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Wie ist Globalisierung m??glich? Zur Entstehung globaler Vergleichshorizonte am Beispiel von Wissenschaft und Sport

Authors:

Abstract

Der Aufsatz geht von der Prämisse aus, dass Globalisierung ein unwahrscheinliches Phänomen ist und fragt, unter welchen historischen Konstellationen diese Unwahrscheinlichkeitsschwelle dennoch überwunden werden konnte. Der Erklärungsgegenstand ist nicht faktische Globalisierung im Sinne einer räumlich verstandenen weltweiten Ausdehnung, sondern die Formation potenziell globaler Vergleichszusammenhänge. Wir beantworten diese Frage am Beispiel von (Natur-)Wissenschaft und Sport. Dazu stellen wir in Abschn. 2 ein allgemeines Erklärungsmodell vor, das sich auf die Entstehungsbedingungen von Globalisierungsdynamiken bezieht. Ausgehend von der Unterscheidung zwischen einer Vernetzungs- und einer Beschreibungsdimension von Globalisierung rückt dieses Modell die Bedeutung öffentlicher Vergleichsdiskurse in den Vordergrund. In Abschn. 3 wenden wir das Erklärungsmodell auf die beiden Fallbeispiele an und zeigen, dass und weshalb der Schwerpunkt der Entstehung potenziell globaler Vergleichszusammenhänge in beiden Feldern im späten 19. Jahrhundert lag. In Abschn. 4 formulieren wir einige Vermutungen darüber, inwieweit sich das Modell auch auf andere Felder übertragen lässt und welches Licht es auf faktische globale Expansionsprozesse wirft.
1 23
KZfSS Kölner Zeitschrift für
Soziologie und Sozialpsychologie
ISSN 0023-2653
Volume 63
Number 3
Köln Z Soziol (2011) 63:359-394
DOI 10.1007/s11577-011-0142-5
Wie ist Globalisierung möglich? Zur
Entstehung globaler Vergleichshorizonte
am Beispiel von Wissenschaft und Sport
Bettina Heintz & Tobias Werron
1 23
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ABHANDLUNGEN
Zusammenfassung: Der Aufsatz geht von der Prämisse aus, dass Globalisierung ein unwahr-
scheinliches Phänomen ist und fragt, unter welchen historischen Konstellationen diese Unwahr-
scheinlichkeitsschwelle dennoch überwunden werden konnte. Der Erklärungsgegenstand ist nicht
faktische Globalisierung im Sinne einer räumlich verstandenen weltweiten Ausdehnung, sondern
die Formation potenziell globaler Vergleichszusammenhänge. Wir beantworten diese Frage am
Beispiel von (Natur-)Wissenschaft und Sport. Dazu stellen wir in Abschn. 2 ein allgemeines Er-
klärungsmodell vor, das sich auf die Entstehungsbedingungen von Globalisierungsdynamiken be-
zieht. Ausgehend von der Unterscheidung zwischen einer Vernetzungs- und einer Beschreibungs-
dimension von Globalisierung rückt dieses Modell die Bedeutung öffentlicher Vergleichsdiskurse
in den Vordergrund. In Abschn. 3 wenden wir das Erklärungsmodell auf die beiden Fallbeispiele
an und zeigen, dass und weshalb der Schwerpunkt der Entstehung potenziell globaler Vergleichs-
zusammenhänge in beiden Feldern im späten 19. Jahrhundert lag. In Abschn. 4 formulieren wir
einige Vermutungen darüber, inwieweit sich das Modell auch auf andere Felder übertragen lässt
und welches Licht es auf faktische globale Expansionsprozesse wirft.
Schlüsselwörter: Globalisierungs- und Weltgesellschaftstheorie · Netzwerkforschung ·
6R]LRORJLHGHV9HUJOHLFKVÂ4XDQWL¿]LHUXQJÂ:LVVHQVFKDIWVXQG6SRUWVR]LRORJLH
What makes globalization possible? Explaining the emergence of global
horizons of comparison in science and sports
Abstract: The article conceives of globalization as a highly improbable phenomenon. In contrast
to the mainstream of the globalization literature, we ask under which conditions the globalization
RIVRFLHWDO¿HOGVFDQpotentially become an empirical reality. We proceed in three steps: The sec-
RQGSDUWSUHVHQWVDQH[SODQDWRU\PRGHOWKDWLGHQWL¿HVWKHFRQGLWLRQVXQGHUZKLFKJOREDOKRUL]RQV
of comparison may emerge. Our model is predicated on the assumption that the globalization
RI VRFLHWDO ¿HOGV LV HQDEOHG QRW RQO\ E\ UHODWLRQDO OLQNDJHV ³WLHV´ EXW E\ SXEOLF FRPSDUDWLYH
Köln Z Soziol (2011) 63:359–394
DOI 10.1007/s11577-011-0142-5
Wie ist Globalisierung möglich? Zur Entstehung
globaler Vergleichshorizonte am Beispiel von
Wissenschaft und Sport
Bettina Heintz · Tobias Werron
© VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011
B. Heintz () · T. Werron
Universität Bielefeld, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, Deutschland
E-Mail: bettina.heintz@uni-bielefeld.de
T. Werron
E-Mail: tobias.werron@uni-bielefeld.de
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360 B. Heintz und T. Werron
GLVFRXUVHV³FXOWXUDOOLQNDJHV´WRR,QWKHWKLUGSDUWZHDSSO\WKLVPRGHORQWKHGHYHORSPHQWRI
modern science and competitive sports, proving the explanatory power of our model and showing
WKDWLQ ERWK FDVHV JOREDO KRUL]RQVRI FRPSDULVRQ ¿UVW FRQVROLGDWHG LQWKH ODWH th century. The
¿QDOSDUWFRQFOXGHVZLWKUHÀHFWLRQVRQFRPPRQDOLWLHVDQGGLIIHUHQFHVEHWZHHQWKHWZRFDVHVRQ
WKHDSSOLFDELOLW\RIWKHPRGHOWRRWKHUVRFLDO¿HOGVHJHFRQRP\DQGRQLWVLPSOLFDWLRQVIRUWKH
analysis of globalization processes.
Keywords: Globalization and world society studies · Network theory ·
6RFLRORJ\RI FRPSDULVRQÂ4XDQWL¿FDWLRQÂ 6RFLRORJ\RIVFLHQFHÂ 6RFLRORJ\RIVSRUW
1 Einleitung
Der Globalisierungsenthusiasmus der 1980er und 1990er Jahre ist einer Ernüchterung
gewichen, die nicht nur in politischen Debatten, sondern auch in der soziologischen Theo-
riediskussion spürbar ist. War der frühe Schwung in einige allgemeine Theorieentwürfe
gemündet, die viel gelesen und zitiert wurden (insbesondere Giddens 1990; Harvey 1990;
Robertson 1992; Beck 1997; Stichweh 2000a; Castells 2000), häuft sich nun die Kritik
an diesen Theorien und ihren voraussetzungsvollen Prämissen. Diese Kritik hat sich fast
schon zu einer kleinen Tradition mit unterschiedlichen Motiven formiert, unter denen uns
drei besonders erwähnenswert erscheinen: 1) In Justin Rosenbergs scharfsinnigen Pole-
PLNHQJHJHQGLHÄIROOLHVRIJOREDOL]DWLRQWKHRU\³VWHKWGLH.ULWLNDQGHU*HVFKLFKWVXQG
Traditionsvergessenheit der prominentesten Globalisierungstheorien im Vordergrund und
letztlich die Aufforderung zur Rückbesinnung auf klassische Konzepte (Rosenberg 2005;
in der Tendenz ähnlich Chernilo 2006). 2) Raewyn Connells E inwände gegen die „northern
WKHRU\RIJOREDOL]DWLRQ³ULFKWHQVLFKGDJHJHQSULPlUJHJHQHLQ'HQNHQLQÄDEVWUDFWOLQ-
NDJHV³GDVVLHDXIHLQHhEHUJHQHUDOLVLHUXQJZHVWOLFKHU (UIDKUXQJVKRUL]RQWH ]XUHFKQHW
XQGGXUFK$XVHLQDQGHUVHW]XQJ PLW$XWRUHQ QLFKWZHVWOLFKHU ÄVGOLFKHU³ +HUNXQIW]X
NRUULJLHUHQHPS¿HKOW&RQQHOO 2007). Diese Kritik fügt sich in eine in der globalhisto-
ULVFKLQIRUPLHUWHQ )RUVFKXQJ ZHLW YHUEUHLWHWH 6NHSVLVJHJHQEHU ÄHXUR]HQWULVWLVFKHP³
Denken, die jedoch erst selten auf theoretische Argumente hingeführt worden ist (zu die-
sem Desiderat und ersten theoretischen Anschlüssen auch Bhambra 2007; Knöbl 2007;
Schwinn 2005; für eine interessante empirisch fundierte Kritik Yashar 2007). Schließlich
hat 3) Urs Stäheli soziologische Begriffe des Globalen (darunter den systemtheoretischen
Begriff der Weltgesellschaft) auf einer konzeptionellen Ebene diskutiert und für ihr „allzu
UHLEXQJVORVHVWKHRUHWLVFKHV)XQNWLRQLHUHQ³NULWLVLHUWDOVRGDIUGDVVVLHDOVJHJHEHQYRU-
aussetzen, was sie erst noch untersuchen und belegen müssten (Stäheli 2008, S. 54).
Der vorliegende Aufsatz geht davon aus, dass diese Kritiken im Kern berechtigt sind.
Soziologischen Globalisierungs- und Weltgesellschaftstheorien ist es in der Tat bisher
nur sehr bedingt gelungen, ihre abstrakten Erkenntnisansprüche mit den Resultaten einer
empirischen und historischen Globalisierungsforschung abzustimmen, die in den letzten
Jahrzehnten enorm an Breite und Differenziertheit hinzugewonnen hat. Insbesondere ist
noch kaum versucht worden, die Bedingungen näher zu bezeichnen, unter denen Globali-
sierungsdynamiken überhaupt möglich und wahrscheinlich werden können. Es sind daher
vor allem die konzeptionellen Einwände à la Stäheli, die wir im folgenden heuristisch pro-
duktiv machen wollen, indem wir Globalität und Globalisierung als voraussetzungsvolle
Author's personal copy
361Wie ist Globalisierung möglich?
und entsprechend unwahrscheinliche Phänomene begreifen und untersuchen, unter wel-
chen historischen Voraussetzungen sie gleichwohl wahrscheinlich werden können. Bis-
lang gibt es erst wenige Versuche, Globalisierungsphänomene systematisch zu erklären.
Die meisten soziologischen Arbeiten beschäftigen sich mit den Folgen der Globalisierung
oder sie analysieren deren unterschiedliche Ausdrucksformen. Was fehlt, sind Studien,
die untersuchen, welche Bedingungen gegeben sein mussten, damit sich Globalisierungs-
dynamiken überhaupt entfalten konnten und die damit auch zu erklären verhelfen, unter
welchen Bedingungen Globalisierung ein unwahrscheinliches Phänomen bleibt.
Der Aufsatz kann diese Forschungslücke selbstverständlich nicht umfassend schlie-
ßen, sondern verfolgt ein bescheideneres Ziel. Wir konzentrieren uns auf die Schwellen-
bedingungen, die gegeben sein müssen, damit sich globale Vergleichshorizonte entfalten
können. Der Erklärungsgegenstand ist also nicht faktische Globalisierung im Sinne einer
räumlich verstandenen weltweiten Ausdehnung, sondern die Entstehung potenziell glo-
baler Vergleichszusammenhänge. Oder am Beispiel unserer beiden Untersuchungsfälle:
Es geht nicht darum, ob tatsächlich in allen Ländern der Welt nach den gleichen Regeln
Fußball gespielt wird, und auch nicht darum, ob die weltweite Forschung zu einem
Thema tatsächlich global rezipiert wird. Vielmehr interessiert uns die Frage, unter wel-
chen Bedingungen sich eine Konstellation etablierte, die eine sukzessive Ausdehnung des
Vergleichshorizontes möglich und wahrscheinlich macht. Diese Bedingungskonstellation
kann zunächst räumlich begrenzt sein, entscheidend ist, dass sie fähig ist, eine grenzüber-
schreitende Eigendynamik auszulösen, die den Vergleich wissenschaftlicher Ergebnisse
und sportlicher Leistungen aus lokalen Entstehungsbedingungen herauslöst und eine glo-
bale Systemdynamik in Gang setzt.
8PGLHVH%HGLQJXQJVNRQVWHOODWLRQ]XLGHQWL¿]LHUHQHQWZLFNHOQZLULQ$EVFKQHLQ
heuristisches Modell, in dessen Zentrum die Vorstellung steht, dass Globalisierungspro-
zesse nicht nur durch strukturelle Vernetzungen, sondern auch durch öffentliche Diskurse
vorangetrieben werden, die Einzelereignisse (z. B. sportliche Wettkämpfe, Publikationen)
zueinander in Beziehung setzen und in einen Vergleichszusammenhang bringen. Ein sol-
FKHU9HUJOHLFKV]XVDPPHQKDQJNDQQVLFKQXUXQWHUVSH]L¿VFKHQ%HGLQJXQJHQHWDEOLHUHQ
Diese Bedingungen konkretisieren wir in Abschn. 3 am Beispiel von (Natur-)Wissenschaft
und Sport. In einem abschließenden Abschn. 4 fassen wir die Argumentation zusammen
und deuten an, inwieweit das Modell über die beiden Anwendungsfälle hinaus generali-
sierbar ist und welches Licht es auf faktische globale Expansionsprozesse wirft.
2 Vernetzen und Vergleichen: das Doppelgesicht der Globalisierung
9RQÄFXOWXUDOOLQNDJHV³]XU.RPPXQLNDWLRQYRQ9HUJOHLFKHQ
In der soziologischen Forschung wird Globalisierung vorwiegend in Netzwerkbegriffen
beschrieben und als Intensivierung grenzüberschreitender Kontakte oder Beziehungen
LQWHUSUHWLHUW'LH6FKOVVHOEHJULIIHVLQGÄÀRZV³ÄFRQQHFWLYLW\³ÄWLHV³RGHUHEHQÄQHW-
ZRUNV³(VJLEWDEHUQRFKHLQHDQGHUH 6HLWHGHU*OREDOLVLHUXQJGLH9HUELQGXQJHQEHU
Beschreibungen herstellt. Wir konzentrieren uns auf diese zweite Seite der Globalisierung
und vertreten die These, dass sie sich vor allem über Vergleiche, und damit meinen wir
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362 B. Heintz und T. Werron
immer kommunizierte Vergleiche, realisiert. Ein Beispiel dafür sind Hochschulrankings,
die alle Universitäten der Welt zueinander in Beziehung setzen, ohne dass diese unter-
einander notwendig strukturell vernetzt sind (Wedlin 2007; Heintz 2008). Vergleiche ver-
stehen wir als Beobachtungsinstrumente, die zwischen Einheiten (z. B. Personen, Staaten
oder Organisationen) oder Ereignissen (z. B . Zitationen, sportlichen Wettkämpfen oder
Kunstausstellungen) eine Beziehung herstellen. Sie beruhen einerseits auf der Annahme,
dass die verglichenen Einheiten in mindestens einer grundlegenden Hinsicht gleich sind
(Herstellung von Vergleichbarkeit), und setzen andererseits ein Vergleichskriterium vor-
aus, dass die Verschiedenheit des (partiell) Gleichen beobachtbar macht (Vergleichs-
kriterien)1 Diese Kombination von Gleichheitsunterstellung und Differenzbeobachtung
zeichnet Vergleiche als Beobachtungsformen eigener Art aus (dazu ausführlicher Heintz
2010).
Während die Globalgeschichte die Bedeutung von Vergleichen für Globalisierungs-
prozesse in mehreren Studien aufgezeigt hat (exemplarisch Bayly 2004; Osterhammel
1998), hat sich die Soziologie bislang kaum für Vergleiche als Globalisierungsmechanis-
mus interessiert. Ein Grund dafür ist die oben erwähnte Fokussierung auf die Vernet-
zungsdimension von Globalisierungsprozessen. Um unsere Perspektive zu verdeutlichen,
lohnt sich deshalb ein Blick auf zwei Theorieansätze, die ebenfalls zwischen einer Ver-
netzungs- und einer Beschreibungsdimension unterscheiden, ohne allerdings der Bedeu-
tung von Vergleichen systematisch Rechnung zu tragen. Es handelt sich um Theorien, die
üblicherweise nicht miteinander in Verbindung gebracht werden: die neo-institutionalis-
tische World Polity-Forschung um John W. Meyer und die neuere Netzwerktheorie im
Anschluss an Harrison White.
David Strang und John W. Meyer (1993) haben in einem bekannten Aufsatz die klas-
sischen netzwerktheoretischen Analysen von Diffusionsprozessen als einseitig kritisiert:
QHEHQÄUHODWLRQDO OLQNDJHV³ JHEHHV DXFK ÄFXOWXUDO OLQNDJHV³ GLHDXI DEVWUDNWHQ .DWH
gorien und Modellen beruhen und auch ohne Kontakte oder Kontaktketten zwischen
Akteuren Globalisierungsprozesse anstoßen können. Cultural linkages sind m. a. W. Ver-
bindungen, die über Beobachtung oder Beschreibung zustande kommen und nicht auf
direkten oder indirekten Kontakten beruhen müssen.2 Sie können entweder durch abs-
trakte Modelle hergestellt werden, die Ereignisse über Kausalerklärungen miteinander in
Beziehung setzen, oder dadurch, dass Einheiten ein- und derselben Kategorie zugeord-
QHWZHUGHQ 'HU6DPPHOEHJULII LVW GHU%HJULII GHU Ä7KHRUHWLVLHUXQJ³Ä7KHRUHWL]DWLRQ
increases perceived similarity by simplifying the phenomena, and also expands diffusion
E\SURYLGLQJFDXVDODFFRXQWV³6WUDQJXQG0H\HU1993, S. 104). Wie fruchtbar es ist, cul-
tural linkages als eigenständigen Globalisierungsfaktor ernst zu nehmen, hat die World
Polity-Forschung in vielen empirischen Untersuchungen gezeigt, und dies besonders ein-
drucksvoll an einem Bereich, dem internationalen Staatensystem, der traditionell eher in
 /XKPDQQVSULFKWGHVKDOEYRQHLQHUÄGUHLVWHOOLJHQ5HODWLRQ³/XKPDQQ1995). Es wird nicht nur
zwischen den Verglichenen unterschieden, sondern es bedarf zusätzlich eines Vergleichskrite-
ULXPVXQGGDPLWHLQHUGULWWHQ3RVLWLRQHLQHV³XQEHREDFKWHWHQ%HREDFKWHUV³GHUGLH9HUJOHLFKV-
einheiten hinsichtlich ihrer Unterschiede in Beziehung setzt.
2 Ähnlich unterscheidet auch Stichweh (2008]ZLVFKHQÄJOREDOHU,QWHUUHODWLRQ³XQGÄJOREDOHU
.DWHJRULHQELOGXQJ³DOVXQWHUVFKLHGOLFKHQ0HFKDQLVPHQGHU*OREDOLVLHUXQJ
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363Wie ist Globalisierung möglich?
relationalen%HJULIIHQÄLQWHUQDWLRQDOH%H]LHKXQJHQ³ EHVFKULHEHQ ZLUGH[HPSODULVFK
Boli 1987; Meyer et al. 1997DOVhEHUEOLFN0H\HU2010).
Interessanterweise gelangt die Netzwerktheorie, die ursprünglich für die von Strang
XQG 0H\HU NULWLVLHUWH ÄUHODWLRQDOH³ 6LFKW VWDQG LQ OHW]WHU =HLW ]X lKQOLFKHQ hEHUOH
gungen. Seit einiger Zeit ist in der Netzwerkforschung sogar explizit von einer „kulturellen
:HQGH³GLH5HGHYJOHWZD0W]HOXQG)XKVH2010, S. 7). Für ein umfassendes Verständ-
QLVGHU6WUXNWXUXQG)XQNWLRQYRQ1HW]ZHUNHQVRGLHQHXHÄNXOWXUDOLVWLVFKH³3URJUDP-
PDWLNUHLFKHHVQLFKWDXV9HUELQGXQJHQDXVVFKOLHOLFKDOVÄ.DQlOH³]XEHJUHLIHQGXUFK
die unterschiedliche Ressourcen wie Informationen, Güter, Personen oder Dienstleis-
tungen transportiert werden; Verbindungen werden auch auf einer Beschreibungsebene
hergestellt. Harrison White verwendet dafür den Begriff der erzählten Geschichte, der
story (White 2008, Kap. 2; White und Godart 2007). Geschichten sind kulturelle Kons-
truktionen, die Einheiten zueinander in Beziehung setzen, und zwar auch dann, wenn
zwischen ihnen noch keine ties im engen Sinne bestehen (instruktiv Mützel 2009).
Die Beziehung wird in diesem Fall über Selbst- und Fremdbeschreibungen hergestellt.
Geschichten können als Selbstbeschreibungen auftreten (Pressemitteilungen, Homepages
etc.) oder durch externe Beobachter produziert werden (Zeitungsartikel, Expertenbe-
ULFKWH6LHVWHOOHQQLFKWQXU9HUELQGXQJHQÄFXOWXUDOOLQNDJHV³KHUVRQGHUQOLHIHUQDXFK
die Kategorien, damit sich Akteure als vergleichbar, als strukturell äquivalent erkennen
und positionieren können (White 2008, S. 6 f.). Geschichten strukturieren m. a. W. soziale
)HOGHULQGHPVLHVSH]L¿]LHUHQZHURGHUZDVDOVvergleichbar angesehen wird (z. B . Uni-
versitäten, aber nicht Fachhochschulen), in welchen Beziehungen die Akteure zueinander
VWHKHQ]%LQ.RQNXUUHQ]DQVWDWWLQ.RQÀLNWEH]LHKXQJHQXQGZHOFKHBeurteilungskri-
terien für die Positionierung maßgeblich sind (z. B . wissenschaftliche Leistung und nicht
ökonomischer Gewinn). Insofern lassen sich Vergleiche als Sonderform von Geschichten
begreifen, die in unterschiedlichen Ausdrucksformen auftreten können, etwa als Narra-
tionen, Statistiken oder Rankings.
Das Konzept der erzählten Geschichte, der story, weist eine überraschende Ähnlichkeit
mit dem Begriff der Theoretisierung bei Strang und Meyer auf. Beide Theorien beziehen
sich auf Beschreibungen, die Ereignisse oder Einheiten in einen (Kausal)-Zusammen-
hang bringen und Kategorien bereitstellen, um Vergleichbarkeit, perceived similarity, zu
konstruieren. Beide weisen jedoch auch Leerstellen auf. Der Begriff der „cultural linka-
JHV³]LHOWDXI Ä9HUELQGXQJHQ³GXUFK0RGHOOHXQG .DWHJRULHQ GLHLQGHU:RUOG3ROLW\
Forschung unterstellt, aber nicht auf ihre sozialen Bedingungen befragt werden. Die
diskursiven oder, kommunikationstheoretisch gesprochen, operativen Voraussetzungen
globaler Kategorien und Modelle, die den Agenten der World Polity, den „rationalized
RWKHUV³0H\HU1994),3 Stimme und Gewicht verleihen, sind in der empirischen World
 Ä5DWLRQDOL]HGRWKHUV³N|QQHQ]%9HUWUHWHULQWHUQDWLRQDOHU2UJDQLVDWLRQHQ6R]LDOZLVVHQVFKDIW-
OHU%HUDWHURGHU3XEOL]LVWHQVHLQÄ$QGHUH³ZHUGHQVLHJHQDQQWZHLO VLFK LKU (LQÀXVV QLFKW
primär auf eigenes Handeln und Eingreifen in politische Entscheidungsprozesse stützt (etwa die
GLSORPDWLVFKH$QNQSIXQJXQG8QWHUKDOWXQJ]ZLVFKHQVWDDWOLFKHU%H]LHKXQJHQXQG.RQÀLNWH
VRQGHUQDXI ÄGHVLQWHUHVVLHUWHV³ %HREDFKWHQ %HVFKUHLEHQ9HUJOHLFKHQ XQG (YDOXLHUHQ VRZLH
auf die Vorbild- und Legitimationswirkung der von ihnen entworfenen Modelle, Standards und
Kategorien.
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364 B. Heintz und T. Werron
Polity-Forschung daher weitgehend offen geblieben (zu dieser Kritik näher Werron und
Holzer 2009,QVRIHUQLVWHVNHLQ=XIDOOGDVVDNWXHOOH9HUVXFKHGLHÄ6WUXNWXU³GHU:RUOG
Polity näher zu bestimmen, sich klassischer netzwerktheoretischer Methoden bedienen
und den Aspekt der kulturellen Konstituiertheit von Netzwerkbeziehungen ausklammern
%HFN¿HOG2010).
Demgegenüber geht es in der neueren Netzwerkforschung auch darum, die Entstehung
und Transformation von Geschichten zu erklären. Für White ist die Generierung von
Bedeutungen und ihre Kondensierung zu Geschichten eine Folge des switching zwischen
unterschiedlichen Netzwerkdomänen (White und Godart 2007, S. 3; vgl. auch Mische
und White 1998). Der Wechsel zwischen unterschiedlichen Referenzrahmen setzt, wie
bereits Alfred Schütz (1972XQQDFKDKPOLFKEHVFKULHEHQKDW5HÀH[LRQVSUR]HVVH%HRE-
achtungen zweiter Ordnung, in Gang und führt zu neuen Bedeutungszuschreibungen und
QHXHQRGHUPRGL¿]LHUWHQ*HVFKLFKWHQ'DGLH1HW]ZHUNWKHRULHGD]XWHQGLHUWGHQ1HW]-
werkbegriff gegenüber anderen sozialen Strukturformen zu privilegieren und damit den
Fokus auf (persönliche) Beziehungen legt, unterschätzt auch sie die Bedeutung öffent-
OLFKHU GXUFK ÄUDWLRQDOLVLHUWH$QGHUH³ SURGX]LHUWH %HVFKUHLEXQJHQ (YDOXLHUXQJHQ XQG
Vergleiche (vgl. dazu auch Holzer 2010). Dazu kommt, dass die neuere Netzwerktheorie
bisher nicht systematisch auf Globalisierungsfragen bezogen wurde.4 Das ist vermutlich
auch der Grund dafür, weshalb die unseres Erachtens nach auffälligen konzeptionellen
3DUDOOHOHQ ]ZLVFKHQ GHU QHXHUHQ ÄNXOWXUDOLVWLVFKHQ³ 1HW]ZHUNWKHRULH XQG GHP :RUOG
Polity-Ansatz bislang kaum zur Kenntnis genommen wurden.
2.2 Von lokalen Vergleichen zu globalen Referenzhorizonten: Erklärungsmodell
Das im Folgenden vorgestellte Erklärungsmodell präzisiert die Idee der cultural linkages
oder story mit Hilfe des Konzepts des Vergleichs und der Vergleichskommunikation. Wie
wir im letzten Punkt ausgeführt haben, begreifen wir Vergleiche als einen Globalisie-
rungsmechanismus, der zu einer Globalisierung via Vernetzung in einem komplemen-
tären Verhältnis steht, indem Vergleiche globale Zusammenhänge auch unabhängig von
bestehenden Kontakten und Kontaktketten stiften können. Der Präzisierungsanspruch
unseres Erklärungsmodells beruht auf einer globalisierungstheoretisch gewendeten
Unwahrscheinlichkeitsprämisse, die nicht davon ausgeht, dass sich Globalisierung unter
bestimmten technologischen und sozialen Bedingungen (wie Verfügbarkeit elektronischer
Medien oder kapitalistischen Formen des Wirtschaftens) mehr oder weniger zwangsläu-
¿JHLQVWHOOW VRQGHUQ QDFKGHQBedingungen der Möglichkeit von Globalisierungsdyna-
miken fragt. Die Pointe dieser Prämisse lässt sich gut an den Gemeinsamkeiten mit und
Differenzen zu Niklas Luhmanns Skizzen zu einer Theorie der Weltgesellschaft erläutern
(grundlegend Luhmann 1975, 1997, S. 145 ff.). Wir folgen Luhmann in der Annahme,
dass die Herausbildung einer globalen Ordnung in der Moderne, ob man sie Weltgesell-
schaft nennen will oder nicht, eng an die Eigendynamik von Funktionssystemen wie Poli-
tik, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion, Kunst oder Sport gekoppelt ist. Es gehört daher
zu den zentralen Aufgaben der soziologischen Globalisierungsforschung, die Globali-
VLHUXQJVG\QDPLNGLHVHU)HOGHUEHJULIÀLFK]XIDVVHQXQGKLVWRULVFK]XUHNRQVWUXLHUHQ:LU
trennen uns von Luhmann, insofern wir keinen ]ZDQJVOlX¿JHQ Zusammenhang zwischen
4 Dies gilt selbstverständlich nicht für die klassische Netzwerkforschung, die, wie wir bereits
angemerkt haben, in der Globalisierungsforschung ausgesprochen präsent ist.
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365Wie ist Globalisierung möglich?
Differenzierungs- und Globalisierungsprozessen annehmen5 und das Potenzial zur räum-
lichen Expansion nicht für einen natürlichen, sondern für einen historisch kontingenten,
erklärungsbedürftigen Aspekt von Differenzierungsprozessen halten (in diesem Sinne
auch Beyer 2006). Unsere Leitfrage lautet entsprechend: Unter welchen Bedingungen
können Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion, Kunst, Sport und andere Felder eine
Eigendynamik gewinnen, die sie nicht nur als autonome gesellschaftliche Teilsysteme
erkennbar werden lässt, sondern auch als solche, die sich aus lokalen Entstehungskontex-
ten herauslösen und eine eigenständige Globalisierungsdynamik entfalten können?
Bevor wir diese Frage am Beispiel von Wissenschaft und Sport zu beantworten versu-
chen, sei das allgemeine Erklärungsmodell vorgestellt, das wir in den beiden historischen
Kapiteln aufnehmen und präzisieren wollen. Es beruht auf dem Gedanken, dass sich
potenziell globale Vergleichsordnungen auf lokal limitierte Vergleichslogiken zurückver-
folgen und im Kontrast zu diesen auf ihre Möglichkeitsbedingungen hin untersuchen las-
VHQ6RJDEHVODQJHYRUGHUKHXWLJHQÄ:HOWZLUWVFKDIW³VRZLHP|JOLFKHUZHLVHQRFKKHXWH
neben ihr) lokale Formen des marktförmig strukturierten Tauschs, lange vor der heutigen
Ä:HOWZLVVHQVFKDIW³ORNDOH)RUPHQGHU(UNHQQWQLVDNNXPXODWLRQXQGGHUZHFKVHOVHLWLJHQ
%H]XJQDKPHXQGODQJHYRUGHPKHXWLJHQÄ:HOWVSRUW³UlXPOLFKOLPLWLHUWHXQGNXOWXUHOO
VSH]L¿VFKH:HWWNDPSINXOWXUHQ:DVPDFKWGHQ8PVFKODJSXQNW]ZLVFKHQORNDOOLPLWLHU-
ten und potenziell globalen Vergleichsordnungen aus? Und was rechtfertigt die Annahme,
dass kommunizierte Vergleiche für die Erklärung von Globalisierungsdynamiken eine
entscheidende Rolle spielen?
Unsere These ist, dass die Möglichkeitsschwelle zwischen lokal limitierten und poten-
ziell globalen Vergleichsordnungen mit der Einrichtung öffentlicher Vergleichsdiskurse
überwunden wird, d. h. dadurch, dass Vergleiche in öffentliche Kommunikationsformen
gebracht werden (näher Werron 2007, 2010). Diese öffentlichen Vergleichsprozesse stüt-
zen sich auf die Unterstellung der Informiertheit eines im einzelnen unbekannten Pub-
likums und setzen damit eine Dynamik wechselseitiger Plausibilisierung dreier Prozesse
in Gang. Dabei kommt es auf das zirkuläre Zusammenspiel dieser drei Prozesse an (vgl.
Schema). Das Entstehen eines überlokalen, universalistischen Vergleichszusammen-
hangs setzt 1) die kontinuierliche Produktion öffentlicher Vergleichsereignisse voraus,
denn nur dann kann kontinuierlich verglichen und laufend zwischen unterschiedlichen
Vergleichsresultaten differenziert werden; sie setzt 2) die Herstellung von Vergleichbar-
keit dieser Vergleichsereignisse jenseits ihrer lokalen Entstehungskontexte voraus, denn
nur was unter bestimmten Gesichtspunkten plausibel als gleich beschrieben werden kann,
kann unter anderen Gesichtspunkten plausibel als ungleich beschrieben werden; schließ-
lich setzt es 3) die Etablierung von Vergleichskriterien voraus, die die Ereignisse in einen
übergreifenden Vergleichszusammenhang integrieren. Gleichzeitig wird damit die Mög-
lichkeit geschaffen, Ereignisse auf einer Zeitachse einzuordnen und sie mit anderen, ver-
gangenen und zukünftigen Vergleichen in Beziehung zu setzen.
5 Eine funktionalistische Annahme, die in Luhmanns früher Rechtssoziologie angedeutet ist:
„Jedes Teilsystem stabilisiert dann nicht nur eigene gesellschaftsinterne Grenzen gegenüber
DQGHUHQ7HLOV\VWHPHQVRQGHUQIRUGHUWDXVGHUDEVWUDNWHQ3HUVSHNWLYHVHLQHUVSH]L¿VFKHQ)XQN-
tion und aus der Eigenlogik seiner Selbsterhaltung und Selbstentfaltung heraus auch jeweils
DQGHUH*HVHOOVFKDIWVJUHQ]HQ³/XKPDQQ1987, S. 334).
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366 B. Heintz und T. Werron
3 Schwellenbedingungen der Globalisierung in Wissenschaft und Sport
Dieses Erklärungsmodell soll nun an zwei Fallbeispielen, Wissenschaft und Sport, konkre-
tisiert und plausibilisiert werden. Zeitlich konzentrieren wir uns auf die zweite Hälfte des
19. Jahrhunderts, da in diesem Zeitraum in beiden Feldern Konstellationen entstanden, die
die Unwahrscheinlichkeit der Globalisierung zu überwinden verhalfen. Wissenschaft und
Sport scheinen uns besonders geeignet zu sein, weil sie ähnlich wie die Wirtschaft, aber
im Unterschied etwa zu Kunst, Recht und Politik heute als globalisierte Felder par excel-
lence gelten und das moderne Prinzip des Leistungsuniversalismus nahezu idealtypisch
symbolisieren. Gleichzeitig, und das macht den Charme dieses Vergle i chs aus, waren die
beiden Felder historisch mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Während
es im Sport vor allem darum ging, räumlich isolierte Wett k ä mpfe zueinander in Beziehung
zu setzen und sie in einen überlokalen (zunächst nationalen, später globalen) Verg l e ic h s -
zusammenhang zu integrieren, bildete die europäische république des lettres der frühneu-
zeitlichen Wissenschaft bereits ein überregionales Netzwerk. Für die Wissenschaft lag die
Herausforderung deshalb weniger in der Erweiterung und Ver k nüp f ung lokal limitierter
Verg l e ic h s lo g i ken als darin, soziale Limitationen kommunikativer Anschlussfähigkeit zu
überwinden. Sollte sich trotz dieser Unterschiede erweisen, dass das in Abschn. 2.2 prä-
sentierte Erklärungsmodell ein geeignetes Modell für beide Fälle darstellt, wäre dies ein
VWDUNHU+LQZHLVGDUDXIGDVVHV]HQWUDOH8UVDFKHQEQGHO]XLGHQWL¿]LHUHQYHUPDJGLHVLFK
u. U . auch auf andere Feldern übertragen lassen (vgl. Abschn. 4).
3.1 Wissenschaft
Wissenschaft ist vermutlich jenes Funktionssystem, das sowohl in seiner Selbst- wie auch
in seiner Fremdbeschreibung am stärksten globalisiert ist. Weshalb sollte man eine Stu-
die zur Umsetzung von Menschenrechten nicht zur Kenntnis nehmen, nur weil die Auto-
rin eine Marokkanerin ist; und weshalb sollte ein mathematischer Beweis nicht in einer
amerikanischen Zeitschrift veröffentlicht werden, nur weil der Autor aus China kommt?
Die fraglose Unterstellung einer immanenten Globalität der Wissenschaft hat mit ihrem
Universalitätsanspruch zu tun. Partikularistische Beurteilungen verletzen hier nicht bloß
das moderne Universalismusprinzip; sie untergraben zusätzlich eine kognitive Regel-
struktur, die für das praktische Funktionieren der Wissenschaft entscheidend ist (Merton
1985).
Vergleichsereignisse
Öffentlicher
Vergleichbarkeit Vergleichskriterien
Vergleichsdiskurs
Schema: Erklärungsmodell
Author's personal copy
367Wie ist Globalisierung möglich?
Empirische Studien zur Globalisierung der Wissenschaft beziehen sich in der Regel
auf jene Seite der Globalisierung, die wir als Vernetzungsdimension bezeichnet haben,
XQGYHUZHQGHQRIW.RDXWRUHQVFKDIWDOV,QGLNDWRUIU*OREDOLWlWDOVhEHUEOLFNEHUYHU-
schiedene Indikatoren Engels et al. 2005). Wir interessieren uns dagegen für die Beschrei-
bungsdimension der G lobalisierung, d. h. für die Entfaltung eines globalen Vergleichs- und
Referenzhorizontes. Dieser Aspekt wird in der Forschung in der Regel über das Zitations-
verhältnis von ausländischen und inländischen Autoren erfasst (exemplarisch Zitt und
Bassecoulard 1998). Damit wird allerdings der Globalisierungsgrad systematisch unter-
schätzt, da dieser Indikator nur faktische Zitationen, nicht aber den Anspruch erfasst, die
eigene Forschung auf einen potenziell weltweiten Forschungsstand zu beziehen. Zudem
gibt es bislang kaum Arbeiten, die die Globalisierungsdynamik der Wissenschaft über
einen längeren Zeitraum hinweg untersuchen (etwa Schott 1998, allerdings eher kurso-
risch), und erst recht keine Arbeiten, die diese Dynamik systematisch zu erklären versu-
chen. Die Erklärungen haben in vielen Fällen ad-hoc-Charakter und beschränken sich auf
die Aufzählung einzelner Faktoren, ohne diese in einen theoretischen Zusammenhang zu
LQWHJULHUHQDOVhEHUEOLFN:DJQHUXQG/H\GHVGRUII2005a).
Einer der wenigen Autoren, die sich der Globalisierungsdynamik der Wissenschaft aus
einer (gesellschafts-)theoretischen Perspektive nähern, ist Rudolf Stichweh. Stichwehs
These ist elegant und einfach: Die Globalisierung der Wissenschaft ist ein notwendi-
ges Folgeprodukt ihrer internen Differenzierung. „Es ist offensichtlich, dass in diesem
Prozess der fortschreitenden disziplinären und subdisziplinären Differenzierung der Wis-
senschaft in der Moderne der hauptsächliche Mechanismus der Globalisierung dieses Sys-
WHPVOLHJW³6WLFKZHK2003, S. 23, auch Stichweh 2000b, S. 132 ff.). Die thematische und
methodische Spezialisierung zwinge dazu, Kommunikationspartner weltweit zu suchen,
und lässt es folglich immer unwahrscheinlicher werden, dass der Kommunikationsraum
der Wissenschaft an nationalen Grenzen halt macht. Die These ist elegant, aber ist sie
auch ausreichend? Wird damit tatsächlich erklärt, weshalb es zu weltweiten kommunika-
tiven Vernetzungen kommt und welche Bedingungen dazu erforderlich sind?
Auf der Basis des im vorangehenden Abschnitts präsentierten Erklärungsmodells wird
im Folgenden der Versuch unternommen, diese Engführung von Differenzierung und
*OREDOLVLHUXQJ]XORFNHUQXQGGLHKLVWRULVFKHQ6FKZHOOHQEHGLQJXQJHQ]XLGHQWL¿]LHUHQ
die für die Entstehung eines globalen wissenschaftlichen Referenzhorizonts gegeben
sein müssen. Ein solcher Horizont markiert einen Möglichkeitsraum, der nicht notwen-
dig in Form weltweiter kommunikativer Vernetzungen realisiert sein muss und deshalb
auch über Kooperationsbeziehungen und Zitationen nicht direkt erfasst werden kann. Es
genügt, wenn der Anspruch und die Möglichkeit vorhanden sind, die eigene Forschung
auf andere Forschungsarbeiten zu beziehen, unabhängig davon, wo, wann und von wem
diese produziert wurden. In Berichten zum Forschungsstand, Zitationen, Fußnotenver-
ZHLVHQ hEHUEOLFNVDXIVlW]HQ XQG DQGHUHQ )RUPHQ ZLVVHQVFKDIWOLFKHU .RPPXQLNDWLRQ
wird nicht die Gesamtheit der Literatur zitiert, die für eine Forschungsfrage einschlägig
ist. Es wird aber unterstellt, dass es sich bei der zitierten Literatur um eine Auswahl aus
Author's personal copy
368 B. Heintz und T. Werron
einem weltweiten Forschungszusammenhang handelt, der durch eben diese Unterstellung
erzeugt und reproduziert wird (ähnlich Mersch 2005 in Bezug auf Patente).6
Während der Anspruch auf Universalität zum Normgefüge der Wissenschaft seit dem
späten 17. Jahrhundert gehört, ist die Möglichkeit, die eigene Forschung auf einen poten-
ziell globalen Forschungszusammenhang zu beziehen, erst seit der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts gegeben. Dazu waren epistemische und kommunikative Innovationen
erforderlich, deren Zustandekommen keineswegs selbstverständlich war und die bis
heute nicht in allen Disziplinen realisiert sind. Wir beziehen uns im Folgenden auf die
Naturwissenschaften (und am Rande auf die Mathematik), da sich in diesen Diszipli-
nengruppen die hier interessierenden Globalisierungsvoraussetzungen am frühesten und
prägnantesten ausgebildet haben. Dass es sich um fundamentale und keineswegs selbst-
verständliche Neuerungen handelt, die Globalisierung der Wissenschaft trotz ihres Uni-
versalitätsanspruchs ein unwahrscheinliches Phänomen ist und, wie Phasen nationaler
Abschottung belegen, auch wieder partiell rückgängig gemacht werden kann, soll durch
einen kontrastiven Vergleich mit der Frühphase der modernen Naturwissenschaft in der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts plausibilisiert werden.
Die moderne Wissenschaft, die sich im 17. Jahrhundert allmählich auszudifferenzieren
begann, inthronisierte empirische, und im Idealfall experimentelle Beobachtung als ulti-
PDWLYH(UNHQQWQLVLQVWDQ]:DKUKHLWLVWQLFKWLQ7H[WHQ]X¿QGHQVRQGHUQLPÄ%XFKGHU
1DWXU³QLFKWLQNRPPXQLNDWLYYHUPLWWHOWHP:LVVHQVRQGHUQLQVSUDFKIUHLHQ6LQQHVHUIDK-
rungen. Nur was neu war und durch den eigenen Augenschein bestätigt wurde, konnte
den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben.7 Damit stellte sich jedoch ein Problem:
Es ist ein konkretes Individuum, das an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten
Zeitpunkt seine Beobachtungen macht. Wie lassen sich solche notwendig lokalen und
personengebundenen Beobachtungen verallgemeinern und mit anderen Beobachtungen
in Beziehung setzen? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit Forschungs-
resultate als objektive Beschreibungen von Sachverhalten interpretiert und nicht mehr auf
ihren lokalen Entstehungskontext zugerechnet werden? Das ist ein Problem, das sich der
Wissenschaft grundsätzlich stellt, zu Beginn der modernen Wissenschaft aber besonders
virulent war, da es zu diesem Zeitpunkt noch keine etablierten wissenschaftlichen Metho-
den und keine kanonisierten Kommunikationsformen gab.
Da wissenschaftsinterne Kriterien und Konventionen noch nicht zur Verfügung stan-
den, musste die Zuverlässigkeit der Ergebnisse über andere Verfahren plausibilisiert wer-
den. Diese Verfahren waren zunächst vor allem sozialer Natur. Um Wissen als universell
JOWLJHV7DWVDFKHQZLVVHQ]X ]HUWL¿]LHUHQXQGGDPLWIUDQGHUH )RUVFKXQJHQ DQVFKOXVV-
fähig zu machen, wurde entweder an gemeinsame Wahrnehmung (Experimente) und/oder
an die soziale Glaubwürdigkeit des Autors appelliert (unbezeugte Naturbeobachtungen).
6 Diese Norm äußert sich z. B . darin, dass Auslassungen nur aus sachlichen Gründen erfolgen
dürfen und nicht mit dem Hinweis, dass der Autor aus einem peripheren Wissenschaftsland
stammt.
7 Zum frühen Empirismus in England nach wie vor einschlägig Shapin und Schaffer (1985) sowie
Shapin (1994) und allgemein zur frühneuzeitlichen Wissenschaft Park und Daston (2007). Zu
der in einiger Hinsicht abweichenden Entwicklung in Frankreich rund um die Académie Royale
vgl. u. a. Holmes (1989) sowie vergleichend Gross et al. (2002).
Author's personal copy
369Wie ist Globalisierung möglich?
Im Falle experimenteller Daten mussten die Experimente öffentlich vorgeführt und durch
glaubwürdige Zeugen, d. h. in einem Akt gemeinsamer Wahrnehmung, autorisiert wer-
den. Dies geschah nach einem ähnlichen Prozedere wie in einem Gerichtsverfahren. Als
Zeugen kamen nur Personen in Betracht, deren sozialer Status Unvoreingenommenheit
garantierte. Shapin und Schaffer (1985) sprechen deshalb auch von gentleman-Wissen-
schaft. Gemeinsame Wahrnehmung setzt Anwesenheit voraus. Entsprechend blieb das
Wissen zunächst auf die Anwesenden beschränkt, auch wenn es öffentlich bezeugt war.
Um einer Beobachtung nachhaltig Resonanz zu verschaffen, musste das Wahrgenom-
PHQHEHVFKULHEHQXQGGXUFK$EZHVHQGHÄYLUWXHOOH=HXJHQ³6KDSLQXQG6FKDIIHU1985,
S. 60 ff.), beglaubigt werden. Aber weshalb sollte man einem Forschungsbericht ver-
trauen, wenn man das Berichtete nicht selbst gesehen hatte? Und weshalb sollte man die
Mühe auf sich nehmen, eine Apparatur nachzubauen, wenn man nicht wissen konnte, ob
ihre Beschreibung glaubwürdig war? Dieses Glaubwürdigkeitproblem stellte sich erst
recht bei Arbeiten, die auf unbezeugten Naturbeobachtungen beruhten.8
Da Wahrheitsansprüche noch nicht durch Rekurs auf anerkannte wissenschaftliche
0HWKRGHQJHUHFKWIHUWLJWZHUGHQNRQQWHQXQGHLQHV\VWHPDWLVFKHhEHUSUIXQJGHU(UJHE-
nisse aus praktischen Gründen kaum durchführbar war, wurde dieses Problem vor allem
über Kommunikationstechniken gelöst, die die Glaubwürdigkeit des Autors in den Vor-
dergrund stellten (Atkinson 1999, S. 76 ff.; Bazerman 1988, S. 140 ff.; Gross et al. 2002,
S. 31 ff.; Gunnarsson 2001). Forschungsberichte sind oft in der 1. Person verfasst und
enthalten Hinweise auf die Persönlichkeit und den sozialen Hintergrund des Autors und
seiner Zeugen. Im Gegensatz zur heutigen Wissenschaftsprosa, die eine Zurechnung auf
einen externen Sachverhalt nahe legt, auf „Erleben“ in Luhmanns Terminologie, wur-
den in der Entstehungsphase der modernen Wissenschaft die persönlichen Motive des
Forschers und sein Forschungshandeln akzentuiert. Entsprechend kommen Passivkons-
truktionen selten vor, und umgekehrt gelten Personalpronomina und wertende Bemerkung-
en noch nicht als unwissenschaftlich. Die Autoren bedienen sich literarischer Stilmittel
und orientieren sich an den Konventionen der geselligen Konversation (Shapin 1994,
S. 114 ff.). Beobachtungen werden vorwiegend auf einer phänomenalen Ebene beschrie-
ben; quantitative Aussagen sind ebenso selten wie methodische Angaben, und wenn sie
vorkommen, dienen sie vorwiegend dem Nachweis persönlicher Seriosität und haben nur
sekundär eine technische Funktion (Shapin 1994, S. 221 ff.). Darstellungskonventionen
für Publikationen haben sich noch kaum herausgebildet, und insbesondere im englischen
Sprachraum orientieren sich viele Veröffentlichungen am Format des Briefes (Atkinson
1999, S. 81 f.). Der Inhalt wird durch lange Titel indiziert und noch nicht durch Zusam-
menfassungen; Aufsätze werden nicht mit einer Einleitung eröffnet, sondern mit persön-
OLFKHQ %HPHUNXQJHQ XQG GLUHNWHU $QUHGH 9HU|IIHQWOLFKXQJHQ HQGHQ KlX¿J PLW HLQHU
9HUDEVFKLHGXQJVÀRVNHOXQGQLFKWPLW]XVDPPHQIDVVHQGHQ6FKOXVVEHPHUNXQJHQDQGHUH
 2EVFKRQ VLFKGLH Ä1HXH:LVVHQVFKDIW³EHU GDV ([SHULPHQWGH¿QLHUWH 6KDSLQXQG 6FKDIIHU
1985ZDU1DWXUZLVVHQVFKDIWELV LQV-DKUKXQGHUWYRUZLHJHQG)HOGZLVVHQVFKDIWhEHUGLH
+lOIWHGHU$UEHLWHQ EHIDVVWHVLFKPLWVLQJXOlUHQ %HREDFKWXQJHQ PLW ÄREVHUYHG SDUWLFXODUV³
wie Mary Poovey sie nennt (Poovey 1998: S. XII). Dagegen haben im 20. Jahrhundert nur noch
2% der naturwissenschaftlichen Aufsätze vorwiegend deskriptiven Charakter (Gross et al. 2002,
S. 189).
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370 B. Heintz und T. Werron
Arbeiten werden nur gelegentlich erwähnt und Zitationen haben noch nicht den Zweck,
die eigene Arbeit in einem übergreifenden Forschungszusammenhang zu verorten.
Die Situation gemeinsamer Anwesenheit bildete lange Zeit den normativen Bezugs-
punkt wissenschaftlicher Kommunikation, alle anderen Kommunikationsformen waren
in gewissem Sinne Derivate, die dem persönlichen Gespräch nachgebildet waren.9 Das
gilt in besonderem Maße für die wissenschaftliche Korrespondenz, die bis Ende des 18.
Jahrhunderts ein wesentliches Verbreitungsmedium wissenschaftlichen Wissens war
(Kempe 2004; Lux und Cook 1998; Pearl 1984). Im Gegensatz zu den Büchern und Zeit-
schriften der Frühen Neuzeit, die oft nur eine regionale Ausstrahlung hatten und neues
Wissen mit erheblicher Verzögerung diffundierten (Bazerman und Rogers 2008), hatten
die Korrespondenznetzwerke, die teilweise hunderte Personen umfassten, eine transnatio-
nale Reichweite und ermöglichten eine rasche Wissenszirkulation einerseits über Reisen
und persönliche Begegnungen, andererseits über ausgedehnte Briefwechsel (exempla-
risch Stuber 2005; Harris 2007; Goldstein 2003). Obschon Briefe normalerweise an eine
Einzelperson adressiert waren, ermöglichten sie via Abschriften eine multilaterale Kom-
munikation, die teilweise auch in internationale Kooperationen mündete.
Die Tatsache, dass die wissenschaftliche Kommunikation primär auf persönlichen
Beziehungen beruhte (Lux und Cook 1998) und in die Netzwerke nur Personen auf-
genommen wurden, deren Glaubwürdigkeit durch direkte Kontakte bezeugt und durch
(PSIHKOXQJVVFKUHLEHQ]HUWL¿]LHUWZDU+DUULV2007), legte es nahe, auch wissenschaftli-
che Behauptungen personal zuzurechnen, d. h. mit sozialen und persönlichen Merkmalen
und Motiven des Schreibenden in Verbindung zu bringen. Die Bedeutung persönlicher
Glaubwürdigkeit als Indiz für die Gültigkeit von Wahrheitsansprüchen und die Schwie-
rigkeit, Forschungsergebnisse an anderen Orten zu replizieren, führte dazu, dass ihre Ver-
gleichbarkeit limitiert blieb. Die Anschlussfähigkeit wissenschaftlicher Kommunikation
war m. a. W. über persönliches Vertrauen gesichert und noch nicht über Systemvertrauen,
d. h. über ein Vertrauen in wissenschaftsinterne Institutionen und Verfahren (zu dieser
Unterscheidung Luhmann 1989). Erst mit der Zeit und angestoßen durch Kontroversen,
GLHVLFKGXUFK%H]XJQDKPHDXIGLHVR]LDOH5HSXWDWLRQGHU.RQWUDKHQWHQQLFKWDXÀ|VHQ
ließen, war es nicht mehr die Person des Autors, sondern sein Vorgehen, d. h. die von ihm
verwendeten Methoden und die Konsistenz seiner theoretischen Argumentation, die als
Wahrheitsindikator dienten (Bazerman 1988, S. 141).
Was waren die Gründe dafür, dass sich wissenschaftliche Kommunikationszusammen-
hänge aus ihren lokalen und heterogenen Entstehungskontexten lösen konnten? Wie wir
im letzten Abschnitt ausgeführt haben, sehen wir einen wesentlichen Grund in der Ent-
stehung eines öffentlichen Vergleichsdiskurses, der ursprünglich räumlich limitierte oder
VR]LDONRQWH[WXDOLVLHUWH(UHLJQLVVHPLWHLQDQGHUYHUNQSIWXQGLQHLQHQVDFKVSH]L¿VFKHQ
Vergleichszusammenhang bringt. Im Falle der Wissenschaft wird die Entstehung eines
solchen Vergleichsdiskurses durch ein neues Verbreitungsmedium angestoßen: Die diszi-
 (LQ ZHVHQWOLFKHU *UXQG IU GLH 0RGHOOIXQNWLRQ GHU ,QWHUDNWLRQ OLHJW LQ GHU Ä3UlVHQ]NXOWXU³
(Stollberg-Rilinger 2008) frühmoderner Gesellschaften, in denen Strukturbildung trotz Vorhan-
densein von Schrift und Buchdruck weitgehend über Interaktion verlief mit der Folge, dass
Glaubwürdigkeit und soziale Resonanz an die Beobachtung durch Anwesende gebunden war
(dazu ausführlich Schlögl 2008).
Author's personal copy
371Wie ist Globalisierung möglich?
plinäre Fachzeitschrift, die Forschungsresultate einem potenziell weltweiten und im Ein-
zelnen unbestimmtem Publikum zugänglich macht und sie im Format des Fachaufsatzes
zueinander in Beziehung setzt. Wissenschaftliche Zeitschriften gab es zwar bereits seit
der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, es handelte sich aber entweder um Akademie-
zeitschriften, die sozial exklusiv waren,10 RGHU XP SULYDW ¿QDQ]LHUWH =HLWVFKULIWHQGLH
eher populären Charakter hatten und sich an ein breites, noch nicht fachlich differenzier-
tes Publikum richteten (zur Geschichte der wissenschaftlichen Zeitschrift im 17. und 18.
Jahrhundert s. Kronick 1976). Erst mit der Verbreitung der Spezialzeitschrift, die sich an
ein anonymes und im Prinzip weltweites Publikum richtete und deren Leser gleichzeitig
potenzielle Autoren waren, bildete sich eine Ebene wissenschaftlicher Kommunikation
heraus, die sich nicht mehr an der Kommunikation unter Anwesenden orientierte, sondern
aus sich heraus Anschlussfähigkeit herstellen musste (Stichweh 1984, S. Kap. VI).
Das Aufkommen der Fachzeitschrift im 19. Jahrhundert unterlief die Netzwerke, die
sich rund um die Akademien gebildet hatten, und erschloss neue Kommunikationskreise,
die fachlich homogener, sozial und geographisch aber weiter gestreut waren. Da man
nicht mehr davon ausgehen konnte, dass man die Kollegen persönlich kannte und sich
mit ihnen in direkten Gesprächen oder Briefwechseln austauschen konnte, mussten neue
Verfahren entwickelt werden, um Verstehen und Verständigung sicher zu stellen (Heintz
2007). Unter der Bedingung anonymer Kommunikation kann der Wahrheitsgehalt einer
Aussage nicht mehr, oder nur noch zweitrangig (wissenschaftliche Reputation), an den
personalen Qualitäten des Forschers festgemacht werden, sondern bemisst sich daran,
ob ein Ergebnis aufgrund anerkannter und überprüfbarer Methoden zustande kam. Es
LVWGDEHLQLFKWHQWVFKHLGHQGREHLQH5HSOLNDWLRQWDWVlFKOLFKVWDWW¿QGHW(QWVFKHLGHQGLVW
vielmehr, dass Forschungsresultate durch rekonstruierbare Verfahren zustande kommen
und in einer Form kommuniziert werden, die für andere nachvollziehbar ist.
Die Ausbreitung des Zeitschriftenaufsatzes als Standardform wissenschaftlicher
Kommunikation verband sich mit drei anderen Entwicklungen, die seit Mitte des 19.
Jahrhunderts vor allem in den empirischen Naturwissenschaften zu verzeichnen waren
und die gemeinsam dazu beitrugen, Forschungsergebnisse in einen übergreifenden Ver-
gleichszusammenhang zu integrieren: 1) die Verstetigung der Forschung und damit der
VergleichsereignisseGLHZLUDP%HLVSLHOGHUÄ/DERUDWRULVLHUXQJ³LOOXVWULHUHQGLHVer-
einheitlichung der Vergleichsbedingungen (Standardisierung) und die Normierung der
ZLVVHQVFKDIWOLFKHQ6SUDFKH4XDQWL¿]LHUXQJ XQG )RUPDOLVLHUXQJXQGGLH(QWZLFN-
lung und Kanonisierung universeller Vergleichskriterien]%.RQVLVWHQ]XQGhEHUSUI-
barkeit). Diese drei Entwicklungen bahnten sich bereits in der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts an, mit der Durchsetzung des Zeitschriftenaufsatzes gewannen sie aber an
Intensität und wechselseitiger Plausibilität. Zusammengenommen setzten sie eine Eigen-
dynamik in Gang, die maßgeblich dazu beitrug, dass sich ein potenziell globaler wissen-
schaftlicher Verweisungs- und Vergleichszusammenhang etablierten konnte.
Erwartbarkeit und Kontinuität von Vergleichsereignissen: Verstetigung der For-
schung. Die Entstehung eines potenziell globalen Vergleichszusammenhanges setzt
10 Breit untersucht sind die Philosophical Transactions der Royal Society und das Journal des
Sçavants der Académie Royale in Atkinson (1999), Bazerman (1988, Teil I) sowie vergleichend
Gross et al. (2002).
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372 B. Heintz und T. Werron
eine kontinuierliche Produktion von Vergleichsereignissen voraus (vgl. 2.2.). Im Falle
der Wissenschaft sind die Vergleichsereignisse theoretische (z. B. Beweise, Begriffs-
klärungen) und/oder empirische Resultate, die in irgendeiner Form mitgeteilt werden.
Während in der frühneuzeitlichen Wissenschaft die Forschung von kontingenten Bedin-
gungen abhängig war und es noch keine kontinuierlichen Veröffentlichungsformen gab,
kommt es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer Verstetigung der Veröf-
fentlichung von neuen wissenschaftlichen Resultaten. Ein wesentlicher Grund dafür war
die Institutionalisierung der Forschung an den Universitäten und das Format der regel-
mäßig erscheinenden Fachzeitschrift. Wir greifen im Folgenden einen anderen Aspekt
heraus, nämlich eine Entwicklung, die in der Wissenschaftsforschung unter dem Begriff
GHUÄ/DERUDWRULVLHUXQJ³EHVFKULHEHQZLUGXQGDXIGLH]ZHLWH+lOIWHGHV-DKUKXQGHUWV
zu datieren ist (James 1989; Pickstone 2000, Kap. 6; Chadarevian 1996).11 Im Gegensatz
zu den Feldwissenschaften, in denen man Ereignisse nur dann sehen kann, wenn sie statt-
¿QGHQXQGQXUGRUWwoVLHVWDWW¿QGHQDOVhEHUEOLFN.XNOLFNXQG.RKOHU1996), werden
die Beobachtungsgegenstände im Labor unter kontrollierbaren Bedingungen erzeugt und
manipuliert und stehen damit jedermann und jederzeit zur Verfügung. Ein frühes Bei-
spiel ist die Elektrizitätsforschung, die ihre Beobachtungsgegenstände nur selten in der
1DWXUYRUIDQG VRQGHUQVLHGXUFKHLJHQVJHEDXWH,QVWUXPHQWHÄNQVWOLFK³HU]HXJWH)U
Stichweh (1994) ist die Elektrizitätslehre deshalb eines der ersten Forschungsgebiete, in
denen sich die autopoietische Struktur der Wissenschaft realisiert: Anstatt vorgefertigte
Elemente aus der Umwelt zu übernehmen, produziert sie die Elemente, aus denen sie
besteht, selbst und bettet sie in einen rekursiven Zusammenhang ein. Hacking (1992)
VSULFKWLQGLHVHP=XVDPPHQKDQJYRQHLQHUÄVHOIYLQGLFDWLRQRIWKHODERUDWRU\VFLHQFHV³
und meint damit ähnlich wie Stichweh die Koproduktion und gegenseitige Stabilisie-
rung von Theorien, Instrumente und Beobachtungsereignissen. Insgesamt führt die Labo-
ratorisierung der Wissenschaft zu einer Dekontextualisierung in zeitlicher, räumlicher
und sachlicher Hinsicht mit der Folge, dass Forschung zu einem kontinuierlichen und
erwartbaren Prozess wird. Insofern hat die Institutionalisierung der Forschung, die durch
die Gründung von Laboratorien und Forschungsinstituten in Gang gesetzt wurde, einen
vergleichbaren Effekt wie die Einführung des Wettkampfsystems im Sport: Sie sorgt für
einen kontinuierlichen Nachschub von Vergleichsereignissen.
Herstellung von Vergleichbarkeit 1: Standardisierung der Messverfahren und Messins-
trumente. Heute ist es für uns selbstverständlich, dass Länge, Gewicht, Temperatur oder
Zeit an jedem Ort der Welt auf dieselbe Weise gemessen wird und jedes chemische oder
biologische Labor vergleichbare Analyseverfahren, Maßeinheiten und Grenzwerte ver-
wendet. Historisch gesehen ist diese Vereinheitlichung aber ein relativ neues und ausge-
sprochen voraussetzungsvolles Phänomen. Noch Ende des 18. Jahrhunderts gab es lokale
Metriken, und es brauchte ein hohes staatliches Durchsetzungsvermögen, um diese auf
nationaler Ebene zu vereinheitlichen (Kula 1986; Wise 1995, Teil I). Dies galt erst recht
11 Labore gab es schon seit den Anfängen der modernen Wissenschaft im 17. Jahrhundert (Smith
2007), neu war aber die Verlagerung des Labors vom Privathaushalt an die Universitäten und die
VSH]L¿VFKH$PDOJDPLHUXQJYRQ/DERUXQG([SHULPHQW'HUhEHUJDQJYRQ)HOGZLVVHQVFKDIWLQ
Laborwissenschaft erfolgte allerdings auch in den Naturwissenschaften in unterschiedlichem
Tempo und erfasste nicht alle Disziplinen gleichermaßen (Bsp. Meteorologie, Botanik).
Author's personal copy
373Wie ist Globalisierung möglich?
für die internationale Ebene. Viele der heute gebräuchlichen Maßeinheiten und Messver-
fahren wurden erst im Laufe des 19. Jahrhunderts festgelegt und nach teilweise langen
Auseinandersetzungen international für verbindlich erklärt (u. a. Galison 2003; Cahan
1989; Zerubavel 1982).12 Diese Standardisierungstendenz erfasste auch die Fabrikation
von Messinstrumenten. Während die Messapparaturen in der Frühphase der Wissen-
schaft in der Regel Unikate waren (Turner 2003), war die Instrumentenentwicklung im
19. Jahrhundert auf Standardisierung ausgerichtet: Im Idealfall brauchen die Messergeb-
QLVVHDXIHLQHU6NDODQXUQRFKÄDEJHOHVHQ³ZHUGHQ'LH(QWZLFNOXQJYRQUHSOL]LHUEDUHQ
Messapparaturen und die Festsetzung von Maßeinheiten und Messverfahren trug m. a. W.
maßgeblich dazu bei, den wissenschaftlichen Austausch und die Vergleichbarkeit von
Forschungsresultaten auch über soziale und geographische Distanzen hinweg zu sichern.
Je stabiler die Messbedingungen und je normierter Messverfahren sind, desto plausibler
wird es, von den jeweiligen lokalen Bedingungen zu abstrahieren und Forschungsresul-
tate miteinander in Beziehung zu setzen, unabhängig davon wo, wann und von wem sie
produziert und beobachtet wurden.
Herstellung von Vergleichbarkeit II: Normierung der Kommunikation. Die Verein-
heitlichung der Vergleichsbedingungen allein reicht nicht aus. Vergleichbarkeit muss
zusätzlich kommunikativ, über die Etablierung von sprachlichen Konventionen sicher-
gestellt werden, und dies besonders dann, wenn sich wissenschaftliche Publikationen an
ein unbekanntes und kulturell heterogenes Publikum richten und transnationale Koope-
rationen eine grenzüberschreitende Verständigung erfordern. In der Wissenschaft selbst
wurde das Problem der Kommunizierbarkeit von wissenschaftlichem Wissen seit Mitte
des 19. Jahrhunderts zunehmend thematisiert und in Zusammenhang mit dem Begriff der
Objektivität gebracht (u. a. Daston 1992). Während Objektivität auf der einen Seite mit
einer radikalen Ausschaltung von Subjektivität gleichgesetzt wurde, wurde sie auf der
anderen Seite als Intersubjektivität interpretiert und nahm hier die Bedeutung von Kom-
munizierbarkeit an (zu diesen beiden Varianten ausführlicher Heintz 2000, S. 252 ff.).
Oder wie es der Mathematiker Henri Poincaré 1905 formulierte: „Objektiv ist nur das,
was für alle identisch ist; also können wir von einer solchen Identität nur sprechen,
wenn ein Vergleich möglich ist und in ‚Wechselgeld‘ umgewandelt werden kann, das
YRQ HLQHP *HLVW ]XP DQGHUHQ ]X EHUPLWWHOQ LVW³ ]LW LQ 'DVWRQ XQG *DOLVRQ 2007,
S. 291). In der Wissenschaft bilden Zahlen und mathematische Formeln das „Wechsel-
JHOG³DXIGDVHLQHJUHQ]EHUVFKUHLWHQGHZLVVHQVFKDIWOLFKH.RPPXQLNDWLRQDQJHZLHVHQ
ist (Heintz 2007).
Es ist deshalb kein Zufall, dass die Formalisierungsbemühungen in der Mathematik
XQGGLH*OHLFKVHW]XQJYRQ4XDQWL¿]LHUXQJXQG:LVVHQVFKDIWOLFKNHLW(UVFKHLQXQJHQGHU
12 Ein Beispiel: Bis Ende des 19. Jahrhunderts gab es in der Elektrizitätsforschung und Elek-
WURWHFKQLN ZHGHU HLQH DOOJHPHLQ DN]HSWLHUWH 'H¿QLWLRQ GHU *UXQGEHJULIIH ]% :LGHUVWDQG
Spannung, Ladung, Stärke), noch existierten einheitliche Maßeinheiten und verbindliche Reali-
sierungen (heute: Ohm, Volt, Coulomb, Ampere). Dies führte dazu, dass praktisch jedes Labor
seine eigenen Verfahren und Instrumente hatte, um Strom zu erzeugen und dessen Eigenschaf-
ten und Wirkungen zu messen. Erst die wachsenden Koordinationsprobleme in der sich globa-
lisierenden Wirtschaft und das Scheitern der transatlantischen Telegraphenverkabelung 1858
lösten Standardisierungsinitiativen aus, die dann 1881 zur Festsetzung der Maßeinheit Ohm für
den elektrischen Widerstand führte (O´Connell 1993, S. 136 ff.; Schaffer 1992).
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374 B. Heintz und T. Werron
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind und in der Wissenschaft selbst mit dem Problem
GHU.RPPXQL]LHUEDUNHLWLQ9HUELQGXQJJHEUDFKWZXUGHQ4XDQWL¿]LHUXQJXQG)RUPDOL-
sierung stellen Mitteilungsformen bereit, die sich im Unterschied zur Alltagssprache oder
zu Bildern durch rigorose Konventionalisierung und minimale Indexikalität auszeichnen.
Argumente, die im Medium von Zahlen oder einer formalen Sprache formuliert sind,
sind von Kontextbezügen weitgehend gereinigt und folglich auch ohne kulturelles Hin-
tergrundwissen anschlussfähig (Heintz 2010). Um einen formalen Beweis zu verstehen,
muss man nicht die gleiche Sprache teilen, und ähnlich ist auch das „Medium der Quan-
WL¿NDWLRQ³/XKPDQQ1990 6 HLQH$UWÄOLQJXDIUDQFD³ GHUHQ %HKHUUVFKXQJ NHLQ
Kontextwissen voraussetzt und folglich in kulturell heterogenen Kontexten anschluss-
fähig ist. Argumente, die numerisch dargestellt werden oder in Form eines formalen
Beweises gekleidet sind, erfüllen damit zwei Funktionen gleichzeitig. Sie zwingen zur
Präzision und sie ermöglichen eine Verständigung über soziale und sprachliche Grenzen
hinweg.
Generalisierung der Vergleichskriterien: Systematisierung und Theoretisierung. Wäh-
rend die Beurteilungskriterien in der Frühphase der Wissenschaft noch primär sozialer
Natur waren, gewinnen sie im Laufe der Zeit einen zunehmend versachlichten Charakter.
Mit der Bindung von Wahrheitsansprüchen an die Beachtung anerkannter Methoden und
an die Konsistenz der theoretischen Argumentation entwickeln sich Vergleichskriterien,
die im Prinzip auf jedes Forschungsergebnis anwendbar sind, unabhängig davon, wo
es produziert wurde, wann und von wem. In der Norm des anonymisierten Begutach-
tungsverfahrens ist dieses universalistische Prinzip institutionalisiert. An die Stelle der
Beurteilung einer Person tritt die Beurteilung der Sache, und diese Beurteilung muss sich
]ZDQJVOlX¿J DQ .ULWHULHQ RULHQWLHUHQ GLH DEVWUDNW JHQXJ VLQG XP DXI VlPWOLFKH 6WX-
dien anwendbar zu sein, zumindest innerhalb derselben Disziplin.13 Wahr ist nicht mehr
das, was eine glaubwürdige Person behauptet (oder höchstens sekundär14), und Wahrheit
macht sich nicht, oder jedenfalls nicht in den Naturwissenschaften und der Mathema-
WLN DQ GHU ÄJXWHQ (U]lKOXQJ³ IHVW LQVWUXNWLY 5HHV 2001); wahr, oder zumindest vor-
OlX¿JZDKUVLQG$XVVDJHQGLHHPSLULVFKQRFKQLFKWIDOVL¿]LHUWZXUGHQXQGRGHUDXV
GHQHQNHLQ:LGHUVSUXFKUHVXOWLHUW(PSLULVFKH%HVWlWLJXQJEHJULIÀLFKH.RQVLVWHQ]XQG
Anschluss an bestehende Theorien sind m. a. W. die primären Vergleichskriterien, die in
MHGHU'LV]LSOLQLKUHVSH]L¿VFKH$XVSUlJXQJXQG,QWHUSUHWDWLRQHUIDKUHQ'LHVH.ULWHULHQ
sind selbstverständlich normativ. Sie entsprechen dem, was Robert Merton (1985) als
ÄWHFKQLVFKH1RUPHQ³EH]HLFKQHWXQGYRQGHQHQHUVR]LDOH1RUPHQZLH8QLYHUVDOLVPXV
Uneigennützigkeit und organisierten Skeptizismus unterschieden hat. Insofern ist es kein
Zufall, dass mit der Wissenschaftstheorie Ende des 19. Jahrhunderts eine Disziplin ent-
steht, die sich darauf spezialisiert, die im innerwissenschaftlichen Diskurs entwickelten
.ULWHULHQ]XEHJUQGHQXQG]XV\VWHPDWLVLHUHQ±YHUJOHLFKEDUPLW5HÀH[LRQVWKHRULHQZLH
|NRQRPLVFKH7KHRULH:LUWVFKDIWXQG5HFKWVWKHRULH5HFKWGLHGLHÄ/RJLN³HLQHV)HO-
13 Dass mit der Formulierung von Beurteilungskriterien der Prozess nicht abgeschlossen ist, son-
dern die Kriterien interpretiert und ausgehandelt werden, zeigt Michèle Lamont (2009) in ihrer
instruktiven Studie; ähnlich auch Hirschauer (2005).
14 Zur Reputation als Sekundärcode Luhmann (1990, S. 245 ff.) und aus einer historischen Pers-
pektive Shapin (1994, S. 409 ff.)
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375Wie ist Globalisierung möglich?
GHVHPSLULVFK]XHQW]LIIHUQXQG]XJOHLFKQRUPDWLY]XNRGL¿]LHUHQYHUVXFKHQ.LHVHUOLQJ
2004).
Die genannten Entwicklungen schaffen die Voraussetzungen dafür, dass sich ein auto-
nomer wissenschaftlicher Verweisungszusammenhang etablieren kann, der sich in der
Erwartung äußert, die eigene Forschung über Zitationen auf andere Forschungsergeb-
nisse zu beziehen. Dies steht in eklatantem Kontrast zur Frühphase der Wissenschaft,
wo sich die Autoren an einer geradezu gegenteiligen Norm orientierten und systemati-
VFKH9HUZHLVHDOVÄQRWFRXUWHRXV³±XQG IROJOLFK DOV XQZLVVHQVFKDIWOLFK ± HPSIDQGHQ
1RFK5REHUW%R\OHHLQHUGHUSURPLQHQWHVWHQ:HJEHUHLWHUGHUÄ1HXHQ:LVVHQVFKDIW³GHU
andere Autoren nur gelegentlich und äußerst unvollständig zitierte, meinte sich dafür ent-
schuldigen zu müssen: „I know it would be more acceptable to most readers, if I were less
punctual and scrupulous in my quotations; it being by many accounted a more genteel and
PDVWHUO\ZD\ RIZULWLQJWRFLWH RWKHUVEXWVHOGRPDQGWKHQWRQDPHRQO\WKHDXWKRUV³
(zit. in Shapin 1994, S. 117 f.). Im Laufe des 18. Jahrhunderts werden Hinweise auf
DQGHUH)RUVFKXQJHQ]ZDUKlX¿JHUGLH$UEHLWHQZHUGHQDEHUQLFKWV\VWHPDWLVFK]LWLHUW
und die Referenzen folgen noch keinen Zitationskonventionen. Dies verweist darauf, dass
gemeinsam geteiltes Wissens zu dieser Zeit noch als gegeben vorausgesetzt wurde. Erst
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden systematische Literaturüberblicke zur
Norm (Atkinson 1999, S. 96), aber es dauerte noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts,
bis sich standardisierte Zitationskonventionen endgültig durchsetzten (Gross et al. 2002,
S. 173).
Publikationen teilen eigene Forschungsresultate mit, über Zitate und andere Bezug-
nahmen auf den Forschungsstand beziehen sie sich aber auch auf die Forschungsresul-
tate anderer Publikationen. Insofern enthalten Publikationen immer zwei Elemente: die
Mitteilung von Forschungsresultaten (Beobachtung erster Ordnung), auf die sich andere
Autoren ihrerseits via Zitationen beziehen können, und die Bezugnahme auf andere wis-
senschaftliche Ergebnisse, zu denen die eigene Forschung in Beziehung gesetzt wird
(Beobachtung zweiter Ordnung).15 Erst auf dieser zweiten Ebene wechselseitiger Bezug-
QDKPH GHU 6LWXLHUXQJ HLJHQHU )RUVFKXQJ LP /LFKWH DQGHUHU )RUVFKXQJ DOV )DOV¿ND-
tion, Weiterentwicklung, Präzisierung etc.), entsteht ein autonomer, potenziell globaler
Vergleichszusammenhang, der für eine moderne wissenschaftliche Disziplin auch dann
konstitutiv sein kann, wenn er sich nicht in Form von Literaturhinweisen realisiert. Die
Tatsache, dass bereits die Unterstellung und rhetorische Insinuierung eines vollständigen
(und folglich auch weltweiten) Literaturüberblicks auf einen globalen Vergleichszusam-
menhang verweist, ist auch der Grund dafür, weshalb die am Anfang dieses Abschnitts
erwähnten Zitationsanalysen den Globalisierungsgrad der Wissenschaft höchstens annä-
herungsweise zu erfassen vermögen. Folgt man unserem Modell, realisiert sich die
Globalisierungsdynamik der modernen Wissenschaft zunächst in Form eines Möglich-
keitssinns,16 der sich auf faktische Verweise und Zitationsverfahren stützt, aber zugleich
projektiv über sie hinausweist.
15 Anders als Stichweh (1994GHUGLH3XEOLNDWLRQDOVQLFKWZHLWHUDXÀ|VEDUHV%DVLVHOHPHQWGHU
Wissenschaft begreift, interessiert uns m. a. W. deren interne Doppelstruktur.
16 „In the 19th century it has become increasingly important to convey the sense that the literature
KDVEHHQVHDUFKHG DQG WKDW QR UHOHYDQWDUWLFOHKDVEHHQRPLWWHG³*URVV HW DO 2002, S. 132;
Hervorhebung durch uns).
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376 B. Heintz und T. Werron
3.2 Sport
Auch der moderne Wettkampfsport dürfte heute zu den wenigen unbestrittenen Fällen
HLQHVJOREDOHQ)HOGHV]lKOHQÄ:HOWPHLVWHUVFKDIWHQ³LQ]DKOUHLFKHQ6SRUWDUWHQXQGÄ:HOW-
YHUElQGH³ZLHGHULQWHUQDWLRQDOH)XEDOOYHUEDQG)LIDIKUHQDXFKHLQHPEUHLWHUHQ3XE-
likum vor Augen, dass seine Relevanzen nicht an lokalen oder nationalen Grenzen Halt
machen. Dieser selbstverständliche Anschein von Globalität und medialer Prominenz
lässt leicht vergessen, dass es sich um ein relativ junges, kaum mehr als hundert Jahre
DOWHV3KlQRPHQKDQGHOW'LHHLJHQWOLFKÄIRUPDWLYH³3KDVHGLHVHU6WUXNWXUHQLVWGDVVSlWH
19. Jahrhundert: Die ersten sich explizit als Weltereignisse inszenierenden Veranstaltun-
JHQ¿QGHQ VHLWGHQHU-DKUHQVWDWWGDUXQWHUGLHHUVWHQ2O\PSLVFKHQ 6SLHOH
und die erste Welle von internationalen Verbänden folgt in den Jahrzehnten um 1900,
darunter die heute wohl bekanntesten und erfolgreichsten wie das Internationale Olym-
pische Komitee (IOC, 1892) und die Fifa (1904). Letztere repräsentieren die Globalität
des Sports heute ebenso wie sein hohes Maß an interner Ordnung und sind daher mit
LURQLVFKHP5HVSHNW DXFK GLH ÄJUHDW XQLYHUVDOFKXUFKHV³ XQVHUHU =HLW JHQDQQW ZXUGHQ
(Mangan 2005).
Diese frühe Globalisierungsphase des Wettkampfsports in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts ist für uns aus zwei konstrastierenden Gründen von besonderem Interesse.
Der erste Grund ist, dass sich im späten 19. Jahrhundert tatsächlich viele noch heute
prägende Strukturen des modernen Wettkampfsports erstmals ausbilden, darunter wich-
tige Varianten des Wettkampfbetriebs (wie das Ligensystem) und neue Formen der Leis-
tungsbewertung (wie das heutige Verständnis des Rekords), aber auch, und der zeitliche
Zusammenhang wird uns gleich noch näher beschäftigen, die historischen Vorläufer der
Weltverbände, lokale oder nationale associations, die ab etwa 1860 in Großbritannien
und den USA auftauchen und sich rasch vermehren (dokumentiert z. B . bei Tranter 1998;
Eisenberg 1997). Diese Formen vertreten gewissermaßen die frühe Erfolgsgeschichte des
modernen Sports. Der zweite Grund ist, dass sich an dieser Phase die Unwahrschein-
lichkeit der späteren Erfolgsgeschichte noch deutlich erkennen lässt. Die ersten Welt-
meisterschaften und Olympischen Spiele waren allenfalls dem Anspruch nach globale
Ereignisse, tatsächlich eher provinzielle und elitäre Veranstaltungen mit beschränktem
Teilnehmerkreis (zu den Olympischen Spielen z. B . Brown 2005). Blickt man auf diese
frühe Phase zurück, fällt zudem auf, dass es von den vielen seit damals auf den Weg
gebrachten Veranstaltungsformaten, Sportarten, Ligensystemen, Verbänden usw. letztlich
nur wenigen gelungen ist, sich langfristig zu etablieren oder sich gar einen weltweiten
Teilnehmer- und Interessenkreis zu erschließen (zu gescheiterten Ligen etwa Brucato
2001]XU9LHO]DKOXQEHNDQQWHUÄ*URHUHLJQLVVH³%HOO2003).
Pointiert formuliert: Bereits im späten 19. Jahrhundert entwickeln sich die heute noch
prägenden Strukturen des modernen Sports ohne aber bereits die heutige globale Präsenz
und Sichtbarkeit zu erreichen. Eine Analyse, dieses historischen Abschnitts verspricht
daher die Bedingungen der Globalisierungsdynamik des Sports sichtbar zu machen, ohne
die historischen Kontingenzen des späteren Globalisierungsprozesses, seine Unwahr-
scheinlichkeit, zu verdecken. Dieser heuristische Vorzug wird noch deutlicher, wenn
man auch auf die Vorphase dieser frühen Erfolgsgeschichte schaut und fragt: Was genau
ist neu an den Institutionen, die den Sport seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
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377Wie ist Globalisierung möglich?
SUlJHQXQGZHOFKHLKUHU(LJHQVFKDIWHQVLQGIUGHQhEHUJDQJ]XPKHXWLJHQ:HOWVSRUW
verantwortlich?
Bereits im 18. und frühen 19. Jahrhundert wuchsen, vor allem in Großbritannien und
den USA, die Zahl und die Popularität von Spiel- und Wettkampfkulturen. Neben primär
YRQH[NOXVLYHQ&OXEVJHWUDJHQHQÄVSRUWV³ZLH3IHUGHUHQQHQ5XGHUQ&ULFNHWXQG%R[HQ
JDEHVSRSXOlUHKlX¿JYRQ.QHLSHQZLUWHQYHUDQVWDOWHWHIUKH)RUPHQGHV)XEDOOVXQG
viele andere Sportarten, die komplexe schriftliche Regeln hervorbrachten, teils auch hohe
Ansprüche an die Fähigkeiten der Wettkämpfer und Tierzüchter stellten und beachtliche
Zuschauerzahlen anlockten.17 Und es fehlte auch schon damals offenbar weder an Freizeit
noch an einer laufenden Berichterstattung in der Presse und Sportliteratur, obschon sie
natürlich noch nicht das spätere Tempo und den durch Doppelzylinderdruck und verbes-
VHUWH3DSLHUSURGXNWLRQHUP|JOLFKWHQ8PIDQJKDWWH]XPhEHUEOLFN7UDQWHU1998; Harvey
2004$OOGLHVH(QWZLFNOXQJHQVFKHLQHQ]XQlFKVWDXIÄ5DWLRQDOLVLHUXQJ³Ä6SH]LDOLVLH-
UXQJ³XQGÄ0RGHUQLVLHUXQJ³]XGHXWHQ ZDV (QWGHFNHU VROFKHU )DNWHQ JHUQXQGRKQH
Gegenargumente zunächst einmal zu Recht, zum Anlass nehmen, an der Schärfe gängiger
Abgrenzungsmerkmale des modernen Sports zu zweifeln (so etwa Holt 1989, S. 12; Kay
und Vamplew 2003; im weiteren Rahmen Carter und Krüger 1990). Gerade wenn man
solche Wachstumsprozesse vor der Mitte des Jahrhunderts berücksichtigt, drängt sich ja
XPVRPHKUGLH)UDJHDXIZDVGLHVHUÄNRPPHU]LHOOHQ6SRUWNXOWXU³GHVIUKHQ-DKU-
KXQGHUWVJOHLFKZRKO]XUÄJOREDOHQ6SRUWNXOWXU³QRFKIHKOWH
Die entscheidende Limitation, die sich zeigt, wenn man so fragt, ist die lokale Limi-
tierung der Vergleichshorizonte. Vor dem modernen Baseball gab es base ball und town-
ball, die aber in Philadelphia, Boston und New York nach unterschiedlichen Regeln und
weitgehend isoliert von den jeweils anderen städtischen Baseballkulturen gespielt wur-
den (Goldstein 1989; Kirsch 1989XQGHVJDEÄ)RRWEDOO³GDVLQGHQ/RQGRQHU3XEOLF
6FKRROVQDFK DQGHUHQ 5HJHOQJHVSLHOW ZXUGH DOV LQ 6KHI¿HOGRGHU LQ GHU3URYLQ] XQG
wiederum ohne systematischen Vergleich mit dem Leistungsniveau in den anderen Städ-
ten (Harvey 2005). Worin die Beschränkung bestand, lässt sich exemplarisch am wett-
kampfmäßig betriebenen Schach verdeutlichen, wo die Leistungshandlungen, die Züge,
da nicht an KörperYROO]JHJHEXQGHQOHLFKWÄQRWLHUW³JHGUXFNWLQ%FKHUQJHVDPPHOW
per Post verschickt und miteinander verglichen werden konnten, lange bevor ähnlich
plausible Notationsformen für andere Sportarten zur Verfügung standen. Zudem gab es
bereits im frühen 19. Jahrhundert eine wachsende Zahl von Clubs und Kaffeehäusern,
die sich bereits an weitgehend einheitlichen Spielregeln orientierten18 sowie erste städ-
teübergreifende Wettkämpfe und eine mit ihrem fachlichen Anspruch und historischen
Vergleichshorizont beeindruckende Schachliteratur (Eales 1985). Wie gerade ein Blick in
die damalige Schachliteratur lehrt (noch heute bekannt v. a. Bilguer 1979), gab es jedoch
17 Allgemein zur lange unterschätzten Vielfalt der Wettkampfkulturen vor dem 19. Jahrhundert
Behringer (2009GHUYRQGHU)UKHQ1HX]HLWDOVÄIRXQGLQJHUDRIPRGHUQVSRUW³VSULFKW
18 :LHÄHLQKHLWOLFK³ GLH 6FKDFKUHJHOQ WDWVlFKOLFK VFKRQ DQJHZDQGW ZXUGHQ EHGUIWH JHQDXHUHU
Prüfung. Treffender ist vermutlich: Die Grundregeln des Schachspiels waren bereits seit Jahr-
hunderten weit verbreitet; die Vereinheitlichung der Regeln (als Teil der Wettkampfbedingun-
gen im Wettkampfschach) dagegen war wie in anderen Sportarten ein Produkt erst der zweiten
Jahrhunderthälfte; hierzu auch Strouhal (1996).
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378 B. Heintz und T. Werron
kaum Möglichkeiten des überlokalen Vergleichs einer Vielzahl gleichzeitig ablaufender
Wettkämpfe. Bücher und Zeitschriften jener Zeit konnten daher schon differenziert davon
handeln, wie man besser Schach spiele, aber nicht ähnlich differenziert vergleichen und
bewerten, wer gerade das beste Schach spiele. Kurz: Die Wettkampfkulturen wuchsen
bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, aber sie wuchsen noch nicht zu einer
Wettkampfkultur zusammen. Es gab daher letztlich in allen Sportarten wenig, gegen Mitte
GHV -DKUKXQGHUWV VRJDU UFNOlX¿JH 7HQGHQ]HQ ]XU HLQKHLWOLFKHQ $QZHQGXQJ HLQ]HOQHU
Regelwerke (Harvey 2004). Weshalb begannen sich Sportler und Publikum aber gerade
MHW]W0LWWHGHUHU -DKUH LQWHQVLYHU DXFKIUHQWIHUQWVWDWW¿QGHQGH:HWWNlPSIH]X
interessieren?
1DFKXQVHUHU$XIIDVVXQJYJOZXUGHGLHVHUhEHUJDQJGXUFKHLQHraumzeitliche
Transformation der öffentlichen Wettkampfberichterstattung angestoßen, die ihrerseits
von der Etablierung des Telegraphienetzes abhängig war. Mit dieser These stellen wir
erneut nicht primär auf die Vernetzungs-, sondern auf die Beschreibungsdimension der
*OREDOLVLHUXQJDE(UVWXQWHUGHP(LQÀXVVGLHVHU7UDQVIRUPDWLRQGHV9HUJOHLFKVKRUL]RQ-
tes und im Zuge eines zwei- bis drei Jahrzehnte dauernden Prozesses, der sich ziemlich
exakt zwischen 1860 und 1890 datieren lässt, konnten sich die lokal fragmentierten Wett-
kampfkulturen des frühen 19. Jahrhunderts zu zunächst primär nationalen Wettkampfkul-
turen zusammenschließen, die schon früh Ansprüche auf globale Bedeutung ausbildeten
und sich im 20. Jahrhundert tatsächlich zu globalen Wettkampfkulturen entwickelten.
'LHÄHSRFKDOH³/HLVWXQJGHU7HOHJUDSKLHEHVWDQGGDEHLGDULQHLQ.RPPXQLNDWLRQVQHW]
bereitzustellen, mit dessen Hilfe sich Beobachtungs- und Beschreibungsknoten wie Sport-
YHUElQGHRGHU 3UHVVHUHGDNWLRQHQHLQULFKWHWHQZR:HWWNDPS¿QIRUPDWLRQHQ]XVDPPHQ-
geführt, notiert, gesammelt, verglichen, evaluiert und, für unser Argument entscheidend,
publiziert wurden mit der Folge, dass nunmehr die gleichzeitige Informiertheit aller Aus-
übenden und Interessierten einer Sportart unterstellt werden konnte.19 Konkret zeigte sich
dies in einer in Zahl, Umfang und Komplexität zunehmenden Presseberichterstattung, die
anfangs maßgeblich von Publizisten betrieben wurde, die sich der von ihnen beobachte-
ten Wettkampfkultur unmittelbar zugehörig fühlten, spezialisierte Sportzeitschriften und
Jahrbücher herausgaben, überlokale Leistungsvergleiche anstellten und neue Leistungs-
NULWHULHQ HUIDQGHQ PRGL¿]LHUWHQ XQG YHUEUHLWHWHQ DXV GHU 3LRQLHU]HLW ]% &KDGZLFN
1983; zur Entwicklung der Presseberichterstattung Betts 1953; Mason 1986).
Abstrakter formuliert: Presseberichterstattung über einzelne Wettkämpfe sorgte
schon seit dem 17. Jahrhundert für Wettkampfbeobachtung erster Ordnung, aber erst
auf der Beobachtungsebene zweiter Ordnung, die aus dem öffentlichen Vergleich vie-
ler Wettkämpfe neue Leistungskriterien gewann, konnten sich Sportarten im späten 19.
Jahrhundert aus lokalen Kontexten lösen und eigene Autonomie gewinnen. Die Allianz
19 In diesem Zusammenhang ist auch ein Hinweis auf eine andere technologische Bedingung
dieser Umstellung angezeigt: neue Verkehrstechnologien wie z. B . die Michigan Central Rail-
road, die Mitte der 1880er Jahre sämtliche Clubs der National League im Baseball miteinander
verband (Betts 1953, S. 235); zum Zusammenhang der verkehrs- und medientechnologischen
,QQRYDWLRQHQGHVÄ:HOWYHUNHKUV³GHVVSlWHQ-DKUKXQGHUWVYRP'DPSIVFKLIIEHUGLH(LVHQ-
bahn bis zur Telegraphie nur Zerubavel (1982), Carey (1989) und Krajewski (2006, S. 62 f.)
Siehe dazu auch die Bemerkung im Schlussabschnitt des Aufsatzes.
Author's personal copy
379Wie ist Globalisierung möglich?
aus Presse und Telegraphie war insofern stilbildend für eine auch heute noch gültige
Kombination aus elektrischen Kommunikationstechnologien und statistisch-narrativer
öffentlicher Evaluation, die von weiteren Medien und Formen der Berichterstattung im
20. Jahrhundert nur noch ausgeweitet und verfeinert werden konnte. Und ähnlich wie
die Verweisungs- und Zitationstechniken wissenschaftlicher Disziplinen stießen diese
Wettkampf-Beobachtungsformen zweiter Ordnung eine Logik wechselseitiger Plau-
sibilisierung von Vergleichbarkeit, Produktion von Vergleichsereignissen und neuen
Vergleichskriterien an, die den Wettkampfsport als autonome, eigene Globalisierungsdy-
namik entfaltende Sinnsphäre etablierte. Sie realisierte sich hier in einem Zusammenspiel
1) der Umstellung auf einen kontinuierlichen, hierarchisierten Wettkampfbetrieb mit 2)
der Vereinheitlichung der Wettkampfbedingungen und mit 3) der Erweiterung und Ver-
feinerung der Leistungskriterien.
Erwartbarkeit und Kontinuität von Vergleichsereignissen: Umstellung auf einen
kontinuierlichen, hierarchisierten Wettkampfbetrieb. Das Entstehen eines überlokalen
Vergleichszusammenhangs setzt zunächst die kontinuierliche Produktion von Vergleichs-
ereignissen voraus. Geht es in wissenschaftlichen Disziplinen um die regelmäßige Pub-
likation von Wahrheitsansprüchen und, in den Laborwissenschaften, um die gezielte
Produktion von Beobachtungsereignissen, geht es im Wettkampfsport um die kontinuier-
liche Produktion von Wettkampfereignissen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
zeigt sich dieser Trend in der erstmaligen Durchführung von Cup- und Ligenwettbewer-
ben, deren innovativer Beitrag darin bestand, einzelne Wettkämpfe als Teil von Wett-
EHZHUEHQ]XLQV]HQLHUHQGLHHLQH9LHO]DKOIUKHUJOHLFK]HLWLJRGHUVSlWHUVWDWW¿QGHQGHU
Wettkämpfe in einen gemeinsamen Bedeutungskontext stellten.20
Diese Formen, die sich seit den frühen 1870er Jahren zu entwickeln begannen, sys-
WHPDWLVLHUWHQ GLH %HVWLPPXQJ YRQ ÄFKDPSLRQV³ XQG WUDWHQ GDPLW VFKULWWZHLVH QHEHQ
RGHUDQGLH6WHOOHYRQ9RUJlQJHUXQGhEHUJDQJVIRUPHQZLH+HUDXVIRUGHUXQJ0DWFKHV
ÄFKDOOHQJHV³ RGHU Ä7RXUHQ³ YRQ$PDWHXUPDQQVFKDIWHQ XQG SURIHVVLRQHOOHQ 7HDPV
Letztere beruhten stärker auf dem Prinzip singulärer Leistungsvergleiche, waren folglich
DOOHQIDOOV]XU%HVWLPPXQJHLQHVÄFKDPSLRQGXMRXU³/DXUDQV1990, S. 1051 ff.) geeignet
und hatten kaum behebbare Schwierigkeiten bei der plausiblen Festlegung des besten
&OXEV$WKOHWHQHLQHU 6WDGW RGHUHLQHV /DQGHV DXIJHZRUIHQ ]X VROFKHQÄGLI¿FXOWLHV WR
GHVLJQDWHDZLQQHU³LQVWUXNWLY.LUVFK1989, S. 233 ff.). Zugleich hierarchisierte sich unter
GHP(LQÀXVVGLHVHUQHXHQ)RUPHQGHU%HWULHEXQGGLIIHUHQ]LHUWHVLFKLQ3UR¿XQG$PD-
teurlager und/oder unterschiedliche Leistungsklassen, was vor allem in den 1870er und
HU-DKUHQ]XVFKDUIHQ.RQÀLNWHQIKUWH]ZLVFKHQGHQ9HUWHLGLJHUQGHUDOWHQSULPlU
DQ *HVHOOLJNHLW RULHQWLHUWHQ :HWWNDPSINXOWXUHQ ± GLH 6SRUW DOV 6SLHO XQG ÄUHFUHDWLRQ³
begriffen und die Reputation eines Clubs weniger an seine sportlichen Erfolge denn an
20 Die ersten Ligensysteme entstehen im amerikanischen Baseball in den 1870er Jahren, im briti-
VFKHQ)XEDOO(QGHGHUHU-DKUH]XGHQ$QIlQJHQGHUHQJOLVFKHQÄ)RRWEDOO/HDJXH³*UHHQ
(1953, S. 125 f.); zur Entwicklung der amerikanischen Major Leagues auch Leifer (1995); ein
anregender Vergleich der Entwicklung des Wettkampfbetriebs beider Sportarten bei Szymanski
und Zimbalist (2005).
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380 B. Heintz und T. Werron
die Qualität seiner Gastfreundschaft knüpften21 – und den Befürwortern des neuen, pri-
mär am Prinzip des Leistungsvergleich um seiner selbst willen orientierten Wettkampf-
VSRUWV:lKUHQGHUVWHUHGLHPLWGHQQHXHQ:HWWEHZHUEHQYHUEXQGHQHÄH[FHVVLYHULYDOU\³
(Green 19606IXQGGDVGXUFKGHQYHUVFKlUIWHQ:HWWEHZHUEDXVJHO|VWHÄLOOIHHOLQJ³
beklagten (hierzu z. B . Goldstein 1989, S. 62) und für die Rückkehr zu den alten Werten
oder gar für die Abkehr vom Wettkampfsport plädierten, betonten die anderen den Reiz
und Unterhaltungswert des systematischen Leistungsvergleichs und setzten sich für die
weitere Systematisierung des Wettkampfbetriebs ein. Es waren die Systematisierer und
Professionalisierer, nicht die Bewahrer der Geselligkeitskultur, die sich letztlich durch-
setzten (näher Werron 2010, S. 292–344).22
Herstellung von Vergleichbarkeit: Vereinheitlichung der Wettkampfbedingungen. Wie
das Vergleichen von Forschungsergebnissen eine Standardisierung der Forschungsme-
WKRGHQYRUDXVVHW]WHUIRUGHUWGHU9HUJOHLFKYRQ:HWWNDPSÀHLVWXQJHQGLHDQXQWHUVFKLHG-
lichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten erbracht werden, die Vergleichbarkeit der
Bedingungen, unter denen diese Leistungen zustande kommen. Historisch nachvollziehen
lässt sich dies in der frühen Phase zwischen 1860 und 1890 an einem Trend zur Verein-
heitlichung der Wettkampfregeln sowie am Auftreten von Akteuren und Organisationen,
die sich für die einheitliche Anwendung der Regeln zuständig machten. Ein erstes Indiz
LVWGLHhEHUQDKPHYRQ]XQlFKVWORNDOHQ5HJHOZHUNHQLQDQGHUHQ6WlGWHQXQG5HJLRQHQ
z. B . der New Yorker Baseballregeln in Boston und Philadelphia (Kirsch 1989), oder der
/RQGRQHU)XEDOOUHJHOQLQ6KHI¿HOGYRQZRDXVXPJHNHKUWDXFKDXIGLH)RUPXOLHUXQJ
GHU/RQGRQHU5HJHOQ(LQÀXVVJHQRPPHQZXUGH+DUYH\2001).
'HU7UHQG]XUDOOPlKOLFKHQ$QJOHLFKXQJXQGVWUHQJHUHQhEHUZDFKXQJGHU:HWWNDPSI-
EHGLQJXQJHQ ]HLJWH VLFK GDQQ XD LQ GHU RI¿]LHOOHQ (LQIKUXQJ YRQ 6FKLHGVULFKWHUQ
sowie, langfristig entscheidender, in einer auf die Anforderungen des neuen Vergleichsar-
UDQJHPHQWVDEJHVWLPPWHQ1HXGH¿QLWLRQGHU6FKLHGVULFKWHUUROOHGLHVLFK]%LP)XEDOO
YRQGHU5ROOHHLQHV0HGLDWRUVGHU]ZLVFKHQGHQ³JHQWOHPHQ³YRQ$PDWHXUPDQQVFKDIWHQ
YHUPLWWHOWHXQGQXULP.RQÀLNWIDOOHLQJULII]XGHUHLQHV5HJHOYROOVWUHFNHUVHQWZLFNHOWH
der auf die Einhaltung und Durchsetzung der immer gleichen Regeln achten sollte. Die
Folgen dieser Trends lassen sich auch an der zunehmend aktiven Rolle der nationalen Ver-
bände ( associations) ablesen, d. h. an Organisationen wie der Londoner „Football Asso-
FLDWLRQ³GLHVLFKDQIDQJVHKHUDOVHLQHORVH,QWHUHVVHQYHUHLQLJXQJYHUVWDQGGDQQ
aber aktiver wurde und begann, sich für die Kontrolle der Regeln zuständig zu machen,
die Organisation des Wettkampfbetriebs in die Hand zu nehmen und die ordnungsgemäße
Durchführung der Wettkämpfe gegen das Eingreifen und die Partikularinteressen von
Wettenden, Rowdys u. a. zu schützen (näher Harvey 2005). Entscheidend war freilich
21 'HQQÄWKHIUDWHUQLW\NHSWWUDFNRIWKHEHVWKRVWV³ZLHHVEHL*ROGVWHLQ1989, S. 18 f.) über die
New Yorker Baseballkultur heißt.
22 :DVQLFKWKHLWGDVVORNDOH/R\DOLWlWHQXQGÄIUDWHUQLWLHV³EHUÀVVLJZXUGHQYLHOPHKUZXU-
GHQORNDOH:HWWNDPSINXOWXUHQGXUFKPRGHUQH6SRUWDUWHQÄDXVJHK|KOW³LQ$QOHKQXQJDQ6WLFK-
weh 2001LQGHPVLHDOV,GHQWL¿NDWLRQVUHVVRXUFHGHVEHUORNDOHQ:HWWNDPSIEHWULHEVQXW]EDU
gemacht wurden; dazu ein Beispiel aus der Baseballgeschichte: „As early as 1867, Philadel-
SKLDQVµVRPHRIWKHPYHQHUDEOHLQ\HDUV¶MDPPHGWHOHJUDSKDQGQHZVSDSHURI¿FHVWROHDUQLI
WKHLUEHORYHG$WKOHWLFVKDGFUXVKHGWKH8QLRQVRI0RUULVDQD1HZ-HUVH\LQDEDVHEDOOPDWFK³
(Rader 1990, S. 20).
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381Wie ist Globalisierung möglich?
nicht so sehr das Eingreifen der Verbände als solches, sondern die Vergleichbarkeit der
Wettkämpfe, deren Plausibilität davon abhing, neben den eigentlichen Wettkampfregeln
Akzeptanzregeln zu etablieren, die auf die Erfordernisse des überlokalen öffentlichen
Leistungsvergleichs abgestimmt waren und die im Prinzip, und in manchen Sportarten
wie dem professionellen Golfsport noch heute, auch ohne starke Verbände auskommen
können. In der frühen Phase war dies auch daran zu erkennen, dass sich zunächst weniger
die Verbände, sondern führende Publizisten (in den USA der sogenannte „father of base-
EDOO³+HQU\&KDGZLFNLQ(QJODQGGHUÄIDWKHURIPRGHUQVSRUW³&KDUOHV:$OFRFNIU
die einheitliche Anwendung der Regeln einsetzten (näher Werron 2010, S. 344–372; zu
ÄDFFHSWDQFHUXOHV³DXFK9DPSOHZ2007).
Generalisierung der Vergleichskriterien: Erweiterte und verfeinerte Leistungskrite-
rien.(LQHLQKHLWOLFKHU9HUJOHLFKV]XVDPPHQKDQJYRQ:HWWNDPSÀHLVWXQJHQVHW]WVFKOLH-
lich die Formulierung von Vergleichskriterien voraus, die eine Vielzahl räumlich oder
zeitlich distanzierter Leistungen verknüpfen sowie aus dem Vergleich neue, „dekontex-
WXDOLVLHUWH³/HLVWXQJVNULWHULHQJHZLQQHQ'LHQHXH4XDOLWlWGHU.ULWHULHQGLHLQGHUIU-
hen Phase gefunden werden mussten, lässt sich gut an einer zentralen Innovation des
Wettkampfbetriebs der 1870er und 1880er Jahre, den nationalen Ligensystemen, illust-
rieren. Ein Ligensystem aus Clubs, die über verschiedene Städte verstreut sind, zielt ja
auf eine gleichzeitige Konkurrenz von Wettbewerbern, die sich nur sporadisch direkt in
Wettkämpfen begegnen, ist daher auf die Erreichbarkeit räumlich verstreuter Wettkampf-
orte und entsprechende Informiertheit der Konkurrenten auch unter der Bedingungen
der Abwesenheit angewiesen. Das setzt voraus, dass alle Spiele in einer Beobachtungs-
perspektive gegenwärtig zusammengezogen werden – etwa, indem die Ergebnisse aller
Spiele in einen Tabellenstand eingehen, der laufend aktualisiert und als bekannt unter-
stellt werden kann.
Tabellen und Tabellenstände einer Liga symbolisieren folglich wie kein anderes
Schema die sich in den 1880er Jahren konsolidierende Idee, gleichzeitige Leistungs-
konkurrenz auch unter Abwesenden für möglich zu halten. Diese Idee kam damals auch
LQHLQHPQHXHQ9HUVWlQGQLVGHV Ä5HNRUGV³ LP 6LQQH HLQHU QLFKW EHUERWHQHQ DEHU LP
Prinzip überall, jederzeit und von jedem überbietbaren Höchstleistung, zum Ausdruck,
das in dieser Bedeutung seit den 1880er Jahren überliefert ist (Mandell 1976) sowie in
einer Reihe statistischer Vergleichsschemata bis hin zu komplexen Statistiken, die z. B .
PHVVHQ ZHU GHQ EHVWHQ ÄEDWWLQJ DYHUDJH³ 6FKODJGXUFKVFKQLWW DOOHU SURIHVVLRQHOOHQ
Baseballspieler, dieses Spieltages, dieser Saison oder gar aller Zeiten, vorweisen kann.23
Der allgemeine Effekt solcher Schemata war, dass Sportler von einem Distanzpublikum
YHUHLQQDKPW XQG DXI VWlQGLJH 6WHLJHUXQJVEHUHLWVFKDIW YHUSÀLFKWHW ZHUGHQ NRQQWHQ LQ
diesem Sinne forderte eine New Yorker Zeitung schon Anfang der 1870er Jahre „that
professional clubs and players owed it to the public, whose money supported the teams
DQGDWKOHWHVWRWUDLQKDUG³$GHOPDQ1986, S. 169 f.).
Das Zusammenspiel dieser drei je für sich gesehen unauffälligen Innovationen führte
dazu, dass alle Fußball- oder Baseballspiele einem übergreifenden Vergleichszusammen-
23 Die Statistik, meint daher ein Sporthistoriker, sei „der Mörtel, der den Baseball zusammen-
KlOW³7\JLHO2000, S. 15 ff., S. 24). Zu Formen und Funktionen der Sportstatistik näher Werron
(2005).
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382 B. Heintz und T. Werron
hang zugerechnet und die gesamten Vereinigten Staaten oder ganz Großbritannien als
HLQKHLWOLFKHÄ/HLVWXQJVYHUJOHLFKVUlXPH³DXIJHIDVVWZHUGHQNRQQWHQ'LHVLFKKLHUDXVLQ
HLQHUUHODWLYNXU]HQÄIRUPDWLYHQ³3KDVHHQWZLFNHOQGHVSRUWVSH]L¿VFKH*OREDOLVLHUXQJV-
dynamik ist leicht zu übersehen, und ist in der Literatur übersehen worden, weil sie sich
zunächst in einem weitgehend nationalen oder regionalen Rahmen entfaltete.24 Ohne eine
Rekonstruktion dieser national oder regional gerahmten Dynamik ist jedoch nicht ver-
ständlich zu machen, weshalb sich in den 1880er Jahren auch die Veranstaltungen von
Weltmeisterschaften (mit noch begrenzten Teilnehmer- und Interessentenkreisen), seit
den 1890er Jahren auch die Gründungen internationaler Verbände (mit noch begrenz-
WHP(LQÀXVV ]X KlXIHQEHJDQQHQ 'HQQ HVLVW HLQH LPPDQHQWHU$VSHNW GLHVHU /RJLN
sich letztlich auch die ganze Welt als einen Leistungsvergleichshorizont vorzustellen und
dies in Weltmeisterschaften, Weltverbänden, Weltrekorden etc. zum Ausdruck zu brin-
gen (zu internationalen Verbänden Mevert 1981; zu Weltmeisterschaften Eichberg 1984,
S. 91). Trotz nationaler Rahmung begannen diese modernen Sportarten daher bereits früh
Ansprüche auf globale Bedeutung auszubilden, und dieselbe Universalisierungslogik
konnte dann später von anderen Sportarten mit je eigenen Regeln, Formen des Wett-
kampfbetriebs und Leistungskriterien erschlossen werden.
Wie für die Begrenzung des Leistungsvergleichs in der ersten Jahrhunderthälfte gilt
wohl auch für diese globalen Leistungsvergleichshorizonte in der zweiten Jahrhundert-
hälfte, dass sie sich in keiner Sportart so früh und anschaulich zeigen wie im Schach, in
GHPQLFKWQXUGDVHUVWHÄLQWHUQDWLRQDOWRXUQDPHQW³DQOlVVOLFKGHU:HOWDXVVWHOOXQJLQ/RQ-
don 1851 ausgetragen wurde, sondern sich auch schon früh die Vorstellung vom „besten
6FKDFKVSLHOHUGHU:HOW³NRQVROLGLHUWH1XUKLHUEHKDXSWHWHHLQ/REUHGQHUDXIGHQ
von einer Europareise heimkehrenden amerikanischen Schachspieler Paul Morphy, sei es
P|JOLFK]XVDJHQÃ,DP¿UVWLQP\VSHFLDOZDONRUSURIHVVLRQµDQGKDYHWKHZKROHZRUOG
respond amen. Who could ever say ‚I am the greatest poet or author, painter or sculptor,
orator or statesman?‘ (Dizikes 2002, S. 173). Jemanden aufgrund seiner Leistungen als
Ä%HVWHQGHU:HOW³]X EH]HLFKQHQZDU DXFK LP6FKDFK QRFK HLQHJHZDJWH )HVW-
VWHOOXQJGHQQRI¿]LHOOHÄ:HOWPHLVWHUVFKDIWHQ³XQGÄ:HOWUDQJOLVWHQ³JDEHVGDPDOVGRUW
sowenig wie in anderen Sportarten. Umso mehr fällt auf, dass sich dieser Möglichkeits-
sinn für einen weltweit-gleichzeitigen Leistungsvergleich anschließend rasch verfestigte
und heute längst nicht nur im Schach und Sport, sondern auch in anderen Bereichen
üblich geworden ist.
Die Innovationen des späten 19. Jahrhunderts sind aus unserer Sicht also deshalb von
so grundlegender Bedeutung, weil sie globale Möglichkeitshorizonte erschlossen, in die
faktische Globalisierungsprozesse im 20. Jahrhundert, soweit sie eintraten, gleichsam
hineinwachsen konnten. Da sich diese Logik bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts etablierte, trägt ihre Rekonstruktion nicht nur zur Erklärung der Transforma-
tion lokaler Wettkampfkulturen in (dem Anspruch nach) globale Sportarten bei, sondern
auch zur Erklärung der überraschenden Tatsache, dass spätere technologische Neuerun-
24 Die passende Selbstbeschreibung zu diesem Argument: „Strictly speaking, ‘the football world’
embraces everyone who plays, or in some ways administers, the game of association football,
but in England and Wales the focal point of the football world is the Football League, which was
IRXQGHGLQ³:DJJ1984, S. 3).
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383Wie ist Globalisierung möglich?
gen keine grundlegenden Strukturänderungen mehr anstoßen konnten.25 Alle Innovatio-
nen oder Entwicklungstrends, die im 20. Jahrhundert hinzukamen, wie insbesondere die
zunehmende Regulierungskraft von internationalen Verbänden oder die Popularisierung
vieler Sportarten durch neue Verbreitungs- und Massenmedien, lassen sich vor diesem
Hintergrund als Stabilisierung und Ausweitung eines Ende des 19. Jahrhunderts etab-
lierten Vergleichsarrangements lesen. Es ist dieser für den modernen Sport konstitutive
Möglichkeitssinn, der sich zeigt, nähert man sich der Geschichte des Sports mit Inter-
esse an den Möglichkeitsbedingungen nicht nur von Differenzierungs-, sondern auch von
Globalisierungsprozessen.
4 Abschließende Bemerkungen
Wir sind in diesem Aufsatz von der Prämisse der Unwahrscheinlichkeit der Globalisie-
rung ausgegangen und haben am Beispiel der Geschichte von moderner Naturwissen-
schaft und modernem Wettkampfsport untersucht, welche historischen Konstellationen
gegeben sein mussten, damit diese Unwahrscheinlichkeitsschwelle überwunden wer-
GHQNRQQWH 1DWXU:LVVHQVFKDIWZLH 6SRUW VLQG)HOGHULQ GHQHQ GLHVHhEHUZLQGXQJ
gelang. Deshalb bietet es sich an, diese Konstellationen als Vergleichsfolie zu nutzen, um
Globalisierungsdynamiken, aber auch Globalisierungsgrenzen in anderen Bereichen zu
untersuchen. Wir haben zunächst zwischen einer Vernetzungs- und einer Beschreibungs-
dimension der Globalisierung unterschieden und vorgeschlagen, die Beschreibungs-
dimension der Globalisierung über eine Analyse der Voraussetzungen und Effekte von
Vergleichskommunikationen]XSUl]LVLHUHQ$XVJHKHQGYRQ GLHVHQ hEHUOHJXQJHQ
haben wir ein allgemeines Erklärungsmodell vorgestellt, wonach verschiedene Bedin-
gungen zusammen kommen müssen, damit sich eine Globalisierungsdynamik entfalten
kann (2.2). Anschließend haben wir gezeigt, wie und unter welchen historischen Konstel-
lationen sich diese Dynamik in naturwissenschaftlichen Disziplinen (3.1) und modernen
Sportarten (3.2) etabliert und eine Dekontextualisierung aus sozialen und lokalen Rest-
riktionen ermöglicht hat. Dem Aufsatz liegen zwei Entscheidungen zugrunde: Zum einen
die Entscheidung, die Möglichkeitsbedingungen von Globalisierungsprozessen an zwei
ÄHUIROJUHLFKHQ³)lOOHQ]XXQWHUVXFKHQRKQHGDPLW]XVXSSRQLHUHQGDVVGLHVH%HGLQJXQ-
gen in jedem Fall gegeben sind, d. h. ohne zu unterstellen, dass Globalisierung immer
der wahrscheinliche Ausgang ist. Zum andern die Entscheidung, uns zunächst auf die
Erklärung des Globalisierungspotenzials einzelner sozialer Felder zu beschränken und
GLH %HGLQJXQJHQ LKUHU IDNWLVFKHQ JOREDOHQ ([SDQVLRQ YRUOlX¿J DXV]XNODPPHUQ =XP
Abschluss möchten wir diese beiden Punkte, Generalisierungsfähigkeit des Modells und
faktische globale Expansion, aufgreifen und einige weiterführende Vermutungen formu-
lieren. Dafür stellen wir erstens die Gemeinsamkeiten und Differenzen heraus, die die
25 Die Verknüpfung dieser beiden Motive ist ein Vorzug dieses Erklärungsmodell gegenüber alter-
nativen Erklärungsansätzen, die die Genese des modernen Sports stärker auf andere Faktoren,
LQVEHVRQGHUHGLHWUDJHQGH5ROOHYRQ.ODVVHQZLHGHUHQJOLVFKHQÄPLGGOHFODVV³RGHU2UJDQL-
sationen (Verbände) zurückführen; zur Auseinandersetzung mit diesen und weiteren Argumen-
ten näher Werron (2010, S. 383 ff.; S. 421 ff.).
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384 B. Heintz und T. Werron
von uns dargestellten Felder miteinander teilen oder voneinander trennen, deuten zwei-
tens)UDJHQDQGLHVLFKEHLP9HUVXFKGHUhEHUWUDJXQJGHV0RGHOOVDXIDQGHUH)HOGHU
ergeben, und schließen drittensPLWHLQLJHQhEHUOHJXQJHQZHOFKHV/LFKWGLHVHV0RGHOO
auch auf faktische globale Expansionsprozesse werfen könnte.
1) Bevor wir den generalisierungsfähigen Kern unseres Erklärungsmodells herausstel-
len, seien kurz einige Unterschiede zwischen den beiden Untersuchungsfällen genannt.
Elektrische Kommunikationstechnologien, in dem hier analysierten Zeitraum vor allem
die elektromagnetische Telegraphie, scheinen im Sport für die Ingangsetzung der Dyna-
mik eine wesentlichere Rolle gespielt zu haben als in der Wissenschaft. Umgekehrt waren
wissenschaftliche Disziplinen offenbar stärker auf eine Normierung der Kommunikation
DQJHZLHVHQ8QGVFKOLHOLFKVWDQGLP6SRUWGLHhEHUZLQGXQJräumlicher Begrenzungen
LP9RUGHUJUXQGZlKUHQGHVLQGHU:LVVHQVFKDIWYRUDOOHPXPGLHhEHUZLQGXQJsozialer
Beschränkungen ging.
Vor dem Hintergrund dieser Differenzen fallen die grundlegenden Gemeinsamkei-
ten umso stärker auf. In beiden sozialen Feldern beginnen oder stabilisieren sich in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vergleichbare Entwicklungen: 1) Sowohl in den
Naturwissenschaften wie auch im Sport wird der Nachschub von Vergleichsereignissen
auf Dauer gestellt. Man kann nun erwarten, dass Publikationen regelmäßig erscheinen
und Wettkämpfe kontinuierlich durchgeführt werden. 2) In beiden Feldern ist die Ten-
denz zu erkennen, Vergleichbarkeit herzustellen. Im Sport geschieht dies über die Ver-
einheitlichung von Wettkampfregeln, in der Wissenschaft über eine Standardisierung
der Maßeinheiten und der methodischen Verfahren. 3) Gleichzeitig kommt es zu einer
zunehmenden Generalisierung und Verfeinerung der Vergleichskriterien, die sich in den
Naturwissenschaften u. a. an der Ausdifferenzierung immer neuer Spezialdisziplinen
sowie am Entstehen der Wissenschaftstheorie ablesen lässt, im Sport an der Prolifera-
tion neuer Vergleichsschemata wie Tabellen, Rekorden und Statistiken, über die sich die
für den modernen Sport typische Vorstellung einer gleichzeitigen Leistungsvergleichs
unter Abwesenden durchsetzte. 4) Schließlich ist in beiden Feldern die Etablierung eines
öffentlichen (Vergleichs-) Diskurses zu beobachten, der sich an ein (unterstelltes) anony-
mes Publikum richtet. Im Sport nimmt dieser öffentliche Diskurs die Form einer kontinu-
ierlichen Sportberichterstattung an, die sich zunächst in einer Fachpresse mit lokal oder
national beschränktem Vergleichshorizont etabliert, in der Wissenschaft konkretisiert er
sich in Form der regelmäßig erscheinenden Fachzeitschrift, mit der sich die Konvention
durchsetzte, neben eigenen Wahrheitsansprüchen zugleich den Forschungsstand eines
Faches in Form von Zitationen, Berichten zum Forschungsstand usw. präsent zu halten.
Und in beiden Fällen etablieren sich über spezielle Publikationsformen Unterscheidungen
zwischen Beobachtungen erster Ordnung (Formulierung eigener Wahrheitsansprüche;
Berichterstattung über einzelne Wettkämpfe) und Beobachtungen zweiter Ordnung (Ein-
ordnung und Bewertung im Vergleich mit weiteren Publikationen und Wettkämpfen), die
als Katalysator dieser Vergleichsdynamik wirken.
Dieses Zusammenspiel bezeichnet den generalisierbaren Kern unseres Erklärungs-
modells. Das Modell impliziert die Vermutung, dass überall dort, wo diese Bedingun-
gen zusammenkommen, eine Globalisierungsdynamik entsteht. Wo dies nicht der Fall
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385Wie ist Globalisierung möglich?
ist, erwarten wir folglich Globalisierungsgrenzen.26 Wie wir gezeigt haben, waren diese
Bedingungen in der Wissenschaft vor allem in der Mathematik und den experimentell
verfahrenden Naturwissenschaften gegeben. Dies mag mit ein Grund dafür sein, dass es
JHUDGHGLHVH EHLGHQ'LV]LSOLQHQJUXSSHQVLQGGLHVLFK IUÄGLH³:LVVHQVFKDIWDOV5HIH-
renzmodelle etablieren und andere Fächer in ihren Sog ziehen. Um als „wissenschaft-
OLFK³]X JHOWHQPVVHQVLFKGLHDQGHUHQ 'LV]LSOLQHQGLHVHP0RGHOOLQJHZLVVHU:HLVH
unterwerfen. Tun sie das nicht, stehen sie unter besonderen Rechtfertigungszwängen.27
Im (Leistungs-)Sport gibt es keine einzelne Sportart, die als Referenzmodell für alle
anderen verstanden wird, das Bezugsmodell ist in diesem Fall die von uns beschrie-
EHQH DOOJHPHLQH .RQ¿JXUDWLRQ KLHUDUFKLVLHUWHU :HWWNDPSIEHWULHE 9HUHLQKHLWOLFKXQJ
der Wettkampfbedingungen, differenzierte und (möglichst) objektivierbare Leistungs-
kriterien. Gemäß unserem Modell ist folglich zu vermuten, dass Sportarten, die diese
Bedingungen nicht oder nur partiell erfüllen, zum einen ein nur beschränktes Globali-
sierungspotenzial aufweisen (etwa wenn die weltweite Vereinheitlichung der Regeln nur
HLQJHVFKUlQNWJHOLQJWXQG]XPDQGHUHQPLWGHU$QHUNHQQXQJDOVÄZLUNOLFKHP³6SRUW]X
kämpfen haben, so beispielsweise der Eiskunstlauf, dessen Beurteilung auf qualitativen
Einschätzungen und nicht auf Leistungsmessungen oder -zählungen beruht.28
2) Damit zur Frage, inwieweit unser Erklärungsmodell auch auf andere soziale Felder
übertragbar ist, oder, anders formuliert, inwieweit in anderen Bereichen, etwa Politik,
Wirtschaft oder Kunst, ähnliche Bedingungskonstellationen zu konstatieren sind, denen
ebenfalls ein eigenständiges Globalisierungspotenzial zugeschrieben werden kann. Wir
können dies hier nur knapp am Beispiel Wirtschaft andeuten. Es gibt seit Jahrtausen-
den grenzüberschreitende und kontinentübergreifende Handelsbeziehungen, die manche
Globalisierungsforscher veranlasst haben, mindestens seit dem 16. Jahrhundert von der
Existenz eines Weltsystems auszugehen (repräsentativ Wallerstein 2004). Legt man unser
Erklärungsmodell zugrunde, drängt es sich auf, statt auf grenzüberschreitende Handels-
EH]LHKXQJHQÄ9HUQHW]XQJ³DXIÄEHVFKUHLEHQGH³)DNWRUHQ|NRQRPLVFKHU*OREDOLVLHUXQJ
abzustellen und nach den Bedingungen der Möglichkeit globaler Märkte zu fragen. Illus-
trieren lässt sich dies an Analysen globaler Finanz- und Währungsmärkte. Karin Knorr
Cetina und Urs Brügger (2002) haben gezeigt, wie sich computergestützte Währungs-
PlUNWHLQHLQHP=XVDPPHQVSLHOYRQ.RQWDNWHQ]ZLVFKHQGHQ+lQGOHUQÄQHWZRUNLQJ³
XQGIUDOOHJOHLFK]HLWLJ ]XJlQJOLFKHQ 0DUNWEHVFKUHLEXQJHQ ÄVFRSLQJ³NRQVWLWXLHUHQ
26 Damit ist selbstverständlich nicht impliziert, dass nicht auch komplementäre Erklärungen denk-
bar sind. Am Beispiel wissenschaftlicher Disziplinen: so können etwa die weltweite Verbreitung
der Untersuchungsgegenstände und die Angewiesenheit auf die Unterstützung durch „einheimi-
VFKH³:LVVHQVFKDIWOHUHLQHQHLJHQVWlQGLJHQ*OREDOLVLHUXQJVHIIHNWKDEHQZLHGLHV]%LQ GHU
Ethnologie der Fall ist. Solche Zusatzerklärungen stellen aber die Gültigkeit unseres Modells
nicht infrage, sondern ergänzen es.
27 Zur Illustration vgl. die vor allem in der Ethnologie ausgetragene Kontroverse um die vom Fras-
FDWL+DQGEXFKGHU2(&'YRUJHVFKODJHQH'LV]LSOLQHQNODVVL¿NDWLRQKLHU]XDQVFKDXOLFK.DXEH
(2011).
28 (LQH%HVWlWLJXQJIUGLHVH7KHVHELHWHQGLHLQVROFKHQÄVSRUWXQW\SLVFKHQ6SRUWDUWHQ³]XEHRE-
achtenden Versuche, sich den typischen Leistungskriterien anzunähern, im Eiskunstlauf etwa
GXUFKHLQQHXHV:HUWXQJVV\VWHPÄ,68-XGJLQJ6\VWHP³GDVGLH(LQIKUXQJYRQÄRI¿]LHOOHQ
:HOWUHNRUGHQ³HUP|JOLFKW
Author's personal copy
386 B. Heintz und T. Werron
Folgt man unserem Modell, müssten sich globale Märkte generell in einem Zusammen-
VSLHODXV|IIHQWOLFKHP9HUJOHLFKVGLVNXUVDQDORJ]XPÄVFRSLQJ³LQGHU7HUPLQRORJLHYRQ
Knorr Cetina und Brügger), Produktion von Vergleichsereignissen (hier Angebote und
Transaktionen zu bestimmten Preisen), Herstellung von Vergleichbarkeit (Produktstan-
GDUGV ZLH Ä:lKUXQJHQ³ XQG JHQHUDOLVLHUWHQ 9HUJOHLFKVNULWHULHQ :lKUXQJVNXUVH XQG
andere preisbildende Informationen) formieren und sich auch auf ihre historischen Entste-
hungsbedingungen untersuchen lassen. Die bestehenden Hinweise legen die Vermutung
nahe, dass sich globale Märkte ähnlich wie moderne Sportarten erstmals zwischen den
1860er und 1880er Jahren formiert haben, als der sogenannten Weltverkehr (inbesondere
die Telegraphie) die Voraussetzungen für die Unterstellbarkeit gleichzeitiger Informier-
heit anonymer Marktteilnehmer geschaffen hatte (zu Finanzmarkt-Tickern des späten
19. Jahrhunderts Preda 2006). Ganz in diesem Sinne konstatierte ein früher Analytiker
der Weltwirtschaft, August Sartorius von Waltershausen, bereits Ende der 1920er Jahre,
dass die Entstehung der Weltwirtschaft „zwischen den sechziger und achtziger Jahren des
YRULJHQ-DKUKXQGHUWV³DQ]XVHW]HQVHL6DUWRULXVYRQ:DOWHUVKDXVHQ1929, S. 892; ähnlich
in der neueren Literatur Walter 2001; O’Rourke und Williamson 1999).29
Ein wichtiger theoretischer Ertrag solcher historischer Studien könnte darin bestehen,
konkretere Vorstellungen der Beziehungszusammenhänge zwischen Verbreitungsmedien
und Globalisierungsprozessen zu entwickeln. Solche Beziehungszusammenhänge wer-
den in der Globalisierungsliteratur zwar immer wieder postuliert, etwa in den viel zitierten
)RUPHOQHLQHUÄWLPHVSDFHFRPSUHVVLRQ³+DUYH\1990) oder einer „time-space distancia-
WLRQ³*LGGHQV1990), sie sind aber noch kaum auf ihre sozialen Voraussetzungen und his-
WRULVFKHQ%HGLQJXQJHQEHIUDJWZRUGHQ'DVEHJQVWLJW]HLWGLDJQRVWLVFKHhEHUWUHLEXQJHQ
gegenwärtiger Veränderungen (hierzu kritisch Rosenberg 2005) und führt zu einem vagen
und zu voraussetzungsvollen Verständnis der Globalisierungsdynamik einzelner Felder.
Es fehlen, so können wir diese Kritik nun ergänzen, historische Problemformulierun-
gen, die von der Unwahrscheinlichkeit von Globalisierungsprozessen ausgehen. Unsere
EHLGHQ)DOOVWXGLHQKDEHQDP (LQÀXVV ZLVVHQVFKDIWOLFKHU )DFK]HLWVFKULIWHQ XQGWHOHJUD-
phisch gestützter Wettkampfberichterstattung im Sport zu zeigen versucht, dass sich der
Bedingungszusammenhang zwischen Globalisierungsprozessen und Verbreitungsmedien
wesentlich präziser fassen lässt, wenn man von einer Unwahrscheinlichkeitsprämisse
ausgeht und das hier postulierte Erklärungsmodell zugrunde legt.
3) Die Frage, unter welchen Bedingungen sich eine Disziplin, eine Sportart oder ein
anderes Teilsystem auch faktisch weltweit ausbreiten, hatten wir in diesem Aufsatz bewusst
zurückgestellt und uns allein auf die Bedingungen der Möglichkeit von Globalisierungs-
prozessen konzentriert. Selbstverständlich soll unser Erklärungsmodells langfristig auch
]XU(UNOlUXQJVROFKHUÄIDNWLVFKHUHQ³*OREDOLVLHUXQJVSUR]HVVHEHLWUDJHQ:LUYHUVWHKHQ
diesen Aufsatz aber auch als Plädoyer dafür, sich dieser Frage mit Vorsicht anzunähern.
Denn erstens ist es schwierig zu sagen, unter welchen Voraussetzungen man überhaupt
YRQHLQHPIDNWLVFKÄJOREDOLVLHUWHQ³6\VWHPVSUHFKHQZLOO,QZLHYLHOHQ/lQGHUQXQGYRQ
wie vielen Menschen muss eine sportliche/wissenschaftliche Disziplin praktiziert oder
beobachtet werden, um als globale Disziplin gelten zu dürfen? Zweitens führen bei nähe-
29 Wir danken Martin Bühler für den Hinweis auf diese Bemerkung von Sartorius von Waltershau-
sen.
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387Wie ist Globalisierung möglich?
rem Hinsehen vermutlich kontingente Wege von der Konstellation potenzieller globaler
9HUJOHLFKV]XVDPPHQKlQJHGLHVLFKKlX¿JEHUHLWVLPVSlWHQ-DKUKXQGHUWEHREDFKWHQ
lässt) zu einer mehr oder weniger stabilen Etablierung globaler Kommunikationszusam-
menhänge im 20. Jahrhundert. Erneut illustriert am Beispiel von Wissenschaft und Sport:
In vielen wissenschaftlichen Disziplinen scheint sich Globalisierung vor allem in Form
von Zentrum/Peripherie-Differenzierungen und Regionalisierungen realisiert zu haben
(Wagner und Leydesdorff 2005b), während in anderen, darunter die Soziologie, starke
nationale oder regionale Diskursbegrenzungen zu beobachten sind; und während manche
Sportarten (wie Fußball oder Leichtathletik) offenbar von der Regulierungsmacht inter-
QDWLRQDOHU2UJDQLVDWLRQHQZLH)LIDRGHU,$$)SUR¿WLHUHQKDEHQVLFKDQGHUHZLHGHU
professionelle Golfsport) auch ohne einen zentralen Verband als globale Sportart etab-
liert. Diese Besonderheiten bedürfen eigenständiger historischer Erklärungen und lassen
VLFKQLFKWRKQHZHLWHUHVDXIHLQHLQKlUHQWH*OREDOLVLHUXQJVG\QDPLNÄGHU:LVVHQVFKDIW³
RGHUÄGHV6SRUWV³]XUFNIKUHQ6FKOLHOLFKLVWHVdrittens eine offene Frage, inwieweit
die mehr oder weniger erfolgreiche Stabilisierung globaler Kommunikations- und Ver-
gleichszusammenhänge mit faktischen Inklusions- und Exklusionseffekten einhergeht,
indem z. B . lokale Wissensformen verdrängt, umgedeutet oder auf regionale Traditionen
reduziert werden. Diese Offenheit zu betonen ist umso wichtiger, als es bisweilen über-
UDVFKHQGH6SLHOUlXPHIUZLGHUVWlQGLJH$QHLJQXQJHQVRZLHIUGDVÄGHFRXSOLQJ³ORNDOHU
Strukturen von globalen Erwartungen zu geben scheint (interessante Fallanalysen hierzu
bei Wimmer 2001; Hafner-Burton und Tsutsui 2005).
Unser Erklärungsmodell, das auf öffentliche Vergleichsprozesse abstellt, hebt diese
Probleme nicht etwa auf, sondern betont und schärft sie: Wie unterscheiden sich diese
öffentlichen Globalisierungsdynamiken von solchen, denen eine oder mehrere der von
uns postulierten Voraussetzungen fehlen? Welche Gräben können sich zwischen öffentli-
chen Vergleichs- und Globalisierungsdynamiken einerseits, geheimen, sozial oder lokal
OLPLWLHUWHQ3UDNWLNHQDQGHUHUVHLWVDXIWXQ]%*HKHLPZLVVHQVFKDIWHQORNDOVSH]L¿VFKH
und/oder kulturell codierte Sportarten, Schwarzmärkte etc.)? Legt man das hier vorge-
schlagene Erklärungsmodell zugrunde, erweisen sich Zusammenhänge zwischen dem
Globalisierungspotenzial und der faktischen globalen Ausbreitung dieser Felder demnach
als ähnlich voraussetzungsvoll wie die Entstehung von Globalisierungsdynamiken, die,
wie wir in diesem Aufsatz zu zeigen versucht haben, unwahrscheinlich, voraussetzungs-
voll und folglich erklärungsbedürftig sind.
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394 B. Heintz und T. Werron
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von Funktionssystemen, Soziale Systeme 13, 2007.
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... Im Gegenteil könnte man sagen, dass internationale Großereignisse auf einer eindeutigen Regellage beruhen. Die Globalisierungd es Sports hängts omit, und damit schließt sich in gewisser Weise der Kreis zur eingangs dargestellten Ausweitung des Teilnehmerfeldes der Fußball-Weltmeisterschaft, an einer Durchsetzung einheitlicher und verbindlicherR egelungen (Heintz und Werron 2011). Sexuelle Vielfalt und identitäre Heterogenität können so nicht abgebildet werden. ...
... Standardization and expansion are therefore demanding processes which require practices and routines to produce permanence, uniformity, normativity/universalization, and comparability. This points to the importance of cultural-discursive processes and practices of categorization, theorization, and narration that generate cultural connections, generalizing abstractions, comparative criteria, and normative expectations through communication (among others: Heintz & Werron, 2011;Stichweh, 2008;White, 2008;Strang & Meyer, 1993). ...
Article
Full-text available
This article takes a closer look at the coming-into-being of grades and grading as these two can be considered a part of Tyack and Tobin's "grammar of schooling". As such, the history of these powerful tools will be explored in two cultural spheres, Germany and the USA. Even though the worked-on entity is pluralistic and messy in nature, this article will show that the educational planners' motivations have been similar in both cases and-regarding the hexamerous grading scheme-that a connection between Germany and the USA exists. In a second step, these findings will be theorized from a neo-institutionalist's perspective. The article ends with a reflection on everyday teaching practice regarding grades and grading.
Chapter
Comparisons affect various ways of perceiving and interpreting the world, characterized by distinct legitimization strategies and knowledge application routines by different actors. The contributors to this volume explore the link between change and practices of comparing, focusing on order, representation, and models. They delve into how comparing influences knowledge production, but also focus on persisting orders of knowledge. This collection centers on the role of models and modeling in relation to practices of comparing, thus highlighting the representational and operational force of comparing as a way to form and organize reality.
Article
This article discusses one of the first books nominated for the Nobel Prize in Literature, Franz Kemény’s Entwurf einer internationalen Gesammt-Academie: Welt-Academie (1901), and how it relates to questions about institutions and infrastructures of world literature. It demonstrates the thematic relationship between Kemény’s draft and early discussions on how to organize the selection process of the Nobel Prize and shows that the connection between text and prize consists of more layers than merely the formal nomination. Kemény’s book, as this article shows, addresses the prize founder as well as the executing institution in its paratextual framing, rates the Nobel Institute’s possible impact and gives further insight into how global infrastructures of literature were imagined at the time of the Nobel Prize’s establishment.
Chapter
This chapter explores the first documents demarcating human rights’ manifestation as an idea and then the way its meaning has changed, in particular, over the latter half of the twentieth century. In doing so, it foremost outlines the reinforcing relationship between state sovereignty and human rights orchestrated within the metaframe of modernity. It explicates the contribution of the human rights principle of equality to the midcentury phenomena of decolonization and of the rise of the nation-state model into the universal form of political organization. In further steps, this chapter outlines the relationship of societal sacralization of the individual—a concept fundamental to modernity and human rights—to society’s ever greater differentiation of the category of “human” (i.e., into social groups like LGBTILesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersex (LGBTI) persons), which will include discourse on the effect of social movements on the conception of new categories. In concluding, this chapter shows how human rights and development cooperation become more closely linked―a development I argue, that challenges the very notion of state sovereignty even more.
Chapter
This article is in line with Reinhold Hedtke’s work on the sociology of markets. It addresses a particular type of market, namely transnational labor markets. Hitherto, the latter have neither been empirically investigated nor systematically theorized. To analyze this increasingly important phenomenon, it is suggested that researchers draw upon theoretical categories developed in the sociology of markets. In addition, a research heuristic is developed that can serve to guide pertinent empirical studies. The heuristic can also be used in classes in the context of socio-economic education.SchlüsselwörterMarktsoziologieTransnationale ArbeitsmärkteForschungsheuristikKeywordsSociology of marketsTransnational labor marketsResearch heuristic
Article
This introduction does two things. On the one hand, it explains why investigating the history of the International Statistical Institute is of interest not only for students of the history of statistics, but also for those tackling more general questions like the relationship between power and knowledge; the scope and development of globalization; or the closely entangled genesis of ‘the national’ and ‘the international’. On the other hand, it introduces the individual papers of this special issue and highlights how the authors contextualize the organization in the outlined more general historiographic framework.
Article
This paper analyzes what may be called Olympic Internationalism as a framework for comparing literatures in the early twentieth century. Specifically, it analyzes the practice of tabulating information about the Nobel Prize—in the Swedish Academy, the international press, and repositories of general knowledge such as encyclopedias—and argues that the international circulation of such “thin knowledge” (Orsini) formed the very basis for that framework of comparison. This, it is further argued, played a crucial role in shaping the international perception of what world literature is and in making the Nobel Prize in Literature what it is: a globally acknowledged “world prize.”
Chapter
Chapter five develops a metatheoretical framework that is intended to capture different levels of social reality in their interdependencies without reducing them to their specific properties. Macrostructures are not the conscious creation of social actors and these are not only structurally determined in their actions. The chapter tries to capture this metatheoretical relationship between the macro and the micro levels of the social through an excursion into the scientific debate on social emergence. It suggests to understand modernization as a process of social emergence. This perspective not only allows to connect unity and difference in modernity, but it also makes the question of the spatial and historical origin of modernity theoretically obsolete. An emergent concept of modernity liberates us from the search for modernity’s historically concrete beginnings in space and time. As a result of sociocultural evolution, modernity arises in different places at different times simultaneously. The second part of the chapter substantiates this thesis based on theories of emergence with several examples derived from Muslim history in looking for traces of an autochthonous emergent modernity in Islam.
Book
This book describes the development of the scientific article from its modest beginnings to the global phenomenon that it has become today. Their analysis of a large sample of texts in French, English, and German focuses on the changes in the style, oganization, and argumentative structure of scientific communication over time. They also speculate on the future currency of the scientific article, as it enters the era of the World Wide Web. This book is an outstanding resource text in the rhetoric of science, and will stand as the definitive study on the topic.
Book
This book provides a concise, up-to-date survey of one of the most dramatic changes in the cultural life of Victorian and Edwardian Britain, the radical transformation which occurred in the extent and nature of its participation in sport. Neil Tranter focuses on the issues which have attracted most interest from historians of sport and poses a number of important questions: did levels of involvement in sport increase or decrease during the initial stages of urban-industrialisation? When did the new sporting culture first emerge, and what were its principal features and the mechanisms through which it spread? What were the main aims of the participants and supporters, and to what extent were these aims achieved? The author also discusses the economic consequences of this cultural change and the examines the role of women in this sporting 'revolution' and asks why their participation was so much more restricted than that of men.