ArticlePDF Available

Standards für die Behandlung im Maßregelvollzug nach §§ 63 und 64 StGB: Interdisziplinäre Task-Force der DGPPN

Authors:

Abstract

Menschen, die infolge einer schwerwiegenden psychischen Störung straffällig geworden sind und infolge dieser Störung weiterhin gefährlich sind, können zur Besserung und Sicherung in den Maßregelvollzug nach §§ 63 und 64 des Strafgesetzbuches (StGB) untergebracht werden. In Deutschland werden gegenwärtig etwa 9000 Patienten in Kliniken für forensische Psychiatrie und Psychotherapie auf Grundlage des § 63 StGB und in Entziehungsanstalten auf Grundlage des § 64 StGB stationär behandelt. Die Behandlung der Patienten im Maßregelvollzug ist länderrechtlich geregelt, sodass sich die Rahmenbedingungen der Behandlung in den einzelnen Bundesländern unterscheiden. Während für die Erstellung von Gutachten zur Schuldfähigkeit und zur Legalprognose bereits Mindestanforderungen publiziert worden sind, liegen konsentierte Standards für die Behandlung im psychiatrischen Maßregelvollzug bislang nicht vor. Vor diesem Hintergrund beauftragte die DGPPN 2014 eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe damit, fachliche Standards für die Behandlung in der forensischen Psychiatrie zu erarbeiten. Dabei sollten die rechtlichen, ethischen, strukturellen, therapeutischen und prognostischen Standards nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft beschrieben werden. Nach dreijähriger Bearbeitungsphase wurden die Ergebnisse der interdisziplinären Arbeitsgruppe im Frühjahr 2017 vorgelegt und vom Vorstand der DGPPN konsentiert. Die Standards für die Behandlung im psychiatrischen Maßregelvollzug wollen eine Diskussion anstoßen mit dem Ziel, die Behandlungsbedingungen zu vereinheitlichen und fachlich begründete Empfehlungen zu verankern.
Konsensuspapiere
Nervenarzt 2017 · 88 (Suppl 1):S1–S29
DOI 10.1007/s00115-017-0382-3
Online publiziert: 3. August 2017
© Springer Medizin Verlag GmbH 2017
J. L. Müller1,2 ·N.Saimeh
3·P.Briken
4·S.Eucker
5·K.Homann
6·M.Koller
7·
T. Wolf 8·M.Dudeck
9·C.Hartl
10 · A.-K. Jakovljevic11 ·V.Klein
12 ·G.Knecht
13 ·
R. Müller-Isberner14 ·J.Muysers
15 ·K.Schiltz
16 ·D.Seifert
17 ·A.Simon
18 ·
H. Steinböck19 ·W.Stuckmann
20 · W. Weissbeck21 · C. Wiesemann11 ·R.Zeidler
22
1Asklepiosklinik für Forensische Psychiatrie un d Psychotherapie, Göttingen, Deutschland;
2Schwerpunktprofessur für Forensische Psychiatrie,Universitätsmedizin Göttingen, Georg August
Universität Göttingen, Göttingen,Deutschland; 3LWL-Zentrum für Forensische PsychiatrieLip pstadt,
Lippstadt, Deutschland; 4Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatri e, Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland; 5Klinik für Forensische Psychiatrie, Haina, Deutschland;
6Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, zfp Reichenau, Ak ademisches Lehrkrankenhaus
der Universität Konstanz, Reichenau, Deutschland; 7Landgericht Göttingen, Göttingen,Deutschland;
8Landgericht Marburg, Marburg, Deutschland; 9Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am
Bezirkskrankenhaus Günzburg, Universitätsklinikum Ulm, Günzburg, Deutschland; 10 Fachklinik für
Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, B ezirksklinikum Regensburg, Regensburg, Deutschl and;
11 Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Universitätsmedizin Göttingen,Göttingen, Deutschland;
12 Forensische Psychiatrie, Isar-Amper-KlinikumTaufkirchen (Vils), Taufkirchen( Vils), Deutschland; 13 Klinik
für Forensische Psychiatrie, Asklep ios Klinik Nord-Ochsenzoll, Hamburg, Deutschla nd; 14 Vitos Kli nik für
forensische PsychiatrieHaina, Haina, Deutschland; 15 LVR-Klinik Langenfeld,Langenfeld, Deutschland;
16 Abt. Forensische Psychiatrie, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinikum der
Universität München, Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Deutschland; 17 Fachklinik für
forensische Psychiatrie, Alexianer Christophorus Klini kG mbH, Münster, Deutschland; 18 Akademie für
Ethik in der Medizin e.V. (AEM), Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland; 19 Fachb ereich
Forensik, Isar-Amper-Klinikum München-Ost, Haar, Deutschland; 20 Landeskrankenhaus Klinik Nette-Gut,
Andernach, Deutschland; 21 Klinik für Psychiatri e,Psychosomatik und Psychotherapie, Pfalzkli nikum,
Klingenmünster, Deutschland; 22 Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie,
Psychosomatik und Nervenhei lkunde (DGPPN Geschäftsstelle), Berlin, De utschland
Standards für die Behandlung im
Maßregelvollzug nach §§ 63 und
64 StGB
Interdisziplinäre Task-Force der DGPPN
Einleitung
Die Behandlung in den Kliniken für Fo-
rensische Psychiatrie und Psychothera-
pie und den forensisch psychiatrischen
Ambulanzen ist Teil des Versorgungs-
angebots für psychisch Kranke. Im psy-
chiatrischenMaßregelvollzugwerden auf
der Grundlage des § 63 Strafgesetzbuch
(StGB) Patienten1behandelt, die wegen
ihrer psychischen Störung eine erheb-
liche Straat begangen haben und in-
folge ihrer Störung weiterhin gefährlich
sind. Sie waren bei Begehung der Tat
schuldunfähig oder in ihrer Schuldfä-
higkeit zumindest erheblich vermindert.
1Um der besseren Lesbarkeit willen, schließt
die männliche Bezeichnung im Folgenden die
weiblicheForm mitein.
Im früheren Bundesgebiet einschließlich
Gesamtberlin waren dies im Jahr 2013 et-
wa 6633 Patienten. Darüber hinaus wur-
den über 3686 Patienten in Entziehungs-
anstalten auf Grundlage des § 64 StGB
behandelt (Statistisches Bundesamt 140).
Hierbei handelt es sich um suchtkranke
Rechtsbrecher, die erapie benötigen,
um weitere erhebliche Straaten infolge
ihrer Sucht zu verhindern. An die sta-
tionäre Behandlungsphase schließt sich
eine ambulante Nachbetreuung an.
Dass Gerichte über die Unterbrin-
gung im psychiatrischen Maßregelvoll-
zug entscheiden, unterscheidet die hier
angebotene Behandlung von der nichtfo-
rensischen Psychiatrie: Der Patient kann
weder Anfang und Ende der Unterbrin-
gung noch Wo und Wie der Behandlung
frei wählen. Seine Grundrechte kön-
nen auch über die Unterbringung als
solche hinaus eingeschränkt werden.
Ziel der Behandlung ist die Redukti-
on von Fremdgefährlichkeit durch die
Besserung des die Gefährlichkeit be-
dingenden Gesundheitszustandes des
Patienten. Dies dient sowohl dem Pati-
enten selbst als auch der Sicherheit der
Gesellscha,zuderauchMitarbeiterund
Mitpatienten sowie Angehörige gehören.
Die Behandlung als solche ist multipro-
fessionell und interdisziplinär, richtet
sich aber nach psychiatrisch-psycho-
therapeutischen Gesichtspunkten. Die
Letztverantwortung liegt bei Psychiatern
oder psychologischen Psychotherapeu-
teninLeitungsfunktion;wobeiauch
hier die ärztliche Verantwortung beim
Arzt verbleibt. Untersuchung und Be-
handlung bedürfen grundsätzlich der
Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017 S1
Konsensuspapiere
Infobox Information
Erst- und Zweitautor
Jürgen L. Müller (Göttingen)
Nahlah Saimeh (Lippstadt)
Redaktionsgruppe
Peer Briken (Hamburg)
Sabine Eucker (Haina)
Klaus Hoffmann (Reichenau)
Matthias Koller (Göttingen)
Jürgen L. Müller (Göttingen)
Nahlah Saimeh (Lippstadt)
Thomas Wolf (Marburg)
Interdisziplinäre Arbeitsgruppe
Peer Briken (Hamburg)
Manuela Dudeck (Ulm/Günzburg)
Sabine Eucker (Haina)
Christian Hartl (Regensburg)
Klaus Hoffmann (Reichenau)
Anna-Karina Jakovljevic (Göttingen)
Verena Klein (Taufkirchen (Vils))
Guntram Knecht (Hamburg)
Matthias Koller (Göttingen)
Jürgen L. Müller (Göttingen)
Rüdiger Müll er-Isberner (Haina)
Jutta Muysers (Langenfeld)
Nahlah Saimeh (Lippstadt)
Kolja Schiltz (München)
Dieter Seifert (Münster)
Alfred Simon (Göttingen)
Herbert Steinböck (München)
Werner Stuckmann (Anderna ch)
Wolfgang Weissbeck (Klingenmünster)
Claudia Wiesemann (Göttingen)
Thomas Wolf (Marburg)
Robert Zeidler (Berlin)
Im Jahr 2011 hat das Bundesverfassungsgericht die Regelungen der Sicherungsverwahrung
verworfen und eine auf Behandlung und Vollzugsöffnung orientierte Gestaltung eingefordert.
2012 und 2013 wurden durch das Referat Forensische Psychiatrie der Deutschen Gesellschaft für
Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN; Sprecher Prof.
Dr. J.L. Müller, Dr. N. Saimeh) Rahmenbedingungen und Behandlungsstandards für forensisch
relevante Störungen auch für den psychiatrischen Maßregelvollzug intensiv zur Diskussion
gestellt. 2013/2014 hatder Vorstand der DGPPN die Sprecher des Referats mit der Einrichtung
einer interdisziplinären Task-Force zur Erarbeitung von Standards für eine Behandlung in der
forensischen Psychiatrie nach § 63 Strafgesetzbuch (StGB) und in der Entziehungsanstalt nach
§ 64 StGB beauftragt. Die von den Sprechern des Referats vorgeschlagenen Mitglieder der
Task-Force wurden 2014 vom Vorstand bestellt. 2014wurden Prof. Dr. J.L. Müller und Frau Dr.
Saimeh mit der Leitung der Task-Force beauftragt. 2014 bis 2016 wurden die einzelnen Kapitel
erarbeitet und auf mehreren Präsenzsitzungen diskutiert. Die Redaktionsgruppe überarbeitete
und vereinheitlichteden Textentwurf im Oktober und November 2016sowie im Februar und März
2017. Dieser Entwurf wurde nach Billigungdurch die Mitgliederder Task-Force mit Beschluss des
Vorstandes der DGPPN vom 31.05.2017 verabschiedet.
Die Autorenliste benennt zunächst die Leiter der Task-Force Behandlungsstandards, sodann
die Mitglieder der Redaktionsgruppe und der interdisziplinären Arbeitsgruppe jeweils in
alphabetischerReihenfolge.
Einwilligung des Patienten. Er hat auch
einen Anspruch auf Behandlung anderer
Erkrankungen als der Anlasskrankheit.
Nur unter bestimmten, eng definierten
Umständen darf der Patient auch gegen
seinen Willen behandelt werden. An-
gesichts des rechtlichen Rahmens stellt
es eine besondere Herausforderung für
die Behandelnden dar, die Patienten zur
Mitarbeit zu motivieren.
Während für die Erstellung von Gut-
achten zur Schuldfähigkeit [10]2und zur
Legalprognose [9] bereits Mindestanfor-
derungen publiziert worden sind, liegen
konsentierte Standards für die Behand-
lung im psychiatrischen Maßregelvoll-
zug bislang nicht vor. Ziel dieser Arbeit
ist es, diese Lücke zu schließen und die
Qualität einerB ehandlung im psychiatri-
schen Maßregelvollzug zu beschreiben,
die auf wissenschalichen Erkenntnis-
sen basiert und transparent rechtlich und
ethisch begründet ist. Standards für die
Behandlung im psychiatrischen Maßre-
gelvollzug sollen allen Beteiligten helfen,
sichzuorientierenund die Möglichkeiten
und Chancen des psychiatrischen Maß-
regelvollzugs besser einzuschätzen.
Den Autoren ist dabei bewusst, dass
dieAusgestaltungdesVollzugsderUnter-
bringung Ländersache ist und die rechtli-
chen Rahmenbedingungen, finanziellen
und personellen Ausstattungen in den
Bundesländern unterschiedlich geregelt
und in ihren Auswirkungen durchaus he-
terogen sind.
Rechtlicher Rahmen
Die Maßregeln der Unterbringung in ei-
nem psychiatrischen Krankenhaus nach
§ 63 StGB und in einer Entziehungs-
anstalt nach § 64 StGB sind Teil des
Strafrechts. Gesetzliche Vorgaben für ih-
re Anordnung, Dauer und formelle so-
wie inhaltliche Ausgestaltung finden sich
im materiellen Strafrecht, Strafprozess-
recht und Strafvollstreckungsrecht sowie
in den Straf- und Maßregelvollzugsgeset-
zen des Bundes und der Länder. Den Ge-
staltungsrahmen steckt das Grundgesetz
ab.
Die Maßregeln bilden die sog. zweite
Spur des Strafrechts, neben der Sank-
tionierung von Straaten durch (Geld-
und) Freiheitsstrafen.Sie orientieren sich
nicht an der Schuld, sondern an der Ge-
fährlichkeit der Täter und bezwecken
präventiv die Sicherung der Allgemein-
heit. Wenn möglich, soll diese Siche-
2Die medizinischen Zitate werden numerisch
in der alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.
Dagegen werden die juristischen Belegstellen
– der juristischen Zitierweisefolgend – im Text
wiedergegeben.
S2 Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017
Zusammenfassung · Abstract
Nervenarzt 2017 · 88 (Suppl 1):S1–S29 DOI 10.1007/s00115-017-0382-3
© Springer Medizin Verlag GmbH 2017
J.L.Müller·N.Saimeh·P.Briken·S.Eucker·K.Homann·M.Koller·T.Wolf·M.Dudeck·C.Hartl·A.-K.Jakovljevic·V.Klein·G.Knech
R.Müller-Isberner·J.Muysers·K.Schiltz·D.Seifert·A.Simon·H.Steinböck·W.Stuckmann·W.Weissbeck·C.Wiesemann·R.Zeidler
Standards für die Behandlung im Maßregelvollzug nach §§ 63 und 64 StGB. Interdisziplinäre Task-
Force der DGPPN
Zusammenfassung
Menschen, die infolge einer schwerwiegenden
psychischen Störung straffäll ig geworden sind
und infolge dieser Störung weiterhin gefähr-
lich sind, können zur Besserung und Sicherung
in den Maßregelvollzug nach §§ 63 und 64
des Strafgesetzbuches (StGB) untergebracht
werden. In Deutschland werden gegenwärtig
etwa 9000 Patienten in Kliniken für forensische
Psychiatrie und Psychotherapi e auf Grundlage
des § 63 StGB und in Entziehungsanstalten
auf Grundlage des § 64 StGB stationär
behandelt. Die Behandlung der Patienten im
Maßregelvollzug ist länderrechtlich geregelt,
sodass sich die Rahmenbedingungen der
Behandlung in den einzelnen Bundesländern
unterscheiden. Während für die Erstellung
von Gutachten zur Schuldfähigkeit und zur
Legalprognose bereits Mindestanforderungen
publiziert worden sind, liegen konsentierte
Standards für die Behandlung im psychi-
atrischen Maßregelvollzug bislang nicht
vor. Vor diesem Hintergrund beauftragte
die DGPPN 2014 eine interdisziplinäre
Arbeitsgruppe damit, fachliche Standards für
die Behandlung in der forensischen Psychiatrie
zu erarbeiten. Dabei sollten die rechtlichen,
ethischen, strukturellen, therapeutischen
und prognostischen Standards nach dem
aktuellen Stand der Wissenschaft beschrieben
werden. Nach dreijähriger Bearbeitungsphase
wurden die Ergebnisse der interdisziplinären
Arbeitsgruppe im Frühjahr 2017 vorgelegt
und vom Vorstand der DGPPN konsentiert.
Die Standards für die Behandlung im
psychiatrischen Maßregelvollzug wollen
eine Diskussion anstoßen mit dem Ziel, die
Behandlungsbedingungen zu vereinheitlichen
und fachlich begründete Empfehlungen zu
verankern.
Schlüsselwörter
Forensische Psychiatrie· Entziehungsanstalt ·
Stationäre Behandlung · Ambula nte Behand-
lung · Rehabilitationsmodell· Psychiatrischer
Maßregelvollzug
Standards for treatment in forensic committment according to § 63 and § 64 of the German criminal
code. Interdisciplinary task force of the DGPPN
Abstract
People who have been convicted of a crime
due to a severe mental disorder and continue
tobedangerousasaresultofthisdisorder
may be placed in a forensic psychiatric facility
for improveme nt and safeguarding ac cording
to§63and§64oftheGermanCriminal
Code (StGB). In Germany, approximately 9000
patients are treated in clinics for forensic
psychiatry and psychotherapy on the basis of
§ 63 of the StGB and in withdrawal centers on
the basis of § 64 StGB. The laws for treatment
of patients in forensic commitment are
passed by the individual States, with the
result that even the basic conditions differ
in the individual States. While minimum
requirements have already been published for
the preparati on of expert opinions on lia bility
and legal prognosis, consensus standards for
the treatment in forensic psychiatry have not
yet been published. Against this background,
in 2014 the German Society for Psychiatry
and Psychotherapy, Psychosomatics and
Neurology (DGPP N) commissioned an inter-
disciplinary task force to develop professional
standards for treatment in forensic psychiatry.
Legal, ethical, structural, therapeutic and
prognostic standards for forensic psychiatric
treatment should be described according
to the current state of science. After 3 years
of work the results of the interdisciplinary
working group were presented in early
2017 and approved by the board of the
DGPPN. The standards for the treatment in
the forensic psychiatric commitment aim to
initiate a discussion in order to standardize
the treatment conditions and to establish
evidence-based recommendations.
Keywords
Forensic psychiatry · Withdrawal clinic ·
Inpatient treatment · Outpatient treatment ·
Rehabilitation model · Psychiatric forensic
committment
rung durch Besserung der Täter erreicht
werden. Gelingt dies nicht, erhält der
nach § 63 StGB untergebrachte Patient
zumindest die nötige Aufsicht, Betreu-
ung und Pflege (§ 136 Strafvollzugsgesetz
[StVollzG]). Anders verhält es sich in den
Fällen des § 64 StGB: Diese Unterbrin-
gung darf nur angeordnet und nur so
lange fortgesetzt werden, wie eine hin-
reichend konkrete Erfolgsaussicht für die
Behandlung besteht (vgl. Bundesverfas-
sungsgericht [BVerfG], Beschluss vom
16.03.1994 – 2 BvL 3/90 u.a., Leitsatz 1).
Rechtlicher Maßstab für den Erfolg
der Behandlung in einem psychiatri-
schen Krankenhaus oder in einer Ent-
ziehungsanstalt ist die Erwartung, dass
die untergebrachte Person außerhalb des
Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen
Taten mehr begehen wird (§ 67d Abs. 2
Satz 1 StGB). Ist dieses Ziel erreicht,
ist die weitere Vollstreckung der Unter-
bringung zur Bewährung auszusetzen.
Medizinisch oder psychotherapeutisch
ggf. noch indizierte weitere Behand-
lungsmaßnahmen müssen im ambulan-
ten Rahmen erfolgen. Wird dieses Ziel
nicht erreicht, so ist zwischen den beiden
Maßregeln zu unterscheiden:
DieUnterbringungnach § 64 StGB en-
det spätestens mit dem Erreichen der ge-
setzlichen Höchstfrist (§ 67d Abs. 1 Satz 1
StGB); sie kann bereits früher durch das
Gericht für erledigt erklärt werden, wenn
die Voraussetzungen ihrer Anordnung
nicht mehr vorliegen (§ 67d Abs. 5 StGB);
die Anordnunge rgeht nämlich nur, wenn
eine hinreichend konkrete Aussicht be-
steht,die Persondurch die Behandlung in
einer Entziehungsanstalt zu heilen oder
über eine erhebliche Zeit vor dem Rück-
Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017 S3
Konsensuspapiere
fallindenHangzubewahrenundvon
der Begehung erheblicher rechtswidriger
Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zu-
rückgehen (§ 64 S. 2 StGB).
Die Unterbringung nach § 63 StGB
ist demgegenüber grundsätzlich unbe-
fristet. Jedoch erklärt das Gericht die
Maßregel für erledigt, wenn ihre Vor-
aussetzungen (Gefährlichkeit aufgrund
eines Zustands nach §§ 20, 21 StGB)
nicht mehr vorliegen oder die weitere
Vollstreckung der Maßregel unverhält-
nismäßig wäre. Seit dem 01.08.2016 gilt:
Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist
ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr
verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr
besteht, dass der Untergebrachte infolge
seines Zustandes erhebliche rechtswidri-
ge Taten begehen wird, durch welche die
Opferseelischoder körperlichschwerge-
schädigt werden oder in die Gefahr einer
schweren körperlichen oder seelischen
Schädigung gebracht werden. Sind zehn
Jahre der Unterbringung vollzogen, so
erklärt das Gericht die Maßregel für erle-
digt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass
der Untergebrachte erhebliche Straaten
begehen wird, durch welche die Opfer
seelisch oder körperlich schwer geschä-
digt werden (§ 67d Abs. 6 StGB).
Der damit angesprochene Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit hat Verfas-
sungsrang(Art.2Abs.2,Art.20Abs.3
Grundgesetz [GG] – Rechtsstaatsprin-
zip). Er begrenzt die Unterbringung nicht
nur sachlich und zeitlich, sondern stellt
auch Anforderungen an ihre inhaltliche
Ausgestaltung.
Das BVerfG hat diese Anforderungen
seit 1985 in zahlreichen Entscheidungen
dargelegt (grundlegend: 2 BvR 1150/80).
In einem Beschluss vom 27.03.2012
(2 BvR 2258/09) hat es ausdrücklich
betont, dass die (nur) durch das Si-
cherungsbedürfnis der Allgemeinheit
gerechtfertigte Unterbringung nach § 63
StGB dem Untergebrachten „ein Son-
deropfer im Interesse der Allgemeinheit“
auferlege, „da die zugrunde liegende Stö-
rung oder Erkrankung schicksalha und
die aus ihr abzuleitende Gefährlichkeit
kein vom Untergebrachten beherrsch-
bares Persönlichkeitsmerkmal ist“. Das
Resozialisierungsgebot ist aus der grund-
gesetzlichen Pflicht zur Achtung der
Menschenwürde, dem Sozialstaatsprin-
zip, dem Grundsatz der Verhältnismä-
ßigkeit und der Pflicht des Staates, die
Allgemeinheit vor weiteren Straaten
zu schützen, hergeleitet. Der Staat sei
verpflichtet, „im Vollzug von Anfang an
geeignete Konzepte bereitzustellen, um
die Gefährlichkeit des Untergebrachten
für die Allgemeinheit nach Möglichkeit
zu beseitigen und ihn auf ein Leben
in Freiheit vorzubereiten“, und „den
Maßregelvollzug wegen des damit ver-
bundenen Sonderopfers in besonderer
Weise freiheitsorientiert und therapie-
gerichtet anzulegen“. Das BVerfG knüp
damitanseinGrundsatzurteilzurAus-
gestaltung der Sicherungsverwahrung
vom 04.05.2011 an (2 BvR 2365/09).
Es erscheint deshalb gerechtfertigt –
und im Sinne eines Erst-recht-Schlusses
sogar geboten – die vom BVerfG für
die Sicherungsverwahrung formulierten
Behandlungsanforderungen als Maßstab
auch für die Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus und in
einer Entziehungsanstalt zugrunde zu
legen:
4Der Behandlungsrahmen muss the-
rapeutisch klar auf die Ziele einer
Verringerung der Rückfallgefahr,
der Entlassung in die Freiheit als
realistische Möglichkeit und der
Verringerung der Dauer der Frei-
heitsentziehung auf das unbedingt
erforderliche Maß ausgerichtet sein.
Dies erfordert ausreichende Personal-
kapazitäten. Über die unabdingbare
Einschränkung von Freiheiten hin-
ausgehende Belastungen aller Art
müssen vermieden werden.
4Erforderlich ist ein hohes Maß an
Betreuung auf der Grundlage einer
Behandlungsuntersuchung (Ein-
gangsdiagnostik), die unverzüglich,
umfassend sowie entsprechend
moderner wissenschalicher Anfor-
derungen durchzuführen ist.
4Auf dieser Grundlage ist ein indivi-
duell auf die untergebrachte Person
zugeschnittener Behandlungsplan
zu entwickeln, der regelmäßig fort-
geschrieben wird. Er muss im Ein-
zelnen beschreiben, mit welchen
Maßnahmen Motivation und Mit-
arbeit des Untergebrachten gezielt
gefördert, Risikofaktoren verringert
und schützende Faktoren gestärkt
werden sollen. Entsprechend dem
Behandlungsfortschritt muss er dabei
auch Maßnahmen zur Erprobung
in Vollzugslockerungen sowie zur
Entlassungsvorbereitung und ein
Übergangsmanagement durch Ver-
zahnung der planmäßigen internen
und externen Hilfen in staatlicher
und freier Tgerscha (z. B. forensi-
sche Ambulanzen, betreutes Wohnen,
beschütztes Arbeiten) für die Phase
nach der Entlassung vorsehen und
zunehmend konkretisieren.
4Die Klinik ist dazu angehalten, für
eine zügige, konsequente und intensi-
ve Umsetzung des Behandlungsplans
durch ein multidisziplinäres Team
qualifizierter Fachkräe zu sorgen.
Soweit standardisierte erapie-
methoden keine Wirkung zeigen,
müssen individuell zugeschnittene
erapieangebote entwickelt werden;
Aufwand und Kosten dürfen insoweit
keine Rolle spielen.
Darüber hinaus muss die Behandlung
auch die Vorgaben beachten, die das
BVerfG aus dem Selbstbestimmungs-
recht und der „Freiheit zur Krankheit“
abgeleitet hat (vgl. Abschnitt „Behand-
lung und Maßnahmen gegen den Willen
des Patienten“).
Ethische Grundlagen
Behandelnde im Maßregelvollzug tragen
Verantwortung für den individuellen Pa-
tienten und für die Sicherheitsinteres-
sen der Gesellscha. Konflikte aus die-
ser Doppelrolle bedürfen im therapeuti-
schenKontext einersorgfältigen Analyse.
Das Handeln ist begründungspflichtig,
weil das Vertrauensverhältnis zwischen
Patient und Behandler in der therapeuti-
schen Beziehung besonders schutzwür-
dig ist und die Verpflichtung des Behan-
delnden auf seinen individuellen Patien-
teninderRegelalsvorrangigvorge-
sellschalichen Ansprüchen gleich wel-
cher Art angesehen wird. Die ethischen
Prinzipien des Respekts vor der Selbst-
bestimmung des Patienten, der Fürsorge,
Gleichheit und Gerechtigkeit sowie des
Nichtschadens sind auch im psychiatri-
schen Maßregelvollzug grundlegend für
S4 Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017
jede Behandlung und die therapeutische
Beziehung.
Die Muster-Berufsordnung der Bun-
desärztekammer (MBO-Ä) konstatiert:
„Ärztinnen und Ärzte dienen der Ge-
sundheit des einzelnen Menschen und
der Bevölkerung“ (§ 1 I MBO-Ä). Doch
stellt sie im Folgenden zugleich her-
aus, dass diese Verpflichtungen nicht als
gleichrangig anzusehen sind. Vielmehr
haben Ärzte ihr Handeln zunächst am
Wohl der Patienten auszurichten. Verbo-
ten ist ihnen, „das Interesse Dritter über
das Wohl der Patientinnen und Patien-
ten [zu] stellen“ (§ 2 II MBO-Ä). Auch
dürfen sie „hinsichtlich ihrer ärztlichen
Entscheidungen keine Weisungen von
Nichtärzten entgegennehmen“ (§ 2 IV
MBO-Ä). Diese von den Landesärz-
tekammern in ihre Berufsordnungen
übernommenen Grundsätze stehen im
Einklang mit den berufsethischen Richt-
linien internationalerOrganisationen.So
lautet etwa der entsprechende Passus in
der Deklaration von Genf des Weltärz-
tebundes: „e health of my patient
will be my first consideration“ (WMA
Declaration of Geneva, Preamble; www.
aapl.org/ethics.htm). Eine vergleichbare
Formulierung findet sich in der Muster-
Berufsordnung der Bundespsychothera-
peutenkammer (§ 3 IV MBO-PP/KJP).
Damit sind auch die Grundzüge der
Behandlung in der forensischen Psychi-
atrie und Psychotherapie berufsrechtlich
umrissen. Geht es um Bereiche, in denen
die ärztliche bzw. psychotherapeutische
Expertise im engeren Sinn gefordert ist,
also bei der Diagnose, erapie und
Prävention, kommt der an den Vor-
gaben der MBO-Ä bzw. MBO-PP/KJP
orientierten ärztlichen bzw. psychothera-
peutischen Entscheidung das Primat zu.
Geht es um Freiheitsentzug und Schutz
der Allgemeinheit, wie bei Gefähr-
lichkeitseinschätzungen, Lockerungen,
Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen,
müssen sich Entscheidungen und Emp-
fehlungen der vollzugsverantwortlichen
Ärzte und Psychotherapeuten an den
Straf- und Vollzugsgesetzen orientieren.
In diesem Spannungsfeld muss auch
das Prinzip der Gerechtigkeit beachtet
werden. Dieses besagt einerseits, dass
Patienten unabhängig von Alter, Ge-
schlecht, Erkrankung, sozialer Stellung
etc. grundsätzlich gleich zu behandeln
sind (vgl. Gelöbnis MBO-Ä, § 3 III
MBO-PP/KJP; Rahmenberufsordnung
Deutscher Pflegerat 2004). Ebenso we-
nig darf es einen Unterschied machen,
ob sich der Patient freiwillig in die
Behandlung begeben hat oder ob er
strafrechtlich untergebracht ist. Es be-
deutet andererseits aber auch, dass aus
Gründen der Fairness gleich- oder ggf.
sogar höherrangigen Interessen Dritter
Rechnung getragen werden muss. Die-
se Gerechtigkeitsanforderungen stellen
eine besondere Herausforderung für das
ethische Handeln in der forensischen
Psychiatrie und Psychotherapie dar.
Im Idealfall können die Aufgaben als
behandelnder Arzt, Psychotherapeut etc.
einerseits und als Vollzugsleiter anderer-
seits miteinander in Einklang gebracht
werden,undzwarso,dassdenErfor-
dernissen beider ohne Abstriche Genü-
ge getan wird und die Erfordernisse des
einen nicht auf Kosten des jeweils an-
deren durchgesetzt werden. Dieses muss
das primäre Ziel in Einrichtungen des
Maßregelvollzugs sein und von vornher-
ein bei der Planung und Ausstattung be-
rücksichtigt werden. Gelingt dies nicht,
muss stets nach dem kleinstmöglichen
Eingriff in die Individualrechte des Ein-
zelnen gesucht werden (z. B. im Umgang
mit der ärztlichen Schweigepflicht, siehe
Abschnitt „Pflicht zur Verschwiegenheit
und zur Offenbarung“). Unverzichtbar
ist die Aufklärung der Patienten über die
doppelte Verantwortung der Behandeln-
den für die Patienten und die Sicherheits-
interessen der Allgemeinheit.
Ökonomis che Aspekte dürfen sich auf
die Behandlung im Einzelfall nicht aus-
wirken. Dieser Grundsatz kontrastiert
immer wieder mit konkreten finanziellen
Rahmenbedingungen.
Strukturelle Rahmen-
bedingungen
Grundregeln
Der psychiatrische Maßregelvollzug hat
sichandenGrundlagenforensischer
Psychiatrie und Psychotherapie zu ori-
entieren, insbesondere an Transparenz,
Ehrlichkeit, Fairness, der Benennung
und Durchsetzung von Verhaltensgren-
zen sowie der Berechenbarkeit und
Einhaltung von Regeln, dies gilt in
gleicher Weise im Umgang zwischen
Behandlern und Patienten wie auch
zwischen den Behandlern miteinander.
Das forensische Versorgungssystem in
seiner Gesamtheit muss Behandlungen
für alle eingewiesenen Patientengruppen
vorhalten.
Personelle Ressourcen
Adäquate personelle Ressourcen sind
eine unerlässliche Voraussetzung für
eine effektive Behandlung im Maßregel-
vollzug. Es bedarf einer hinreichenden
Zahl qualifizierter Mitarbeiter, die nicht
nubereineQualikationinoriginären
klinischen Berufen verfügen, sondern
darüber hinausgehend über Wissen und
Erfahrung im Risikomanagement ein-
schließlich der Kenntnis der vielfältigen
juristischen Grundlagen. Zusatzqualifi-
kationen gibt es mit dem fachärztlichen
Schwerpunkt „Forensische Psychiatrie
derLandesärztekammern,dem DGPPN-
Zertifikat „Forensische Psychiatrie“, dem
„Fachpsychologen für Rechtspsycholo-
gie“ und in einigen Bundesländern für
die pflegerische Berufsgruppe mit der
Zusatzqualifikation „Maßregelvollzug“
oder der Fachweiterbildung Psychiatrie
mit Schwerpunkt „Forensische Psychi-
atrie und Psychotherapie“. Alle Mitar-
beiter haben sich regelmäßig fort- und
weiterzubilden und sich einer Fall- und/
oder Teamsupervision zu unterziehen.
Die fachlich gewünschte Ausstattung
mit ausreichend forensisch qualifizierten
Fachärzten und psychologischenPsycho-
therapeuten kontrastiert vielerorts mit
dem zunehmenden Mangel in diesen
Berufsgruppen. Fachlich erarbeitete und
von Fachaufsichten anerkannte Perso-
nalanhaltszahlen (Baden-Württemberg,
Hessen) gehen von vergleichbaren Kenn-
werten aus. Zum Beispiel sind in Hessen
die folgenden Vollkrastellen pro 100 Pa-
tientenvorgesehen:7,6 Ärzte, 5,8 Psycho-
logen, 4,5 Sozialarbeiter, 1,2 Sport- und
Physiotherapeuten, 1,75 Lehrer, 8,5 Er-
gotherapeuten, Pflegepersonal nach Psy-
chiatrie-Personalverordnung (PsychPV)
Forensik 1:1, wobei ein den Aufga-
ben und Bedürfnissen entsprechendes
Geschlechterverhältnis anzustreben ist
Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017 S5
Konsensuspapiere
[108,139]. Der Europäische Gerichtshof
für Menschenrechte (EGMR) hat für die
Sicherungsverwahrung bei Verwahrten
mit psychischer Störung folgende Perso-
nalausstattung für angemessen gehalten:
1Psychiater,4Psychologen,5Sozialar-
beiter, 25 Mitarbeiter des allgemeinen
Voll z u g s dienst e s be i 3 0 Ve r w a h r ten
(Bergmann v. Deutschland, Urteil vom
07.01.2016 – 23279/14). Schlechter darf
eine Personalausstattung in der forensi-
schen Psychiatrie nicht sein, wobei die
Verteilung der erapeutenstellen auf
Psychiater und Psychologen der Art der
zu behandelnden Erkrankungen bzw.
Störungen Rechnung tragen muss. Zu-
dem muss berücksichtigt werden, dass
im Vollzug der Sicherungsverwahrung
seltener als in der forensisch-psychiatri-
schen Klinik akute psychiatrische bzw.
psychotherapeutische Kriseninterven-
tionen erforderlich werden.
Mindestens 85% der Mitarbeiter des
Pflegedienstes sollten eine dreijährige
Ausbildung abgeschlossen haben (ggf.
Bachelor-Abschluss), davon mindes-
tens 65 % im Bereich Kranken- oder
Gesundheitspflege. Aus therapeutischer
Sicht sollte die Anzahl der Pflegemit-
arbeiter im Tagesdienst so bemessen
sein, dass nicht nur Personal für die rein
organisatorischen Stationsprozesse und
die Besetzung des Stationssekretariats
vorhanden sind, sondern auch Perso-
nalressourcen bestehen, um konkret
mit den Patienten sozio- und milieu-
therapeutisch zu arbeiten und diese
in ihrer Alltagsstrukturierung und in
alltagspraktischen Fähigkeiten zu un-
terstützen. Dazu zählt auch genügend
Personal, um Lockerungsschritte regel-
mäßig umsetzen zu können. Diese müs-
sen auch aufrechtzuerhalten sein, wenn
andererseits Personal zu Rund-um-die-
Uhr-Betreuung eingeteilt werden muss.
Die Zahl der einsetzbereiten Pflegekräe
richtet sich nach Stationsgröße und -typ
sowie örtlichen Gegebenheiten.
DenforensischenKlinikenmussper-
sonell juristischer Sachverstand zur Ver-
fügung stehen.
Räumliche Ressourcen
Forensische Behandlungseinrichtungen
unterscheiden sich bundesweit hinsicht-
lich ihrer Anbindung oder Einbettung
in die Versorgungszentren der allge-
meinen Psychiatrie. Es gibt (im Ein-
zelfall ausschließlich hoch gesicherte)
Solitärstandorte, Standorte mit einer
voll umfänglichen Differenzierung der
Gebäude nach unterschiedlichen Sicher-
heitsstandards von hoch gesichert bis
zu offenen Wohngruppen und Apparte-
menthäusern auf oder in der Nähe des
Klinikgeländes; es gibt forensische Ab-
teilungenanGroßkrankenhäusernoder
einzelne forensische, etwas höher gesi-
cherte Schwerpunktstationen unterhalb
einer eigenen Abteilungsstruktur.
DerbaulicheSicherungsaufwandwird
psychiatriepolitisch unterschiedlich in-
terpretiert und unterliegt auch politi-
schen Vorgaben. Während die bauliche
Sicherung der Klinikgebäude nach au-
ßen dem Schutz der Bevölkerung dient,
muss die Gebäudebeschaffenheit nach
innenebensodem SchutzderMitarbeiter
und Mitpatienten dienen. Entsprechend
sind auch geeignete Notrufsysteme zu
installieren.
Die Unterbringung in der Klink soll so
gestaltet sein, dass sie den Lebensbedin-
gungen außerhalb möglichst angeglichen
ist, inklusive Beschäigungs-, Sport- und
Freizeitmöglichkeiten.
Die Stationsgröße muss den spezi-
fischen Behandlungsbedürfnissen der
Patienten entsprechen. Sie sollte zwi-
schen 12 und 20 Betten umfassen. Be-
sonders gesicherte Kriseninterventions-
räume und gesicherte Außenbereiche
sind vorzuhalten. Bauliche Sicherungen
zur Suizidprävention bzw. zum Schutz
gegen gefährliche Angriffe auf Dritte
sind zu berücksichtigen. Die räum-
liche Unterbringung in Einzel- oder
Mehrbettzimmern richtet sich nach
behandlungsspezifischen Gesichtspunk-
ten. Die Möglichkeit zur Unterbringung
in einem Einbettzimmer ist vorzuhal-
ten. Bedarfsabhängige Renovierungen
und ggf. Erneuerung von Mobiliar sind
einzuplanen, damit das Milieu seinen
wertschätzendenCharakter nichtverliert
und sich für die milieutherapeutische
Unterstützung der Patienten weiterhin
eignet.
Differenzierung und
Spezialisierung
Die Patienten des Maßregelvollzuges un-
terscheiden sich bezüglich ihrer Behand-
lungsbedürfnisse, ihres Ansprechens auf
Interventionen und ihrer Sicherungser-
fordernisse [113]. Dieser Heterogenität
muss baulich und organisatorisch Rech-
nung getragen werden. Die nachfolgen-
den Gesichtspunkte greifen dabei häufig
ineinander.
Differenzierung nach Sicherungs-
grad
Auffälligstes inneres Strukturmerkmal
einer forensischen Klinik sind die un-
terschiedlichen baulichen Sicherungs-
standards der verschiedenen Stationen
und Wohnbereiche. Diese reichen von
hochgesichert über gesichert, geschlos-
sen und halb offen bis hin zu offen
geführten Stationen und Wohngruppen
außerhalb des Sicherungsbereiches.
Differenzierung nach
Behandlungsbedürfnissen
Die Aufgaben eines forensisch-psychia-
trischen Versorgungssystems lassen sich
folgenden Bereichen zuordnen, die un-
terschiedliche strukturelle Ressourcen
erfordern:
4Aufnahme, Diagnostik und Gesamt-
therapieplanung,
4Behandlung und Rehabilitation,
4Reintegration und Entlassung,
4ambulante Nachsorge.
Weil Menschen mit unterschiedlichen
psychischen Störungen behandelt wer-
den, benötigt die Klinik eine thera-
peutische Binnendifferenzierung mit
spezialisierten Stationen. Diese sollten
fachspezifische Milieus und erapie-
programme vorhalten [109].Esempfiehlt
sich eine Trennung zwischen Patienten
gem.§63StGBund§64StGB.Im
Hinblick auf die Behandlung der rund 8
bis 10 % Frauen in der Forensik kommen
sowohl gemischt geschlechtlich belegte
StationeninBetrachtalsauchreineSpe-
zialstationen für Frauen (vgl. Abschnitt
„Patientinnen im Maßregelvollzug“).
S6 Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017
Tab. 1 Inhaltsverzeichnis der Krankenak te (Beispiel)
Thema Inhalt
Deckblatt für einen kurzen
und schnellen Überblick
Name, Geburtsdatum, Geburtsort und -land
Aktenzeichen der Justizbehörden (ggf. aktualisieren)
Personenbeschreibung
Überhaftnotierungen
Unterbringungsdelikte
Diagnosen
Lockerungsstand
Bezugspersonen mit Adressen und Telefonnummern
Gefährdete Personen mit Adressen und Telefonnummern
Fahndungsbogen
Juristische Grundl age der
Unterbringung
Urteil
Andere Grundlagen der Unterbringung, z. B. einstweilige Unter-
bringung, Sicherungshaftbefehl, Krisenintervention
Aufnahmeersuchen
Auszug aus dem Bundeszentralregister
Anordnungen der Gerichte (z. B. Kontaktverbote )
Juristische Vorgeschichte, Gerichtsentscheidungen aller Art
Widerrufsbeschlüsse
Weisungsänderungen
Juristische
Verlaufsdokumentation
Gutachterliche Stellungnahme n (z. B. Fortdauer, Erledigung)
Beschlüsse zur Fortdauer der Unterbringung
Gutachten Eingangsgutachten
Prognosegutachten
Lockerungsgutachten
Psychiatrische
Vorgeschichte
Gutachten aus früheren Verfahren
Gutachten zur Einrichtung oder Fortführung einer Betreuung
Frühere Arzt- und Entlassungsberichte und Epikrisen
Auszüge aus früheren Krankenakten
Berichte aus Heimen, von Jugendämtern etc.
Eingangsdiagnostik Medizinische Eingangsuntersuchung und Diagnostik
Psychiatrische und soma tische Anamnese
Delinquenzanamnese
Psychologische Testergebnisse
Risikobeurteilung
Pflegediagnosen
Erhebungen des Sozialdienstes
Erhebung des schuli schen und beruflichen Ausbildungsstands
und der Sprachkompetenzen
Behandlungsplanung Behandlungsplanung unmittelbar nach Aufnahme
Ausführlicher Behandlungsplan
Fortschreibung und Aktual isierung des Behandlungsplans
Krisen- und Notfallpläne
Aufklärungs- und Einwilligungsbögen
Ggf. Patientenverfügung
Differenzierung nach therapeuti-
scher Ansprechbarkeit
Patienten des Maßregelvollzugs spre-
chen auf Behandlung unterschiedlich
an. Während einige bereits während
der vorläufigen Unterbringung gemäß
§ 126a Strafprozessordnung (StPO) so
weit gebessert werden können, dass eine
sofortige Aussetzung der Unterbringung
(§ 67b StGB) infrage kommt, ist – im psy-
chiatrischenMaßregelvollzuggemäߧ 63
StGB – bei einer weitaus größeren Grup-
pe auch nach langjähriger Behandlung
eine Entlassung nicht absehbar. Wich-
tig ist, dass Nichtentlassbarkeit oder
ungenügende therapeutische Erreich-
barkeit nicht automatisch mit hohem
Sicherungsbedarf gleichgesetzt wird.
Umgekehrt lässt ein gutes Ansprechen
auf die Behandlung nicht automatisch
den Sicherungsbedarf entfallen; viel-
fach rechtfertigt es aber eine weniger
starke Sicherung und gebietet zügige Lo-
ckerungen. Entsprechendes gilt für die
Behandlung in der Entziehungsanstalt
(§ 64 StGB).
Stationär-ambulantes
Behandlungskontinuum
Behandlung im Maßregelvollzug er-
streckt sich im Regelfall in einem Kon-
tinuum von intramuraler über transmu-
rale bis hin zu extramuraler Behandlung
[110]. Für die Nachbetreuung bedarf
es personell gut ausgestatteter Ambu-
lanzen. Diese arbeiten kontrollierend,
unterstützend, direktiv und aufsuchend.
Bei jedem Kontakt erfolgt eine Risiko-
beurteilung und falls erforderlich Risi-
komanagement in Zusammenarbeit mit
Strafvollstreckungsgerichten, Führungs-
aufsichtsstelle und Bewährungshilfe. Ein
nahtloser Übergang zwischen statio-
närer und ambulanter Behandlung muss
gewährleistet sein.
Klinisches Case-Management
Vor dem Hintergrund eines multimo-
dalen und multiprofessionellen Behand-
lungsansatzes haben sich in der foren-
sischen Psychiatrie und Psychotherapie
im stationären und ambulanten Bereich
Konzepte des klinischen Case-Manage-
ments durchgesetzt. Hierbei ist eine
Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017 S7
Konsensuspapiere
Tab. 1 Inhaltsverzeichnis der Krankenakte (Beispiel) (Fortsetzung)
Thema Inhalt
Behandlungsverlauf und
Verlaufsdiagnostik
Kontinuierliche Verlaufsdokumentation(u. a. dynamische Risiko-
faktoren und Symptombelastung, wichtige Zustandsbeschreibun-
gen, Auffälligkeiten, aktuelle Ereignisse, besondere Vorkommnis-
se, Inhalte der multiprofessionellen Behandlungsmaßnahmen)
Ergebnisse von Lockerungskonferenzen und Lockerungsentschei-
dungen mit Begründung
Somatische Befunde und
Verlaufsdokumentation
Medikamentenverordnungen mit Begründung und Aufklärung
des Patienten
Drug-Monitoring
Laboruntersuchungen
Röntgen
Elektrokardiographie, Computert omographie, Magnetresonanzto-
mographie und weitere Untersuchungen
Konsiliaruntersuchungen und somatisc he Behandlungen
Eingriffe in die Rechte/
besondere Behandlungs-
und
Sicherungsmaßnahmen
Behandlungen ohne Einwilligung
Kurzfristige Lockerungsrück nahmen
Fesselungen
Isolierungen
Fixierungen
Sicherungsmaßnahmenbei Ausführungen
Besondere Vorkommnisse Meldungen von Entweichungen und Zwischenfällen nach Rege-
lungen der Länder und der Krankenhausträger
Weitere Rubriken Weiterer Schriftwechsel
Beschwerden und Widersprüche
Sozialdienstliche Betreuung (z. B. Geldangelegenheiten, Aufent-
haltsrecht)
Gesetzliche Betreuung
Fotokopien aktueller und früherer Ermittlungsakten
einzelne Person für die Koordinierung
der Maßnahmen, die mit und rund
um einen Patienten herum stattfinden,
zuständig.DieAufgabendes Case-Mana-
gers können administrative Tätigkeiten
inklusive Erstellung der erforderlichen
Korrespondenz mit Justiz, Bewährungs-
hilfe, Verwaltungen und Kostenträgern
ebenso wie die Indikationsstellung, Ver-
anlassung und Koordinierung einzel-
ner Behandlungsmaßnahmen sowie die
individuelle therapeutische Betreuung
eines einzelnen Patienten beinhalten.
Bei ihm laufen alle Informationen für
das Risikomanagement zusammen.
Dokumentation
Eine umfassende Dokumentation des
Behandlungsverlaufs ist fachlich und
rechtlich zwingend erforderlich, um
Behandlungsmaßnahmen, Risikoein-
schätzungen und erapieerfolg nach-
vollziehbar zu machen (vgl. auch § 630 f
Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Die je-
weiligen landesrechtlichen Vorschrien
sind zu beachten.
Die Dokumentation erfolgt in der
Krankenakte, in der alle medizini-
schen, therapeutischen und pflegeri-
schen Dokumente zusammengestellt
werden (.Ta b. 1). Verantwortlich für
die Führung der Krankenakte ist der
Maßregelvollzugsleiter. Jede Beruf sgrup-
pe ist zuständig für ihren fachspezifi-
schen Anteil an der Dokumentation. Die
Krankenakte muss systematisch aufge-
baut und übersichtlich geordnet sein.
Eine elektronische Führung der Kran-
kenakte ist möglich. Sicherungen und
Zugriffsmöglichkeiten müssen geklärt
sein.
Die Behandlungs- und Wiedereinglie-
derungspläne dienen der Überprüfung
undFortschreibungderBehandlungszie-
le. Sie bündeln die verschiedenen Aktivi-
täten und Maßnahmen, überprüfen de-
ren Effektivität und entwickeln weitere
Zielsetzungen. Hier finden sich nicht nur
konkrete Behandlungsmaßnahmen, son-
dern auch kurz-, mittel- und langfristi-
ge Risikoeinschätzung (z. B. mit Verwen-
dung von Prognoseinstrumenten). So-
weit nicht anders gesetzlich vorgeschrie-
ben, sollen die Behandlungspläne alle
sechs Monate im Rahmen von Behand-
lungsplankonferenzen überarbeitet und
fortgeschrieben werden.
Die Dokumentation außerstationärer
Erprobungen und der forensischen
Nachsorge erfolgt nach vergleichbaren
Maßstäben. Krisen- und Notfallpläne,
Adressen und Telefonnummern von Be-
zugspersonen, Ansprechpartnern und
etwaigen gefährdeten Personen sind zu
hinterlegen.
Strukturfragen in der Praxis
Für den organisatorischen Alltag wie für
Krisen (z. B. Feuer, Geiselnahmen, Aus-
brüche, Evakuierung) müssen konkre-
te Verfahrensweisen schrilich hinterlegt
und unterwiesen werden. In den Sicher-
heitsstandard gehört auch die Festlegung
der Besucherkontrollen am Eingang der
Klinik,die Festlegungsicherheitsrelevan-
terverbotenerGegenständeund Medien-
inhalte, wobei die Regelungen in den
Bundesländern unterschiedlich sind.
Die forensische Psychiatrie und Psy-
chotherapie muss in ihren Grundsätzen
der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
dazu beitragen, dass ihr Aurag ge-
sellschalich bejaht und als Nutzen
für die Senkung des Rückfallrisikos –
und damit als Teil des Opferschutzes –
verstanden wird. Für Krisenfälle (z. B.
Gefährdung der Öffentlichkeit) sind Ab-
laufpläne einschließlich engmaschiger
Absprachen mit Polizei, Staatsanwalt-
schaen und Gerichten vorzubereiten.
Die Schweigepflicht ist zu beachten. Die
externe Kommunikation ist mit der zu-
ständigen Fachaufsicht abzustimmen.
Auch wenn die Klinik Gegenstand von
Beschuldigungen oder Ermittlungen
wird, ist die Schweigepflicht zu wahren
und die Behandlung zu schützen. Die
Öffentlichkeitsarbeit des Maßregelvoll-
zugs hat sich vor allem dem Schutz einer
S8 Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017
Tab. 2 Beispiele verschiedener Prognoseverfahren
Generation der Prognose-
verfahren
Name des Instruments (Abkürzung,
Autor und Erscheinungsjahr)
Straftätergruppen
Klinisch intuitiv – –
Aktuarische Prognoseverfahren
2. Generation Violence Risk Appraisal Guide (VRAG;
Quinsey et al. 2006 [121])
Gewalt
Static 99 (Hanson und Thornton 1999
[56])
Sexual
Psychopathy Checklist-Revise d (PCL-R;
Hare 2003 [61])
Gewalt/Sexual
3. Generation Level of Service Inventory – Revised (LSI-
R; Andrews und Bonta 1995 [2])
Gewalt
Violence Risk Scale (VRS/-SCf; Wong und
Gordon 2006 [157])
Gewalt/Sexual
Stable 2007 (Hanson und Harris 2007 [58,
59]; Mattes und Rettenberger 2008 [96])
Sexual
Acute (Hanson und Harris 2007 [57];
Mattes und Rettenberger 2008 [97])
Sexual (kurzfristig)
Prognose verfahren der 4. Ge-
neration
Level of Service/Case-Management In-
ventory (LS/CMI; Andrews et al. 2004 [4])
Gewalt
Structured professional
judgement(SPJ)
Historical-Clinical-RiskScheme – 20 (HCR-
20 V2/3; Webster et al. 1997 [152]; deut-
sche Version: Müller-Isb erner et al. [111])
Gewalt
Female Additional Manual (FAM; de Vogel
et al. 2010 [26])
Gewalt durch Frauen
(Zusatzmanual zum
HCR-20)
Short Term Assessment of Risk and Trea-
tability (START; Webster et al. 2009 [153])
Gewalt (akut)
Sexual Violence Risk Scheme – 20 (SVR-
20; Boer et al. 1997 [8]; deutsche Version:
Müller-Isberner e t al. [112])
Sexual
Structured Assessment of Violence Risk in
Youth (SAVRY; Borum et al. 2002 [11])
Jugendliche
freiheitsorientierten Behandlungs- und
Lockerungspraxis zu widmen.
Behandlung im Maßregel-
vollzug
Eingangsdiagnostik
Die Behandlung im Maßregelvollzug
erfolgt auf der Grundlage einer umfas-
senden, multimodalen und multipro-
fessionellen Eingangsdiagnostik. Diese
muss umgehend beginnen und sollte
neben der körperlichen und neurologi-
schen Untersuchung, einer vollständigen
Anamneseerhebung einschließlich der
forensischen Anamnese, der Erhebung
des psychopathologischen Befundes so-
wie apparativen und psychologischen
Zusatzuntersuchungen auch eine erste
Risikobeurteilung umfassen. Festgestell-
te Diagnosen werden nach international
gültigen diagnostischen Klassifikations-
systemen (aktuell ICD-10 [ICD: In-
ternational Statistical Classification of
Diseases and Related Health Problems],
DSM-5 [Diagnostic and Statistical Ma-
nual of Mental Disorders]) verschlüsselt.
Die Risikoerfassung und -beurteilung
basiert auf allen verfügbaren Informa-
tionen und bezieht die Auswertung der
Aktenlage einschließlich der Vorakten
(z. B. Schule, Jugendamt, Justizakten,
Krankenakten) mit ein. Die Risikobeur-
teilung stützt sich auf strukturierte Ri-
sikobeurteilungsinstrumente (.Tab. 2).
Auch wenn die Hinzuziehung der Vor-
akten o zeitaufwendig ist und teilweise
der Einwilligung des Patienten bedarf,
sollte die Eingangsdiagnostik in der Re-
gel nach drei Monaten abgeschlossen
sein. Auf dieser Grundlage sind eine
Delinquenzanamnese, Delikthypothese
und ein individuelles Risikoprofil zu
erarbeiten. Alle Befunde müssen unter
exakter Quellenangabe dokumentiert
sein.
Behandlungsplan
Die Behandlung im Maßregelvollzug be-
ginnt am Tag der Aufnahme. Ausgehend
vom Basisrisiko und den jeweils vorlie-
genden dynamischen (= veränderbaren)
Risikofaktoren legt der Behandlungs-
plan dar, mit welchen Methoden (unter
Berücksichtigung der Ansprechbarkeit)
und in welcher Reihenfolge diese zu
reduzieren, kompensieren oder neutra-
lisieren sind. Schon zu Beginn sollte
ein Szenario entworfen werden, das
aufzeigt, unter welchen Rahmenbedin-
gungen eine Entlassung erreichbar sein
wird. In kurzfristigeren Behandlungs-
plänen sind überprüfbare Zwischenziele
zu definieren. Behandlungsverträge mit
dem Patienten legen konkrete Behand-
lungsmaßnahmen zur Zielerreichung
und ggf. Bedingungen für die nächsten
Lockerungsschritte fest.
Forensische Rehabilitations-
modelle und Behandlungs-
prinzipien
Forensische Rehabilitationsmodelle sind
AnsätzezurReduktionkriminellerRück-
fälligkeit und zielen auf ein kriminalitäts-
freies Leben in Freiheit [142]. Etabliert
sind das RNR-Prinzip [3], das GLM [49,
88] und im Bereich der Pflegewissen-
schaendas Recovery-Modell[155]. Den
Rahmen für die Behandlung im Maß-
regelvollzug bildet das Rückfallvermei-
dungsmodell.
Risk-need-responsivity-Prinzip
Die breiteste empirische Basis hat das
Risk-need-responsivity-Prinzip (RNR-
Prinzip). Es bildet den Rahmen, nach
dem die im Einzelfall anzuwenden-
den Interventionen auszuwählen sind.
Das „risk principle“ (Risikoprinzip) be-
sagt, dass das Rückfallrisiko über valide
Methoden (vgl. Abschnitt „Risikobe-
urteilung“) erhoben werden sollte. Die
Intensität der Intervention (z. B. erhöhter
zeitlicher Aufwand, mehr erapiemaß-
Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017 S9
Konsensuspapiere
nahmen, medikamentöse Behandlung,
Sicherung etc.) sollte dem Risiko ent-
sprechen. In der Regel wird zwischen
niedrigem, mittlerem und hohem Risi-
ko unterschieden. Das „need principle“
(Bedürfnisprinzip) besagt, dass krimi-
nalpräventive Interventionen auf solche
Merkmale abzuzielen haben, die mit
dem kriminellen Verhalten in Zusam-
menhang stehen („kriminogene Bedürf-
nisse“ oder „criminogenic needs“). Das
„responsivity principle“ (Ansprechbar-
keitsprinzip) besagt, dass die Auswahl
der Behandlungsmethoden dem Lern-
stil und den Fähigkeiten der Patienten
entsprechen sollte.
Als „central eight“ der Risikofakto-
ren für Kriminalität benennen Bonta
und Andrews [12]: kriminelle Vorge-
schichte, antisoziale Persönlichkeits-
muster, prokriminelle Einstellungen,
Unterstützung kriminellen Verhaltens
durch das soziale Umfeld, Alkohol-
und Drogenmissbrauch, dysfunktionale
familiäre/eheliche Beziehungen, Schei-
tern in Schule/Arbeit und antisoziale
Freizeitaktivitäten. Daraus leiten sich
die Behandlungsziele ab. Das antiso-
ziale Persönlichkeitsmuster zeigt sich in
Impulsivität, „sensation seeking“, Rastlo-
sigkeit, Aggressivität und Irritierbarkeit.
Deshalb sind die Verbesserung von
Selbst- und Ärgermanagement sowie
Problemlösekompetenz wichtige, Erfolg
versprechende Ziele. Rechtfertigenden
Einstellungen zur Kriminalität („pro-
kriminelle Einstellungen“) soll durch
Vermittlung prosozialer Einstellungen
und Identität entgegengewirkt werden.
Der Kontakt zum kriminellen Umfeld
soll nachhaltig reduziert und der Aufbau
prosozialer Kontakte gefördert werden.
Alkohol- und Drogenkonsum sollen
verlässlich reduziert werden. Arbeits-/
Lernfähigkeit, interpersonelle Beziehun-
gen, prosoziale Freizeitaktivitäten und
ggf. elterliche Erziehungskompetenz
sollen gefördert werden. Die kriminel-
le Vorgeschichte ist selbstverständlich
nicht veränderbar.
Ausden psychopathologischenSymp-
tomen psychisch Kranker lassen sich
nur aussichtsreiche forensische Behand-
lungsziele ableiten, wenn sie in einer
funktionalen Beziehung zu dem kri-
minellen Verhalten stehen wie z. B. bei
einem handlungsleitenden Wahn oder
einer Impulskontrollstörung.
Ungeachtet des Tätertypus sprechen
auch die forensischen Patienten in der
Psychotherapie am besten auf kognitive
soziale Lernstrategien wie prosoziales
Modelllernen, Problemlösen und die
angemessene Verwendung von Ver-
stärkung an [12]. Effektive kognitive
soziale Lernstrategien wirken durch die
gleichzeitige Anwendung zweier Prinzi-
pien, zum einen des Beziehungsprinzips
(Aufbau einer therapeutischen Bezie-
hung und Optimieren des interperso-
nellen Einflusses zum/auf den Patienten
durch eine warmherzig engagierte Kom-
munikation, Respekt und Akzeptanz)
und zum anderen des Kontingenz-/
Strukturierungsprinzips (Beeinflussung
der Richtung des interpersonellen Ein-
flusses – prosozial vs. antisozial – durch
gezielte Beachtung und Strukturierung
der Inhalte, die in der Beziehung ver-
stärkt werden). Diese beiden Prinzipien
lassen sich in griffigen Formulierun-
gen wie „firm, but fair“; „empathisch,
aber direktiv“, „Dem Patienten ist mit
Respekt und Akzeptanz zu begegnen,
nicht aber dem delinquenten Verhal-
ten“ zusammenfassen. Der spezifischen
Ansprechbarkeit folgend sollten unter
Berücksichtigung individueller Stärken,
des Lernstils, der Persönlichkeit, der
Motivation und biosozialer Merkmale
allgemeine kognitiv-behaviorale Strate-
gien immer an den Einzelfall angepasst
werden [12].
„Good lives model“
DiezentraleAnnahmedes„goodlives
model“ (GLM) ist, dass sich eine zu-
friedenstellende Lebensführung präven-
tiv auf die zukünige Straffälligkeit einer
Person auswirkt. Entsprechend sollen de-
linquent gewordene Menschen im Errei-
cheneinersolchenLebensführungunter-
stütztwerden.Dabeisolldie Befriedigung
sog. Grundbedürfnisse (z. B. Wissen, Au-
tonomie, Verbundenheit, Gemeinscha,
Spiritualität etc.) erreicht werden, wobei
die Art und Weise, wie diese Bedürfnisse
erfüllt werden, sich interindividuell un-
terscheiden kann. Ein direkter Zusam-
menhang zu kriminellem Verhalten er-
gibt sich, wenn eine Person durch Delin-
quenz versucht, ein bestimmtes Bedürf-
nis zu befriedigen. Von einem indirek-
ten Zusammenhang spricht man, wenn
aus zu starker Einengung auf bestimm-
te Grundbedürfnisse eine Destabilisie-
rung der Person oder ihrer Umwelt folgt,
die kriminelles Verhalten begünstigt. Das
zentrale Angebot von Rehabilitation soll
daher darin bestehen, Patienten bei einer
funktionalen und prosozialen Befriedi-
gung ihrer Grundbedürfnisse zu unter-
stützen [49,88].
Recovery-Prinzip
Recovery beinhaltet die drei Prinzipien
Hoffnung, Selbstbestimmung und Par-
tizipation. Es zielt auf die Stärkung der
Einbeziehung der Patienten in die Be-
handlung ab und ist insbesondere in den
Pflegewissenschaen und der Selbsthil-
febewegung verbreitet. Die World Health
Organization (WHO) hat die Förderung
von „recovery“ in ihren Aktionsplan zur
psychischen Gesundheit aufgenommen
[155]. Das Konzept erscheint insbeson-
dere aufgrund der langen Behandlungs-
dauer (etwa ein Drittel der nach § 63
StGB Untergebrachten befindet sich län-
ger als zehn Jahre in der Unterbringung)
bedeutsam.
Rückfallvermeidungsmodell
Methodenübergreifend gibt das Rück-
fallvermeidungsmodell der Behandlung
im Maßregelvollzug einen konzeptio-
nellen Rahmen, der eine ambulante
Weiterbehandlung vorbereitet und er-
möglicht. Die Grundidee dieses aus der
Suchtbehandlung stammenden Modells
zur Risikominderung ist, dass einer
Straat meist eine Verhaltenskette vor-
angeht, die durch sich aufschaukelnde
interne und externe Faktorenangestoßen
wird (Delinquenzspirale). Intern können
bestimmte Gedanken, Fantasien, Wahr-
nehmungen und Gefühle, extern z. B.
die Verfügbarkeit von Alkohol, Drogen,
Waffen oder potenziellen Opfern delin-
quentes Verhalten anstoßen. Je früher
die zum Delikt hinführende Verhaltens-
kette unterbrochen werden kann, desto
geringer ist das Risiko eines Rückfalls.
Ziel der Behandlung ist es, diese zum
Delikt hinführende Verhaltenskette so
früh wie möglich zu unterbrechen. Je
nachdem, wie weit ein Patient von ei-
nemRückfalldeliktentferntist,wirdman
S10 Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017
unterschiedlich invasive Interventionen
wählen [38,39].
Therapieverfahren
Grundlegend für die Behandlung im
psychiatrischen Maßregelvollzug ist die
Herstellung einer therapeutischen Bezie-
hung. Die zur Behandlung eingesetzten
Pharmako-, Somato-, Psycho-, Sozio-,
Ergo-, Arbeits- und Milieutherapien fin-
den auf der Grundlage der geschilderten
Rehabilitationsmodelle statt und setzen
–wiejedeBehandlung–grundsätzlich
die Einwilligung und Mitwirkung des
Patienten voraus (vgl. Abschnitt „Be-
handlung und Maßnahmen gegen den
Willen des Patienten“). Dasselbe gilt
für deliktpräventive Verfahren aus der
Straäterbehandlung.
Pharmako- und Somatotherapie (z. B.
Elektrokrampherapie) folgen den Emp-
fehlungen der Fachgesellscha, wobei
einschränkendaufdieGrenzender Über-
tragbarkeit evidenzbasierter Leitlinien,
die nicht an forensisch psychiatrischen
Patienten gewonnen wurden, verwiesen
wird. Beim Vorliegen einer schizophre-
nen oder affektiven Störung ist eine
psychopharmakologische Behandlung
aus fachlicher Sicht unerlässlich. Für
paraphile Sexualstraäter kann eine
Behandlung mit selektiven Serotonin-
wiederaufnahmehemmern (SSRI) und/
oder mit testosteronsenkenden Medi-
kamenten erwogen werden [7,13]. Bei
hirnorganisch bedingter Aggressivität
kann eine Behandlung mit Betablockern
oder Neuroleptika sinnvoll sein. Bei Pa-
tienten mit Persönlichkeitsstörung kann
eine symptom- und syndromorientierte
psychopharmakologische Behandlung in
Betracht gezogen werden. Auch somati-
sche Erkrankungen sind leitliniengemäß
zu versorgen.
Die in Deutschland aufgrund ihrer
generellen Wirksamkeit anerkannten
psychotherapeutischen Richtlinienver-
fahren sind Verhaltenstherapie und psy-
chodynamische Verfahren, und zwar in
den Settings Einzel-, Gruppen-, Paar-
und Familientherapie. Eine generelle
Problematik besteht darin, dass die in
psychotherapeutischen Ausbildungsin-
stituten vermittelten Settings und Inhalte
zu wenig die Klientel und die Erforder-
nisse des Maßregelvollzugs berücksich-
tigen. An manualisierten Behandlungen
finden insbesondere die auf forensische
Belange spezialisierte dialekektisch-be-
haviorale erapie Forensik (DBT-F),
die mentalisierungsbasierte erapie
(MBT), die Schematherapie und die
übertragungsfokussierte erapie (TFP)
Anwendung (u. a. [37]; Überblick auch
in [32]; vgl. Abschnitt „Störungen durch
psychotrope Substanzen (ICD-10: F1)“).
Mit psychisch kranken Rechtsbrechern
wird eher verhaltenstherapeutisch als
psychodynamisch gearbeitet.
Aus der Straäterbehandlung kom-
men spezifische Ansätze wie R&R-Trai-
ning (R&R: Reasoning & Rehabilitation;
[55]) und kognitiv-behaviorale Sexual-
straäterbehandlung (z. B. „sex offender
treatment programme“ [SOTP], Be-
handlungsprogramm für Sexualstraä-
ter [BPS]). Diese Programme wurden an
die Verhältnisse des deutschen Maßre-
gelvollzugs adaptiert.
Sinnvolle Tagesstruktur mit Arbeit,
kreativen Elementen, möglichst um-
fassender Selbstversorgung und klarer
Distanzierung von Übergriffen im Alltag
sind zentral und z. B. für die Drogen-
therapie in den USA in ihrer Wirkung
auch evidenzbasiert belegt [144].
ZusammenfassendesZiel der Behand-
lung ist, dass sich der Patient im Dialog
mit seinen erapeutenwie mit Mitpati-
enten und Angehörigen nach und nach
selbstkritischmit seiner psychischen Stö-
rung, seinenkriminogenen Bedürfnissen
(„needs“)wie auchmitderendeliktischen
Folgen im Zusammenhang seiner Bio-
grafie, seinen Wünschen und Ängsten
auseinandersetzt und diese versteht so-
wie mit Unterstützung der Pflege neue
positive Erfahrungen im Stationsalltag
macht, um hieraus zu einer Verände-
rung der eigenen Sinnbezüge und zu
einer nachhaltigen Lebensstiländerung
zu gelangen. Für manche Patienten sind
Tages- und Wochenpläne, Arbeitsthera-
pie und Selbstversorgung, z. B. im Rah-
meneinertherapeutischenGemeinscha
oder der Milieutherapie, die erste ge-
regelte Tagesstruktur ihres Lebens und
erste Schritte hin zu einem beschütz-
ten oder regulären Arbeitsplatz und einer
möglichst selbständigen Alltagsbewälti-
gung. Für Patienten, die bislang inner-
halb der Dissozialität relativ erfolgreich
waren („Leben auf der Überholspur“),
gehört zu einer solchen Lebensstilände-
rung auch, die Spannung des kriminel-
len Milieus gegen die Berechenbarkeit
eines bürgerlichen Alltags einzutauschen
und künig ein niedriges, möglicherwei-
se deutlich abgesenktes Einkommen zu
akzeptieren.Wesentlich ist es immer,dass
die Patienten durch die Neuorientierung
eine neue Selbstachtung und Würde er-
reichen, wozubeispielsweise ein im Maß-
regelvollzug erworbener Schulabschluss
oder eine erfolgreiche berufliche Wie-
dereingliederung beitragen können, aber
auch die Entdeckung neuer Möglichkei-
ten einer befriedigenden Freizeitgestal-
tung über sportliche und erlebnispäd-
agogische Aktivitäten, Gruppenausflüge
in die Naturoder kulturelle Angebote wie
Musik-, Mal- oder eaterprojekte. Der
Einbeziehung der Angehörigen kommt
eine generelle Bedeutung zu, besonders
aber dann, wenn diese zu den Geschä-
digten der Deliktedes Patienten gehörten
[69].
Forensisch-psychiatrische
Nachsorge
Forensisch-psychiatrische Nachsorgebe-
fasstsich mitderBetreuungvon Patienten
unter Führungsaufsicht. Die Mehrzahl
der Patienten befand sich vorher im
Maßregelvollzug. Bei den anderen Pati-
enten wurde die Unterbringung bereits
im Urteil zur Bewährung ausgesetzt. Die
Paragraphen 68 ff. StGB beschreiben das
Verhältnis von Gericht, Führungsauf-
sichtsstelle und Bewährungshilfe sowie
forensischer Ambulanz. Die Einbindung
in polizeiliche Rückfallpräventionspro-
gramme für spezielle Tätergruppen (z. B.
Konzeption zum Umgang mit rückfall-
gefährdeten Sexualstraätern [KURS],
Zentralstelle zur Überwachung rück-
fallgefährdeter Sexualstraäter [ZÜRS],
Haentlassenen Auskunsdatei Sexual-
straäter [HEADS]) ist von Bundesland
zu Bundesland unterschiedlich gere-
gelt. Paragraph 68b Abs. 1 StGB stellt
einen Katalog von Weisungen zur Ver-
fügung, bei denen bereits der Verstoß
als solcher strafbar ist, während Abs. 2
der Vorschri Weisungen beschreibt,
die nur mit Einwilligung des Patienten
Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017 S11
Konsensuspapiere
erteilt werden dürfen; dazu gehört ins-
besondere die zentrale Weisung, sich
ärztlich und psychotherapeutisch be-
handeln und medizieren zu lassen. Die
Einwilligung kann zurückgenommen
werden, ohne dass dies alleine rechtliche
Folgen auslöst. Paragraph 67f StGB ent-
hält die Gründe für den Widerruf der
Bewährung (Weisungsverstoß, Straat,
Zustandsverschlechterung), notfalls mit
einem vorgehenden Sicherungshabe-
fehl (§ 453c StPO). Im Fall einer Krise
ermöglicht § 67h StGB die (sofortige)
Invollzugsetzung der Unterbringung für
maximal sechs Monate. Einige Landes-
gesetze sehen auch die Möglichkeit der
befristeten freiwilligen Wiederaufnahme
zur Krisenintervention vor.
Das Ziel ist Verhinderung von Rück-
fälligkeit in Delinquenz. Die praktische
Arbeit umfasst forensische, psychiatri-
sche, psychotherapeutische, allgemein-
ärztliche, pflegerische und sozialarbeite-
rische und insbesondereauch aufsuchen-
de Inhalte. Dies erfordert Mitarbeiter, die
neben der fachlichen Qualifikation in all
diesen Aufgabenfeldern über forensische
Erfahrung und Bereitscha zu Flexibili-
tät, Engagement, selbständigem Handeln
und lebenspraktischem Denken verfü-
gen.
Forensisch-psychiatrische Nachsorge
bewegt sich im Spannungsfeld zwischen
Hilfe und Kontrolle. Kernpunkt der
Nachsorge ist die aktuelle Risikoein-
schätzung und das aktualisierte Risiko-
management. Zum Risikomanagement
gehören neben unterstützenden auch
grenzensetzende, assertive Interventio-
nen, erforderlichenfalls durch Einschal-
tung des Gerichts.
Die forensische Ambulanzarbeit um-
fasst Sprechstunden, Einzel- und Grup-
penpsychotherapien, Hausbesuche, Ar-
beitsplatzbetreuungen, medikamentöse
Behandlung inkl. Drug-Monitoring,
soziomilieutherapeutische Aktivitäten,
regelmäßige Abstinenzkontrollen sowie
telefonische Beratung und Hilfestellung.
Außerdem stellen die Vermittlung von
Wissen und die Koordination (z. B. im
Rahmen von Helferkonferenzen) even-
tueller weiterer „Nachbetreuer“ wie der
Mitarbeiter von Werkstätten, Heim-
einrichtungen, Tagesstätten oder des
Betreuten Wohnens, von Psychothera-
peuten, Nervenärzten, gesetzlichen Be-
treuern, Partnern, Familienangehörigen
und Freunden sowie der Bewährungs-
helfer wesentliche Arbeitsschwerpunkte
dar (Übersichten bei Freese [50]; Seifert
et al. [136]).
Risikobeurteilung, Risiko-
management und Lockerungen
Risikobeurteilung
Einleitung
Im Maßregelvollzug werden zu unter-
schiedlichen Zeitpunkten Risikobeurtei-
lungen notwendig: bei der Aufnahme
zur Beurteilung des Sicherungsbedarfs,
im weiteren Verlauf zur Behandlungs-
planung, für Lockerungen und in Kri-
sen sowie zur Frage der Fortdauer der
Unterbringung. Eine enge Verzahnung
von Risikobeurteilung und Behandlung
ist Voraussetzung für die Wahl der Be-
handlungsmaßnahmen, die Vermeidung
vonZwischenlleninundaußerhalbder
Einrichtung und um nicht erforderliche
erapiemaßnahmen zu unterlassen. Sie
muss mit den Entscheidungs-, Kommu-
nikations- und Dokumentationsstruktu-
ren der Klinik eng verzahnt sein. Bei
der Risikobeurteilung werden zunächst
die im individuellen Fall vorliegenden
statischen (unveränderlichen) und dyna-
mischen (prinzipiell veränderbaren) Ri-
sikofaktoren, aber auch die protektiven
Faktoren einschließlich des sozialen Um-
felds identifiziert und bewertet. Dabei
liegt für eine strukturierte Erfassung von
Risikofaktoren bzw. protektiven Faktoren
mittlerweile auch im deutschsprachigen
Raum eine Reihe reliabler und valider
Prognoseinstrumente vor (Übersichten
beiNedopil[115] sowieRettenbergerund
von Franqué [126]).
Rechtlicher Rahmen
Das Recht macht Vorgaben für die
ärztlichen und psychotherapeutischen
Prognoseentscheidungen: Lockerungen
(und deren Versagung oder Zurücknah-
me) sind davon abhängig, ob Straaten
oder die Flucht befürchtet werden müs-
sen. Die gerichtliche Kontrolle ist hier
auf den richtigen Gebrauch des voll-
zuglichen Ermessens beschränkt: Sind
die Entscheidungen des Vollzugs geeig-
net, erforderlich und verhältnismäßig
im Blick auf den Zweck der Maßregel?
Hingegen entscheidet das Gericht in der
Sache, wenn es um Fortdauer der Unter-
bringung oder deren Aussetzung (§ 67d
Abs. 2 StGB) und die dabei zugrunde
zu legenden Rahmenbedingungen geht.
Nach § 57 Abs. 1 S. 2 StGB, dessen
Kriterien der Sache nach auch für die
Prüfung der Aussetzungsreife der Maß-
regeln zutreffen, sind für die Prognose
in jedem Fall – aber nicht abschließend
– zu berücksichtigen die Persönlichkeit
des Verurteilten/Untergebrachten, sein
Vorleben, die Umstände seiner Tat, das
Gewicht des bei einem Rückfall be-
drohten Rechtsguts, sein Verhalten im
Vollzug, seine Lebensverhältnisse und
die Wirkungen, die von der Aussetzung
für ihn zu erwarten sind. Nach § 454
Abs. 2 StPO ist prognostisch zu beurtei-
len,obdieinderTatzutagegetretene
Gefährlichkeit fortbesteht. Das BVerfG
hat ergänzend bestimmt, dass der Grad
der Wahrscheinlichkeit neuer Taten zu
konkretisieren und Besonderheiten des
Falles zu beachten seien. Vor allem kom-
me es auf die seit der Anordnung der
Maßregel veränderten Umstände an,
die für die Zukun bestimmend sei-
en. Dazu gehöre nicht nur der Zustand
des Untergebrachten, sondern auch die
zu erwartenden künigen Lebensum-
stände. Es könne auf die Wirkungen
der Führungsaufsicht und die weiteren
Maßnahmen der Aufsicht und Hilfe
ankommen (BVerfGE 70, 297, 313). Bei
allen Items ist jeweils zu prüfen, ob ihre
Bewertung in die sachliche Kompetenz
des Maßregelvollzugs (z. B. psychischer
Zustand) oder des Gerichts (z. B. Ge-
wicht des Rechtsguts) fällt (vgl. [9]).
Die von den Erfahrungswissenschaen
entwickelten Methoden der Risikobe-
urteilung und des Risikomanagements
stellen aus Sicht des Gerichts ein wesent-
liches Hilfsmittel für die Entscheidung
dar, können den normativen Akt der
Gerichtsentscheidung aber nicht erset-
zen.
Methoden der Risikobeurteilung
Man unterscheidet heute unterschiedli-
che Idealtypen von Kriminalprognose-
methoden (siehe auch [125]). Die erste
Generation oder klinisch-intuitive Kri-
S12 Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017
minalprognose beschreibt ein Vorgehen,
das sich ausschließlich oder überwie-
gend an der subjektiven Erfahrung des
Beurteilers orientiert. Diese Form der
Vorhersage führt zu einer relativ unzu-
verlässigen und vergleichsweise wenig
treffsicheren subjektiven Vorhersage. Sie
kann damit nicht empfohlen werden. Die
zweite Generation der sog. statistisch-
nomothetischen (auch aktuarischen)
Prognoseinstrumente arbeitet mit einer
festgelegten Anzahl von Risikofaktoren,
die empirisch mit Rückfälligkeit im Zu-
sammenhang stehen. Die Verrechnung
der einzelnen Risikofaktoren folgt nicht
einerindividuellen Gewichtung, sondern
ist durch das Instrument vorgegeben.
Aufgrund des so gebildeten Gesamtwer-
tes wird der Patient einer Risikogruppe
mit empirisch ermittelten Wahrschein-
lichkeitswerten für Rückfälligkeit zuge-
ordnet. Prognoseinstrumente der dritten
Generation setzen verstärkt auf dyna-
misch veränderbare Risikofaktoren und
eignen sich damit auch zur Erfassung
der kriminogenen Bedürfnisse („needs“)
und zur Verlaufsmessung. Sie zeichnen
sich durch eine hohe Messgenauigkeit
und Vorhersageleistung aus. Modelle der
vierten Generation gehen über die reine
Anwendung von Prognoseinstrumenten
hinaus und erstellen ein individuelles
(idiografisches) Fallmodell, wodurch die
Planung von Maßnahmen des Risikoma-
nagements erleichtert wird. Hierunter
können strukturiert-klinische Progno-
seinstrumente („structured professional
judgement“ [SPJ]) und das Prozessmo-
dell der Urteilsbildung idiografischer
Rückfall- und Gefährlichkeitsprognosen
subsumiert werden.
ObundwelchederzahlreichenInstru-
mente im Einzelfall ausgewählt werden,
richtet sich danach, welche Risiken für
welche Tätergruppe in welchem Kon-
text für welchen Zweck beurteilt werden
sollen. Das am besten untersuchte Ins-
trument zur Erfassung von Gewalttaten
bei Maßregelvollzugspatienten ist der
HCR-20 (HCR: Historical Clinical Risk
Scheme) in seiner Version 2 [152]. Die
wichtigen Schritte der Beurteilung eines
Gewaltrisikos im Sinne eines SPJ lassen
sich wie folgt beschreiben [31]: Sammeln
der Informationen für den spezifischen
Fall, Bewertung der einzelnen Risi-
kofaktoren, Beurteilung der Relevanz
der identifizierten Risikofaktoren, Fall-
konzeptualisierung, Formulieren von
Risikoszenarien, Entwicklung von Ri-
sikomanagementstrategien mit Fokus
auf klinisch-dynamische Risikofaktoren
oder kriminogene Bedürfnisse sowie ab-
schließende Beurteilung des Risikos in
niedrig, mittel und hoch für allgemeine
zukünige Gewalt, für schwere physi-
sche Gewalt und für konkret drohende
Gewalt [31,79]. Für die Beurteilung bei
Sexualstraätern stehen zur Verfügung
z. B. SVR 20 (SVR: Sexual Violence Risk
Scheme; [8]), Static 99 [62], Acute 2007
[57], Stable 2007 [36,58], wobei der
Static 99 in Verbindung mit Stable 2007
und Acute 2007 als die gegenwärtig
am besten validierte Kombination von
Instrumenten erscheint.
Im Laufe der Unterbringung ergeben
sich weitere zu beurteilende und einzu-
grenzende Risiken, z. B. das Risiko für
Selbstverletzung, Suizid, Entweichung
oder Substanzmissbrauch. Ein weit ver-
breitetes Instrument zur Erfassung dieser
RisikenstelltderSTART(ShortTermAs-
sessment of Risk and Treatability; [153])
dar. Zusätzlich fokussiert dieses im mul-
tiprofessionellen Team anzuwendende
Instrument insbesondere dynamische
und protektive Faktoren und führt über
einen gelenkten Prozess zur Ableitung
von Behandlungsmaßnahmen.
Häufig reicht die Anwendung eines
einzelnen Prognoseinstruments nicht
aus, um die sehr unterschiedlichen Fra-
gen zu beantworten.
Die Anwendung aller Instrumente
setzt eine forensische Ausbildung, qua-
lifizierte Schulung und Erfahrung in der
BehandlungvonStraäternvoraus.
Organisation und Durchführung
der Risikobeurteilung in der
Maßregelvollzugsklinik
Die Risikobeurteilung muss einem struk-
turierten und transparenten Prozess
folgen, der in die Entscheidungswege
der Institution integriert ist. Wichtig
ist die Einbeziehung aller an der Be-
handlung beteiligten Mitarbeiter, struk-
turierte Kommunikation der Risiken,
Transparenz in der Dokumentation und
Vernetzung von Risikobeurteilung, -ein-
grenzung, -kommunikation und Be-
handlungsplanung. Risiken müssen von
sämtlichen Berufsgruppen erfasst, do-
kumentiert und eingegrenzt werden.
Daher bedarf es eines gemeinsamen
Verständnisses von Gewalt, Risiken so-
wie Risikokriterien. Durch gemeinsame
Ratings oder das gemeinsame Zusam-
menstellen der Informationsbasis für
das Rating wird die Sensibilität für
relevante Informationen erhöht und
die Kommunikation mit den richtigen
Begrifflichkeiten auf das Wesentliche
fokussiert. Die einzelnen Beurteilungen,
die erapieplanung und die jährlichen
Prognosestellungnahmen gemäß § 67d
StGB müssen präzise aufeinander ab-
gestimmt und in Letztverantwortung
des therapeutischen Leiters formuliert
werden.
Risikomanagement
Die Risikobeurteilung muss in ein ef-
fektives Risikomanagementmünden.Zu-
sätzlich zu den beschriebenen Behand-
lungsmaßnahmen (vgl. Abschnitt „Be-
handlung im Maßregelvollzug“) stehen
dem Maßregelvollzug drei weitere Ver-
fahren zur Verfügung [63]: Risikomo-
nitoring, Beschränkung von Handlungs-
spielräumen, Opferschutz.
Risikomonitoring
Das Monitoring zielt darauf, Änderun-
gen des Risikos fortlaufend zu beobach-
ten und zu beurteilen. Dies hat bereits
per se eine verhaltenssteuernde Wir-
kung auf die Patienten. Methoden sind
vor allem der kontinuierliche Kontakt
bzw. das Gespräch mit dem Patienten,
ferner Selbstbeobachtungsprotokolle,
Laufzettel, Kassenbuch, Fahrtenbuch,
Hausbesuche, Telefonkontakte, Kon-
takte mit Bezugspersonen, Drogen- und
Alkoholtests, Erfassung der Medikamen-
tenspiegel und Sicherungsmaßnahmen
im engeren Sinn wie Kontrolle von
elektronischen Datenträgern, Telekom-
munikation, schrilichen Unterlagen
sowie Durchsuchungen. Für ein effek-
tives Risikomanagement ist es wichtig,
sicherzustellen, dass alle Verlaufsbe-
obachtungen zeitnah an einer Stelle zu-
sammenfließen und dass zeitnah reagiert
werden kann (z. B. Case-Management,
Besprechungswesen der Klinik, „runder
Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017 S13
Konsensuspapiere
Tisch“, Kommunikation mit der Justiz).
Im Fokus des Monitorings stehen die
im Rahmen der Risikobeurteilung erho-
benen Risikofaktoren bzw. protektiven
Faktoren.
Beschränkung von Handlungs-
spielräumen
Ein weiteres Instrument des Risikoma-
nagements ist die Einschränkung von
Handlungs- und Bewegungsspielräu-
men, sodass dem Patienten die äußeren
Möglichkeiten für Übergriffe aller Art
erschwert werden. In der konkreten
Ausgestaltung dieser Einschränkungs-
möglichkeiten haben die meisten Maß-
regelvollzugskliniken je nach länder-
rechtlich geregelten Möglichkeiten für
die intramurale Behandlung ein abge-
stues Lockerungs- oder Stufensystem
etabliert. Hierin werden den Patienten –
in Abhängigkeit von ihrer Prognose bzw.
ihrem Risiko – Freiheiten und Rechte
eingeschränkt (bis hin zu Isolierung und
Fixierung),aberauchLockerungen(Aus-
gänge, Urlaube etc.) gewährt. Außerhalb
des stationären Maßregelvollzuges kön-
nen gerichtlich angeordnete Weisungen
nach § 68b StGB Basis eines Risikoma-
nagements durch Einschränkung von
Handlungsräumen sein.
Opferschutz
Der Risikominderung dient auch die
Einbeziehung gefährdeter Personen aus
dem Nahbereich der Patienten. Das be-
deutet, potenzielle Opfer zu stärken.
Hierzu dienen Deeskalationsschulun-
gen innerhalb der Kliniken, fachkundige
Begleitung und Supervision von Einrich-
tungen aus dem Nachsorgesystem durch
eine forensisch-psychiatrische Ambu-
lanz, Interventionen in Familien mit
Patienten mit Psychoseerkrankungen
sowie die Einbeziehung in die Behand-
lung und Aufklärung von Partnern und
Angehörigen.
Lockerungen
Lockerungenhaben eng miteinanderver-
wobene rechtliche und therapeutische
Aspekte. In rechtlicher Hinsicht muss
der mit der Unterbringung notwendig
verbundene Eingriff in die Freiheit des
Untergebrachten erforderlich sein, um
der von ihm ausgehenden Ge fährlichkeit
zu begegnen. Zugleich muss der Eingriff
so gering wie möglich gehalten werden
und darf nicht über das hinausgehen, was
zur Gewährleistung der Sicherheit der
Allgemeinheit unabdingbar notwendig
ist. Für das Gericht tragen Vollzugs-
lockerungen wesentlich dazu bei, die
Grundlage der prognostischen Beurtei-
lung (Fortdauer oder Aussetzung der
Maßregel) zu erweitern. In therapeu-
tischer Hinsicht stellen Lockerungen
ein in der Regel unverzichtbares Mittel
der Behandlung dar, um die Behand-
lungsmotivation zu fördern, erapie-
fortschritte zu überprüfen, neue Ziele
zu erarbeiten und die Wiedereinglie-
derung zu erleichtern und somit einer
Hospitalisierung entgegenzuwirken.
Als mögliche Vollzugslockerungen
sehen die Maßregelvollzugsgesetze und
Verwaltungsvorschrien der Länder Re-
gelbeispiele mit vielen systematischen
und begrifflichen Unterschieden vor.
Unterschieden werden (gefesselte oder
streng begleitete) Ausführungen, beglei-
tete oder unbegleitete Ausgänge, jeweils
innerhalb des Klinikgeländes oder ex-
tramural, kürzere und längere Urlaube
sowie Erwerbstätigkeit und schließlich
verschiedene Formen der Entlassungs-
oder Langzeitbeurlaubungen. Bei der
Planung der Maßnahmen müssen zeit-
gerecht das in den Ländern sehr un-
terschiedlich geregelte Verfahren, die
zu beteiligenden Institutionen (Gericht,
Staatsanwaltscha, Aufsichtsbehörde)
und die Art ihrer Beteiligung (Anhö-
rung, Benehmen, Zustimmung) im Blick
behalten werden.
Jeder einzelnen Lockerung muss eine
aktuelle Analyse des Behandlungsstan-
des und des Risikos zugrunde liegen,
und zwar jeweils bezogen auf die aktuell
anstehende Lockerung: Welches Be-
handlungsziel soll mit der vorgesehenen
Maßnahme erreicht werden, und unter
welchen Bedingungen und mit welcher
Wahrscheinlichkeit ist damit zu rechnen,
dass der Untergebrachte diese anstehen-
de Lockerung weder zur Flucht noch
zu rechtswidrigen Taten missbrauchen
wird? Immer sind alle Informationen
über den Patienten zugrunde zu le-
gen (aktuelles Urteil, Registerauszug,
ggf. Vorverurteilungen, Krankheitsana-
mnese, Delinquenzanamnese, Verhalten
in der Unterbringung, erapieziele,
protektive sowie Risikofaktoren). Zur
Einschätzung des Risikos gehört auch,
wie schnell und mit welchen Mitteln der
Untergebrachte zurückgeholt werden
kann, wenn die Maßnahme zu misslin-
gen droht; das gilt in besonderem Maße
für die Planung einer Entlassung und
die Zeit der Führungsaufsicht danach.
Die Bewilligung jeder Lockerung
muss einem transparenten und struktu-
rierten mehrstufigen Verfahren folgen,
das die Erkenntnisse des multiprofessio-
nellen Teams, der leitenden Ärzte und
Psychologen und – verantwortlich nach
außen – der Vollzugsleitung zusammen-
führt. Dies ist in allen Einzelheiten zu
dokumentieren und bildet die Grund-
lage zum einen im Falle des Gelingens
für die Fortführung und Erweiterung
der Lockerungen, zum anderen für die
Aufarbeitung eines Misslingens und zum
dritten für die Rechtfertigung im Falle
von Konflikten mit Außenstehenden.
Lockerungsmaßnahmen sind sorgfäl-
tig zu planen und durchzuführen. Eine
nicht ode rv erzögert gewä hrte Locke rung
führt in der Regel zu einer entsprechen-
den Verlängerung des Freiheitsentzuges.
Besondere Fragen entstehen durch
die Höchstfristregelung für nach § 64
StGB Untergebrachte sowie durch die
gesetzlichen Vorgaben zur Beendigung
der Unterbringung nach § 63 StGB aus
Verhältnismäßigkeitsgründen, was mög-
licherweise nach der Novellierung vom
01.08.2016 zunehmen wird. Erfolgen
Entlassungen aus normativen Gründen
ohne Rücksicht auf die (in der Regel)
nicht abgeschlossene Behandlung und
bei ungünstiger Kriminalprognose, ver-
lieren die Lockerungen ihren Platz in
einem therapeutischen Gesamtkonzept
und sind aus diesem heraus weder zu be-
gründen noch verantwortbar. Sie können
dann nur noch dazu dienen, die fernab
von behandlerischenGründen gesetzlich
oder gerichtlich festgelegte Entlassung
– o nur notdürig – vorzubereiten,
wobei die rechtliche und gesellschali-
che Verantwortung gleichwohl bei der
Klinik verbleibt. Entlassungen weiterhin
besonders gefährlicher Patienten be-
dürfen einer gemeinsamen nach außen
vertretenen Verantwortung.
S14 Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017
Spezielle Fragestellungen
Behandlung und Maßnahmen
gegen den Willen des Patienten
Grundsatz: Aufklärung und
Einwilligung
Während die Unterbringung im Maß-
regelvollzug unabhängig vom Willen des
Untergebrachten erfolgt, ist eine Behand-
lung während dieser Unterbringung re-
gelmäßig nur zulässig, wenn der Un-
tergebrachte einwilligt. Die Einwilligung
muss frei und auf der Grundlage der
gebotenen ärztlichen Aufklärung erteilt
worden sein. Der Untergebrachte muss
bei Erteilung seiner Einwilligung ein-
willigungsfähig und darf keinem unzu-
lässigen Druck ausgesetzt gewesen sein
(BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011 –
2 BvR 882/09).
Eine wirksame Aufklärung setzt vo-
raus, dass der Untergebrachte rechtzeitig
vor Beginn der Behandlung ausführlich
und in für ihn verständlicher Sprache
überdieVor-undNachteiledergewähl-
ten erapie, über alternative Behand-
lungsformen sowie über die möglichen
NachteileeinerunterbleibendenBehand-
lung informiert wird. Das gilt auch, wenn
er nicht einwilligungsfähig ist. In diesem
Fall muss zusätzlich auch sein gesetzli-
cher oder rechtsgeschälicher Vertreter
aufgeklärt werden. Gegebenenfalls emp-
fiehlt es sich, die Einrichtung einer ge-
setzlichen Betreuung anzuregen [28,75,
76]
Zeichnet sich ab, dass der Unter-
gebrachte nicht bereit ist, in die Be-
handlung einzuwilligen oder, wenn er
nicht einwilligungsfähig ist, ihr mit na-
türlichem Willen zuzustimmen, kann
der Betreuer (wie auch der Behandler
und weitere Vertrauenspersonen) ihm
im Sinne einer Entscheidungsassistenz
behilflich sein, das medizinische Prob-
lem zu verstehen und eine Entscheidung
in seinem besten Interesse zu treffen
(Zentrale Ethikkommission; [158]) In
jedem Fall muss versucht werden, den
Betroffenen von der Notwendigkeit der
Maßnahme zu überzeugen (Bundestags-
drucksache 17/12086 S. 1, 11). Dieser
Versuch muss ernstha, mit dem nöti-
gen Zeitaufwand und ohne Ausübung
unzulässigen Drucks durch eine über-
zeugungsfähige und -bereite Person
unternommen werden (Bundesgerichts-
hof [BGH], Beschluss vom 04.06.2014
– XII ZB 121/14). Dabei müssen dem
Betroffenen auch die Konsequenzen auf-
gezeigt werden, die sich im Falle der
Behandlungsverweigerung notwendig
aus dem Zustand ergeben, in dem er
unbehandelt voraussichtlich verbleiben
oder in den er aufgrund seiner Weige-
rung voraussichtlich geraten wird. Stets
ist allerdings darauf zu achten, dass
dem Betroffenen keine Nachteile in Aus-
sicht gestellt werden, die sich im Falle
der Behandlungsverweigerung nicht als
notwendige Konsequenzen aus seinem
Zustand ergeben (BVerfG, Beschluss
vom 23.03.2011 – 2 BvR 882/09). Dies
ist zu dokumentieren.
Die Behandlung darf erst begonnen
werden, wenn der Untergebrachte wirk-
sam darin eingewilligt hat. Eine solche
Einwilligung kann auch in einer Patien-
tenverfügung (§ 1901a BGB) oder einer
zu einem früheren Zeitpunkt abgeschlos-
senen Behandlungsvereinbarung mit sei-
nen Behandlern enthalten sein, in der Si-
tuationen der fehlenden oder fraglichen
Selbstbestimmungs- bzw. Einwilligungs-
fähigkeit im Voraus erfasst und – im Falle
der Behandlungsvereinbarung durch ge-
meinsameAbsprachengeregeltwerden.
Lehnt der Untergebrachte die Be-
handlung ab, muss sie unterbleiben. Das
gilt auch, wenn er nicht einwilligungs-
fähig ist und seine Ablehnung nur mit
natürlichem Willen äußert. Auch me-
dizinisch dringend indizierte Eingriffe
sind dann verboten, und zwar auch,
wenn sich die Freiheitsentziehung da-
durch gegebenenfalls deutlich verlängert
(„Freiheit zur Krankheit“; BVerfG, Be-
schluss vom 23.03.2011 – 2 BvR 882/09).
Die Einwilligung des gesetzlichen oder
rechtsgeschälichen Vertreters kann den
der Behandlung entgegenstehenden na-
türlichen Willen des Untergebrachten
nicht überwinden (BVerfG, Beschluss
vom 23.03.2011 – 2 BvR 882/09). Die
Mitwirkung des Vertreters ist im Sinne
einer Entscheidungs- und Handlungsas-
sistenz aber von Bedeutung, wenn der
einwilligungsunfähige Untergebrachte
der Behandlungsmaßnahme mit na-
türlichem Willen zustimmt oder sich
nicht erklärt. Dann kann der Vertreter
nämlich für den Untergebrachten in die
Behandlung einwilligen und diese da-
durch rechtlich ermöglichen (vgl. BGH,
Beschluss vom 20.05.2015 XII ZB
96/15).
Ausnahme: Zwangsbehandlung
Ist der Betroffene zur Einsicht in die
Schwere seiner Krankheit und die Not-
wendigkeit von Behandlungsmaßnah-
menoderzumHandelngemäßsolcher
Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig,
begründet dies eine spezifische Hilfs-
bedürigkeit. Behandlungsmaßnahmen
dürfen deshalb in gravierenden Fällen
als Ultima Ratio auch unter Überwin-
dung des entgegenstehenden natürlichen
Willens vorgenommen werden (BVerfG,
Beschluss vom 26.07.2016 – 1 BvL 8/15).
Das gilt allerdings nur, wo und soweit
klare und bestimmte gesetzliche Grund-
lagen bestehen, und nur, wenn und
soweit deren Voraussetzungen erfüllt
sind (BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011
– 2 BvR 882/09). Nicht in allen Bun-
desländern bestehen bisher zureichende
gesetzliche Grundlagen für die Zwangs-
behandlung der Anlasskrankheit der
Unterbringung und nur ein Teil der Lan-
desgesetze enthalten auch Regelungen in
Bezug auf die Behandlung anderer, z. B.
somatischer Krankheiten [81]. Gemein-
samer materieller Kern dieser Regeln
ist, dass eine Zwangsbehandlung nur
erfolgen darf, wenn die Abwägung von
drohender erheblicher Beeinträchtigung
der persönlichen Freiheit und/oder Ge-
sundheit des Betroffenen auf der einen
und der Intensität des Eingriffs und
seiner Erfolgsaussicht auf der anderen
Seite im Einzelfall zu einem eindeutigen
Ergebnis führt.
DerSchutzDrittervorrechtswidrigen
Taten, die ein Untergebrachter im Fall
seiner Entlassung begehen könnte, kann
eine Zwangsbehandlung nicht rechtferti-
gen; dieser Schutz kann auch durch blo-
ße Fortsetzung der Unterbringung er-
reicht werden (BVerfG, Beschluss vom
23.03.2011 – 2 BvR 882/09). Davon zu
unterscheiden ist der Schutz z. B. von
MitpatientenunddemBehandlungsteam
vor Lebens- und erheblichen Gesund-
heitsgefahren. In zahlreichen Landesge-
setzen finden sich Regelungen, nach de-
nen nicht einwilligungsfähige Unterge-
Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017 S15
Konsensuspapiere
brachte zur Abwehr solcher, zumal ge-
genwärtiger Gefahren auch gegen ihren
erklärten natürlichen Willen behandelt
werden dürfen; einige Länder erlauben
in diesem Fall sogar die Zwangsbehand-
lung eines einwilligungsfähigen Patien-
ten, wenn darin der im konkreten Fall
am wenigsten belastende Eingriff liegt
[81,82].
Die Verantwortung für die Zwangs-
behandlung liegt beim Arzt. Das Ver-
fahren muss für den Betroffenen trans-
parent sein und er muss über wirksame
Rechtsschutzmöglichkeiten verfügen.
Der Behandlung muss außerdem eine
unabhängige Prüfung der Indikation für
eine Zwangsbehandlung vorausgehen,
es sei denn es liegt eine Notfallsituation
vor. Stets sind Gründe und Verlauf der
Behandlung sorgfältig und vollständig
zu dokumentieren (BVerfG, Beschluss
vom 23.03.2011 – 2 BvR 882/09; BVerfG,
Beschluss vom 26.07.2016 – 1 BvL 8/15;
vgl. weiter [75]). Die Behandlung ist
engmaschig ärztlich zu überwachen
und sofort zu beenden, wenn ihr Ziel
erreicht ist, der wieder einwilligungsfä-
hige Untergebrachte in eine Fortsetzung
nicht einwilligt, sich herausstellt, dass
sie unvorhergesehene Risiken begrün-
det oder die erhoe positive Wirkung
ausbleibt. Gesetzliche Befristungen sind
zu beachten [81].
Stets verlangt der Respekt vor der
Selbstbestimmung des Patienten, dass
vor Beginn einer konkreten Behand-
lungsmaßnahme aktuell festgestellt wird,
ob der Untergebrachte im Hinblick auf
diese Maßnahme nicht doch hinreichend
einsichts- und handlungsfähig ist (vgl.
Stellungnahme der Zentralen Ethik-
kommission [158]; DGPPN [28]). Dabei
können auch eine Patientenverfügung
oder früher geäußerte Behandlungs-
wünschefürdieaktuelleLebens-und
Behandlungssituation maßgeblich sein
(vgl. § 1901a Abs. 1 und 2 BGB; [81]).
Bleibt es bei dem entgegenstehenden
natürlichen Willen des Betroffenen, so
weist ein Beschluss des Bundesverfas-
sungsgerichts darauf hin, dass dieser
unterschiedlich intensiv zu berücksich-
tigen sein kann (BVerfG, Beschluss vom
26.07.2016 – 1 BvL 8/15).
Untersuchungen
Die Regeln für die Behandlung gelten in
gleicher Weise für Untersuchungsmaß-
nahmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom
26.07.2016 – 1 BvL 8/15).
Besondere Sicherungs-
maßnahmen
Für besondere Sicherungsmaßnahmen
gelten rechtlich die für die medizini-
sche Untersuchung und Behandlung
bestehenden Regeln nicht bzw. nur in
modifizierter Form. Hierzu zählen z. B.
die Absonderung von anderen Unterge-
brachten, die Unterbringung in einem
besonders gesicherten Raum ohne ge-
fährdende Gegenstände, der Entzugoder
die Vorenthaltung von Gegenständen,
der Entzug oder die Beschränkung des
Aufenthaltes im Freien, die Fixierung
durch mechanische Einschränkungen
der Bewegungsfreiheit oder Medika-
mente, die Fesselung und die Beob-
achtung der untergebrachten Person,
auch durch technische Hilfsmittel. Diese
Maßnahmen sind stets zulässig, wenn
der Untergebrachte einwilligt. Ohne
Einwilligung oder gegen seinen Willen
dürfen solche Maßnahmen nur ergriffen
werden, wenn es eine hinreichend klare
und bestimmte gesetzliche Eingriffs-
grundlage gibt. Nicht alle Landesgesetze
lassen alle beispielha genannten Si-
cherungsmaßnahmen zu. Soweit die
Landesgesetze besondere Sicherungs-
maßnahmen zulassen, setzen diese eine
von dem Untergebrachten ausgehende
gegenwärtige, nicht anders abwendba-
re Gefahr für sich, andere Patienten
oder Mitarbeitende voraus. Das gilt für
einwilligungsfähige wie einwilligungs-
unfähigeUntergebrachtegleichermaßen.
Bei der Anordnung dieser Maßnahmen
kommt dem therapeutischen Ermes-
sen großer, allerdings der gerichtlichen
Kontrolle unterliegender Spielraum zu.
In unterschiedlichem Ausmaß verlan-
gen die Landesgesetze Genehmigungen
der Aufsichtsbehörde oder des Gerichts;
bei Gefahr im Verzug darf und muss
allerdings sofort eingegriffen werden.
Unterschiedliche Anforderungen stellen
die Landesgesetze auch an eine transpa-
rente Dokumentation und Meldungen
an die Fachaufsicht. Die Maßnahmen
müssen in bestimmten Zeitabständen
überprü und umgehend beendet wer-
den, wenn ihr Ziel erreicht bzw. ihr
Anlass entfallen ist. Alle Maßnahmen
müssen in jeder Hinsicht verhältnismä-
ßig sein und unterstehen stets dem –
langfristigen – Zweck der Maßregel.3
Zu den besonderen Sicherungsmaß-
nahmen zählt auch der Nachteinschluss,
der in einzelnen Bundesländern auch
aus ökonomischen Gründen durchge-
führt wird. Dieser stößt auf gravierende
juristische, ethische und psychiatrische
Bedenken [19].
Disziplinarmaßnahmen
Disziplinarmaßnahmen knüpfen an
ein vom Untergebrachten verschulde-
tes Fehlverhalten an und dienen der
Aufrechterhaltung oder der Wiederher-
stellung der Sicherheit und Ordnung
in der Maßregelvollzugsanstalt. Sie sind
nur in den Maßregelvollzugsgesetzen der
Länder Bayern und Hessen ausdrücklich
vorgesehen. Verbreitet werden sie im
Vollzug der Maßregeln der §§ 63, 64
StGB als unzulässig angesehen. Kriti-
siert wird der schmale Grat zwischen
therapeutischen und disziplinarischen
Maßnahmen dahingehend, dass sich
unter dem Deckmantel therapeutischer
Begründungen überwiegend diszipli-
narische und strafende Haltungen und
Entscheidungen verbergen [85].
Deeskalation und Nach-
bearbeitung
Zwangsmaßnahmen sollten durch prä-
ventive Maßnahmen möglichst vermie-
den werden. Dazu gehören ein deeska-
lierender Umgang mit dem Patienten,
ein geordnetes, faires Beschwerdesystem,
das allgemeine persönliche und sächli-
che Stationsklima, Rückzugsmöglichkei-
ten,räumlicheGroßzügigkeitund profes-
sionelle Teamarbeit. Wenn sich Zwangs-
maßnahmen im Einzelfall nicht vermei-
den lassen, ist zu beachten, dass sie für
Patienten wie für Mitarbeitende belas-
tend und potenziell traumatisierend sein
3Eine nähere Klärung des verfassungsrechtli-
chen Rahmens ist von noch für 2017 geplanten
Entscheidungen des Bundesverfassungsge-
richts in mehreren Verfassungsbeschwerde-
verfahren zu erwarten (2 BvR 309/15, 2 BvR
502/16).
S16 Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017
können; nach ihrer Beendigung sollten
sie deshalb gemeinsam besprochen und
aufgearbeitet werden.
Pflicht zur Verschwiegenheit und
zur Offenbarung
Die Behandlung im Maßregelvollzug fin-
det im Rahmen einer durch ein Gericht
angeordneten Unterbringung statt. Dies
kann sich spezifisch auf eine vertrauens-
volle Beziehung des Patienten zu den Be-
handlern auswirken. Die Vertrauensbe-
ziehung kann dadurch belastet werden,
dass die Inhalte der Behandlung nicht
einer umfassenden Verschwiegenheits-
pflicht unterliegen, sondern die Behand-
ler sogar verpflichtet sind, sie in verschie-
denen Zusammenhängen zu offenbaren.
Eine einheitliche und eindeutige
Rechtslage gibt es nicht; die Länder
haben teilweise Regelungen geschaf-
fen, die jedoch mit der Rechtsprechung
harmonisieren müssen.
Gericht und andere Verfahrens-
beteiligte
Die Behandler im Maßregelvollzug ste-
henindemDilemma,einerseitswie
jedem Patienten, so auch der unterge-
brachten Person zur Verschwiegenheit
verpflichtet zu sein und sich bei einem
Verstoß dagegen strafbar zu machen
(§ 203 StGB), andererseits dem Gericht
die Tatsachen, die das Gericht seiner Ent-
scheidung zugrunde legen muss, nach-
vollziehbar und transparent vorzut ragen.
Spiegelbildlich ist das Gericht für eine
gerechte Entscheidung dazu verpflichtet,
eine möglichst umfassende Tatsachen-
grundlagezu ermitteln und sich erstdann
eine eigene Meinung zu bilden. Dasselbe
gilt für Staatsanwaltscha, Verteidiger
und ggf. weitere Verfahrensbeteiligte. In
welche Richtung, in welchem Umfang
und für welche rechtlichen Fragestellun-
gen (z. B. Lockerungen, Vollzugspläne,
Aussetzung/Fortdauer/Erledigung der
Maßregel) dieses Spannungsverhältnis
aufzulösen ist, ist unter Juristen und e-
rapeuten umstritten (BVerfG Beschluss
vom 22.01.2015 – 2 BvR 2049/13, 2 BvR
2445/14).
Nach § 463 Absatz 4 Satz 1 StPO
ist im Rahmen der jährlichen Überprü-
fung der Unterbringung nach § 63 StGB
„eine gutachterlicheStellungnahmeder
Maßregelvollzugseinrichtung einzuho-
len. Diese muss Ausführungen dazu
enthalten, welche Behandlungsmaßnah-
men im Hinblick auf das Vollzugsziel
durchgeführt wurden, wie der aktuel-
le Behandlungsverlauf ist und welche
(weiteren) Behandlungs- und era-
piemöglichkeiten in Betracht gezogen
werden sollten. Daraus ergibt sich nach
Auffassung des Gesetzgebers zugleich
die Befugnis, entsprechende Erkennt-
nisse auch zum Behandlungsverlauf zu
offenbaren, soweit das Gericht sie im
Hinblick auf seine Fortdauerentschei-
dung benötigt. „In der Regel reichen
hier die Angaben, die im Behandlungs-
und Eingliederungsplan dokumentiert
werden, während Informationen aus
der unmittelbaren Vertrauensbeziehung
hierfür nicht erforderlich sind“ (vgl.
Bundestagsdrucksache 18/7244, S. 36 f.).
Innerhalb der Einrichtung des
Maßregelvollzugs einschließlich
externer Therapeuten
Für die Schweigepflicht eines Behand-
lers gegenüber anderen Mitarbeitern
der Klinik gibt es keine über das unter
Abschnitt „Grundsatz: Aufklärung und
Einwilligung“ Gesagte hinausgehenden
rechtlichen Grundlagen. Aus behand-
lerischer Sicht folgt aus der modernen
Krankenhauspsychiatrie als multiprofes-
sioneller Teamarbeit eine selbstverständ-
liche Kommunikation der Mitarbeiter
untereinander, soweit es für die jeweilige
Aufgabe erforderlich ist. Mit Blick auf
die Letztverantwortung der Leitung der
Klinik für Behandlung, Lockerungen
und Entlassungsvorschläge kann eine
Schweigepflicht gegenüber der Leitung
jedenfalls nicht angenommen werden.
Soweit Externe zu welcher Behand-
lung auch immer herangezogen werden,
sollte ihnen dieselbe Dokumentations-
pflicht auferlegt werden wie den Mit-
arbeitern der Klinik; es empfiehlt sich,
dies vor Abschluss des Vertrages mit dem
Externen klarzustellen, auch gegenüber
dem Patienten.
Ambulante forensische Nachsorge
und Führungsaufsicht
Nebenden üblichen Aufgaben einer Am-
bulanz (Unterstützung im Alltag, era-
pie zur psychischen Weiterentwicklung,
Konfliktbewältigung etc.) geht es bei
der ambulanten forensischen Nachsorge
wesentlich um Risikobeurteilung und
Risikomanagement. Paragraph 68a StGB
enthält dazu die folgenden Regelungen,
durch welche die Schweigepflicht aus-
drücklich teilweise aufgehoben wird:
Führungsaufsichtsstelle (eine Behörde
beim Landgericht), Gericht, Bewäh-
rungshilfe und die Mitarbeiter der foren-
sischen Ambulanz (Ärzte, Psychologen,
Sozialarbeiter und -pädagogen, Pflege-
personal sowie deren Hilfspersonal) sind
verpflichtet, einander fremde Geheim-
nisse, die ihnen anvertraut oder sonst
bekannt geworden sind, zu offenbaren,
soweit dies notwendig ist, um der ver-
urteilten Person zu helfen, nicht wieder
straffällig zu werden. Darüber hinaus
müssen die Mitarbeiter der forensischen
Ambulanz derartige Geheimnisse gegen-
über der Aufsichtsstelle und dem Gericht
offenbaren, soweit dies aus ihrer Sicht
zur Überwachung einer Vorstellungs-
oder Behandlungsweisung notwendig ist
oder das Verhalten oder der Zustand der
verurteilten Person einen Widerruf, eine
Krisenintervention (gemeint ist § 67h
StGB) oder die Anordnung der unbe-
fristeten Führungsaufsicht erforderlich
erscheinen lässt oder dies zur Abwehr
einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr
für das Leben, die körperliche Unver-
sehrtheit, die persönliche Freiheit oder
die sexuelle Selbstbestimmung Drit-
ter erforderlich ist. Die Offenbarungen
dürfen nur zu den genannten Zwecken
erfolgen, also nicht dazu, Ermittlungen
in einem neuen Strafverfahren zu un-
terstützen [80]. Es gibt keine gesetzliche
Regelung über den Informationsaus-
tausch einer forensischen Klinik mit
der Polizei, vielmehr muss die Polizei
sich ihre Informationen über die Staats-
anwaltscha beschaffen. Letztere hat
allerdings dieselben Informationsrechte
wie das Gericht.
Über all das sollte der Patient – spä-
testens zu Beginn der Führungsaufsicht
–aufgeklärtwerden.
Herausgabe der Akten an
Gutachter
Nach § 463 Abs. 4 Satz 6 StPO ist exter-
nen Prognosegutachtern Einsicht in die
Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017 S17
Konsensuspapiere
PatientendatendesKrankenhauseszuge-
währen. Entsprechende Regelungen fin-
den sich in einigen Landesgesetzen für
Gutachten nach Landesrecht.
Gegenüber Patient und seinem
Anwalt
Patient und Anwalt – sofern der Pati-
ent dem zustimmt – haben das Recht,
die Behandlungsakten einzusehen; die
Krankenunterlagen sind die Grundlage
für Entscheidungen über den weite-
ren Freiheitsentzug des Patienten. Im
Gegensatz zu allgemeinpsychiatrischen
Regelungen, rechtfertigen therapeuti-
sche Erwägungen keine Einschränkung
des Einsichtsrechts im Maßregelvollzug.
Das Einsichtsrecht wird nur beschränkt
durch schützenswerte überwiegende In-
teressen Dritter, z. B. Opferdaten, oder
wenn konkrete und substanziierte Hin-
weise auf eine Missbrauchsgefahr vorlie-
gen (BVerfG, Beschluss vom 09.01.2006
– 2 BvR 443/02) oder der Einsichtnah-
me erhebliche therapeutische Gründe
entgegenstehen, weil konkrete und sub-
stanziierte Anhaltspunkte Grund zu der
Sorge geben, dass bei unbeschränkter
Einsichtnahme in die Dokumentation
eine erhebliche gesundheitliche Gefähr-
dungdes Patientendroht(vgl.§630gBGB
sowie Bundestagsdrucksache 17/10488).
Gesetzlich betreute Patienten
Besteht eine gesetzliche Betreuung, so
ist damit nur dann ein Anrecht des Be-
treuers auf Auskunserteilung bezüglich
der medizinischen Behandlung des Be-
treuten verbunden, wenn die Bestellung
den Aufgabenkreis der Gesundheitssor-
ge einschließt.
Einstweilige Unterbringung
gemäß § 126a StPO; Unterbrin-
gung zur Vorbereitung einer
Begutachtung, § 81 StPO
Die einstweilige Unterbringung nach
§ 126a StPO sowie die zur Beobachtung
nach § 81 StPO sollen die Prüfung der
Voraussetzungen einer Unterbringung
nach §§ 63 und 64 StGB ermöglichen.
Sie stellen gesetzlich vorgesehene Aus-
nahmefälle dar, in denen eine Duldungs-
pflicht zur Preisgabe von Geheimnissen
aufgrund eines staatlichen Interesses
an der Aufklärung eines Sachverhal-
tes festgelegt ist (BGH, Beschluss vom
06.12.2001 – 1 StR 468/01). Demzufolge
sind während dieser Unterbringungen
die behandelnden Ärzte, erapeuten
und pflegerischen Mitarbeiter zur sach-
verständigen Stellungnahme gegenüber
dem Gericht verpflichtet. Dies bezieht
sich jedoch nur auf die während der
Unterbringung gewonnenen Kenntnis-
se. Für Krankenunterlagen u. ä. anderer
Art gelten die allgemeinen Regeln; sie
dürfen nur verwendet werden, wenn der
Betroffene zugestimmt hat.
Schweigepflichtentbindung
Auf die – in ihrer Reichweite teilwei-
se unklaren und umstrittenen gesetzli-
chen Regelungen und G esetzesauslegun-
gen kommt es nicht an, wenn der Patient
seine Behandler von der Schweigepflicht
entbindet. Die Behandelnden sind dann
zu umfassender Auskun befugt und ge-
genüberdenGerichten sogar verpflichtet.
DerUntergebrachtekannaneiner
Entbindung seiner Behandler und Be-
treuer von der Schweigepflicht interes-
siert sein, weileine rigorose Handhabung
der Schweigepflicht auch negative Kon-
sequenzen für ihn haben könnte. Denn
ohne einigermaßen verlässliche Informa-
tionen über den Stand der Behandlung
lassen sich z. B. weder Lockerungen
verantworten noch kann eine bedingte
Entlassung sinnvoll vorbereitet wer-
den. Auch für die verfassungsrechtlich
gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung
bezüglich künig drohender Straaten
sind Informationen unerlässlich [131,
132].
Allerdings sollte der Kreis der Per-
sonen oder Stellen, denen gegenüber
die Schweigepflichtentbindung gelten
soll, genau festgelegt werden, um un-
verhältnismäßig weite Offenbarungen
auszuschließen. Außerdem sollte vorher
transparent mit dem Untergebrachten
besprochen werden, welche Informatio-
nen im Falle der Schweigepflichtentbin-
dung weitergegeben werden müssten,
um die therapeutische Vertrauensbezie-
hung nicht durch die Offenbarung von
dem Patienten nicht bedachter Inhalte
zu belasten.
Forensisch relevante
Störungsbilder
Spezifische Störungsbilder der forensi-
schenPsychiatriegibtesnicht.Psychische
Störungen erlangen aber eine besondere
Bedeutung in einem forensisch psychi-
atrischen Kontext. Die einzelnen Kate-
gorien psychischer Störungen werden in
Bezug auf Prävalenz und Ätiopathoge-
nese sowie in Bezug auf ihre forensisch
relevanten Besonderheiten insbesonde-
re Delinquenz und Behandlung und im
Folgenden kurz skizziert.
Schizophrenie (ICD-10: F2)
Die Prävalenz schizophrener Psychosen
liegt bei 0,5–1 %, wovon nur jeder Zwei-
hundertste in Deutschland in einem psy-
chiatrischen Krankenhaus gemäß § 63
StGB untergebracht ist.
Ätiopathogenetisch wird von einer
multifaktoriellen Entstehung ausgegan-
gen, wobei eine genetisch bedingte Vul-
nerabilität sowie prä-, peri- und postna-
tale Schädigungen im Zentrum stehen.
Motivationale und neurokognitive De-
fizite wie Schwächen in der selektiven
Aufmerksamkeit bzw. Filterfunktionen
für irrelevante Informationen sowie ein
signifikant reduzierter Hirnstoffwech-
sel insbesondere im Frontalhirnbereich
können für gewalttätiges Verhalten im
Rahmen einer produktiv-psychotischen
Episode als mitursächlich gelten [44,66].
An Schizophrenie erkrankte Men-
schen haben im Vergleich zur Allgemein-
bevölkerung ein 4- bis 5-fach erhöhtes
Risiko, wegen Gewalttaten verurteilt zu
werden oder sich anderweitig aggressiv
zu verhalten [68,93]. Die Assoziation
zwischen Schizophrenie und Gewalt-
delinquenz ist durch vielfältige Studien
abgesichert [42]. Aggressionen treten in
28 % der Fälle bereits vor der Erstmani-
festation einer Psychose auf [156]. Die
Unterbringung im Maßregelvollzug be-
ginntimDurchschnittzehnJahrenach
Erstkontakt mit dem psychiatrischen
Versor g ungss y s t em. Im Durc h s c hnitt
gehen der forensischen Unterbringung
ca. zehn Voraufenthalte in der Allge-
meinpsychiatrie voraus [86]. Risiko-
faktoren sind junges Alter, männliches
Geschlecht, Zwangsunterbringung bei
S18 Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017
Erstmanifestation,Mehrfachaufnahmen,
selbstschädigendes sowie fremdaggres-
sives Verhalten und Substanzkonsum in
derAnamnese[24,86]. Die Komorbi dität
aus Schizophrenie und Substanzkonsum
erhöht das Gewaltrisiko nochmals um
mehr als das Doppelte [138]. Sie steigt
weiter bei Komorbidität mit antisozialer
Persönlichkeitsstörung [68,93].
Auf der deskriptiven Ebene konn-
ten drei Typen gewalttätiger Menschen
mit Schizophrenie identifiziert werden,
wenngleich Befunde zur Ätiologie fehlen
[68]:
1. Individuen mit einer im Kindesalter
beginnenden Störung des Sozialver-
haltens, die sowohl vor als auch nach
Ausbruch der Schizophrenie anti-
soziales und aggressives Verhalten
zeigen,
2. Individuen ohne Vorgeschichte
von Verhaltensproblemen, die mit
Ausbruch der Erkrankung aggressives
Verha l t e n zeigen ,
3. Individuen, die nach vieljährigem
Krankheitsverlauf schwere Gewalt-
handlungen begehen.
Rechtsbrecher mit einer Schizophrenie
zeigen ein breites Delinquenzspektrum
und überzufällig häufig Gewalttaten. Nur
12 % derGewaltopferSchizophrener sind
reine Zufallsopfer. Insbesondere für nahe
Angehörige besteht ein erhöhtes Risiko,
OpferschwersterGewalttatenzuwerden.
Eine andere gefährdete Gruppe sind Per-
sonen des Helfernetzes (z. B. Betreuer,
Pflegepersonal, Ärzte).
Der multimodale Behandlungsan-
satz besteht aus einer Kombination von
antipsychotischer Pharmakotherapie,
Psycho-, Arbeits- und Soziotherapie
sowie Reduzierung der kriminogenen
Risikofaktoren [67]. Die lange Unter-
bringungsdauer ermöglicht eine in-
tensive Behandlung bei weitgehender
Personalkonstanz und einheitlichem
Setting. Bei unzureichender medika-
mentöser Behandlung steigt allerdings
das Risiko eines langen Freiheitsentzugs
und der Hospitalisierung. Grundlage
ist die individualisierte leitliniengerech-
te antipsychotische Behandlung. Beste
Wirksamkeit auf Aggressionsreduktion
ist belegt für Clozapin [17,83,149],
das wegen der Nebenwirkungen aber
nicht Mittel der ersten Wahl sein kann
und nicht in Depotform vorliegt. De-
potpräparate und Spiegelkontrollen sind
besonders wichtig. Zur Stärkung der
Adhärenz muss auf die individuell als
belastend empfundenen Nebenwirkun-
gen der Pharmakotherapie Rücksicht
genommen werden.
Auch bei Patienten mit Schizophre-
nie folgen die erapieinhalte den RNR-
Prinzipien. Antisozialität, Substanzkon-
sum und Intelligenzminderung müssen
als Risikofaktoren besonders therapeu-
tisch adressiert werden. Im Maßregel-
vollzug sind folgende evidenzbasierte
psychotherapeutische Verfahren etab-
liert: metakognitives Training, kognitive
Verhaltenstherapie nach Lincoln, kog-
nitive Remediation, Adhärenztherapie
(vgl. hierzu auch Abschnitt Störungen
durch psychotrope Substanzen (ICD-
10: F1)“). Diese sind individuell auf den
einzelnen Patienten anzuwenden.
Für die bedingte Entlassung sind
Medikation, Angehörigenarbeit und ein
sozialer Empfangsraum mit Wohnung
und Tagesstruktur sowie ein hilfegeben-
des Umfeld erforderlich. Dies ist ge-
meinsam mit dem Patienten frühzeitig
in Zusammenarbeit mit Bewährungshil-
fe, Führungsaufsichtsstelle, forensischer
Institutsambulanz und anderen sozial-
psychiatrischen Einrichtungen zu gestal-
ten. Dasselbe gilt für mög liche stationäre
Kriseninterventionen.
Bipolar affektive Störungen
(ICD-10: F3)
Die Prävalenz der bipolar affektiven Stö-
rungen liegt unabhängig vom Geschlecht
bei ca. 1 %, wobei affektive Störungen
eine quantitativ untergeordnete Rolle
bei der Begehung von Straaten und
der Unterbringung im Maßregelvoll-
zug spielen. Bipolar affektive Psychosen
verlaufenphasenhaundsindinder
Regel gut behandelbar, sodass die Un-
terbringung im Maßregelvollzug nur
bei schweren Verlaufsformen indiziert
ist (z. B. bei schlechter Behandelbar-
keit, Incompliance, chronisch gereizt/
enthemmt manischen Zuständen).
Ätiopathogenetisch wird eine multi-
faktorielle Genese angenommen, bei der
sowohl genetische als auch biologische
Faktoren interagieren und je nach in-
dividuellerDispositionzurAusprägung
von Krankheitssymptomen führen.
Die Art der Delinquenz hängt so-
wohl von der Stimmungsphase als auch
vom Geschlecht ab. Relevante Delikte in
der depressiven Phase sind bspw. Kinds-
tötungen oder erweiterte Suizide sowie
Brandstiungen, in der manischen Phase
Eigentumsdelikte,gefährlichesVerhalten
im Straßenverkehr, Körperverletzungen
und sexuelle Grenzverletzungen.
Menschen mit einer bipolar affektiven
Störung zeigen eine höhere Aggressions-
bereitscha und im Vergleich zur Allge-
meinbevölkerung ein 2,8- bis 5-fach er-
höhtes Gewaltrisiko [6,48,93,101,151].
Prädiktiv und unabhängig voneinan-
der lassen sich zur Vorhersage von De-
linquenz folgende Risikofaktoren identi-
fizieren [151]:
1. Notwendigkeit einer stationären
Aufnahme bei den ersten beiden
Krankheitsepisoden,
2. Suizidversuche in der Anamnese,
3. diagnostizierte Drogen- und/oder
Alkoholabhängigkeit,
4. kriminelles Verhalten vor Diagnose-
stellung.
erapeutisch liegt die Strategie in ei-
ner multimodalen, leitliniengerechten
Behandlung, deren Fokus die leitli-
niengerechte Psychopharmakotherapie
darstellt. Stimmungsstabilisatoren und,
wenn eine depressive Phase führend ist,
Antidepressiva sind Mittel der Wahl.
Insbesondere bei der Reduzierung von
aggressivem Verhalten sind die Atypika
Risperidon und Quetiapin hocheffizient
und in der Reduzierung manischer Sym-
ptome wirksam, wobei Quetiapin dem
Risperidon in der Wirksamkeit gegen
eine depressive Symptomatik überle-
gen ist [95]. Psychotherapeutisch sind
die interpersonelle und die kognitive
Verhaltenstherapie wirksam und wer-
den mit psychoedukativen Maßnahmen
kombiniert. Zur Vermeidung von De-
linquenz ist auch hier die Reduzierung
der spezifischen Erkrankungsrückfällig-
keit wichtig: geregelte Lebensführung,
Sensibilisierung für Frühwarnzeichen,
Alkohol- und Drogenabstinenz, Medika-
mentencompliance, kein Schichtdienst.
Insbesondere muss die Behandlung einer
Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017 S19
Konsensuspapiere
komorbiden Abhängigkeitserkrankung
ebenso erfolgen wie die einer komorbi-
den Persönlichkeitsstörung.
Organische, einschließlich
symptomatischer psychischer
Störungen (ICD-10: F0)
Die Prävalenz behandlungsbedüriger
hirnorganischer Störungen beträgt in
Deutschland etwa 2,7 % [146, S. 272].
DiegrößteGruppeumfasstdiever-
schiedenen Formen von Demenzen (in
Deutschland ca. 1,5 Mio. Betroffene).
Des Weiteren zählen hierzu akute hirn-
organische Störungsbilder (z. B. Delir
nach Alkohol-/Drogenkonsum oder
nach medikamentöser Überdosierung,
Vergiungen) und chronische hirnorga-
nische Störungsbilder; hierunter versteht
man dauerhae Verhaltensauffälligkei-
ten (organische Persönlichkeitsstörung
oder Wesensänderung z. B. bei einer Epi-
lepsie oder nach einer schwerwiegenden
Schädelverletzung).
Die Ätiologie dieser psychischen
Störungen umfasst nachweisbare ze-
rebrale Krankheiten, Hirnverletzungen
oder andere Schädigungen, die zu ei-
ner Hirnfunktionsstörung führen. Die
Hirnleistungsstörungen können mit
Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- und
Konzentrationsstörungen, gesteigerter
Impulsivität, Reizoffenheit und Reizbar-
keit sowie verminderter Affektkontrolle
verbunden sein.
Organische psychische Störungen
können mit einem erhöhten Delin-
quenzrisiko einhergehen, insbesondere
mit Gewalt- und Sexualdelikten. Wäh-
rend Anfallskranke ein deutlich ge-
ringeres Risiko haben, wurde für die
Patientengruppe mit erworbenen Hirn-
schädigungen ein erhöhtes Risiko für
Straaten berichtet [42]. Diese Patienten
weisen häufig zusätzliche Risikofaktoren
auf (z. B. Alkohol- und Drogenkonsum,
bestimmte primärpersönliche Auffällig-
keiten [54]), sodass nicht die hirnorga-
nische Schädigung allein für die Straf-
fälligkeit verantwortlich zu machen ist
[84]. Im Maßregelvollzug nach § 63 StGB
liegt der Anteil dieser Patientengruppe
unter 10 % [20]; deren Delinquenz um-
fasst zwar vorwiegend Straaten gegen
Leib und Leben, die sexuelle Selbstbe-
stimmung, Brandstiungen, aber auch
Eigentumsdelikte ohne Gewalt.
Die Behandlung richtetsichnachder
Ursache der Hirnschädigung und erfolgt
meistens symptomatisch. So können bei
Impulsivität Neuroleptika oder Beta-
blocker (z. B. Propranolol) sinnvoll sein.
Wenn kognit ive Defizite im Vordergrund
stehen,empfiehltsicheintherapeutisches
Konzept wie bei Intelligenzgeminderten
[133]. Die Ausprägung der Störung ist
auch von der Primärpersönlichkeit, Ko-
morbidität (z. B. Suchtproblematik), der
Reaktion auf die Krankheit mit den je-
weiligen Kompensationsmöglichkeiten
sowie der Umgebungssituation beein-
flusst. Demzufolge ist auf eine Stärkung
allgemeiner sozialer Fertigkeiten Wert
zu legen und ein entsprechender, den
individuellen Kapazitäten des Patienten
angepasster sozialer Empfangsraum zu
gestalten. Der Großteil dieser Patienten
wird folglich in eng strukturierte kom-
plementäre Einrichtungen entlassen.
Intelligenzminderung (ICD-10: F7)
Die Prävalenz von Menschen mit Intel-
ligenzminderung beträgt in etwa 1 %.
Die Ätiologie der Intelligenzminde-
rung ist vielgestaltig. Chronologisch sind
prä-, peri- und postnatale Störungen zu
unterscheiden. Bei gut 70 % der Betroffe-
nen ist eine Ursache medizinisch fassbar
(pränatal z. B. Genmutationen, Chro-
mosomenanomalien, exogene Schädi-
gungen; perinatal z. B. Geburtstraumata
oder Infektionen des Neugeboren; post-
natal z. B. Schädel-Hirn-Verletzungen,
eine ausgeprägte Mangelernährung oder
Hirn[haut]entzündungen). Außerdem
weisen Menschen mit Intelligenzmin-
derung häufig eine Komorbidität mit
anderen psychiatrischen und internisti-
schen Krankheiten auf.
Ein erhöhtes Risiko für Straffälligkeit
besteht für eher kleinkriminelle Hand-
lungen wie Diebstahl, Einbruch, Sach-
beschädigung oder leichte Körperverlet-
zung, die in der Regel nicht zu einer Un-
terbringung führen. Im Maßregelvollzug
nach § 63 StGB beträgt der Anteil die-
ser Patientengruppe zwischen 5 und 10 %
[20,72,90]; deren Delinquenz umfasst
vorwiegend Sexualstraaten, vornehm-
lich gegenüber Kindern, Brandstiunge n
und Körperverletzungen [72,133].
Multimodale Behandlungsmaßnah-
men, einschließlich heilpädagogischer
Ansätze, sind angezeigt. Ein gut struk-
turierter Tagesablauf wirkt deliktprä-
ventiv. Es empfiehlt sich ein auf das
Schutzbedürfnis dieser Patientengruppe
abgestimmtes Behandlungsmilieu [134].
Die Behandlungsprogramme müssen
sich am tatsächlichen, also unterdurch-
schnittlichen kognitivenLeistungsniveau
der Patienten orientieren. Dies bedeutet
vor allem, dass sozio- und milieuthe-
rapeutischeAngeboteaufdiekonkrete
praktische Bewältigung von Alltagssitua-
tionen abzielen und die Ressourcen der
Patienten berücksichtigen und damit
die Vorgaben der UN-Behinderten-
rechtskonvention weitgehend erfüllen.
Aufgrund der besonders geringen Flexi-
bilität und Umstellungsfähigkeit ist auf
eine Beziehungskonstanz im therapeu-
tischen Team zu achten. Die einzelnen
therapeutischen Schritte sollen behut-
sam und anschaulich erklärt, mehrfach
wiederholt und insgesamt vereinfacht
werden [122]. Ziel ist die Verbesserung
sozialer und alltagskompetenter Fä-
higkeiten. Medikamentöse Behandlung
(Antipsychotika, Stimmungsstabilisierer
etc.) kann sinnvoll sein. Angehörige soll-
ten, sofern möglich, engmaschig in die
Behandlung einbezogen werden. Ho-
he Relevanz kommt der Nachsorge zu;
nahezu sämtliche Patienten werden in
geeignete komplementäre Einrichtungen
entlassen [123], die im Vorfeld intensiv
in das individuelle Risikomanagement
einbezogen werden sollten. Durch eine
gute Integration der Patienten in be-
treute Wohnheime und beschützende,
angepasste Werkstätten kann die Legal-
prognose bedeutend verbessert werden.
Das Konstrukt der Intelligenzminde-
rung ist in der Diskussion. So spricht
das DSM-5 von einer Entwicklungs-
störung („intellectual development dis-
order“; [5]), bei der unterschiedliche
Einschränkungen einzelner Bereiche des
Konstruktes Intelligenz beobachtet wer-
den, insbesondere der Wahrnehmung,
des abstrahierenden und theoretischen
Denkens, der Introspektionsfähigkeit,
der Sprache, der Problemlösefähigkeit,
der Gedächtnisleistung, der Übersichts-
S20 Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017
fä higkeit sowi e der motorisc hen, sozia len
und emotionalen Fertigkeiten.
Paraphile Störungen (ICD-10: F65)
Die Prävalenz einzelner paraphiler In-
teressen in nichtklinischen Stichproben
bewegt sich in Bereichen von unter 1 bis
zu 7 %. In einer repräsentativen inter-
netbasierten Untersuchung ande utschen
Männern gaben 4,1 % auf Kinder bezoge-
ne sexuelle Fantasien, aber nur 0,1 % eine
sexuelle Präferenz für Kinder an [30]. In
klinischen oder forensischen Stichpro-
ben variieren die Prävalenzzahlen stark
in Abhängigkeit von den untersuchten
Gruppen. In einer repräsentativen Stich-
probe von inhaierten Sexualstraätern
aus Österreich [35]lagdiePrävalenzfür
diePädophiliebei40%(17%ausschließ-
licher Typus), für den sexuellen Sadismus
bei 6 % und den Exhibitionismus bei 5 %.
Die Mehrzahl der Sexualstraaten wird
von schuldfähigen Tätern begangen. Nur
13–34 % der im Maßregelvollzug unter-
gebrachten Patienten wurden wegen Se-
xualdelinquenz untergebracht. Nur ein
Teil dieser Patienten hat die Diagnose
einer Paraphilie.
Die Ätiologie paraphiler Störungen
erklärt sich am ehesten multifaktoriell
aus einer Interaktion von Umwelterfah-
rungen und biologischen Anlagen in
der Vorgeschichte mit akuten Auslösern
und situativen Faktoren. Bei Sexualstraf-
tätern spielen Auffälligkeiten im Bin-
dungsstil eine Rolle. Art und Ausmaß
früher eigener Gewalterfahrungen, vor
allemselbsterlebtersexuellerMissbrauch
(besonders bei Kindesmissbrauchern),
unterscheiden sie von anderen Straä-
tergruppen [137]. Einzelne Hormone,
Neurotransmitter oder hirnstrukturelle
oder hirnfunktionelle Veränderungen
düren für bestimmte paraphile Nei-
gungen allein nicht determinierend sein.
Dennoch spielen Testosteron sowie Se-
rotonin und Dopamin eine zentrale Rolle
in der Regulation sexueller Ansprech-
barkeit, sexuellen Erlebens und Verhal-
tens. Mit empirischen Verfahren wurden
beipädophilenStraäternpsychophy-
siologische Auffälligkeiten gefunden,
neurobiologische Veränderungen sind
im Frontal- und Temporalhirn, in der
Amygdala sowie in Bezug auf die Verar-
beitung devianter Stimuli nachweisbar
[100,107]. Bisher konnten jedoch noch
keine Verfahren entwickelt werden, die
zur Einzelfallbeurteilung geeignet sind.
Auslöser für Phasen paraphiler Aktivi-
täten sind häufig aktuelle Lebens- und
Selbstwertkrisen z. B. im Zusammen-
hang mit dem Verlust von Arbeit oder
Partnerschasproblemen.
Die Behandlung zielt nicht primär
auf die Veränderung der paraphilen
Ansprechbarkeit, sondern auf die Re-
duktion der Rückfälligkeit [60,91,92,
130]. Die erapie soll umso wirksa-
mer sein, je stärker sie das Risiko, die
kriminogenen Faktoren (z. B. Antisozia-
lität, sexuelle Devianz, Hypersexualität,
feindselig-sexuelle Überzeugungen ge-
genüber Frauen, emotionale Kongruenz
mit Kindern, Substanzkonsum) und
die Ansprechbarkeit (z. B. spezifische
erapieprogramme für Sexualstraäter
mit Intelligenzminderung) berücksich-
tigt [14,60]. Legt man den bisherigen
methodischen Goldstandard (randomi-
sierte klinische Kontrollgruppenstudi-
en) an die Bewertung der publizierten
Studien an, sind die positiven Effek-
te schwer eindeutig belegbar [25,87].
Neben der Psychotherapie kommen für
eine spezifische Pharmakotherapie in
der zulassungsüberschreitenden An-
wendung vor allem SSRI sowie die für
diesen Bereich zugelassenen testoste-
ronsenkenden Medikamente (Cyprote-
ronacetet und Triptorelin) infrage [13,
143,148]. Die erapie mit einem SSRI
kann bei weniger gefährlicher paraphi-
ler Störung (allenfalls sog. Hands-off-
Delikte, Fetischismus, Exhibitionismus)
angedacht werden. Bei eher mittlerem
bis hohem Risiko für sog. Hands-on-
Delikte und/oder eher risikoreicheren
Störungsbildern (Pädophilie, sexueller
Sadismus) mit Fremdgefährdung, kom-
men testosteronsenkende Medikamente
infrage [7].
Persönlichkeitsstörungen
(ICD-10: F60, 61)
Die Prävalenzraten für Persönlichkeits-
störungensindinforensisch-psychi-
atrischen Stichproben gegenüber der
Allgemeinbevölkerung deutlich erhöht.
Epidemiologische Studien in Großbri-
tannien [21]unddenUSA[53]ergaben
in der Allgemeinbevölkerung Prävalenz-
raten von 4,4 % [21] bzw. 14,8 % [53]
für DSM-IV-Persönlichkeitsstörungen.
Demgegenüber kamen Fazel und Danesh
[41] in Gefängnispopulationen bei der
Auswertung von 62 Studien (n= 22.790)
zu einer Prävalenzrate von 47 % für das
Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung.
Es ist davon auszugehen, dass derzeit
im bundesdeutschen Maßregelvollzug
ca. ein Zehntel der Patienten wegen ei-
ner Persönlichkeitsstörung eingewiesen
wurde, und bei ca. einem Viertel eine
Persönlichkeitsstörung als komorbide
Störung vorliegt [20].
Hinsichtlich der Ätiologie wird eine
multifaktorielle Genese angenommen.
Im forensischen Kontext weist die Stu-
dienlage auf einen Zusammenhang mit
traumatischen Kindheitserfahrungen
(Missbrauch, Gewalt, Vernachlässigung)
hin. Hinweise auf biologische Grund-
lagen finden sich für antisoziale Per-
sönlichkeitsstörungen und Borderline-
Persönlichkeitsstörungen in Form einer
Störung des frontolimbischen Regelkrei-
ses. Bei impulsiven persönlichkeitsge-
störten Patienten mit auto- oder fremd-
aggressiven Verhaltensweisen konnte in
mehreren klinischen Studien eine ver-
minderte serotonerge Aktivität gefunden
werden. Darüber hinaus gibt es Hinwei-
se auf eine Störung der Hypothalamus-
Hypophysen-Nebennieren-Achse [45].
Psychotherapeutische Behandlung
zielt auf die Reduzierung psychopatho-
logischer Symptome, die Wiederher-
stellung psychischer Gesundheit und
die Verminderung eines subjektiven
Leidenszustandes; bei der forensischen
Psychotherapie kommen das gesetzlich
festgelegte Ziel der Minimierung der dys-
funktionalen kriminogenen Denk- und
Verhaltensmuster sowie die Stärkung der
Resilienzfaktoren hinzu. In der Straä-
terbehandlung empirisch gut belegte
Ansätze wie R&R-Training [23,145]
und Relapse-prevention-Programme
eignen sich auch für die entsprechende
Klientel des psychiatrischen Maßregel-
vollzugs. Empirisch für die Behandlung
von Persönlichkeitsstörungen gut be-
legte Methoden wie DBT, TFP, MBT
und Schematherapie werden aktuell auf
die Behandlung straffällig Gewordener
Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017 S21
Konsensuspapiere
adaptiert ([127]; Übersichten in Dulz
et al. [32]).
Eine spezifische Pharmakotherapie
gibt es nicht. Syndromatisch und symp-
tomorientiert können verschiedene Sub-
stanzen unterstützend wirken [29,124].
Störungen durch psychotrope
Substanzen (ICD-10: F1)
Die Prävalenz differiert zwischen ver-
schiedenen Ländern und Kulturen, aber
auch in Bezug auf die jeweiligen Sub-
stanzen erheblich. Als alkoholabhängig
gelten in Deutschland 3,4% der Bevöl-
kerung (4,8 % männlich, 2,0 % weiblich
[117]). Deutschland gehört mit geschätz-
ten 4,1 problematischen Drogenkonsu-
menten pro 1000 Einwohner im Alter
von 15 bis 64 Jahren weltweit zu den Län-
dern mit niedrigerer Prävalenz [5, S. 29].
Forensisch von besonderer Relevanz ist,
dasssichgeradeim Alter zwischen 18 und
24 Jahren relativ hohe Prävalenzraten für
denKonsumnahezu allerSubstanzenfin-
den [89, S. 670], in einem Alter also, das
auch im Rahmen von Gewaltdelinquenz
relevant ist.
Ätiopathogenetisch wird heute ange-
nommen, dass Substanzkonsumstörun-
gen als Ausdruck einer funktionellen
Veränderung neuronaler Netzwerke auf-
zufassen seien (z. B. [98,S.15f.]),die
sich auf dem Boden einer multifaktoriell
zu erklärenden Vulnerabilität entwickelt.
Genetische Aspekte [147] spielen für die
Ausprägung einer solchermaßen erhöh-
ten Vulnerabilität ebenso eine Rolle wie
etwa Fragen früher Bindungsstörungen
und Milieueinflüsse [16].
Die Beziehung zwischen Substanz,
psychiatrischer Komorbidität und Krimi-
nalität stellt sich im Einzelfall sehr un-
terschiedlich dar. Alkohol- und Drogen-
missbrauch sind bei allen psychischen
Störungen wesentliche Risikofaktoren
für Gewalt. Bei Männern erhöht sich
das Gewaltrisiko um den Faktor 9 bis
15 und bei Frauen um den Faktor 15 bis
55.
Ein deterministischer Zusammen-
hang zwischen Substanz und Deliktart
besteht nicht. Allerdings lassen sich für
bestimmte Substanzgruppen mehr oder
weniger typische Deliktformen angeben.
So finden sich bei Alkoholbeteiligung ne-
ben Verkehrsdelikten, Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und
BedrohungauchGewaltdeliktegegenPo-
lizisten, Passanten, Trinkkumpanen oder
gegenüber Partnerinnen und anderen
Familienangehörigen. Auch Missbrauch
von Kindern insbesondere von Kindern
im sozialen Nahbereich kann mit Al-
koholkonsum zusammenhängen. Schon
aufgrund der Beschaffungsumstände ist
der Konsum illegaler Drogen nicht selten
mit Betäubungsmittel(BtM)-Delikten,
manchmal auch mit Bandenkriminali-
tät verknüp. Darüber hinaus werden
kriminelle Handlungen, insbesondere
Raubdelikte und Diebstähle, evtl. Betrü-
ge begangen, um sich die Drogen bzw.
das Geld für den Drogenerwerb zu be-
schaffen (Beschaffungskriminalität). Mit
Gewaltdelikten (inklusive Sexualdelik-
ten) sind Stimulanzien wie Kokain und
Amphetamine stärker als etwa Cannabis
oder Heroin assoziiert.
Die erapie kann man in die Stadi-
en Motivation, Entgiung, Entwöhnung
und Rehabilitation gliedern, wobei auch
dort externe soziale Faktoren wie Ar-
beit und Beziehung eine zentrale Rolle
spielen [94]. Empirisch gesichert und in
den Leitlinien der Arbeitsgemeinscha
der Wissenschalichen Medizinischen
Fachgesellschaen (AWMF) formuliert
ist [64], dass gut organisierte thera-
peutische Gemeinschaen mit hoher
Alltagsverantwortung der Patienten,
sinngebender Arbeit, aktiver Freizeitge-
staltungmitSport-undKulturangeboten,
bevorzugt in Gruppen, sowie Gruppen-
psychotherapien mit dem Anspruch der
Deliktbearbeitung dem State of the Art
entsprechen und von allen Entziehungs-
anstalten vorzuhalten sind. Inwieweit
eine Substitutionsbehandlung oder eine
psychopharmakologische Behandlung
infrage kommt, muss entsprechend ei-
ner individuellen Indikationsstellung
geklärt werden [1,73]. Die Studienlage
weist darauf hin, dass die Substitution
Opioidabhängiger mit Subutex und Na-
loxonderjenigenmitMethadondeutlich
überlegen ist, wenn es um Rückfallprä-
vention von Konsum und Delinquenz
geht [118].
Das transtheoretische Modell der
Verän d e r u ng [119]beschreibtalsStu-
fenmodell die Vorhersage und Beein-
flussung von Verhaltensänderungen. Als
Behandlungsansatz dient auf der Basis
des RNR-Prinzips [3]unddesGLM
[150] beispielsweise das Konzept des
„motivational interviewing“ (MI; [79]).
Der Einsatz bei straffällig Gewordenen
ist gut erprobt und kann in Verbindung
mit anderen Interventionen genutzt wer-
den, um die Motivation zur Abstinenz
und zu straffreien Leben zu erhöhen
[52,129]. Brown et al. [18]konnten
zeigen, dass psychiatrische Patienten mit
einer Cannabinoidabhängigkeit nach
MI-Intervention signifikant länger ab-
stinent blieben als die Kontrollgruppe.
Vor allem für die mit Borderline-Störun-
gen komorbiden Patienten ist der DBT-
Ansatz hilfreich. Dieser ist konsistent
mit erfolgreichen Behandlungsprinzi-
pien aus der Straäterforschung und
orientiert sich an den aus Metaanalysen
abgeleiteten Hauptprinzipien, die eine
angemessene Behandlung ausmachen
[33,40,116]. In der Suchtforensik in
ihrer Wirksamkeit bestätigt ist ferner die
übertragungsfokussierte Psychotherapie
(„transference focused psychotherapy“
[TFP]; [46]). Für die Behandlung Psycho-
se-Kranker mit Suchtproblematik haben
sich spezielle Doppeldiagnoseprogram-
me durchgesetzt. Mittlerweile wurde
diese erapieform für impulsive und
antisoziale Patienten im Maßregelvoll-
zug adjustiert [74]. Die Einnahme einer
psychodynamischen Perspektive kann
nicht nur das Verstehen lebensgeschicht-
licher Zusammenhänge, sondern auch
einen Zugang zu den vielfältig anzutref-
fenden intrapsychischen Widerständen
erleichtern [22,71].
Somatische Begleiterkrankungen be-
stehen überwiegend aus Folgeschäden
des Alkohols und inadäquater Appli-
kation illegaler Drogen. Die Unterge-
brachten haben ebenso Anspruch auf
medizinische Versorgung dieser Begleit-
erkrankungen wie Patienten außerhalb
des Maßregelvollzugs. Dies gilt auch
für kostenintensive Behandlungen mit
neuen Medikamenten zur erapie von
HIV („human immunodeficiency vi-
rus“)- oder Hepatitis-C-Infektionen.
S22 Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017
Das „Psychopathy“-Konzept
Das von Robert Hare entwickelte und
in der „Psychopathy Check List revi-
sed version (PCL-R)“ operationalisierte
„concept of psychopathy“ basiert inhalt-
lich auf der Arbeit von Harvey Cleck-
ley und methodisch auf empirischen
Untersuchungen in Haanstalten und
psychiatrischen Kliniken für Rechtsbre-
cher. „Psychopathy“ bezeichnet keine
Diagnose, sondern ein klinisches Kon-
zept, das sich vom deutschen Psycho-
pathie-Begriff unterscheidet und große
Bedeutung bei der Beurteilung der Le-
galprognose gewonnen hat. Die PCL-
R erfasst auf 20 Items operationalisiert
und semistrukturiert die Merkmale der
Psychopathy. Bei einem Maximalwert
von40giltab30PunktenindenUSA,
in Europa ab 27 Punkten „Psychopathy“
als erfüllt [61,65]. Die Einführung der
PCL-R hat die empirische Forschung zu
kriminellen Persönlichkeiten und zur
Prognose wesentlich befördert, da sie
für die zuverlässige und quantitative
Beschreibung einer Persönlichkeit wich-
tige und praxisrelevante Informationen
liefert. Die PCL-R hat sich auch als Pro-
gnoseinstrument bewährt und Eingang
in weitere Instrumente zur Einschätzung
von Kriminalitätsrisiken gefunden (vgl.
Abschnitt „Risikobeurteilung“).
Hohe PCL-R-Werte sind ein Indika-
tor für ein erhöhtes Kriminalitätsrisiko
und problematisches Verhalten während
der Behandlung. In Maßregelvollzugs-
einrichtungen und Haanstalten kann
ein hoher Wert auf ein erhöhtes Risi-
kovonZwischenfälleninderEinrich-
tunghinweisen und ein Warnsignaldafür
darstellen, als Behandler oder Beurtei-
ler Opfer von Manipulation, Täuschung
oder Erpressung werden zu können. De-
ren Behandlung ist mit besonderen Her-
ausforderungenverbunden.erapeuten
bedürfen enger Supervision.
Die Prävalenz von Psychopathy be-
trägt in der US-Allgemeinbevölkerung
1–3 %, in Haanstalten steigt der An-
teil auf bis zu 25 % [106]. Die Ätiolo-
gie ist multifaktoriell, wobei konstitutio-
nelle und Umweltfaktoren zusammen-
wirken. Physiologisch messbar sind Ver-
änderungen der Emotionsverarbeitung,
insbesondere eine verminderte Reagibi-
lität auf Angst- und Schmerzreize. Hirn-
funktionelle und hirnstrukturelle Ver-
änderungen in emotionsverarbeitenden
Arealen sind nachgewiesen (Übersicht
bei Müller [106]).
Bei der Behandlung von Menschen
mit Psychopathy haben sich die frühe-
ren Annahmen, dass eine erapie diese
eher gefährlicher mache, nicht replizie-
ren lassen (Barbaree, zit. n. Müller [102];
Müller [106]). Ungeachtet dessen ist die
Behandlung bei Probanden mit Psy-
chopathy problematisch und nur über
langfristige Konzepte Erfolg verspre-
chend. Insbesondere auch unter stärke-
rer Berücksichtigung empirischer auch
neurobiologischer Untersuchungen fin-
den multimodale Behandlungsverfahren
und strukturierte belohnungsorientierte
Interventionen Anwendung, die nicht
auf die Veränderung von Empathiefä-
higkeit und emotionales Ansprechen
abzielen, sondern eher auf die Reduzie-
rung von Impulsivität, Verbesserung der
Verhaltenskontrolle und die Förderung
eines prosozialen Lebensstils.
Besonderheiten der Unter-
bringung nach § 64 StGB
DierechtlicheBesonderheitdes § 64 StGB
liegt neben der zeitlichen Befristung da-
rin, dass zusätzlich zu einem Hang zu
Rauschmittelkonsum und Gefährlichkeit
auch die Aussicht auf eine erfolgreiche
Behandlung eine Voraussetzung für die
Anordnungwie für die Fortdauer der Un-
terbringung darstellt. Bundesweit wird
etwa die Häle der Behandlungen we-
gen Aussichtslosigkeit erledigt. Zwischen
1999 und 2014 stiegen die Einweisun-
genindieEntziehungsanstaltumdas
Dreifache an, auf der anderen Seite blie-
ben die Erledigungen solcher Behand-
lungen wegen Aussichtslosigkeit bundes-
weit prozentual konstant bei über 50 %,
stiegen somit in Absolutzahlen ebenfalls
um das Dreifache. Aus der Kriminalsta-
tistik ist bekannt, dass dies e „Abbrecher“
eine besondere Risikopopulationdarstel-
len, die wesentlich dafür verantwortlich
ist, dass die Deliktrückfallraten im Hell-
feldbereichnachderBehandlungnach
§ 64 StGB deutlich höher sind als nach
Absolvierung einer Strafe in einer Justiz-
vollzugsanstalt [77,78]. 2007 verschäre
der Gesetzgeber einerseits die inhaltli-
chen Vorgaben der Einweisung in die
Entziehungsanstalt und setzte als Regel
die Behandlung ans Ende des Vollzu-
ges, was den Kliniken sinnvolle Rehabi-
litationen in die ambulante Lebens- und
Arbeitsweltermöglicht, andererseits aber
auch viele Patienten mit zum Teil lang-
jähriger Haerfahrung in die Behand-
lung führt („Knastkultur“). Die zahlrei-
chen Abbrecher belasten die Stationsmi-
lieus, erhöhen das Risiko gravierender
Zwischenfälle und erfordern besondere
räumlicheundpersonelle Sicherheitsvor-
kehrungen.
Nach der aktuellen Studienlage [51,
120,135] erscheint es auffallend schwer,
aussagekräige Prädiktoren für den Be-
handlungserfolg ausfindig zu machen,
dieinder PersondesPatientenbegründet
liegen. Daraus können zwei Konsequen-
zen abgeleitet werden. Entweder ist der
Verlauf einer Unterbringung tatsächlich
nur zu einem ganz geringen Teil zum
Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor-
hersagbar oder es gibt Prädiktoren, die
nicht in erster Linie in der Persönlichkeit,
Sozialisation oder Lebensgeschichte des
Patienten begründet liegen, die den Ver-
lauf einer forensischen Entzugsbehand-
lung aber maßgeblich mitbestimmen
und bisher nicht untersucht wurden.
Besondere Patientengruppen
Patienten mit Migrations-
hintergrund
Das statistische Bundesamt definiert Per-
sonen als Personen mit Migrationshin-
tergrund, die selbst und/oder deren Vor-
fahren aus einem anderen Staat einge-
wandert sind. Etwa jeder füne Einwoh-
ner hat nach dieser Definition einen Mi-
grationshintergrund. Unter den Patien-
tenimdeutschen Maßregelvollzugistdie-
ser Personenkreis stärker vertreten (bis
zu 30 % aller Patienten) als in der Allge-
meinbevölkerung. Verantwortlich dafür
sind in erster Linie die unterschiedlichen
Alterspyramidender Einheimischen ver-
glichen mit den Menschen mit Migrati-
onshintergrund, bei denen es deutlich
mehr Personen im „deliktanfälligen Al-
ter“ (18–30 Jahre) gibt.Eine weitere Ursa-
Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017 S23
Konsensuspapiere
che liegt im Versorgungsdefizit psychisch
kranker Migranten [43].
ForensischeKlinikenmüssendenspe-
zifischenBedürfnissenauchdieser Grup-
penRechnungtragen.DasZusammen-
leben auf engem Raum auf längere Zeit
erfordert den therapeutischen Umgang
mit aufeinander prallenden Vorurteilen,
die sowohl von Einheimischen als auch
von Migranten gepflegt werden. Es be-
darf einer besonderen Anstrengung, im
Alltag Gemeinsamkeit und Gruppenkul-
tur zu fördern. Eine Herausforderung
stellt die Förderung der Sprachkompe-
tenz dar, sowohl durch spezielle Unter-
richtsangebote als auch durch Dolmet-
scherdienste. Unterschiedliche kulturelle
und religiöse Verankerungen können die
Gefahr einer therapiefeindlichen Grup-
penbildung verstärken. Hinzu kommen
kulturell unterschiedliche Konzepte von
Krankheit, Delinquenz, Behandlung so-
wie der Akzeptanz zur verbalen Durch-
arbeitung von Konflikten [70,128].
Aufenthaltsrechtliche Fragestellun-
gen sind im Maßregelvollzug bedeutsam.
Drohende Abschiebung oder schlechte
Sprachkenntnisse können die Anord-
nung des § 64 StGB verhindern. Auf der
anderen Seite können gesundheitliche
Gründe eine Abschiebung aus dem ein-
mal angeordneten Maßregelvollzug nach
§ 64 StGB und – mehr noch – nach § 63
StGB verhindern. Zur Situation der all-
gemeinpsychiatrischen Versorgung von
Flüchtlingens ei aufdas S chwerpunkthe
des Nervenarztes 01/2017 verwiesen.
Patientinnen im Maßregelvollzug
Im Strafvollzug waren 2015 in Deutsch-
land 49.305 Männer und 3105 Frauen
inhaiert, im Maßregelvollzug waren es
2013 10.875 Männer und 794 Frauen
[141]. In der Polizeilichen Kriminalsta-
tistik (PKS) waren 2015 25 % der Tat-
verdächtigen Frauen; demzufolge führen
vonFrauenbegangeneDelikteseltener
zu einer Inhaierung. Deutlich überre-
präsentiert sind Frauen bei „Verletzung
der Fürsorge- und Erziehungspflicht“
(69,3 %), „Entziehung Minderjähriger“
(51,5 %), „Missbrauch von Scheck- und
Kreditkarten (46,3 %) und anderen Ei-
gentums- und Vermögensdelikten.
Forensisc h relevante Ind exdelikte s ind
Tötungsdelikte,sei es an Partnernoderan
eigenen Kindern, sowie Brandstiungen.
Zusammenfassend weisen die epidemio-
logischen Daten daraufhin, dass das Vor-
liegen einer psychischen Störung das re-
lative Gewaltrisiko bei Frauen stärker er-
höhtals beiMännern.In einermetaanaly-
tische Auswertung von insgesamt 20 Stu-
dien aus den Jahren 1970 bis 2009 an ins-
gesamt 18.423 schizophren erkrankten
Probanden zeigte sich ein deutlicher Ge-
schlechtseffekt. In der Gruppe der Frau-
en war das Gewalttäterrisiko höher als in
derGruppederMänner[42]. Ähnliches
gilt für die Intelligenzminderung. Hier
ist im Vergleich zur Allgemeinbevölke-
rung bei Frauen das Gewaltrisiko um
den Faktor 25 erhöht, bei Männern um
den Faktor 5. Bei Alkohol- und Drogen-
missbrauch erhöht sich bei Frauen das
Gewaltrisiko um den Faktor 15 bis 55, bei
Männern um 9 bis15 und b eim Vorliegen
einer dissozialen Persönlichkeitsstörung
bei Frauen um den Faktor 13, bei Män-
nern um den Faktor 8 [114].
ImniederländischenMaßregelvollzug
wurden275weiblicheund275männliche
Patienten verglichen. Direkte physische
Gewalt ist dort bei Frauen o weniger
stark präsent als manipulative Tendenzen
mit deutlichen Übergängen zu Border-
line-StrukturenmithäufigerenSelbstver-
letzungen. Daraus ergeben sich spezifi-
sche Erfordernisse gendersensitiver Be-
handlung und Prognostik [27].
Im deutschen psychiatrischen Maßre-
gelvollzug werden sowohl reine Frauen-
stationen wie auch gemischt geschlecht-
lich belegte Stationen betrieben. Im Ein-
zelfall muss geprü werden, welche Un-
terbringungssituation für welche Patien-
tin am besten geeignet ist. Für forensisch
untergebrachte Mütter mit kleinen Kin-
dern existieren nur sehr wenige Behand-
lungseinrichtungen (z. B. Taufkirchen in
Oberbayern für nach § 64 StGB Unter-
gebrachte).
Junge Patienten im Maßregel-
vollzug
Die Strafmündigkeit setzt in Deutsch-
land mit dem vollendeten 14. Lebensjahr
ein. Bei jugendlichen Tätern von 14 bis
17 Jahren gilt das Jugendgerichtsgesetz
(JGG), das unter entsprechenden Vor-
aussetzungen auch bei Heranwachsen-
den (18–21 Jahre) Anwendung findet.
Die meisten Länder haben in ihren
Justizvollzugsgesetzen geregelt, Jugend-
liche und Heranwachsende getrennt
von Erwachsenen unterzubringen, da
der Resozialisierung besondere Bedeu-
tung zukommt. 2015 befanden sich aus-
weislich der Strafvollzugsstatistik 4258
männliche und 139 weibliche Jugend-
liche im Strafvollzug (2000 waren dies
noch 7192 bzw. 204). Der Anteil der
Jugendlichen an den Strafgefangenen
betrug 0,6 %, der der Heranwachsenden
4,1 %. Entsprechend differenzierte Sta-
tistiken fehlen für den Maßregelvollzug.
Jedoch können dem „Kerndatensatz im
Maßregelvollzug“ (CEUS) die Aufnah-
men nach §§ 63, 64 StGB sowie deren
JGG-Anteil entnommen werden. Bei un-
terschiedlichen Raten in den einzelnen
Bundesländern betrug der Anteil der
Aufnahmen von Jugendlichen und Her-
anwachsenden nach § 63 StGB im Jahr
2010 9,1 % und 2014 7,6 %, der Anteil
vonAufnahmenvonJugendlichenund
Heranwachsenden nach § 64 StGB nach
JGG im Jahr 2010 7,5% und 2014 3,9 %.
Beispielha wurden in Baden-Würt-
temberg 2015 bei insgesamt 407 Aufnah-
men 4 Jugendliche (nach §§ 126a StPO
und 63 StGB) und 25 Heranwachsen-
de aufgenommen (13 nach § 126a StPO,
1nach§63StGB,11nach§64StGB).
Die Maßregelvollzugsgesetze der
Bundesländer fordern zunehmend, den
besonderen Erfordernissen der Behand-
lung und Betreuung Jugendlicher und
Heranwachsender Rechnung zu tragen.
Einige Bundesländer betreiben eigene
forensische Kliniken für Jugendliche
und Heranwachsende, in denen aus Ka-
pazitätsgründen allerdings meist auch
zivilrechtlich Untergebrachte behandelt
werden.Die geringenAbsolutzahlenwer-
fen die Frage auf, wie die Jugendlichen
und Heranwachsenden am besten in das
Behandlungssystem integriert werden
können (ausführlich hierzu [154]).
Das therapeutische Vorgehen sollte
an das spezifische Entwicklungsstadi-
um angepasst sein und den spezifischen
Entwicklungsaufgaben gerecht werden.
Dies betri insbesondere die Einbezie-
hung der Eltern und medikamentöse
S24 Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017
Fragestellungen. Wegen der sinnvollen
Behandlungskontinuität auch über das
18. Lebensjahr der Patienten hinaus, we-
gen der niedrigen Fallzahlen und wegen
der spezifischen Sicherheitserfordernisse
wird die Integration jugendpsychiatri-
scher Kompetenz in forensische Kliniken
und spezielle Kleingruppen angeraten.
Die jugendforensische Einheit muss
abtrennbar (d. h. auch mit Schutz vor
möglichen Übergriffen Erwachsener)
und für jugendspezifische Bedürfnisse
gestaltet sein, z. B. Betreuung durch Er-
zieher und Zugang zu Freizeitangeboten.
Besondere Bedeutung haben Beschulung
und Ausbildung, ggf. mit der Möglich-
keit von Außenschulbesuchen je nach
Lockerung und erapiefortschritt. Der
Zeitpunktdes Übergangs in den Erwach-
senenmaßregelvollzug sollte individuell
flexibel gehandhabt werden.
Behandlungsergebnisse
Die meisten nach § 63 StGB behandelten
Patienten werden nicht wieder mit Delik-
ten rückfällig. Im Vergleich zu früheren
Jahren ist die Deliktrückfallrate während
der Unterbringung und der Führungs-
aufsicht noch weiter auf weniger als 10 %
gesunken. Innerhalb der ersten vier Jahre
nach der Entlassung wird nach der bun-
desweiten Rückfalluntersuchung [78]et-
wa jeder 6. Patient wieder delinquent.
Innerhalb von drei Jahren nach der Ent-
lassung liegen die Rückfallraten bei we-
gen Schuldunfähigkeit nach § 63 StGB
untergebrachtenPatientenbei knapp 5 %.
Vermindert schuldfähig Abgeurteilte mit
Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhauswerdenin14%rückfällig,
während Verurteilte, die aus der Entzie-
hungsanstalt entlassen oder erledigt wer-
den, mit gut 48 % weitaus höhere Rück-
fallraten haben (vgl. Abschnitt „Beson-
derheiten der Unterbringung nach § 64
StGB“).
Die Zahlen zeigen, dass die forensi-
sche Psychiatrie ihrem Aurag der Bes-
serung und Sicherung und damit dem
Schutz der Allgemeinheit vor Rückfall-
straatengerechtwird,wobei die positive
Entwicklung auch der bundesweiten Ein-
führung der forensischen Institutsambu-
lanzen seit dem Jahr 2007 geschuldet ist.
Die Ergebnisqualität im psychia-
trischen Maßregelvollzug bildet sich
allerdings nicht allein an den Rückfall-
raten ab, sondern lässt sich auch durch
verschiedene – hier nicht abschließend
aufzählbare – Kennzahlen beschreiben,
die allerdings nur teilweise von den Maß-
regelvollzugskliniken beeinflusst werden
können:
4Linderung der Grunderkrankung
(symptombezogene Risikominde-
rung),
4erfolgreiche Resozialisierungsmaß-
nahmen (Schulabschluss, Berufs-
ausbildung, prosoziales Umfeld,
Arbeitsplatz),
4Behandlungsdauer aller Patienten
an einem Stichtag ab Beginn der
Unterbringung/Rechtskra des
Urteils (§ 63 StGB),
4Anzahl der Patienten mit mehr als
sechs bzw. zehn Jahren Unterbrin-
gungsdauer seit Beginn der Unter-
bringung/Rechtskra des Urteils
(§ 63 StGB),
4Anteil von über sechs bzw. zehn
Jahren untergebrachten Patienten an
der Gesamtzahl der gemäß § 63 StGB
rechtskräig Untergebrachten und
deren mittlere Unterbringungsdauer,
4Lockerungsstatus (geschlossen,
begleitet, unbegleitet),
4Anteil der aufgrund guter Prognose
entlassenen Patienten,
4Anteil der aus Verhältnismäßigkeits-
gründen entlassenen Patienten,
4mittlere Gesamtbehandlungsdauer
der entlassenen Patienten mit guter
Prognose bzw. aus Verhältnismäßig-
keitsgründen,
4Entweichungen, davon Ausbrüche,
4Übergriffe und Delikte während der
Unterbringung einschließlich solcher
gegen Mitarbeiter und Patienten,
4Anteil der Patienten im Probewoh-
nen,
4Wiederaufnahmen während der
Führungsaufsicht mit und ohne
Delikt,
4sozialer Empfangsraum (Wohn- und
Arbeitssituation bei Entlassung),
4Erledigungsrate (§ 64 StGB),
4Abstinenzrate nach Entlassungen
(§ 64 StGB).
Forschung und Ausblick
Forschung im psychiatrischen Maßre-
gelvollzug steht vor dem besonderen
Dilemma, dass die Untergebrachten
wegen des Freiheitsentzugs und der
psychischen Störung eine besonders
vulnerable Gruppe bilden, an der jede
Forschung nur eingeschränkt zulässig
ist. Andererseits leitet sich aus dem Frei-
heitsentzug ein besonderer Anspruch auf
wissenschalich fundierte Behandlung
ab. Ergebnisse aus der Allgemeinpsych-
iatrie und Psychotherapie sind wegen
der besonderen Rahmenbedingungen,
Komplexitäten, Komorbiditäten und
Schweregrade der Erkrankungen nur
eingeschränkt übertragbar. Spezifische
Fragestellungen der forensischen Psychi-
atrie, z. B. antiandrogene Behandlung,
Fremdaggression inklusive Sexualde-
linquenz, langfristige Psychotherapien
multimorbider und fremdaggressiver
Suchtkranker treten in der Allgemein-
psychiatrie kaum auf. Länderrechtliche
Regelungen erschweren die einheitli-
che Evaluation und Vergleichbarkeit.
Bereits versorgungsepidemiologische
und kriminalprognostische Erhebungen
sind bislang kaum bundeseinheitlich
möglich. Dies gilt umso mehr für die
Evaluation spezifischer Behandlungs-
verfahren. Unterschiedliche Rahmenbe-
dingungen in den Bundesländern (z. B.
Personalausstattung, Unterbringungs-
dauer, Lockerungsgrundsätze, Zuwei-
sungspraxis) erschweren die wissen-
schaliche Bearbeitung. Das gesetzliche
Ziel der Unterbringung (Besserung und
Sicherung) lässt sich wegen des langen
Katamnesezeitraums (mindestens fünf
Jahre Führungsaufsicht) nur unter be-
sonderen datenschutzrechtlichen, perso-
nellen und finanziellen Voraussetzungen
evaluieren. Prospektive psychopharma-
kologische Forschungen sind nach dem
Arzneimittelgesetz bei untergebrachten
Patienten in Deutschland bisher nicht
möglich [15,104,105].
Ungeachtet dieser Schwierigkeiten
wurden in jüngster Zeit deutliche Fort-
schritte bei der Erforschung von Ätiopa-
thogenese, beim Risikomanagement und
inderBehandlungsforschungerzielt.Bei-
spiele für Psychotherapieforschungen im
Maßregelvollzug umfassen vergleichen-
Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017 S25
Konsensuspapiere
de Studien zur dialektisch behavioralen
erapie (DBT) und übertragungsfo-
kussierten erapie (TFP; [46]) sowie
Mikroprozessforschungen zu Gruppen-
psychotherapien [47]. Neurobiologische
Forschungen zeigen Zusammenhänge
zwischen hirnstrukturellen Veränderun-
gen und Delikttypen [103]. Genetische
und epigenetische Einflüsse werden un-
ter anderem bei der Genese dissozialer
Verhaltensbereitschaen erforscht. Psy-
chopharmakologische Forschungen mit
speziell forensischen Fragen betreffen
die Antiandrogenbehandlungen bei Se-
xualtätern [34].
Die Behandlung im psychiatrischen
Maßegelvollzug ist mit Grundrechts-
einschränkungen und insbesondere
mit Freiheitsentzug im Sicherheitsin-
teresse der Allgemeinheit verbunden.
BVerfG und aktuelle Gesetzeslage räu-
men der Verhältnismäßigkeit des Frei-
heitsentzugs höchste Priorität ein. Dies
bedeutet nicht nur, dass die Behand-
lung nur mit so wenigen Freiheitsbe-
schränkungen wie irgend vertretbar
verbundenseindarf,sondernauch,
dass die Qualität der Behandlung die
Sicherheit der Allgemeinheit gewähr-
leisten muss. Dies erfordert wissen-
schalich belastbare und in der Praxis
umgesetzte Mindeststandards für die
Unterbringung und die Behandlung
wie sie hier formuliert wurden. Diese
Mindeststandards sollen vor dem Hin-
tergrund aktueller gesellschalicher
Entwicklungen einen Qualitätsverbes-
serungsprozess in Forschung und Pra-
xis anstoßen.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. J. L. Müller
Schwerpunktprofessur für Forensische
Psychiatrie, Universitätsmedizin Göttingen,
Georg August Universität Göttingen
Von Sieboldstr. 5, 37075 Göttingen,
Deutschland
ju.mueller@asklepios.com
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. J.L.Müller,N.Saimeh,P.Briken,
S.Eucker,K.Hoffmann,M.Koller,T.Wolf,M.Dudeck,
C. Hartl, A.K. Jakovljevic,V. Klein, G. Knecht,R. Müller-
Isberner,J.Muysers,K.Schiltz,D.Seifert,A.Simon,
H. Steinböck, W. Stuckmann, W.Weissbeck, C. Wiese-
mann und R. Zeidler geben an, dass kein Interessen-
konflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltetkeine von den Autoren
durchgeführten Studien an Menschenoder Tieren.
The supplementcontaining this article is not spon-
sored by industry.
Literatur
1. akzept e. V. Bundesverband für akzeptierende
Drogenarbeit und humane Drogenpolitik (Hrsg)
(2011) Neue Wege in der Suchtbehandlung im
Maßregelvollzug. Dokumentation der Tagung
am 28.01.2011 in der Asklepios Klinik Nord-
Ochsenzoll.akzept e.V.,Berlin
2. Andrews DA, Bonta J (1995) LSI-R: The Level of
Service Inventory–Revised. Multi Health Systems,
Toronto
3. Andrews DA, Bonta J (2010) The psychology of
criminal conduct, 5. Aufl.Routledge,NewYork
4. Andrews DA, Bonta J, Wormith SJ, Hart SD (2004)
The Levelof Ser vice/CaseManagement Inventory
(LS/CMI).Multi-Health Systems,Toronto
5. APA– AmericanPsychiatricAssociation (2015)Dia-
gnostisches und Statistisches Manual Psychischer
Störungen DSM-5. Hogrefe,Göttingen
6. Ballester J, GoldsteinB, Goldstein TR, YuH, Axelson
D,Monk K, Hickey MB, Diler RS, Sakolsky DJ, Sparks
G,LyengarS,KupferDJ,BrentDA,Birmaher B(2014)
Prospective longitudinal course of aggression
among adults with bipolar disorder. Bipolar Disord
16(3):262–269
7. Berner W, Hill A, Briken P, Kraus C, Lietz K (2007)
DGPPN Leitlinien Störungender Sexualpräferenz.
Steinkopff,Darmstadt
8. BoerDP, Hart SD,KroppPR, WebsterCD (1997)Ma-
nual for the Sexual Violence Risk-2 0: Professional
gudelines for assessing risk of sexual violence.The
MentalHealth,Law&Policy Institute, Vancouver
9. Boetticher A, Kröber HL, Müller-Isberner R, Böhm
KM, Müller-Metz R, Wolf T (2006) Mindestanfor-
derungen für Prognosegutachten. Neue Z Strafr
10:537–545
10. Boetticher A, Nedopil N, Bosinski HAG, Saß H
(2007) Mindestanforderungen für Schuldfähig-
keitsgutachten. ForensPsychiatr Psychol Kriminol
1:3–9
11. Borum R, Bartel P, Forth A (2002) Manual for the
Structured Assessment for Violence Risk in Youth
(SAVRY).Florida Mental Health Institute,University
ofSouthFlorida,Tampa
12. BontaJ,AndrewsDA(2007) Risk-need-responsivity
model for offenderassessment and rehabilitation.
www.publicsafety.gc.ca/res/cor/rep/risk_need_
200706-eng.aspx. Zugegriffen:20.07.2017
13. Briken P, Kafka MP (2007) Pharmacological
treatments for paraphilic patients and sexual
offenders.Curr OpinPsychiatry20(6):609–613
14. Briken P, Franqué F von, Berner W (2013)
Paraphilie und hypersexuelle Störungen. In:
Briken, P, Berner M (Hrsg.), Praxisbuch sexuelle
Störungen. Sexuell e Gesundheit, Sexualmedizin,
Psychotherapiesexueller Störungen. (S. 239–250).
Stuttgart: Georg Thieme Verlag
15. Briken P, Müller JL, Berner W, Bödecker RH,
Vollmann J, Kasperk C, Koller M (2017) Vom
Scheitern einer Studie – Die geplante klinische
Prüfung zur Untersuchung des additiven Effekts
von Triptorelinauf die Wirksamkeit einer psycho-
therapeutischen Behandlung bei erwachsenen
männlichen Patienten mit pädophiler Störung
in Maßregelvollzugskrankenhäusern. Nervenarzt.
doi:10.1007/s00115-0170- 0301-7
16. Brisch KH (2013) Bindung u nd Sucht. Klett-Cotta,
Stuttgart
17. Brown D, Larkin F, Sengupta S, Romero-Ureclay
JL, Ross CC, Gupta N, Vinestock M, Das M
(2014) Clozapine: an effective treatment for
seriously violent and psychopathic men with
antisocial personalitydisorderinaUKhigh-
security hospital. CNS Spectr 19(5):391–402.
doi:10.1017/S1092852914000157
18. Brown RA, Abrantes AM, Minami H, Prince MA,
Bloom EL, Apodaca TR, Strong DR, Picotte DM,
MontiPM, MacPhersonL,Matsko SV,Hunt JI (2015)
Motivational interviewing to reduce substance
use in adolescents with psychiatric comorbidity.
JSubstAbuse Treat59:20–29
19. Bulla J, Hoffmann K (2012) Der Nachteinschluss
– eine Methode des modernen Maßregelvoll-
zugs? Forens Psychiatr Psychother Werkstattschr
19(2):204–216
20. ceus consulting/FOGS (2015) Kerndatensatz im
Maßregelvollzug: Auswertungen 2013. ceus/
FOGS, Bad Godesberg
21. Coid J, Yang M, Tyrer P, Roberts A, Ulrich S (2006)
Prevalence and correlates of personality disorder
inGreatBritain. Br JPsychiatry188(5):423–431
22. Cordess C, Cox M (Hrsg) (1996) Forensic psycho-
therapy.Crime, psychodynamics and the offender
patient. Jessica Kingsley Publishers, London
Philadelphia
23. Cullen AE, Clarke AY, Kuipers E, Hodgins S, Dean
K, Fahy T (2012) A multisite randomized trial
of a cognitive skills program for male mentally
disordered offenders: violence and antisocial
behavior outcomes. J Consult Clin Psychol
80(6):1114–1120
24. Dack C, Ross J, Papadopoulos C, Bowers D, Bowers
L (2013) A review and meta-analysis of the patient
factors associated with psychiatric in-patient
aggression. Acta PsychiatrScand 127(4):255–268.
doi:10.1111/acps.12053
25. Dennis JA, Khan O, FerriterM, Huband N, Powney
MJ, Duggan C (2012) Psychological i nterventions
foradultswho have sexually offended orareatrisk
of offending. Cochrane Database SystRev. doi:10.
1002/14651858.cd007507.pub2
26.DeVogelV,deRuiterC,BoumanYHA,deVries
Robbé M (2010) SAPROF. Leitlinien für die
Erfassung von protektiven Faktoren bei einem
Risiko für gewalttätiges Verhalten. (Deutsche
Übersetzung von Spehr A, Briken P). Van der
HoevenKliniek, Forum Educatief,Utrecht
27. deVogel V, Bouman YHA, ter Horst P, Stam
J, Lancel M (2016) Gewalttätige Frauen: eine
Multicenter-Studie über Genderunterschiede in
der forensischen Psychiatrie. Forens Psychiatr
PsychotherWerkstattschr23(3):279–302
28. DGPPN (2014) Achtung der Selbstbestimmung
und Anwendung von Zwang bei der Behandlung
vonpsychischerkrankten Menschen
29. DGPPN (2017) S2 Leitlinie Aggressives Verhalten
(inÜberarbeitung)
30. Dombert B, Schmidt AF, Banse R, Briken P,
Hoyer J, Neutze J, Osterheider M (2016) How
common is men’s self-reported sexual interest in
prepubescentchildren?JSex Res 53(2):214–223
31. DouglasKS, Hart SD,Webster CD,Belfrage H (2014)
Die Vorhersage von Gewalttaten mit dem HCR-
20 – Deutsche Version. Institut für forensische
PsychiatrieHaina e. V.,Gießen
S26 Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017
32. DulzB,Briken P, KernbergOF,RauchfleischU (2016)
Handbuch der Antisozialen Persönlichkeitsstö-
rung.Schattauer,Stuttgart
33. DurbeejN,Palmstierna T,Berman AH, Kristiansson
M, Gumpert CH (2014) Offenders with mental
health problems and problematic substance use:
affective psychopathic personal ity traits as poten-
tial barriers to participation in substance abuse
interventions.J Subst AbuseTreat46(5):574–583
34. Eher R, Gnoth A, Birklbauer A, Pfäfflin F (2007)
Antiandrogene Medikation zur Senkung der
Rückfälligkeit von Sexualstraftätern: ein k ritischer
Überblick.Recht Psychiatr25(3):103–111
35. Eher R, Rettenberger M, Schilling F (2010a)
Psychiatrische Diagnosen vonKindesmissbrauch-
stätern und Vergewaltigern – eine empirische
Untersuchung von 807 inhaftierten Kindesmiss-
brauchstätern und Vergewaltigern.Z Sexualforsch
23:23–35
36. Eher R, Rettenberger M, Matthes A, Schilling F
(2010b) Stable dynamic risk factors in child sexual
abusers: the incremental predictive power of
narcissistic personality traits beyond the static-
99/stable-2007 priority categories on sexual
reoffense.Sex OffenderTreat5(1).ISSN1862-2941
37. Endrass J, Rossegger A, Urbaniok F, Borchard B
(2012) Interventionen bei Gewalt- und Sexual-
straftätern: Risk-management, Methoden und
Konzepteder forensischenTherapie.MVW,Berlin
38. Eucker S, Müller-Isberner R (2017) In: Isberner R,
Born P, Eucker S, Eusterschulte B (Hrsg) Die Praxis
derBehandlung,3. Aufl.Müller,Berlin, S217–236
39. Eucker S, Müller-Isberner R (2017b) Psychische
Störungen und Kriminalität. In: Müller-Isberner
R, Born P, Eucker S, Eusterschulte B (Hrsg) Praxis-
handbuchMaßregelvollzug,3.Au.Medizinisch
WissenschaftlicheGesellschaft, Berlin, S 149–164
40. Evershed S, TennantA, Boomer D, Rees A, Barkham
M, Watson A (2003) Practice-based outcomes
of dialectical behaviour therapy (DBT) targeting
anger and violence, with male forensicpatients: A
pragmatic and non-contemporaneous compari-
son.CrimBehav MentHealth13(3):198–213
41. Fazel S, Danesh J (2002) Serious mental disorder
in 23,000 prisoners. A systematic review of 62
surveys.Lancet359:545–550
42. Fazel S, Gulati G, Linsell L, Geddes JR, Grann M
(2009) Schizophrenia and violence: systematic re-
viewandmeta-analysis. PLoSMed 6(8):e1000120
43. Feldmann RE Jr,Seidler GH (Hrsg) (2013) Traum(a)
Migration.psychosozial,Gießen
44. Fervaha G, Foussias G, AgidO, Remington G (2014)
Motivational and neurocognitive deficits are
central to the predictionof longitudinal functional
outcome in schizophrenia. Acta Psychiatr Scand
130:290–299
45. Flory JD, Yehuda R, Grossman R, New AS,
Mitropoulou V, Siever LJ (2009) Childhood trauma
and basal cortisol in people with personality
disorders. Compr Psychiatry 50(1):34–37. doi:10.
1016/j.comppsych.2008.05.007
46. Fontao MI, Pfäfflin F, Lamott F (2008) Anwendung
der TFP auf die Behandlung von Maßregelvoll-
zugspatienten. In: Lackinge rF, Dammann G, Witt-
mann B (Hrsg)Psychodynamische Psychotherapie
bei Delinquenz. Praxis der Übertragungsfokus-
sierten Psychotherapie. Schattauer, Stuttgart,
S395–405
47. Fontao MI, Hoffmann K, Ross T (2011) Gruppen-
psychotherapieforschung im Maßregelvollzug.
Bestandsaufnahme undEntwicklungsmöglichkei-
ten. Forens Psychiatr Psychother Werkstattschr
18(1):5–18
48. Fovet T, Geoffroy PA, Vaiva G, Adins C, Thomas
P, Amad A (2015) Individuals with bipolar
disorder and their relationship with the criminal
justice system: a critical review. Psychiatr Serv
66(4):348–353
49. von Franqué F, Briken P (2013) Das „Good Lives
Model“ (GLM) – Ein kurzer Überblick. Forens
PsychiatrPsycholKriminol7(1):22–27
50. Freese R (2003) Ambulante Versorgung psychisch
kranker Straftäter.Pabst,Lengerich
51. Fries D, Endrass J, Ridinger M, Urbaniok F,
Rosssegger A (2011) Indikatoren für den Verlauf
einer stationären Behandlung bei Straftätern
mit Substanzmittelabhängigkeit. Fortschr Neurol
Psychiatr79:404–410
52. GinzburgJID,MannRE, Rotgers F,WeekesJR (2002)
Using motivational interviewing with criminal
justice populations.In: M iller WR,Rollnick S (Hrsg)
Motivational i nterviewing: preparing pe ople for
chance.Guilford,New York
53. Grant BF, Hasin DS, Stinson FS, Dawson DA, Chou
SP, Ruan WJ (2004) Prevalence, correlates, and
disability of personality disorders in the United
States: results from the national epidemiol ogical
survey on alcohol and related conditions. J Clin
Psychiatry65:948–958
54. Grekin ER, Brennan PA, Hodgins S, Mednick
SA (2001) Male criminals with organic brain
syndrome: Two distinct types based on age at the
firstarrest.Am J Psychiatry158:1099–1104
55. Gretenkord I (2017) R&R – Das Reasoning and
Rehabilitation Programm. In: Müller-Isberner R,
Born P, Eucker S, Eusterschulte B (Hrsg) Praxis-
handbuch Maßregelvollzug, 3. Aufl. Medizinisch
WissenschaftlicheGesellschaft, Berlin, S 433–442
56. HansonRK, ThorntonD (1999)Static-99:Improving
actuarial risk assessments for sex offenders (User
Report99-02).Department of theSolicitorGeneral
ofCanada,Ottawa
57. HansonRK, HarrisAJR (2007a)ACUTE-2007scoring
guide.Public SafetyandEmergency Preparedness,
Ottawa
58. Hanson RK, Harris AJR (2007b) STABLE-2007
mastercodingguide.Public Safety and Emergency
Preparedness,Ottawa
59. Hanson RK, Harris AJR, Scott TL, Helmus LMD
(2007) Assessing the risk of sexual offenders on
community supervision: The dynamicsuper vision
project (User Report 05-07). Public Safety Canada,
Ottawa
60.HansonRK,BourgonG,HelmusL,HodgsonS
(2009) The principles of effective correctional
treatment also apply to sexual offenders: a meta-
analysis.Crim Justice Behav36:865–891
61. Hare RD (2003) Hare Psychopathy Checklist-
Revised (PCL-R), 2. Aufl. Multi Health Systems,
Toronto
62.HarrisGT,RiceME,QuinseyVL,LalumièreML,
Boer DP, Lang C (2003) A multisite comparison of
actuarial riskinstrumentsforsex offenders. Psychol
Assess15:413–425
63. Hart SD, Kropp PR, Laws DR (2003) The Risk for
Sexual Violence Protocol (RSVP). Mental Health,
Law, and Policy Institute, Simon Fraser Universit y,
Burnaby
64. Havemann-Reinecke U, Küfner H, Schneider U,
Günthner A, Schalast N, VollmerHC (2004) AWMF-
Leitlinien: Postakutbehandlung bei Störungen
durchOpioide. Sucht50(4):226–257
65. Hemphill JF, Templeman R, Wong S, Hare
RD (1998) Psychopathy and crime: recidivism
and criminal careers. In: Cooke F, Hare (Hrsg)
Psychopathy:theory,research,andimplicationsfor
society. Kluwer Academic Publishing, Dordrecht,
S375–399
66. Hill K, Mann L, Laws KR, Stephenson CME, Nimmo-
Smith I, McKenna PJ (2004) Hypofrontalityin schi-
zophrenia: a meta-analysis of functional imaging
studies.Acta PsychiatrScand 110:243–256
67. Hodgins S, Müller-Isberner R (2004) Preventing
crime by people with schizophrenic disorders:
theroleofpsychiatricservices.BrJPsychiatry
185:245–250
68. HodginsS,Müller-Isberner R (2014) Schizophrenie
und Gewalt. Nervenarzt 85(3):273–274. doi:10.
1007/s00115-013-3900-y (276–8)
69. Hoffmann K (2005) Grundlagen der forensischen
Psychotherapie.In: Ebner G, Dittmann V,Gravier B,
Hoffmann K, Raggenbass R (Hrsg) Psychiatrie und
Recht.Schulthess, ZürichBaselGenf, S171–197
70. HoffmannK (2009)Migranten imMaßregelvollzug.
RechtPsychiatr27:67–74
71. Hoffmann K (2012) Psychoanalytisch begründete
Ansätze in der forensischen Psychiatrie und
Psychotherapie.Forum Psychoanal28(4):395–412
72. Hoffmann K, Bulla J, Karcher H (2017a) Intelli-
genzgemindert und delinquent – Wie viel Freiheit
ist gesellschaftlich verantwortet möglich? Forens
PsychiatrPsychotherWerkstattschr 24(1):47–53
73.HomannK,MichelM,MüllerF,WagnerM,
Zavoianou R, Frank U (2017b) Medikamentöse
Substitutionsbehandlung in der Entziehungsan-
stalt (§ 64 StGB) – aktuelle Stellungnahme aus
Baden-Württemberg. Angenommen von. Forens
PsychiatrPsychotherWerkstattschr
74. Holzinger B, Kirste A (2017) Integrative Behand-
lung von Patienten mit Substanzproblematik,
psychotischer Erkrankung und/oder Persönlich-
keitsstörung. In: Müller-Isberner R, Born P, Eucker
S, Eusterschulte B (Hrsg) Praxishandbuch Maßre-
gelvollzug,3.Aufl.MedizinischWissenschaftliche
Gesellschaft,Berlin, S 289–296
75. Jakovljevic A, Wiesemann C (2016) Zwangs-
maßnahmen in der forensischen Psychiatrie.
Aktuelle Behandlungspraxis im Maßregelvollzug
aus medizinethischer Perspektive. Nervenarzt
87(7):780–786
76. Jakovljevic A, Hesse D, Wiesemann C (2016)
Patientenverfügung und Behandlungsvereinba-
rung als Instrumente der Vorausplanung in der
forensischenPsychiatrie.Ethik Med 28:223–238
77. Jehle JM, Albrecht HJ, Hohmann-Fricke S, Tetal
C (2010) Legalbewährung nach strafrechtlichen
Sanktionen: eine bundesweite Rückfalluntersu-
chung2004bis 2007. Forum-Verlag,Godesberg
78. Jehle JM, Albrecht HJ, Hohmann-Fricke S, Thal
C (2016) Legalbewährung nach strafrechtlichen
Sanktionen: eine bundesweite Rückfallunter-
suchung 2010 bis 2013 und 2004 bis 2013.
Bundesministerium der Justiz und für Verbrau-
cherschutz,Berlin
79. Kötter S, von Franqué F, Bolzmacher M, Eucker S,
Holzinger B, Müller-Isberner R (2014) The HCR-
20V3 in Germany. Int J Forensic Ment Health
13:122–129
80. Koller M (2010) Rechtsfragen zu Geheimhaltung
und Offenbarung im neuen Kontrollsystem der
Führungsaufsicht. In: Pollähne H, Rode I (Hrsg)
Schweigepflicht und Datenschutz. Schriftenreihe
des Instituts für Konfliktforschung, Bd. 33. LIT,
Berlin,S133–163
81. Koller M (2014a) Zwangsbehandlung eine
Zwischenbilanz. ForensPsychiatr Psychol Kriminol
8:279–287
82. Koller M (2014b) Rechtliche Aspekte einer
Behandlung in der Psychiatrie. Psychiatr Prax
41(Supplement1):S44–S48
Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017 S27
Konsensuspapiere
83. Kraus JE, Sheitman BB (2005) Clozapine reduces
violent behavior in heterogeneous diagnos-
tic groups. J Neuropsychiatr y Clin Neurosci
17(1):36–44
84. Kröber HL (2009) Zusammenhänge zwischen
psychischer Störung und Delinquenz. In: Kröber
HL,DöllingD,Leygraf N,SassH(Hrsg) Kriminologie
und forensische Psychiatrie. Handbuch der
Forensischen Psychiatrie, Bd. 4. Steinkopff,
Darmstadt,S 321–337
85. Kröber HL (2016) Dialog zwischen Macht und
Unterwerfung.TraumaGewalt 10(1):22–32
86. KutscherS,SchifferB,Seifert D(2009) Schizophrene
Patienten im psychiatrischen Maßregelvollzug
(§ 63 StGB) Nordrhein-Westfalens. Fortschr
Neurol Psychiatr 77(2):91–96. doi:10.1055/s-
0028-1109080
87. Långström N, Enebrink P, Laurén EM, Lindblom
J, Werkö S, Hanson KH (2013) Preventing sexual
abusers of children from reoffending: systematic
reviewof medical andpsychologicalinterventions.
BMJ4630:347
88. Laws DR, Ward T (2011) Desistance from sexual
offending: Alternatives tothrowing away the keys.
Guilford, New York
89. Lehner B, Kepp J (2014)Daten, Zahlen und Fakten.
In: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.
(Hrsg)JahrbuchSucht14.Pabst,Lengerich
90. LeygrafN(1988)PsychischkrankeStraftäter.Epide-
miologie und aktuelle Praxis des psychiatrischen
Maßregelvollzuges.Springer,Berlin
91. Lösel F, Schmucker M (2005) The effectiveness of
treatment for sexual offenders: a comprehensive
meta-analysis.J Exp Criminol1:117–146
92. Lösel F, Schmucker M (2015) Treatment of sexual
offenders:concepts andempiricalevaluationns. In:
FrancisB, Sanders T(Hrsg) TheOxfordhandbook on
sex offencesand sex offenders. Oxford Universities
Press, New York
93. MaierW, HauthI, Berger M, SaßH (2016) Zwischen-
menschliche Gewalt im Kontext affektiver und
psychotischerStörungen. Nervenarzt 87(1):53–68
94.MannK,HochE,BatraA,BonnetU,GünthnerA,
Reymann G, Soyka M,Wodarz N, Schäfer M (2016)
Leitlinienorientierte Behandlun g alkoholbezoge-
nerStörungen.Nervenarzt87(1):13–25
95.MasiG,MiloneA,StawinogaA,VeltriS,Pisano
S (2015) Efficacy and safety of Risperidone
and Quetiapine in adolescents with bipolar II
disorder comorbid with conduct disorder. J Clin
Psychopharmacol35(5):587–590
96. Matthes A, Rettenberger M (2008a) Die de utsche
Version des STABLE-2007 zur dynamischen
Kriminalprognose bei Sexualstraftätern. Institut
fürGewaltforschungund Prävention,Wien
97. Matthes A, Retten bergerM (2008b) Die deutsche
Version des ACUTE-2007 zur dynamischen Kri-
minalprognose bei Sexualstraftätern. Institut für
Gewaltforschung und Prävention, Wien
98. MayfieldRD, HarrisRA,Schuckit MA(2008)Genetic
factors influencing alcohol dependence. Br J
Pharmacol154(2):275–287
99. Miller WR, Rollnick S (2015) Motivierende Ge-
sprächsführung:MotivationalInterviewing,3. Aufl.
Lambertus,Freiburg
100. Mohnke S, Müller S, Amelung T, Krüger THC,
Ponseti J, Schiffer B, WalterM, Beier KM, Walter H
(2014) Brain alterations in paedophilia: a critical
review.ProgNeurobiol122:1–23
101. Monk K, Hickey MB, Lyengar S, FarchioneT, Kupfer
DJ, Brent D, Birmaher B (2012) Is bipolar disorder
specifically associated with aggression? Bipolar
Disord14(3):283–290
102. Müller JL (2007) Legal, medical and social
impediments to better psychopaths: how best to
deal with persons with psychopathic disorders? In:
Felthous AR, Sass H(Hrsg) International handbook
of Psychopathic Disordersand the Law, Bd. I. John
Wiley&Sons, Hoboken, S 557–572
103. MüllerJL(2010) Neurobiologie forensischrelevan-
terStörungen.Kohlhammer,Stuttgart
104. Müller JL (2014) ZwangsweiseUntergebrachte. In:
Lenk C, Duttge G, Fangerau H (Hrsg) Handbuch
Ethik und Recht der Forschung am Menschen.
Springer,Heidelberg,S 409–416
105. Müller JL (2016) Ethische Aspekte in der Forensi-
schen Psychiatrie: Patientenautonomiezwischen
Freiheitsentzug und medikamentöser Zwangs-
behandlung. In: Juckel G, Hoffmann K (Hrsg)
Ethische Entscheidungssituationen in Psychiatrie
undPsychotherapie.Pabst,Lengerich, S 186–192
106. Müller JL (2017) Neurobiologie und Bildgebung
derAntisozialenPersönlichkeitsstörung.In: Dulz B,
Briken P, Kernberg OF, Rauchfleisch U (Hrsg) Hand-
buch der Antisozialen Persönlichkeitsstörung.
Schattauer,Stuttgart, S84–95
107. Müller JL, Fromberger P (2010) Bildgebende
Befunde bei Sexualstraftätern. Forens Psychiatr
PsycholKriminol 4:3–7
108. Müller-Isberner R, Gretenkord L (1994) Perso-
nalbedarf im psychiatrischen Maßregelvollzug:
Die Psych-PV/Forensik auf dem Prüfstand. Recht
Psychiatr12(4):166–171
109. Müller-Isberner R, Jöckel D (1994) Differen-
zierte Kriminaltherapie. Krankenhauspsychiatrie
5:170–172
110. Müller-Isberner R (1996) Forensic psychiatric
aftercare following hospital order treatment. Int J
LawPsychiatry 19(1):81–86
111. Müller-Isberner R, Jöckel D, Gonzalez Cabeza S
(1998) Die Vorhersage von Gewalttaten mit dem
HCR-20 (Version 2 – D1). Institut für forensische
PsychiatrieHaina e.V.,Haina
112. Müller-Isberner R, Gonzalez Cabeza S, Eucker S
(2000) Die Vorhersage sexu eller Gewalttaten mit
dem SVR-20. Institut für forensische Psychiatrie
Hainae.V.,Hain
113. Müller-Isberner R, Eucker S, Wolf T (2016) Psychi-
atrische Kriminaltherapie im Maßregelvollzug –
Intervention als Risi komanagement. Neurotrans-
mitter27(1):24–29
114. Müller-Isberner R, Born P, Eucker S, Eusterschulte
B(Hrsg)(2017)PraxishandbuchMaßregelvollzug,
3.Aufl.MWV,Berlin
115. Nedopil N (2011) Prognosen in der Forensischen
Psychiatrie – Ein HandbuchfürdiePraxis.Pabst,
Lengerich
116. Oermann A (2013) Dialektisch-Behaviorale The-
rapie im forensischen Setting. Psychotherapie
18(1):115–131
117. Pabst A, Kraus L, Gomes de Matos E, Piontek D
(2013) Substanzkonsum und substanzbezogene
Störungen in Deutschland im Jahr 2012. Sucht
59(6):321–331
118. PeddicordAN,BushC, CruzeC (2015)Acomparison
of Suboxone and methadone inthe treatment of
opiateaddiction. J AddictResTher 6(4):1000248
119. Prochaska JO, DiClemente CC (1985) Towards
a comprehensive model of change. In: Miller WR,
Heather N (Hrsg) Treating addictive behaviors:
processesof change.Plenum,NewYork,S3–27
120. Querengässer J, Bulla J,Hoffmann K, Ross T (2015)
Outcomeprädiktoren forensischer Suchtbehand-
lungen – Eine Integration patientenbezogener
und nicht patientenbezogener Variablen zur Be-
handlungsprognosedes § 64 StGB.Recht Psychiatr
33(1):34–41
121. Quinsey VL, Harris GT, Rice ME,Cormier CA (2006)
Violent offenders: Appraising and managing
risk, 2. Aufl. American Psychological Association,
Wash ingt on DC
122. RahnE(2014) Dialektisch-behavioraleTherapie bei
Menschenmit Intelligenzminderung.In:Schanze C
(Hrsg) PsychiatrischeDiagnostik und Therapie bei
Menschen mit Intelligenzminderung. Schattauer,
Stuttgart, S 349–355
123. Reinke B (2012) Forensische Nachsorge aus Sicht
einer komplementären Einrichtung. In: DHG
e.V. (Hrsg) Menschen mit geistiger Behinderung
im Maßregelvollzug. Herausforderungen für die
Behindertenhilfe.Dokumentationder Fachtagung
vom06./07.12.2012. DHGe.V.,Jülich
124. Renneberg B, Schmitz B, Doering S, Herpertz S,
Biohus M (2010) Behandlungsleitlinie Persönlich-
keitsstörungen. Psychotherapeut 55:339. doi:10.
1007/s00278-010-0748-5
125. RettenbergerM, Briken P(2016)Kriminalprognose
und Antisoziale Persönlichkeitsstörung. In: Dulz B,
Briken P, Kernberg OF,R auchfleischU (Hrsg) Hand-
buch der Antisozialen Persönlichkeitsstörung.
Schattauer,Stuttgart, S183–196
126. Rettenberger M, von Franqué F (2013) Hand-
buch kriminal prognostischer Verfahren. Hogrefe,
Göttingen
127. Rezk M, Borchard B (2012) Behandlung von
persönlichkeitsgestörtenGewalt- undSexualstraf-
tätern mit sehr hohem Rückfallrisiko. In: Endrass
J, Rossegger A, Urbaniok F, Borchard B (Hrsg)
Interventionen bei Gewalt- und Sexualstraftätern:
Risk-management, Methoden und Konzepte der
forensischenTherapie.MVW,Berlin, S279–290
128. Saimeh N (2017) Antisoziale Persönlichkeitsstö-
rung und Migrationshintergrund. In: DulzB, Briken
P, Kernberg OF,Rauchfleisch U(Hrsg)Handbuch der
Antisozialen Persönlichkeitsstörung. Schattauer,
Stuttgart, S 136–148
129. Saunders B, Wilkinson C, Philipps M (1995) The
impact of a brief motivational intervention with
opiate users attending a methadone programme.
Addiction90:415–424
130. Schmucker M, Lösel F (2015) The effects of sexual
offendertreatment on recidivism: Aninternational
meta-analysis of sound quality evaluations. J Exp
Criminol11(4):597–630
131. SchöchH (1999)JuristischeAspektedes Maßregel-
vollzugs. In: Venzlaff U, Diederichsen U, Foerster
K (Hrsg) Psychiatrische Begutachtung. Ein prak-
tisches Handbuch für Ärzte und Juristen, 3. Aufl.
ElsevierUrban& Fischer,München,S 325–348
132. Schöch H (2003) Schweige- und Offenbarungs-
pflichten für Therapeutenim Maßregelvollzug. In:
Amelung K (Hrsg) Strafrecht, Biorecht, Rechtsphi-
losophie. Festschrift für Hans-Ludwig Schreiber
zum 70. Geburtstag am 10. Mai 2003. Unter
Mitarbeit von Hans-Ludwig Schreiber. Müller,
Heidelberg,S 736–780
133. Seifert D (2014) Intelligenzgeminderte Rechtsbre-
cherimMaßregelvollzug. ForensPsychiatr Psychol
Kriminol8(3):183–190
134. Seifert D (2015a) Begutachtung und Behandlung
von Intelligenzgeminderten. In: Venzlaff U,
Foerster K, Dreßing H, Habermeyer E (Hrsg)
Psychiatrische Begutachtung. Ein praktisches
Handbuch für Ärzte und Juristen,6. Aufl. Urban &
Fischer,München, S271–290
135. SeifertD(2015b)Unterbringung imMaßregelvoll-
zug gemäß § 64 StGB. In: Dreßing H,Habermeyer
E (Hrsg) Psychiatrische Begutachtung. Ein prak-
tisches Handbuch für Ärzte und Juristen, 6. Aufl.
Urban& Fischer,München,S 389–403
S28 Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017
136. Seifert D, Schiffer B, Leygraf N (2003) Plädoyer für
die forensische Nachsorge/Ergebnisse einer Eva-
luation forensischer Ambulanzen im Rheinland.
PsychiatrPrax 30(5):235–241
137. Seto MC, Lalumiere ML (2010) What is so special
about male adolescentsexual offending? A review
and test of explanations through meta-analysis.
PsycholBull 136(4):526–575
138. Short T, Thomas S, Mullen P, Ogloff JR (2013)
Comparingviolence inschizophrenia patientswith
and without comorbid substance-use disorders
to community controls. Acta Psychiatr Scand
128(4):306–313.doi:10.1111/acps.12066
139. Sozialministerium Baden-Württemberg (1991)
Psychiatrie-Personalverordnung Maßregelvoll-
zug. Sozialministerium Baden-Württemberg,
Stuttgart
140. Statistisches Bundesamt (2015) Strafvollzugssta-
tistik. Im psychiatrischen Krankenhaus und in
derEntziehungsanstaltaufgrundstrafrichterlicher
Anordnung Untergebrachte (Maßregelvollzug)
2013/2014. Statistisches Bundesamt Wiesbaden
www.destatis.de,S.3
141. Statistisches Bundesamt (2016) Rechtspflege.
Strafvollzug. Fachserie 10 Reihe 4.1.. Statistisches
Bundesamt,Wiesbaden
142. Stolpmann G, Müller JL (2016) Q 10 Forensische
Psychiatrie und Psychotherapie. In: Falkai P,
Voderholzer U (Hrsg)Therapie-Handbuch, 5. Aufl.
Urban&Fischer,München
143. ThibautF,DeLaBarraFP,GordonH,CosynsP,Brad-
ford JM (2010) The World Federationof Societies
of Biological Psychiatry (WFSBP) gui delines for the
biological treatment of paraphilias. World J Biol
Psychiatry11(4):604–655
144. Thomasius R, Gouzoulis-Mayfrank E, Karus C,
Wiedenmann H, Hermle L, Sack PM, Zeichner D,
Küstner U, Schindler A, Krüger A, Uhlmann S,
Petersen KU, Zapletalova P, Wartberg L, Schütz
CG, Schulte-Markwort M, Obrocki J, Heinz A,
Schmoldt A (2004) AWMF-Behandlungsleitlinie:
Psychische und Verhaltensstörungen durch
Kokain,Amphetamine,EcstasyundHalluzinogene.
FortschrNeurol Psychiatr72:679–695
145. Tong LSJ, Farrington DP (2007) How effective
is the “Reasoning and Rehabilitation” program
in reducing reoffending? A meta-analysis of
evaluations in four countries. Psychol Crime Law
12(1):3–24
146. Tölle R, Windgassen K (2014) Psychiatrie ein-
schließlich Psychotherapie, 17. Aufl. Springer,
Berlin
147. Tretter F (2012) Suchtmedizin kompakt. Sucht-
krankheiten inKlinikundPraxis, 2. Aufl.Schattauer,
Stuttgart
148. Turner D, Basdekis-Jozsa R, Briken P (2013) The
prescriptionoftestosterone-loweringmedications
for sex offender treatment in german forensic-
psychiatricinstitutions.JSex Med 10(2):570–578
149. Victoroff J, Coburn K, Reeve A, Sampson S, Shill-
cutt S (2014) Pharmacological management of
persistent hostility and aggression in persons
with schizophrenia spectrum disorders: a sys-
tematic review. J Neuropsychiatry Clin Neurosci
26(4):283–312. doi:10.1176/appi.neuropsych.
13110335
150. Ward T, Fortune CA (2014) The good lives
model: a strength-based approach to offender
rehabilitation. In: Polizzi D, Braswell M, Draper
M (Hrsg) Humanistic approaches to corrections
and offender treatment.Carolina Academic Press,
Durham,S115–130
151.WebbRT,LichtensteinP,LarssonH,GeddesJR,
FazelS (2014) Suicide, hospital-presenting suicide
attempts and criminality in bipolar disorder:
examinationof risk formultipleadverse outcomes.
JClinPsychiatry 75(8):809–816
152. Webster CD, Douglas KS, Eaves D, Hart SD (1997)
HCR-20: assessing risk for violence. Version 2.
Simon Fraser University, Mental Health, Law, and
Polic y Inst itute, Burna by BC
153. Webster CD, Martin ML, Brink J, Nicholls TL,
Desmarais SL (2009) Short Term Assessment
of Resik and Treatability (START) (Version 1.1.).
Forensic Psychiatric Services Commission, Port
Coqidam
154. Weissbeck W (2009) Jugendmaßregelvollzug in
Deutschland.Basisdokumentation.MWV,Berlin
155. WHO (2013) World Health Organization. The
European Mental Health Action Plan. www.euro.
who.int www.euro.who.int/__data/assets/.../
63wd11e_MentalHealth-3.pdf
156. Winsper C, Ganapathy R, Marwaha S, Large M,
BirchwoodM, Singh SP(2013)Asystematic review
andmeta-regressionanalys is of aggression during
theFirstEpisode ofPsychosis.ActaPsychiatrScand
128:413–421
157. Wong SC, Gordon A (2006) The validity and
reliability of the violence risk scale: a treatment
friendly violence risk assessment scale. Psychol
PublicPolicy Law12(3):279–309
158. ZEKO (2016) Zentrale Kommission zur Wahrung
ethischer Grundsätze in der Medizin und ih-
ren Grenzgebieten bei der Bundesärztekammer
(Zentrale Ethikkommission), Entscheidu ngsfähig-
keit und Entscheidungsassistenz in der Medizin.
Dtsch Arztebl. doi:10.3238/arztbl.2016.zeko_
baek_StellEntscheidung2016_0
Der Nervenarzt · Suppl 1 · 2017 S29
... Denn eine Zunahme von im Kontext des § 64 StGB evaluierten (und damit evidenzbasierten) Behandlungsansätzen würde mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht nur die Behandlungsqualität erhöhen, sondern auch allen Beteiligten mehr (Be-)Handlungssicherheit geben. Zugleich würde dies die Chance eröffnen, forensikspezifische Behandlungsstandards auszubauen und zu fundieren (etwa jene der DGPPN: Müller et al. 2017). Denn die bestehenden allgemeinen Leitlinien (etwa die S3-Leitlinien der AWMF zu Abhängigkeitserkrankungen, https://register.awmf.org/de/start) ...
... Hingewiesen sei aber darauf, dass es durchaus Publikationen gibt, die den aktuellen Zustand des psychiatrischen Maßregelvollzugs und seine Probleme sachgerechter darstellen (Kröber und Wendt 2011;Seifert und Leygraf 2016;Lau 2017;Müller et al. 2017;Kröber 2018). ...
Article
ZUSAMMENFASSUNG Zum 01.10.2023 ist die Neufassung des § 64 StGB, der die Maßregel (Unterbringung psychisch kranker Rechtsbrecher mit Suchterkrankungen) bedingt, in Kraft getreten. Die Neufassung zielt auf eine deutliche Beschränkung der Zahl der nach § 64 StGB untergebrachten Straftäter ab. Das Vorliegen und der Schweregrad einer Substanzkonsumstörung, ihre Bedeutung (Zusammenhang) mit der angeklagten Anlasstat und die Erfolgsaussichten einer Unterbringung nach § 64 StGB müssen genau begründet werden. Die Neufassung wird erhebliche Bedeutung für die Gutachtens- und Rechtspraxis haben.
Article
Nach einer Einführung in die juristischen Grundlagen des psychiatrischen Maßregelvollzuges in Deutschland werden die Geschichte und konkrete Ansätze der gruppenanalytisch orientierten therapeutischen Gemeinschaft in diesem zunehmend wichtigen Bereich der Strafrechtspflege dargestellt. Besonders im Zentrum stehen die Anforderungen an therapeutische Settings und Haltungen aller Berufsgruppen sowie eine von Trägern und Leitungen geförderte Orientierung an möglichst viel selbstständiger Alltagsund Arbeitsgestaltung für die Behandelten.
Chapter
Full-text available
This essay discusses various treatments for sexual offenders and their success in reducing reoffending. Overall, research reveals a positive treatment effect that indicates up to 25 per cent less recidivism in treatment versus control groups. Cognitive-behavioral therapy, relapse prevention, and programs based on the Risk-Need-Responsivity model have the strongest evidence base, although the studies and findings are heterogeneous and outcomes vary depending on many factors. Most promising are programs that involve treatment in the community and in forensic hospitals, delivered in a partly individualized mode, implemented with sound integrity, targeting medium- to high-risk offenders, addressing young individuals, and being evaluated in well-documented small studies. In contrast, programs in prisons, delivered merely in a group format, including low-risk offenders, and evaluations in large samples show smaller or no effects. Recent developments aim to modernize and widen standard programs toward more differentiated interventions, but more sound evaluation research is needed.
Book
Interventionen bei Gewalt- und Sexualstraftätern verfolgen das Ziel, Rückfälle - und somit weitere Opfer - zu vermeiden. Dafür müssen das Rückfallrisiko möglichst präzise eingeschätzt und adäquate therapeutische Maßnahmen ergriffen werden. Dieses Praxisbuch vermittelt die spezifischen Interventionstechniken deliktpräventiver Therapien (z.B. Bearbeitung kognitiver Verzerrungen, sexueller Hoch-Risiko-Fantasien sowie die Deliktrekonstruktion) und stellt Bezüge zu unterschiedlichen Therapieschulen her. Daneben werden die Besonderheiten im Umgang mit spezifischen Tätergruppen (z.B. schizophrene oder persönlichkeitsgestörte Straftäter, Straftäter mit ausgeprägten psychopathischen Eigenschaften)
Book
Structured Professional Judgement Guidelines for assessing and managing violence risk
Book
Der Lehrbuch-Klassiker zur Psychiatrie hat bereits Generationen von Medizinern die grundlegenden Gedanken der Psychiatrie ausgewogen und umfassend vermittelt. Die 15. Auflage wurde den Fortschritten der Psychiatrie entsprechend überarbeitet und ergänzt, neue wissenschaftliche, medizinische und praktische Erkenntnisse hinzugefügt. Neu hinzugekommen sind Fallbeispiele, die authentische Fälle aus der psychiatrischen Praxis dokumentieren. Das Buch enthält das gesamte prüfungsrelevante Wissen gemäß dem Gegenstandskatalog für Mediziner, ICD10-Klassifikation inklusive. Besondere Beachtung finden die Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie die Psychotherapie. Symptomatologie und Behandlungsverfahren finden gleichermaßen ihren Raum. Mit dem Repetitorium kann der Leser sein Wissen überprüfen. Der Tölle/Windgassen lässt Psychiatrie in all ihren Zusammenhängen erfassbar und Patienten mit ihren Erleben und Störungen verstanden werden. Zum Lernen, Nachschlagen und Weiterdenken!
Article
There is increasing interest in the use of strength-based approaches, such as the Good Lives Model (GLM), in the field of offender rehabilitation to complement primarily risk management models. To date, theoretical work has focused on the application of the GLM to adult offenders, and primarily sexual offenders at that. This paper explores the theoretical application of the Good Lives Model (GLM) to the rehabilitation of youth offenders. Practitioners often struggle to engage young people in treatment as working towards the goal of avoiding further offending does not directly speak to their core concerns and, as such, is not very motivating. The GLM is a rehabilitation framework that focuses on approach goals, which encourages individuals to identify and formulate ways of achieving personally meaningful goals in prosocial ways. It is argued that as a rehabilitation framework the GLM has the flexibility and breadth to accommodate the variety of risk factors and complex needs youth offenders present with, and also provides a natural fit with a dynamic systems (e.g., family and educational systems) framework, and evidence based interventions in the youth offender field.
Chapter
The Reasoning & Rehabilitation Program (R&R) program, which was developed by Robert R. Ross, Elizabeth Fabiano & Roslynn D. Ross in Canada, is an internationally accredited, evidence-based, multi-faceted, cognitive-behavioural program for teaching the cognitive skills, social skills and values that are required for prosocial competence. R&R has been delivered over the past twenty years to more than seventy thousand offenders in twenty countries. R&R is the most widely disseminated and the most frequently evaluated cognitive behavioral offender rehabilitation program. A metanalysis found an overall reduction in recidivism of 14%, the benefit-to-cost ratio is high. In this paper the focus is on application to mentally disturbed offenders and its practice in Germany, where over 500 R&R-trainers have been qualified.