgehend von einem systemtheoretischen Innovationsverständnis als Zweiheit aus Strukturänderung und Semantik, wird der Vergleich anhand zentral prägender, klassischer Texte entfaltet. Unter Rekurs auf ein derartiges Verständnis von Innovation können wir die spezifische Präferenz zur Innovation in einigen gesellschaftlichen Bereichen (etwa der Wirtschaft) sowie ihre zunehmende Ubiquität, ihre heutige umfassende Bedeutung erklären.
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The authors first discuss how the research trias of the research field “organization”, the research question and social theory influence data analysis and how data analysis is embedded in the whole research process. Two important questions to be considered during data analysis are how the definition of cases and the field/population and how data collection influence and restrict data analysis. The authors then discuss some procedures of data analysis they consider especially useful for organizational research. For quantitative research, they discuss three types of multivariate statistics, namely cluster analysis, hierarchical linear modeling (HLM) and structural network analysis (SNA). For qualitative research, they discuss qualitative content analysis and social hermeneutics (sociology of knowledge approach towards hermeneutics). For each data analysis procedure, an example shows the procedure’s theoretical potential.
Chapter
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While writing this chapter I happened to read an article in a Berlin newspaper about a meeting of a group called Berliner Innovation ConSensus, comprising organizations such as Shell, Google, Deutsche Bank, and the Federal German Ministry of Education and Research. The goal of this consortium is solely to inspire innovation of whatever kind. In some respects this is precisely the topic that I will be discussing in this contribution.
Chapter
Project management involves the processes of managing change by planning the work, executing it, and coordinating the contribution of the people and organizations with an interest in the project.
Chapter
Qualitative, leitfadengestützte Interviews sind eine verbreitete, ausdifferenzierte und methodologisch vergleichsweise gut ausgearbeitete Methode, qualitative Daten zu erzeugen. Leitfadeninterviews gestalten die Führung im Interview über einen vorbereiteten Leitfaden, Experteninterviews sind definiert über die spezielle Auswahl und den Status der Befragten.
Chapter
Unter Dokumenten sollen in diesem Kapitel natürliche Daten verstanden werden, die in schriftlicher Form als Texte vorliegen. Dokumente sind insofern natürliche Daten, als dass sie nicht zu Forschungszwecken und ohne die Beteiligung oder Intervention der Forschenden entstanden sind.