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Medienpädagogik und Medienbildung – zur Konvergenz der Wissenschaft von der Medienkompetenz

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Abstract

„Medienpädagogik“ als wissenschaftliche Disziplin lässt sich zunächst und auf den ersten Blick der Erziehungswissenschaft zuweisen. Dafür spricht ihr Namensbestandteil „Pädagogik“, als die sich die Erziehungswissenschaft bis zur Wende hin zu einer (bloßen) empirischen Sozialwissenschaft in den 1960er Jahren (vgl. Brezinka 1971; Büttemeyer/Möller 1979; Tenorth 2010) selbst bezeichnet. Als Pädagogik nimmt die Medienpädagogik Prozesse der Erziehung und Bildung unter dem Aspekt des Medialen in den Blick.
Erschienen in: Karmasin, Matthias/Rath, Matthias/Thomaß, Barbara (Hrsg.):
Kommunikationswissenschaft als Integrationsdisziplin. Wiesbaden: VS 2013,
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Medienpädagogik und Medienbildung
zur Konvergenz der Wissenschaft von der Medienkompetenz
Gudrun Marci-Boehncke/Matthias Rath
„Medienpädagogik“ als wissenschaftliche Disziplin lässt sich zunächst und auf
den ersten Blick der Erziehungswissenschaft zuweisen. Dafür spricht ihr Na-
mensbestandteil „Pädagogik“, als die sich die Erziehungswissenschaft bis zur
Wende hin zu einer (bloßen) empirischen Sozialwissenschaft selbst bezeichnet.
Als Pädagogik nimmt die Medienpädagogik Prozesse der Erziehung und Bil-
dung unter dem Aspekt des Medialen in den Blick.
Wissenschaftstheoretisch können wir zwischen dem Materialobjekt und
dem Formalobjekt einer Wissenschaft unterscheiden. Dabei ist das Materialob-
jekt als die Realität anzusehen, über die eine Wissenschaft spricht. Das Formal-
objekt hingegen meint die spezifische Perspektive einer Disziplin auf dieses
Objekt.
Damit scheint entschieden, Medienpädagogik ist zunächst eine Päda-
gogik, ihr Materialobjekt ist der erziehungs- und bildungsfähige, aber daher
auch erziehungs- und bildungsbedürftige Mensch, ihr Formalobjekt ist dieser
Mensch, sofern er
mit Medien erzogen wird bzw. sich bildet bzw.
im Hinblick auf Medien erzogen wird bzw. sich bildet.
In zweifacher Weise wird Integration hier relevant:
1. Ist Medienpädagogik selbst eine integrative Disziplin, die, weil ihr Objekt
eben Mensch und Medien umfasst, neben der Pädagogik (oder eine sich al-
lein empirisch wähnende Erziehungswissenschaft) auch andere Wissenschaf-
ten und ihre Erkenntnisse integrieren muss oder zumindest sollte? Dann wä-
re diese Integrationsleistung im Formalobjekt zu leisten, da, wo Medialität
medienpädagogisch zum Tragen kommt. | [118]
2. Oder ist Medienpädagogik (auch) in die Kommunikations- und Medienwis-
senschaft integrierbar, weil diese ihrerseits den medialen Akteur eben auch
im Hinblick auf Erziehung und Bildung zu denken hätte? Dann wäre die
Medienpädagogik für die Kommunikations- und Medienwissenschaft ein In-
tegrationskandidat im Materialobjekt, sofern die Kommunikations- und Me-
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dienwissenschaft den medialen Akteur als einen zu denken hätte, der Medien
nicht einfach nutzt, sondern dieses Nutzen biographisch erwirbtmehr oder
weniger gut“, was als Bewertungskategorie auch erst noch zu definieren
wäre.
Der erste Gedanke, die Integration medienrelevanter Erkenntnisse an-
derer Disziplinen in die Medienpädagogik, ist eher simpel und quasi selbstver-
ständlich. Medienpädagogik hat diese Integrationsleistung mit anderen speziel-
len Pädagogiken gemein wie z. B. der Wirtschaftspädagogik.1
Im Vergleich dazu ist der zweite Punkt von höherem Reiz: Denn dieser
Aspekt des Integrierens einer Disziplin, die sich um eine bessere“ oder
schlechtere“ Form der Nutzung zu kümmern hätte, bringt auch wissenschafts-
systematisch etwas Neues in die Kommunikations- und Medienwissenschaft
ein: den Aspekt des Normativen, eine Sollens- oder Zielperspektive, die eine
sich allein deskriptiv-empirisch verstehende Kommunikations- und Medienwis-
senschaft aus begründungslogischen Gründen nicht zu leisten im Stande ist (vgl.
Karmasin 2000; Rath 2000a; Rath 2006; Karmasin/Rath/Thomaß 2013). Die
strenge Trennung von Sein und Sollen gehört seit David Hume zum Kernbe-
stand der Wissenschaftstheorie und der logische Denkfehler, der der naiven
Ableitung von Sollensforderungen aus Seinsfeststellungen zugrunde liegt, wird
als „naturalistischer Fehlschluss“ dem angehenden Empiriker schon im ersten
Methodenseminar als Menetekel an die Wand gemalt.
Foucault (1990) hat in seinen Untersuchungen zur Konstitution neu-
zeitlicher Humanwissenschaften darauf hingewiesen, dass die „Menge von
sprachlichen Per- | [119] formanzen“ (Foucault 1990: 156), die von „derselben
Sache“ (ebd.: 183) sprechen, wissenschaftliche Disziplinen als „diskursive For-
mation“ (vgl. ebd.: 58) definieren. Vielleicht macht ein Blick auf die „sprachli-
chen Performanzen“ zu den konstituierenden Leitbegriffen dieser Formation den
„integralen“ Charakter der Medienpädagogik im Zusammenhang mit der KW
deutlicher.
1 Allerdings, und das sei nur am Rande zumindest notiert, die Medienpädagogik ist nicht eine
Fachdidaktik. Das Verhältnis dieser Didaktiken zu den Bezugswissenschaften ist eine andere,
ihnen geht es um die Vermittlung der fachwissenschaftlichen Inhalte im Rahmen unterrichtlicher
Lehr-/Lernsettings. Solche fachwissenschaftlich bereit zu stellenden Inhalte sind das
Materialobjekt der Fachdidaktik und sie reflektiert diese Inhalte unter dem Blickpunkt der
Vermittelbarkeit. Insofern gehören Fachdidaktiken auch originär zu ihren jeweiligen
Fachwissenschaften die erziehungswissenschaftlichen Erkenntnisse müssen von den
Fachdidaktiken dagegen integriert werden. Das macht übrigens auch den Unterschied der
Fachdidaktiken zur Allgemeinen Didaktik aus. Als erziehungswissenschaftliche Disziplin ist ihr
Materialobjekt ebenfalls der erziehungs- und bildungsfähige, aber daher auch erziehungs- und
bildungsbedürftige Mensch, ihr Formalobjekt ist diese Bildbarkeit unter dem Blickpunkt der
Möglichkeiten, Grenzen und Sinnhaftigkeit von Vermittlung überhaupt (vgl. Klafki 1985).
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Seit 2009 ist eine interessante Diskussion aufgebrochen, in der die Fra-
ge nach den eigentlichen „medienpädagogischen Leitbegriffenrege behandelt
wird. Der Diskurs, der von den Medienpädagogen Bernd Schorb (2009a), Dieter
Spanhel (2010) und Gerhard Tulodziecki (2010) in der medienpädagogischen
Fachzeitschrift Merz Medien und Erziehung angestoßen und rege weiterge-
führt wurden (vgl. Moser/Grell/Niesyto 2011) und immer noch wird, vermittelt
den Eindruck einer grundlegenden, zumindest dichotomen Orientierung: der
Position der Bildungstheoretiker und der Position der Kompetenztheoretiker.
Machen die Einen vor allem den Bildungsaspekt stark, der in der Pädagogik und
Erziehungswissenschaft selbst schillernd ist, so betonen die anderen den Kom-
petenzbegriff, der nicht nur der aktuellen Kompetenzdiskussion überhaupt ent-
spricht, sondern im von dem Medienpädagogen Dieter Baacke (1996) profilier-
ten Begriff „Medienkompetenz“ seit den 1990er Jahren den Kernbestand medi-
enpädagogischer Begriffsbildung ausmacht.2 Gerhard Tulodziecki (2010) hat
einen Vermittlungsversuch vorgelegt, der Medienbildung als Prozessbegriff und
Medienkompetenz als Zielvorstellung fasst.
Für uns interessant wird die Thematik unter folgenden Aspekten:
In welcher Weise wird hier von Medienpädagogik gesprochen: als eigen-
ständige wissenschaftliche Formation, als Teildisziplin einer umfassenderen
Wissenschaft oder als Handlungsfeld, in dem verschiedenen Wissenschaften
sich wiederfinden können?
Welche Disziplinen lassen sich noch benennen, die mit der Disziplin Medi-
enpädagogik das Handlungs- und Forschungsfeld teilen? Hier müsste freilich
die Kommunikations- und Medienwissenschaft einen prominenten Platz ein-
nehmen, sollte man die Medienpädagogik in der Kommunikations- und Me-
dienwissenschaft verorten.
Welche wissenschaftstheoretische Basis kann formuliert werden, um mögli-
che Leitbegriffe auf ihre Angemessenheit hin zu befragen?
Lässt sich ein tragfähiger Grundkonsens voraussetzen, von dem aus diese
Diskussion zu führen wäre?
| [120] Diese Fragestellungen machen bereits deutlich, dass Medienpä-
dagogik keineswegs nur und ausschließlich als Formation im Sinne Foucaults
verstanden werden kann, die als institutionalisierte Wissenschaft sich ihrer eige-
nen Diskurse bedient. Sondern mit gleicher Berechtigung lassen sich zumindest
medienpädagogische Bezüge in anderen Disziplinen finden. Wir können auch
sagen, viele Disziplinen haben mit der Medienpädagogik (verstanden als Diszip-
lin) das Materialobjekt gemein. Dies meint z. B. der Wissenschaftsrat (2007),
2 Allerdings gibt es gute Argumente, den Begriff der Medienkompetenz auch von der Pädagogik
unabhängig zu sehen, nämlich als normative Zielkategorie der Kommunikations- und Medienwis-
senschaft. Vgl. hierzu Rath (2013).
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als er von einem medien- und kommunikationswissenschaftlichen Feld und von
den Medien- und Kommunikationswissenschaften im Plural sprach (vgl. Marci-
Boehncke/Rath 2009).
Wir wollen diese Fragen allerdings in einer etwas anderen Reihenfolge
angehen. Zunächst fragen wir nach dem tragfähigen Grundkonsens. Danach
werden wir kurz die Fragen nach der Medienpädagogik als Wissenschaft und
ihrer benachbarten Disziplinen zumindest anreißen, um dann abschließend die
Frage nach der wissenschaftstheoretischen Basis anzugehen, von der aus mögli-
che Leitbegriffe auf ihre Angemessenheit hin zu befragen wären. Daraus sollte
sich dann ableiten lassen, wie das integrative Verhältnis von Medienpädagogik
und KMW zu denken wäre.3
1. Lässt sich ein tragfähiger Grundkonsens voraussetzen, von dem aus
diese Diskussion zu führen wäre?
So dichotom die oben beschriebene Gegenüberstellungen in den Beiträgen von
Schorb und Spanhel erscheinen mögen, sie erhalten ihr Gewicht aus einer im
erkenntnistheoretischen Sinne Konstruktion“ (vgl. Hug 2011). Wie Spanhel
(2010: 49) völlig richtig schreibt: „Begriff sind Theorien“. Auf der anderen
Seite bedürfen die Begriffe, in denen sich implizit das Gesamtkonstrukt der
theoretischen Grundlegung einer Disziplin ausdrückt, der phänomenalen Rück-
bindung an Welt und Wirklichkeit. Und wir meinen, diese phänomenale Basis
lässt sich an einem konkreten Beispiel der letzten Zeit festmachen, nämlich dem
Medienpädagogischen Manifest (2009) „Keine Bildung ohne Medien!“.
Mag diese gemeinsame Plattform Manifestdem einen oder anderen
eher zufällig erscheinen, sie ist angesichts einer kulturhistorisch nachvollziehba-
ren Tendenz im Umgang und in der Bewertung von Medien eine explizite For-
derung, Medienbildung nachhaltig zu institutionalisieren. Denn trotz vielfältiger
Medien- | [121] projekte, trotz der unzweifelhaft zu konstatierenden volkswirt-
schaftlichen, sozialen und kulturellen Bedeutung der Medien in der ganzen
Breite dieses Begriffs (vgl. Bonfadelli 2002; Pross 1972) sind wir über die be-
wahrpädagogische Attitüde, Bildungsinstitutionen zu medienfreien Zonen zu
erklären (allerdings mit besonderer Betonung des „guten Buchs“), noch nicht
weit hinaus gekommen. Angefangen von der Klage Platons gegen einen Verfall
der Sitten durch die Einführung der Schrift in seinem Dialog Phaidros über
Campes Mahnung von 1783 gegen Romane und Lesewut, vor allem der Frauen,
3 Ausführlicher zu den folgenden Ausführungen unter dem Blickpunkt der Konvergenz von
Medienpädagogik, Kommunikations- und Medienwissenschaft und Fachdidaktiken vgl. Marci-
Boehncke/Rath (2009; 2011).
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in seinem Ratgeber Theophron bis hin zur „Schmutz und Schund“-Debatte im
20. Jahrhunderts gegen Jugendbücher (vgl. Kerlen 2005: 54-60) und gegen das
Kino (vgl. Hausmanninger 1993), zur Fernseh- und Comic-Verteufelung nach
1945, zum „Kölner Aufruf gegen Computergewalt“ (2008), der verschwörungs-
theoretisch einen „militärisch-industriell-medialen Komplex“ zum Ausgangs-
punkt einer vorsätzlichen, gewaltgenerierenden Medienverführung der Jugend
macht, bis hin zum jüngsten Rundumschlag von Spitzer (2012), der die Nutzung
moderner Medien undifferenziert als verhängnisvollen Weg in die „digitale
Demenz“ beschreibt stets war die Reaktion gesellschaftlicher Meinungsfüh-
rerschaft auf neue Medien und die (meist jugendliche) Mediennutzung hyste-
risch negativ.
Dietrich Kerlen hat in seinen kulturhistorischen Studien zu Jugend und
Medien in Deutschland hierfür den Begriff der „Medienmoralisierung“ (Kerlen
2005: 42; Kerlen 2006: 178) geprägt. Er bezeichnete damit den „Dünkel bil-
dungsbürgerlicher Kulturideale“ (Rath 2006: 192) als Maßstab der gesellschaft-
lich-ideologischen Bewertung jeweils historisch neuer medialer Aneignungs-
prozesse. Unter dem Eindruck solcher Medienmoralisierung zeigt sich in der
Forderung, medienkompetenzbildende Lehr-/Lernprozesse nachhaltig zu institu-
tionalisieren und zu sichern, das Gemeinsame der konzeptionell vielfältigen
„Medienpädagogiken“. Obwohl die beteiligten Erstunterzeichner des Manifests
(2009) und noch mehr die späteren UnterstützerInnen aus ihrer jeweiligen wis-
senschaftlichen Herkunft einen je anderen Begriff von Medienpädagogik anset-
zen, scheint sich als reale Basis des Manifests ein einigendes Band abzuzeich-
nen: Neue, bisher distinkte Funktionen verschmelzende Medien, gesellschaftli-
che und individuellen Möglichkeiten und Risiken der Mediennutzung und ein
grundsätzlicher Ausgangspunkt, nämlich „medienkompetentes Handeln“, bilden
die gemeinsame Ausgangsbasis des Papiers. Weil die InitiatorInnen des Mani-
fests in ihrem Text nicht begrifflich, sondern phänomenal(vgl. Rath 1988)
argumentieren, können sie sich zu einer gemeinsamen Reaktion zusammen
finden.
Fragen wir aber, was daraus wie und in welcher disziplinären Verant-
wortung folgt, tut sich die Kluft zwischen den jeweiligen Bestimmungen von
„Medienpädagogik“ auf. Diese Kluft zeigt sich zunächst in der Bezeichnung.
Medienerziehung, Medienbildung, Mediensozialisation, Lehren und Lernen mit
Medien, Mediendidak- | [122] tik und andere Ausdrücke beschreiben ein Wort-
feld, in dem die Unterschiede nun wieder größer erscheinen als die gemeinsame
Realität, auf die sich diese Ausdrücke beziehen.
Debatten über terminologische Abgrenzungen sind innerdisziplinär
und bis hierher handelt es sich noch um eine innerdisziplinäre Debattenicht
sinnlos. Durch sie werden die hinter der terminologischen Verwendung stehen-
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den Konzepte geschärft: „Begriff sind Theorien“. Darüber hinaus haben termi-
nologische Abgrenzungen aber auch die Funktion, fachwissenschaftlichen Ei-
genstand zu dokumentieren: innerdisziplinär gegen andere „Schulen“, vor allem
aber außerdisziplinär gegen die gefühlte Vereinnahmung durch andere Wissen-
schaften.
Für den Moment und im Hinblick auf unser Thema hier schlagen wir
mit Schorb (2009b) vor, dieses Materialobjekt, diese gemeinsame Realität des
Medienumgangs von Menschen, als Medienaneignung zu bezeichnen, da dieser
weite Terminus sowohl die verschiedenen Umgangsarten, z. B. Auswahl, Kon-
sum, Nutzung, Rezeption, Gestaltung, Reflexion, umfasst als auch offen lässt,
wie diese Aneignung zu denken ist als selbstständiger Bildungsprozess oder
als Prozess der Vermittlung und was dann gegebenenfalls unter Vermittlung
zu verstehen sei (vgl. hierzu auch aus der Perspektive der cultural studies Hart-
mann 2008).
Die spezifische Perspektive (Formalobjekt) der Medienpädagogik als
Disziplin unterscheidet sich jedoch von anderen medienaffinen Zugängen. Un-
abhängig von der basisterminologischen Präferenz ist die maßgebliche Perspek-
tive medienpädagogischer Reflexion und Praxis auf die Persönlichkeitsentwick-
lung (vgl. Hüther 2009: 212) oder die Mediensozialisation normativ. Dies unter-
scheidet den medienpädagogischen Blick von anderen Disziplinen des medien-
und kommunikationswissenschaftlichen Forschungsfeld, z. B. Mediensoziologie
und Medienpsychologie. Und vermeintlich entscheidet diese Normativität auch
über die Integrierbarkeit von Medienpädagogik in die KMW. Doch so einfach
ist es denn doch nicht.
Das Handlungsfeld nämlich, in dem diese Perspektive, dieses Formal-
objekt, realisiert wird, und die Terminologie, mit der dieses medienpädagogi-
sche Blick bezeichnet wird, ist nicht auf eine Disziplin allein und auf einen
Basisbegriff allein festlegen. Die eben genannten Bereiche Medienerziehung,
Medienbildung, Mediensozialisation, Lehren und Lernen mit Medien, Medien-
didaktik haben ebenfalls diese normative Perspektive und finden sich zumindest
in anderen pädagogischen Teildisziplinen ebenso wie in Fachdidaktiken, die in
Bezug auf Medien Vermittlungs- und Aneignungsprozesse thematisieren. Bei-
spiele sind innerpädagogisch die Erwachsenenbildung, die Sozialpädagogik, die
Berufspädagogik, fachdidaktisch die Informationsdidaktik, die ökonomische
Bildung oder Wirtschaftsdidaktik, die Mathematikdidaktik und natürlich die
Deutschdidaktik. Alle diese Disziplinen haben eben die Formalobjekt-
Perspektive der Medienpädagogik als | [123] wissenschaftliche Formation. Wir
bezeichnen daher diese gemeinsame normative Intention der Hilfe zur Medien-
aneignung als „Medienpädagogik im weitesten Sinne“.
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2. In welcher Weise wirdMedienpädagogik als Handlungs- und For-
schungsfeld betrieben und welche Disziplinen lassen sich dabei benen-
nen?
In Deutschland (vgl. Hüther/Podehl 2005) und im deutschsprachigen Raum
überhaupt (vgl. z. B. für Österreich Paus-Hasebrink/Hipfl 2005) ist Medienpä-
dagogik in unterschiedlicher Richtung aus verschiedenen Bezugswissenschaften
entstanden. Medienpädagogik ist mit der allgemeinen Pädagogik verbunden,
definiert sich hier als eine Teildisziplin mit besonderem Gegenstands- und
Handlungsfeld. Die Bezugsgruppe ist Teilmenge derjenigen, die allgemein von
der Pädagogik avisiert wird: Es sind die Mediennutzenden unter den Lernenden.
Ziel ist, im Hinblick auf Medien in pädagogischer Hinsicht vernünftige Hand-
lungsoptionen und -kompetenzen zu vermitteln.4
Allerdings sind disziplinäre Zuweisungen nur bedingt einer disziplinä-
ren Logik geschuldet. Gehen wir daher lieber den von Foucault genannten Per-
formanzen nach, die Wissenschaften als Formationen allererst konstituieren.
Wie zeigt sich Medienpädagogik also als Wissenschaft?
Medienpädagogik konstituiert sich an Hochschulen nicht nur als Teil-
bereich der klassischen Fachwissenschaften, sonder auch in Studiengängen.
Gerade im Bologna-Prozess sind zahlreiche thematische BA- oder MA-Studien
gänge entstanden, die nicht mehr fächerspezifisch organisiert sind. Medienpä-
dagogik wird darin zu einem Bestandteil unter der Vorgabe eines meist hand-
lungsorientierten Abschlusses. So weist die Homepage Medienstudienführer
(www.medienstudienfuehrer.de), Stand Februar 2013, 608 Studiengänge im
deutschsprachigen Raum auf, die sich im weitesten Sinne mit Medien beschäfti-
gen. Davon sind nur 17 expli- | [124] zit als Medienpädagogik tituliert, aber in
mindestens 30 ist in irgendeiner Weise Medienpädagogik involviert. Unabhän-
gig davon sollen inzwischen alle Lehramtsstudiengänge gemäß der Forderung
nach Medienkompetenzvermittlung in den einzelnen Bundesländern bzw. Kan-
tonen Medienpädagogik als integralen Bestandteil aufweisen.
4 Außerdem steht Medienpädagogik auch in einer gewissen Nähe zu der jeweiligen Fachdidaktik
unterschiedlicher Gegenstandsbereiche, vor allem des Faches Deutsch, das sich zeichentheoretisch
und inhaltlich nicht so sehr institutionell, wie die Medienwissenschaft oder Publizistik mit
Medien als Texten (eben auch als Vermittler von Werten) auseinandersetzt. Während die Fachdi-
daktik Deutsch fragt, wie die Lesbarkeit von Medien und ihre Handlungsoptionen als Kompeten-
zen einer Textwissenschaft (Sprache und Plot) vermittelbar sind, geht die Medienpädagogik ver-
stärkt der medialen Handlungspraxis nach und bringt diese in Bezug zu Prinzipien sozialen, tech-
nischen, ästhetischen und normativen Lernens. Dem kann hier nicht intensiver nachgegangen
werden, vgl. hierzu Marci-Boehncke/Rath (2011).
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Diese Vielfalt der wissenschaftlichen Bezüge spiegelt sich u. a. in der
Struktur verschiedener Berufs- und Fachverbände wieder. In ganz unterschiedli-
chen Settings wird dort Medienpädagogik integriert, als Forschungszweig neben
anderen (so in der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Me-
dienwissenschaft SGKM), als Fachdisziplin unter anderen (so in der Deutschen
Gesellschaft für Erziehungswissenschaft DGfE) oder als Interessen- und The-
menfeld (so in der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikati-
onswissenschaft DGPuK und im Symposion Deutschdidaktik). Weitere Berufs-
und Fachverbände ließen sich nennen, z. B. die Gesellschaft für Medienpädago-
gik und Kommunikationskultur GMK und die Österreichische Gesellschaft für
Kommunikationswissenschaft ÖGK, die Gesellschaft für Pädagogik und Infor-
mation GPI, die Gesellschaft für Informatik GI und die Gesellschaft für Kinder-
und Jugendliteraturforschung GKJF, die alle medienpädagogische Fragestel-
lungen behandeln, ohne sie unbedingt in eine eigene Fachgruppendifferenzie-
rung zu institutionalisieren. Auch sind Vereine und Institutionen zu nennen wie
das Deutsche Jugendinstitut DJI und das Institut für Medienpädagogik JFF, wo
medienpädagogisch relevante Forschung geleistet wird.
Diese Wissenschaftsorganisation in Fachdisziplinen und Verbänden er-
fährt ihre Fortführung in den entsprechenden präferierten Publikationsorganen
und -medien. Drei weitgehend voneinander abgeschottet rezipierte Bereiche
lassen sich dabei unterscheiden:
§ Erziehungswissenschaftlich orientierte FachvertreterInnen präferieren pä-
dagogisch-erziehungswissenschaftliche oder pädagogisch-praktische Medi-
en wie z. B. Medien+Erziehung MERZ, MedienPädagogik Zeitschrift für
Theorie und Praxis der Medienbildung, Zeitschrift für Erziehungswissen-
schaft ZfE, medienconcret, Computer+Unterricht, Zeitschrift für Pädago-
gik, Medienimpulse oder Medienheft.
§ Die medienaffinen FachdidaktikerInnen bewegen sich ebenfalls in eigenen
Organen wie z. B. Didaktik Deutsch, Praxis Deutsch, IDE Informationen
zur Deutschdidaktik oder KJL&M.
§ FachvertreterInnen hingegen, die sich eher der sozialwissenschaftlichen
Kommunikations- und Medienwissenschaft zugehörig fühlen, nehmen, ab-
gesehen von internationalen Organen, im deutschsprachigen Bereich vor al-
lem Kommunikations- und Medienwissenschaft-Medien wahr wie z. B.
Publizistik, Me- | [125] dienJournal, Medien und Kommunikation, Studies
in Communication Sciences (früher Medienwissenschaft Schweiz).
Diese bereichsspezifischen Publikationsorgane setzen sich fort in eben
solchen Verlagen.
Die Kommunikation und Rezeption zwischen diesen verschiedenen
Plattformen scheint jedoch immer noch verhältnismäßig gering. Was auf den
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ersten Blick wie eine letztlich zufällige und hinzunehmende Differenzierung der
Disziplinen, Perspektiven, Kommunikationsplattformen und Rezeptionsstile
erscheint, hat nicht nur weitreichende Folgen für die disziplinäre Zersplitterung
medienpädagogisch relevanter Forschung und Praxis, sondern auch für die Re-
zeption dieser medienpädagogisch relevanten Forschung und Praxis.
3. Welche objektbezogene Basis lässt sich benennen, die das Verhältnis der
Medienpädagogik zu anderen Disziplinen begründen könnte?
Die vom Wissenschaftsrat (2007) für das kommunikations- und medienwissen-
schaftliche Forschungsfeld genannten Herausforderungen Digitalisierung, Ver-
netzung, Beschleunigung und Globalisierung sind nicht nur für eine deskriptive
Betrachtungsweise relevant, sondern die umfassen implizit handlungsleitenden
Bewertungen, die für den medienpädagogischen Objektbereich sprechen und
zugleich als Medienpraxis der Medienakteure Objekt kommunikations- und
medienwissenschaftlicher Forschung werden müssen:
§ Die Digitalisierung verändert die ontische Struktur medialer Produkte (vgl.
Rath 2003a) und ermöglicht damit die transmediale Nutzung digitalisierter
Inhalte.
§ Die Vernetzung medialer Angebote führt inzwischen auch auf NutzerInnen-
seite zu einer Medienkonvergenz (vgl. Wagner et al. 2004; Marci-Boehncke
2007), die zusammen mit der Digitalisierung die klassische Dichotomie von
passiv-rezeptiv und aktiv-produktiv aufhebt die Users werden mehr und
mehr zu Prod-users (vgl. Bruns 2006).
§ Die Beschleunigung medialer Angebote treibt ein handling gap zwischen
den NutzerInnen-Generationen hervor, angefangen von der Schnittge-
schwindigkeit aktueller Filmproduktionen, die vor allem älteren Medien-
nutzerInnen deutlich macht, wie hoch die ästhetische Rezeptionskompetenz
der jüngeren RezipientInnen ist, bis hin zur für Schriftkommunikation ehe-
mals explizit ausgeschlossenen Verständigung in Echtzeit (z. B. in SMS,
Chat, Twitter etc.), die | [126] eine hohe Tipp- und Rezeptionsgeschwindig-
keit verlangt (Gebhardt 2001; Höflich 2001).
§ Die Globalisierung schließlich ist die Resultante der vorgenannten Ent-
wicklungen (vgl. Möbius/Rath 2008). Medienangebot und Mediennachfra-
ge, Medienproduktion und Medienrezeption erfolgen weltweit, rund um die
Uhr und weitgehend unkontrollierbar (vgl. Rath 2003b). Insofern ist Medi-
enhandeln globalisiert und bedarf in mehrfacher Hinsicht der klassischen
Medienkompetenz im Sinne Dieter Baackes (1996): Technisch, weil Medi-
ennutzung eben auch und vor allem Nutzung medialer Technik ist, ästhe-
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tisch, weil Mediennutzung heute auch aktive Medienproduktion meint,
kognitiv, weil Mediennutzung ein differenziertes Wissen um die Medien-
struktur, sozioökonomische Zusammenhänge und mögliche Wirkungen und
Folgen medialen Handelns verlangt, und schließlich normativ, weil Medi-
ennutzung nicht nur die Frage nach dem Machbaren aufwirft, sondern auch
die Frage nach dem Wünschbaren.
Die konzeptionelle Füllung solcher Kompetenzfelder ist freilich recht
unterschiedlich möglich. Eine fruchtbare Konzeption muss die Medienpädago-
gik als Schnittfeld und Vernetzung unterschiedlicher Disziplinen fassen. Sie
geht damit über gängige Bestimmungen der Medienpädagogik als Bezugswis-
senschaft, Anwendungsdisziplin, Inter- oder gar Transdisziplinarität hinaus. Mit
dem Konzept, Medienpädagogik aktuell als konvergente Disziplin anzusehen
(vgl. Marci-Boehncke/Rath 2011a), machen wir das Materialobjekt zum be-
stimmenden Faktor der Wissenschaftssystematik: nämlich die Medienaneig-
nung.
Medienaneignung (und zwar nicht nur digitale Nutzung) ist in mehrfa-
cher Hinsicht konvergent: in Bezug auf die genutzten Medien selbst ebenso wie
in Bezug auf die technischen, ökonomischen und politischen Rahmenbedingun-
gen, unter denen Mediennutzung erfolgt (oder eben unmöglich gemacht wird),
in Bezug auf kulturelle, generationelle und genderspezifische Nutzungsformen
und schließlich in Bezug auf die medial produzierten, distribuierten und rezi-
pierten Medieninhalte.
Konvergenz meint hier eine Perspektive, die vor allem an der Rezipien-
tenseite orientiert ist und die medienübergreifende Praxis in den Blick nimmt,
und daher von der Crossmedialität ebenso wie von einem rein technischen oder
ökonomischen Konvergenzbegriff unterschieden werden muss. Spezifischer ist
die Verwendung des Konvergenzbegriffs im Sinne einer technischen Verbin-
dung distinkter Medien in einem neuen Medium (vgl. Kittler 1986), z. B. die
Interpretation des Tonfilms als Verbindung von Stummfilm und Grammophon
oder die Verbindung des Hörfunks, des Stummfilms und der Telegrafie zum
Fernsehgerät (vgl. auch Göschka/Radinger 2006). | [127]
Vor allem diese technische Bedeutung gewinnt unter den Bedingungen
der Digitalisierung und der digitalen Integration medialer Angebote völlig neue
Dimensionen. Die Produktion, das Produkt selbst, die Distribution und die Re-
zeptionsplattform sind in gewisser Weise digital gleichförmig geworden. Dies
hat Folgen für die Nutzungsmöglichkeiten und Nutzungsformen v. a. der jünge-
ren Generation (Hasebrink 2003). Medienkonvergenz im hier verwendeten Sinne
beschreibt sozusagen auf der Produktoberfläche, was in der Bedeutungszuwei-
sung beim Rezipienten als Intermedialität erscheint (vgl. Marci-Boehncke
2008). Konvergenz meint dann „vor allem technische, regulatorische und öko-
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nomische Dimensionen der Entwicklungen, die im Mediensystem vonstatten
gehen“ (Wagner/Theunert 2006, 17) und eine Annäherung medialer Systeme,
Inhalte und Rezeptionsformen ermöglichen.
Medienpädagogik als Disziplin, die diese Mediennutzung in den Blick
nimmt, wechselt zwischen den Perspektiven bzw. Formalobjekten sowie den
methodischen Zugängen anderer medienaffiner Disziplinen. Sie ist daher im
Sinne von Henry Jenkins (2006, 2f) selbst konvergent verfasst:
By convergence, I mean the flow of content across multiple media platforms, the coopera-
tion between multiple media industries, and the migratory behavior of media audiences
who will go almost anywhere in search of the kinds of entertainment experiences they want.
Convergence is a word that manages to describe technological, industrial, cultural, and
social changes depending on who’s speaking and what they think they are talking about.”
Zugespitzt gesagt: obwohl uns in der aktuellen kommunikations- und medien-
wissenschaftlichen und medienpädagogischen Forschung immer wieder und von
verschiedenen Seiten konvergente Nutzung vor Augen geführt wird, scheinen
die damit befassten Disziplinen wenig vernetzt und sogar innerdisziplinär
terminologisch z. T. sprachlos.
4. Fazit
Angesichts der konvergenten Struktur des Objekts all der hier thematisierten
disziplinären Zugänge ist die Integration der Medienpädagogik in die Kommu-
nikations- und Medienwissenschaft nicht nur möglich, sondern unumgänglich.
Konvergente Medienstrukturen erfordern eine konvergente wissenschaftliche
Praxis. Medienpädagogik als spezifische Wissenschaft „franst“ nicht an den
Rändern aus oder wird nicht „entgrenzt“ (vgll Klebl 2006), sondern sie muss
sich als Phänomen einer tiefergehenden Wissenschaftskonvergenz verstehen.
Medienbildung | [128] als bildungstheoretischer Terminus kann natürlich, wie
Tulodziecki (und Schorb) es tun, als Prozessbegriff verstanden werden. Es ist
aber ebenso sinnvoll, in Medienbildung eine Zielkategorie im Sinne Humboldts
zu sehen. In seiner Theorie der Bildung des Menschen von (1793) fasst er Bil-
dung als In-Beziehung-setzen von Ich und Welt, als „Verknüpfung unseres Ichs
mit der Welt zu der allgemeinsten, regesten und freisten Wechselwirkung“
(Humboldt 1793/1980: 235). Die Frage ist letztlich durch den Gebrauch zu
klären: Wo trifft der Begriff das Phänomen? „Aneignung“ erlaubt es, diesen
Prozess der „Verknüpfung“ mit Welt als aktive und konvergente Leistung der
Heranwachsenden zu verstehen.
Erschienen in: Karmasin, Matthias/Rath, Matthias/Thomaß, Barbara (Hrsg.):
Kommunikationswissenschaft als Integrationsdisziplin. Wiesbaden: VS 2013,
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Aber das kann nicht zugleich heißen, dass diese „Eröffnung medialer
Bildungsräume“ (Spanhel 2010: 53) den pädagogischen Akt außer Kraft setzt.
Vermittlung in medialen Bildungsprozessen darf um der Autonomie des Bil-
dungssubjekts willen nicht im Sinne eines habitualisierenden und instrumen-
tellen Trainings (vgl. Schorr 2000a) missdeutet werden. Vermittlung darf aber
auch nicht auf ein reines Zur-Verfügung-stellen von Medien und medialen In-
halten hinauslaufen. Das hieße, pädagogisches Handeln vom Zufall ununter-
scheidbar zu machen.
Medienkompetenz vermittelnde Angebote sind pädagogisch intentional
und daher auch in ihrer Bedeutung für den Heranwachsenden pädagogisch be-
wertet. Der autonome Prozess der Medienbildung fußt, da ist Spanhel (2010)
zuzustimmen, auf anthropologischen Basisstrukturen, die aber durch die Kon-
frontation mit Welt adaptiert werden. Und diese Konfrontation ist Teil der pä-
dagogischen Intention. Pädagogisches Handeln ist Teil des soziokulturellen
Kontextes, aber ein intendierter. Und diese Intention kann als Zielkategorie
verstanden Medienkompetenz (singular) sein (vgl. Tulodziecki 2010). In glei-
cher Weise ist es aber sinnvoll, die „Schrittfolge“ (200, 54) in diesen Prozessen
der Adaption ebenfalls als Medienkompetenzen (jetzt Plural) zu bezeichnen.
Damit wäre man terminologisch zumindest anschlussfähig an die aktuelle Dis-
kussion in der Bildungsforschung, die sich weitgehend auf Weinerts (1999;
2001) Kompetenzkonzept stützt.
Die hier geforderte Konvergenz wissenschaftlicher Praxis macht sich
am Phänomen der medialen Durchdringung unserer Realität fest und unserer
epochalen Besonderheit, uns dieser medialen Durchdringung bewusst zu wer-
den. Medialität als Phänomen und Mediatisierung (Krotz 2007) als Prozess
stellen die Medienaneignung des Individuums und die institutionellen Rahmen-
bedingungen dieser Aneignung, z. B. Schule, als konvergenten Phänomen-
komplex vor, dem die Medienpädagogik und die mit ihr am selben Materialob-
jekt arbeitenden Disziplinen mit einer konvergenten Vernetzung und terminolo-
gischer Transparenz ebenso wie Toleranz begegnen sollten.
Vor diesem Hintergrund bekommt die bisher schon wahrnehmbare Prä-
senz der Medienpädagogik in der Kommunikations- und Medienwissenschaft
eine systematische Notwendigkeit: | [129]
Medienpädagogik ist als Pädagogik zugleich auch Teildisziplin einer
Medien- und Kommunikationswissenschaft, die vom Medienbegriff allgemein
ausgeht und die Medienpädagogik als besonderes Handlungsfeld der Medien-
verantwortlichen begreiftso ließe sich die Fachgruppe Medienpädagogik der
Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft
DGPuK verstehen. Denn eine solche Integration hat schon jetzt in der Medien-
pädagogik eine Ausweitung der Forschungs- und Handlungsfelder zur Folge: So
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Kommunikationswissenschaft als Integrationsdisziplin. Wiesbaden: VS 2013,
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hat eine gender-sensible Betrachtungsweise sowohl auf die Produkte, ihre
Produktions- und Rezeptionsbedingungen als auch die Akteure nicht zuletzt in
der Rezeption und Weiterentwicklung der Forschung aus dem anglo-
amerikanischen Bereich (Cultural Studies) forciert worden, von der Kommuni-
kations- und Medienwissenschaft auch in der Medienpädagogik ihren Eingang
gefunden hat (vgl. Hipfl 2008; Luca 1998).
Mit anderen Worten, die von Foucault (1990: 183) geforderte diszipli-
näre Orientierung an „derselben Sache“ ist nicht nur für eine disziplinäre Ab-
grenzung konstitutiv, sondern die „Phänomentreue“ (Rath 1988: 110) gemein-
samen Forschens führt unterschiedliche Disziplinen zusammen integrativ,
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Chapter
In diesem Kapitel gehe ich vier verschiedenen Grundbegriffen der Medienethik nach. Es geht also nicht um Grundbegriffe der Ethik allgemein, sondern um Grundbegriffe, die im weitesten Sinn für die Erfassung einer Medienethik, speziell einer Ethik der mediatisierten Welt, notwendig sind. Es geht dabei um Medienethik als „angewandte Ethik“. In diesem Zusammenhang sind unter dem Blickpunkt der Medialität zu berücksichtigen: die Authentizität medialer Kommunikation, die entgegen der gängigen Deutung dieses Begriffs an der Kompetenz der Rezipient_innen festgemacht wird, daraus abgeleitet der auf den ersten Blick eher erziehungswissenschaftliche Begriff der Medienkompetenz, dann der Begriff der Medienqualität, der, entsubstantialisiert, nicht als Eigenschaft des Medienangebots, sondern ebenfalls als eine Kompetenz der Rezipient_innen verstanden wird, sowie, etwas ausholend, der Begriff der Wahrhaftigkeit, der vor allem im Hinblick auf die aktive Medienproduktion der Nutzer_innen selbst unter den Bedingungen der Digitalisierung heute weiter gefasst werden und vom Begriff der Wahrheit unterschieden werden muss.
Article
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Die Beiträge dieses Bandes gehen auf die Fachtagung der Sektion Medienpädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) zurück, welche im November 2010 an der Pädagogischen Hochschule Zürich stattfand. Die Tagung knüpfte an den Diskurs über Medienkompetenz – Medienbildung an, der zuvor vor allem in der Zeitschrift medien + erziehung geführt wurde. Die Gründe für diesen Diskurs sind vielschichtig und hängen u.a. mit der Akzentuierung unterschiedlicher theoretischer Begründungszusammenhänge, mit Weiterentwicklungen der Theoriebildung auf dem Hintergrund des rasanten medialen Wandels aber auch mit disziplinären Konstellationen bei dem Aufbau neuer BA- und MA-Studiengänge im Bereich Medienpädagogik und Medienbildung zusammen. Hier hat sich in den letzten Jahren Medienbildung auffällig in der Bezeichnung neuer Studiengänge etabliert.
Article
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In Form eines Kaleidoskops in acht Bildern werden Perspektiven, Potenziale und Probleme der österreichischen Medienpädagogik, theoretische Grundlagen und Praxiskonzepte beleuchtet. Dabei kommen Autoren und Autorinnen aus unterschiedlichen Bereichen zu Wort, ob aus der Universität, dem Ministerium oder der medienpädagogischen Praxis, geprägt von ihren jeweiligen wissenschaftstheoretischen, praxisbezogenen wie zuweilen auch sehr persönlichen Zugängen zur Medienpädagogik.
Article
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Die Mediendidaktik ist eine Teildisziplin der Medienpädagogik und hat in den vergangenen Jahren einen enormen Zuwachs an Nachfrage und Bedeutung erfahren. Dieser Bedeutungszuwachs ist bedingt durch den verstärkten Einsatz digitaler Informations- und Kommunikationstechniken in Bildungsprozessen (Stichwort «E- Learning»). Der vorliegende Beitrag entwickelt die These, dass die Mediendidaktik ausgehend von medientechnischen Entwicklungen im Kontext von Globalisierung einer Entgrenzung unterworfen ist. Diese Entgrenzung ist Chance und Risiko zugleich. Der vorliegende Beitrag klärt zunächst den Begriff der Entgrenzung. Anhand dreier Phänomene werden Prozesse der Entgrenzung für die Mediendidaktik beschrieben. Ausgehend von der Problematisierung der Prozesse von Entgrenzung werden abschliessend einige Folgerungen für die Mediendidaktik als Teildisziplin der Medienpädagogik zur Diskussion gestellt.
Article
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Seit der Gründung dieser Zeitschrift wurde der Beirat verstärkt auch international ausgebaut. Dies war schon deshalb notwendig, weil die vermehrt erscheinenden englischen Beiträge nicht allein aus deutschsprachiger Sicht begutachtet werden sollen. In der vorliegenden Ausgabe sollte der erweiterte Beirat eine Möglichkeit erhalten sich vorzustellen – nicht persönlich, sondern mit seiner Einschätzung der Medienpädagogik im eigenen Land. Dieser Anfrage sind Medienpädagogen aus verschiedenen Ländern gefolgt – von Österreich bis zu Grossbritannien und den USA. Dabei fällt eine gewisse Zwiespältigkeit zur Situation der Medienpädagogik auf: Auf der einen Seite wird betont, wie der rasante technologische Wandel die Situation der Medienpädagogik in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Johannes Fromme beschreibt in seinem Beitrag diesen Wandel im Hinblick auf die Mediensozialisation – bis hin zu Positionen, welche Aspekte einer Selbstsozialisation in den Vordergrund stellen. Damit stellen sich Anschlussfragen – wie diejenige von Fromme (S. 9), was die Freisetzung der Individuen in der soziokulturellen Sphäre bedeute, wenn diese mit dem wachsenden Einfluss anonymer Instanzen wie den Medien konfrontiert sind. Oder es wäre auf Buckingham zu verweisen, der in seinem Beitrag die Frage stellt, inwieweit der Begriff des medienkompetenten Kindes selbst ein Konstrukt darstellt. Für ihn sind beide Auffassungen problematisch und romantisierend – die traditionelle Konzeption des unschuldigen Kindes genauso wie jenes, welches das weise und medienkompetente Kind feiert. Es sind also «grosse» Themen die heute der Bearbeitung durch den medienpädagogischen Diskurs warten. Damit kontrastiert indessen die in mehreren Beiträgen geäusserte Auffassung, dass die Medienpädagogik ein Schattendasein friste bzw. noch am Anfang stehe. So beginnen Jeff Share und Douglas Kellner mit der Bemerkung, dass die Medienpädagogik in den USA weit weniger avanciert sei wie in anderen englischsprachigen Länder (z.B. in Grossbritannien, Kanada und Australien). Für Österreich betonen Ingrid Paus-Hasebrink und Brigitte Hipfl, dass es eine Vielzahl von Angeboten und Konzepten gebe, aber dass dennoch eine institutionelle Verstärkung notwendig sei. Das von mehreren Autoren aufgespannte Kaleidoskop in acht Bildern belegt sowohl diese Vielfalt, stellt aber implizit auch die Frage nach der Konzentration und weiteren theoretischen Fundierung. Mit dieser Problematik steigt auch Gerhard Tulodziecki ein, wenn er auf die ausserordentlich grosse Begriffsvielfalt aufmerksam macht, welche in der Medienpädagogik vorherrschend ist. Dennoch macht sein Beitrag auch deutlich, dass mit den bescheidenen Mitteln, über welche die Medienpädagogik verfügt, auch einiges erreicht wurde – und dass sich weitere Chancen bieten, wenn die Entwicklungen im Medienbereich konstruktiv aufgenommen werden.
Book
Medieninhalte stehen wegen ihrer massenhaften Verbreitung und ihrer potenziellen Wirkung im Zentrum der medienwissenschaftlichen Forschung. Dieses Lehrbuch erörtert die theoretischen Grundlagen und die wichtigsten Fragestellungen der Medieninhaltsforschung. Es führt nicht nur in die Methode der quantitativen Inhaltsanalyse ein, sondern stellt auch die wichtigsten qualitativen Instrumente der Textanalyse wie Semiotik, Diskurs- und Frame-Analyse oder das Monitoring von Medienqualität vor. Der Autor illustriert seine Ausführungen anhand zahlreicher Anwendungen aus der empirischen Forschung. Heinz Bonfadelli ist Professor am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich.
Book
Die Medienwirkungsforschung hat Konjunktur. Nicht nur wird diskutiert, wer welche Medien benutzt, sondern vor allem, was diese Medien mit uns machen. Gleichzeitig besteht Bedarf an verallgemeinerbaren Bewertungskriterien für diese Wirkungen. Hier nun ist die Medienethik gefragt. Sowohl Wissen um die Wirkungen als auch Kriterien der Bewertung sind maßgebend für die Orientierung medienpolitischen Handelns. Die Beiträge dieses Bandes beleuchten das Verhältnis von Medienethik und Medienwirkungsforschung.
Book
Dieser Reader zur Publikums- und Wirkungsforschung kombiniert traditionelle und innovative Darstellungen zentraler Medienwirkungstheorien und ihrer Geschichte mit empirischen Fallstudien aus den Bereichen Printmedienforschung, Politische Kommunikation, Medienpsychologie und Neue Medien. Auf historische und systematische Kapitel, die aus verschiedenen Perspektiven sorgfältig und vertiefend in die Programmatik der Publikums- und Wirkungsforschung einführen, folgen vier bereits auf einem Niveau für Fortgeschrittene verfaßte Theoriekapitel, von den Vätern dieser Theorien selbst geschrieben und in dieser Form erstmals in deutscher Sprache publiziert. Die empirischen Studien, die den zweiten Teil des Readers ausmachen, greifen Fragestellungen aus der aktuellen Medienwirkungsforschung auf.
Chapter
Diskussionen um die Perspektiven und Folgen neuer Medientechniken kreisen in der Regel sehr eng um das jeweils „neue“ Medium und um die Frage, inwieweit dieses die „alten“ Medien ersetze, eine komplementäre Beziehung zu ihnen entwickeln oder ohne große Folgen schlicht neben sie treten werde. Dies ist auch bei der aktuellen Diskussion um die künftige Nutzung der Telekommunikationsmedien der Fall: Da diese im Zuge der technischen Konvergenz in mehrfacher Hinsicht eng an die bisherigen Massenmedien heranrücken, wird — je nach Perspektive besorgt oder erwartungsfroh — gemutmaßt, die neuen Angebote und damit die hinter ihnen stehenden Anbieter könnten die bisherigen Medienangebote verdrängen.
Chapter
Das Verhältnis von Medienwirkungsforschung und Medienethik wird im folgenden Beitrag als Begründungs- und Anwendungsproblem entwickelt. Am Beginn der Diskussion stehen Geltungsdifferenzen, da für die für die Medienethik — wie für jede Ethik – die Differenz von Sein und Sollen konstitutiv ist. Der Umgang mit Geltungsdifferenzen bedingt, daß auch der Analyse des empirischen Seins eigene Relevanz zukommt. Von daher ist die empirische Medienwissenschaft unverzichtbarer Referenzpunkt des medienethischen Diskurses. Die Frage nach den empirisch nachweisbaren Wirkungen der Medien auf die und in der Praxis (Lebenswelt) ist dem Autor aber eine zwar notwendige, aber keineswegs hinreichende Bedingung für eine aktuelle Medienethik. In der Folge werden daraus resultierende Konsequenzen für eine Ethik medialer Kommunikation dargestellt. Ein Konzept der Medienethik als inter- und transdisziplinäre Ethik wird diskutiert und die Konkretion einer solchen Ethik als Unternehmensethik der Medienunternehmung und als Individualethik der Medienproduktion wird umrissen.